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Author's Chapter Notes:

 

Wir wechseln die Erzählperspektive und auch das Tempus, vom Präsens zum Präteritum/Perfekt, weil Kendra hier nicht mehr als Erzählerin und Protagonistin fungiert. Der Schluss wird - wie sollte es anders sein - am Samstag gepostet und dieser beinhaltet dann eine Erstveröffentlichung von mir, doch bis dahin... Geduld! :pfeif:










 

Schlug nicht von fern‘ die alte Kirchturmuhr?
Wie mir auf einmal eng die Kehle wird,
und trüb das Auge wird, wie kommt das nur,
als hätt ein Stäubchen sich hinein verirrt. -
Da winkt die Linde schon von weitem her,
und jeder Stein am Wege sieht mich an.
Was ist es nur, das ganz von ungefähr
den harten Sinn so seltsam rühren kann!
Es will mich bergen wie in Flaum und Pfühl;
die Hände falten sich wie einst zur Nacht:
Heimat ist wie von Gott ein tief Gefühl,
das auch den rauen Mann zum Kinde macht.

(Heimkehr, Joachim Winterfeld von Damerow)

Richards Kopf schmerzte wie irre. Außerdem klebte seine Zunge am Gaumen, sein Mund fühlte sich total ausgetrocknet an und er spürte alle Knochen seines Körpers wie sonst nur nach einer Schlacht. Ein langgezogener Schrei ließ ihn zusammenzucken und mit viel Mühe gelang es ihm, die Augen zu öffnen. Er lag auf dem steinernen Fußboden vor seinem Bett und sein Leibdiener stand fassungslos vor ihm.

Dieser jammerte: „Das kann nicht sein! Es ist unmöglich. Das ganze Schloss haben wir nach Euer königlichen Gnaden abgesucht und ich hätte schwören mögen, dass Ihr nicht in Eurem Gemach wart, als ich das letzte Mal hier nachgesehen habe. Und doch... Ihr seid's!"

„Du kreischst schlimmer als ein Waschweib und vor allem - zu laut. Hilf mir auf, du Tölpel. Ich... ich hatte einen fürchterlichen Traum."

„Eurem Zustand nach zu urteilen habt Ihr eher fürchterlich gezecht."

„Keine Frechheiten, Rob. Wie befindet sich die Duchess, meine Mutter?"

„Sie wird froh sein zu hören, dass man Euch gefunden hat. Sie hat sich ziemlich aufgeregt, als sie von Eurem Verschwinden unterrichtet wurde."

Richard kratzte sich am Kopf, unterließ es aber sogleich wieder, weil es unglaublich wehtat und er plötzlich Blut an seinen Fingern hatte.

„Meinem Verschwinden?"

„Ja, man hat mehrere Stunden über geglaubt, Euer Gnaden wäre spurlos verschwunden. Bei Gott, Ihr müsst Euch beim Sturz aus dem Bett den Kopf übel angeschlagen haben. Ich schicke nach dem Arzt, wenn's recht ist?"

„Nein. Oder... ja, gut. Es kann nicht schaden, wenn sich's einer ansieht."

„Dürfte ich Euer Gnaden dann bitten, die Kleidung zu wechseln? Das was Ihr tragt, sieht nahezu ähnlich mitgenommen aus wie Ihr."

„Robert, es reicht langsam!"

Mit sichtlich gequältem Gesichtsausdruck ließ der König sich aus der Kleidung helfen, die sein Leibdiener dann pikiert wegtrug. Doch nach nicht einmal einer Minute war er wieder da.

„Euer Gnaden?"

„Hmh", knurrte Richard unwirsch.

„Ich habe ein Stück Papier in Eurem Wams gefunden. Es sieht wie ein zusammengefalteter Brief aus. Was soll damit geschehen?"

„Zeig her."

Robert reichte dem König das Papier und dieser stutzte.

Es stand in sehr komischen Buchstaben, aber halbwegs leserlich drauf „An Lady Elizabeth of York, Castle Sheriff Hutton, Yorkshire, England".

Konnte das wahr sein?

Nach kurzem Zögern gab Richard das Schriftstück an Robert zurück.

„Es ist an meine Nichte Elizabeth gerichtet. Sieh zu, dass sie es so schnell wie möglich erhält. Es ist nicht von mir verfasst."

„Das sehe ich. Eure Schrift ist anders. Nach Sheriff Hutton also?"

„Ja, unverzüglich."

„Ich habe übrigens jemanden zu Eurer Mutter geschickt, um ihr...", er hatte den Satz noch nicht vollendet, da stand auch schon die Dowager Duchess of York in der Tür.

„Dickon!"

„Mutter. Schön, Euch zu sehen."

„Wo bist du mehr als einen halben Tag lang nur gewesen? Alle Welt hat nach dir gesucht. Ich war sehr in Sorge und dachte schon... dachte, ich müsse England an deiner statt regieren."

Richard erhob sich langsam, um die Schmerzen in Grenzen zu halten, trat auf seine Mutter zu und küsste sie auf die Stirn: „Ich wüsste niemanden, dem ich das lieber anvertrauen würde. Ihr würdet Euch trefflich als Herrscherin machen."

„Puh, Dickon, du riechst wie eine ganze Weinhandlung. Ich will nicht hoffen, dass du im Dorf mit den Bauern getrunken hast, denn so kommt es mir nach dem penetranten Geruch, der von dir ausströmt geradezu vor. Und die Wunde auf deinem Kopf! Der Arzt wird gleich da sein, mein Junge."

„Mutter, ich bin zweiunddreißig Jahre alt. Behandelt mich bitte nicht wie ein Säugling."

„Ganz wie du wünschst. Ich lasse dich nun allein, damit du baden und versorgt werden kannst. Auf später."

Als Richard mit einem Kopfverband im Badezuber lag, kehrte langsam die Erinnerung an das wieder, was er zunächst als Traum bezeichnet hatte. Das Badezimmer bei Kendra! Die komischen Apparaturen - zum Wasserkochen, zum Kühlen von Trinkbarem und Essen, diese Maschine fürs Inter... Internetz, wie er von seinem eigenen Todesdatum erfahren hatte und schließlich der Wein, der Perlwein, der aufreibende Abschied voneinander - der Kuss. Sie musste ihm das Briefchen an Elizabeth bei dieser Gelegenheit zugesteckt haben. Eine kluge Frau. Es tat ihm nun weh, dass er sie zurückgelassen hatte. Doch so wie er sich in ihrer Welt nicht zurechtgefunden hätte, so wäre es ihr in seiner Welt, in einer anderen Zeit, auch ergangen. Es wäre nicht gutgegangen.  

Er ließ sich im Wasser zurückgleiten und dachte darüber nach, ob er es in drei Monaten schaffen würde, die Badekultur in wenigstens einem oder zwei seiner königlichen Residenzen an das bei Kendra Gesehene mit den ihm zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln in etwa anzugleichen. Ein extrem schwieriges Unterfangen. Er würde viel zu tun haben bis August.

In einem Tag fünfhundertdreißig Jahre vor und zurück gereist zu sein, machte müde, hungrig und durstig. Richard aß mit sehr gesundem Appetit, trank, dieses Mal aber mit Most und Wasser verdünnten Wein, damit dieser ihm nicht wieder so sehr zu Kopf stieg und fiel dann zu einer Stunde in einen sehr tiefen Schlaf, zu der er normalerweise nie ins Bett ging. Aber er war froh um diesen Schlaf, da er ausnahmsweise mal recht lang und erholsam war.

Keine drei Wochen später, es war bereits Juni, er befand sich mittlerweile auf Kenilworth Castle in Warwickshire, seine Kopfwunde war recht gut verheilt und er war wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, wurde ihm Besuch gemeldet:

„Euer Gnaden, Lady Elizabeth of York ist soeben im Schloss eingetroffen."

Nervös sprang er auf und ließ dabei achtlos einen Stapel Papier und seine Schreibfeder fallen.

„Führt meine Nichte sofort zu mir."

Wenige Minuten später stand sie vor ihm, ermüdet von der Reise, aber mit klaren, leuchtenden Augen. Bei seinem Anblick versank sie in eine Reverenz, errötete sichtbar, wagte es aber schließlich, aufgrund seines anhaltenden Schweigens als erste zu sprechen, wenngleich sie sich zunächst räuspern musste, um das Wagnis anzugehen.

„Ähm, hmh... ich bekam eine sehr merkwürdige Nachricht, nicht von Eurer Hand, Euer Gnaden, eher wie aus einem gedruckten Buch, und doch folgte ich der Aufforderung, so schnell wie möglich zu Euch zu kommen, mein Onkel und König."

Endlich redete auch Richard, seine Stimme klang nicht weniger belegt als ihre: „Ich bin erfreut, Euch zu sehen, Mylady, sehr erfreut sogar. Und natürlich dürft Ihr Euch erhaben. Darf ich den Brief sehen, den man Euch schickte?"

„Ungern. Aber da es wohl keine Möglichkeit gibt, es Euch zu verweigern - hier ist er."

Elizabeth zog das Papier aus einer kleinen Tasche in ihrem Umhang und reichte es Richard, wobei sich ihre und seine Finger kurz berührten. Ihre Blicke kreuzten sich teils verlegen, teils viel sagend, doch dann las er rasch.

„Fragt nichts, so merkwürdig Euch alles auch vorkommt. Tretet sofort nach Erhalt des Briefes die Reise zu Eurem Onkel, König Richard, an, ohne jegliches Zögern und Zaudern. Macht ihn glücklich, Mylady, denn er hat es verdient.

P.S. Er liebt Euch

P.P.S Jemand, der es sehr gut mit ihm und Euch meint"

Richard sah auf und bemerkte die Tränen in Elizabeths Augen. Er zog sie langsam in seine Arme und hatte mitnichten vor, sie in den kommenden Stunden und Tagen daraus wieder zu entlassen.

 






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