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Story Notes:

 

Die Story ist weder eine Kurzgeschichte noch ein Roman, stellt euch auf irgendetwas dazwischen ein. Außerdem habe ich während eines Großteils der Geschichte auf die übliche Erzählweise verzichtet und alles im Präsens und in Ich-Form geschrieben. Jedes Kapitel beginnt übrigens mit einem Gedicht, das üblicherweise auf die direkten Vorgänge im jeweiligen Kapitel hinweist. 

Ort und Zeit: Berkhamsted, Hertfordshire, Mai 2015... 

© 2015 Doris Schneider-Coutandin

 

Author's Chapter Notes:

 

 










 

Zeit vergeht,
So wie die Welt sich dreht.
Es ist wie ein Traum,
Zwischen Wahrheit, Zeit und Raum,
Wie die Ewigkeit,
Einer längst vergang' nen Zeit,
Wie die dunkle Nacht,
Die im neuen Tag erwacht.
Es ist Zeit, Traumreisezeit,
Zeitreise in die Unendlichkeit.

(Zeitreise, Gerhard Stadler)

Gut, zugegeben, ich hatte schon immer ein Faible fürs Mittelalter. Das fing mit der Arthur-Legende an und zog sich über die Robin-Hood-Geschichten bis zu den Anfängen der Tudors hin. Obwohl... letztere mochte ich schon nicht mehr so, aber ich meine dies nun auch mehr zeitlich betrachtet.

Ich habe Burgen und Festungen zuhauf besucht, klar. Ich habe an Mittelalter-Festen und -Lagern teilgenommen, natürlich alles möglichst authentisch, was Ausstattung und Kleidung betrifft. Ich kann sogar - mehr schlecht als recht - mit dem einhändigen Schwert umgehen und auf dem Lagerfeuer Essen (ohne Kartoffeln und derlei, versteht sich!) bereiten. Man meint, ein Gefühl für die Lebensart und Lebensweise zu bekommen und exportiert sich gern für eine überschaubare Zeitspanne in diese Welt hinein. Man befindet sich dann in so einer Art Zeitblase. Denkt man zumindest. Das alles geht für ein paar Stunden, ein Wochenende, danach setzt man sich wieder retour, auf Normalzustand. Schön bequem, elektrisches Licht, Zentralheizung, Internet-Zugang überall, Hybridauto. Mittelalter ist schön, wenn man nicht ständig in dieser Welt leben muss. So ein bisschen Pause vom schnelllebigen Alltag und der Über-Technisierung, nicht wahr? Tut echt gut.

Sofern man nicht gerade ein totaler Freak in der Hinsicht ist, macht man so etwas auch nicht an jedem Wochenende. Es gibt also Wochenenden, und derer sind's nicht wenige, wo man zu Hause herum dümpelt. Länger schlafen ist angesagt, vielleicht ein ausgiebiger Shopping-Trip, vielleicht ein kleiner Ausflug, vielleicht ein bisschen Gartenarbeit, oder was sonst noch so anliegt. Da ich noch nicht lange da wohne, wo ich nun wohne, - de fakto bin ich erst vor wenigen Tagen umgezogen - kommt das Einrichten und Bewohnbar-Machen meines Domizils bei mir noch hinzu. Trotzdem kann man ja ausschlafen, es ist schließlich Samstag. Die unausgepackten Kisten - wie ich sie hasse! - können warten.

Ein ungewohntes Geräusch lässt mich jedoch aus meinem wohlverdienten Schlummer hochschrecken. Was war das? Ich schiele zum Uhrenwecker, der kurz nach sechs Uhr in der Früh anzeigt. Ah, vielleicht eine Katze, die im Garten herumturnt und irgendetwas umgestoßen hat. Hier auf dem Land gibt es bestimmt viele Katzen, die sicher gern in aller Herrgottsfrüh durch die Gegend streunen und dabei unter Umständen auch Lärm verursachen. Also, umdrehen, weiterpennen! Bevor mich das durchmischte Gefühl von Schläfrigkeit und Wohlbefinden wieder ins Land der Träume sinken lässt, fahre ich durch das nächste Geräusch jäh hoch und sitze senkrecht im Bett. Eine Katze scheint mir das nicht zu sein und aus dem Garten kommt der Krach garantiert auch nicht. Mehr aus... meiner Küche! Vielleicht hat sich ein der animalischen Gattung zugehöriges Was-weiß-ich-was versehentlich Zugang zur Küche verschafft und findet nun den Weg nicht mehr hinaus? Möglich ist alles, die Küche hat ja einen Hinterausgang zum Garten hin. Seufzend werfe ich die Decke von mir, schlüpfe in meine Pantoffeln, greife nach meiner Brille auf dem Nachttisch und schlurfe dann, tausend Verwünschungen murmelnd, in Richtung Küche.

Sekunden später finde ich mich in einem Alptraum wieder, dessen bin ich ganz sicher! Ein ohrenbetäubender Schrei gellt durch mein Haus und ich realisiere mit Schrecken, dass der Schrei sowohl von mir als auch von meinem äußerst erstaunlichen Gegenüber ausgestoßen wurde. Überdies sehe ich mich mit einem blank gezogenen Schwert konfrontiert. Langsam erhebe ich meine Hände und stammele „Keine... Panik, nichts... überstürzen!"

Das Gegenüber, ein Mann, redet, aber ich verstehe kein Wort von dem, was er sagt. Scheiße, ein Ausländer! Wo ist mein Handy? Polizei! Ich stehe dem Kerl wehrlos gegenüber, dessen Schwertspitze nach wie vor auf einen Punkt an meiner Kehle zielt, wo ich in etwa meine Schilddrüse vermute. Wäre jetzt nicht ein geeigneter Zeitpunkt, um gnädig in Ohnmacht zu fallen? Nein, geht natürlich nicht wenn man gerade einen derartigen Adrenalinschub hat!

Die nicht einmal unangenehme, leicht sonore Stimme des merkwürdigen Eindringlings meldet sich erneut zu Wort und ich strenge mich an, um aus dem Kauderwelsch eine Nationalität zu ermitteln. Komisch, mir war, als hätte er „Hexe" gesagt. Ach, so viel Englisch kann er wohl, der elende Schurke! Aber mich als Hexe zu beschimpfen, ist schon reichlich unverschämt. Wie ich schon sagte, ein Alptraum, ohne Zweifel. Ich stehe im Pyjama - eigentlich sind es nur Teile eines solchen - und mit hoch erhobenen Händen in meiner Küche, während ein Schwert auf mich gerichtet ist und ein offensichtlich kaum des Englischen mächtiger Einbrecher, oder was auch immer der Strolch vor mir sonst ist, sagt mir radebrechend, ich sei eine Hexe! Toll! Spinner! Oder bin etwa ich diejenige, die spinnt? Die Situation hat etwas völlig Surreales.

Mit großer Anstrengung bringe ich meine in Panik wüst herumspringenden Gehirnzellen dazu, sich halbwegs zu ordnen und in einen funktionstüchtigen Modus zu verfallen. Ein Schwert, ein paar Worte, die dem Englischen nicht unähnlich sind... mein Blick wandert vorsichtig am Schwert entlang zu dessen Besitzer. Grundgütiger - ein Ritter? Ein... ein... keine Ahnung, was stellt der Mann dar, wo kommt er her, weswegen steht er bei mir in der Küche? Hat er sich verlaufen und hier Schutz gesucht? Wie ein Einbrecher kommt er mir inzwischen nicht mehr vor, eher aber, als wäre er - ich versuche, diesen Gedanken nicht zu sehr hochkommen zu lassen - aus einer Irrenanstalt entlaufen. Ein verkleideter Verrückter, das ist die Erklärung! Gut... oder auch nicht gut, das bleibt zunächst dahingestellt. Immerhin könnte ich es nun mit Ruhe und ein paar netten Worten probieren.

Ich befeuchte meine vor Aufregung ausgetrockneten Lippen mit der Zunge und meine heiser: „Se.... Setzen Sie sich doch, bitte", wobei ich freundlich auf einen hyper-modernen Barhocker zeige, der sich an meiner nicht minder hyper-modernen Essbar befindet.

Der Blick, der mich aus den Augen des Fremden trifft, spiegelt eine Mischung aus Unverständnis, Unbehagen und Unfreundlichkeit wider. Mensch, was habe ich denn falsch gemacht? Ich wollte nur höflich sein. War wohl nix. Aber verstanden hat er wohl das, was ich sagte, zumindest habe ich aufgrund seiner - wenn auch unvorhergesehenen - Reaktion so den Eindruck. Gibt's ja, dass Ausländer eine Sprache besser verstehen denn selbst sprechen.

Der Mann öffnet erneut seinen Mund und ich spitze wiederum die Ohren, erstens, um ihn zu verstehen und zweitens, um über seine Sprache mehr über seine Herkunft herauszufinden. Und das, was ich höre... zu hören glaube, ist mehr als ungewöhnlich, weil ich dabei zu dem Schluss komme, dass er sehr wohl Englisch spricht, allerdings ein sehr langsames Englisch, und - soweit ich es identifizieren kann - dass es sich um astreines Mittelenglisch handelt.

Er sagt nämlich einem Mantra ähnlich nichts anderes als: „Weiche von mir, Hexe!"






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