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Story Notes:

 

DISCLAIMER

Diese Geschichte ist frei erfunden und hat keinerlei Bezug zum wirklichen Leben der darin beschriebenen Personen.

Die Personen gehören sich selbst, ausser denen, die von der Autorin erfunden / geschaffen wurden.

Die von der Autorin selbst erschaffenen Charaktere und die Handlung der Geschichte sind Eigentum der Autorin.

Vorsätzliche Verstöße gegen die Persönlichkeitsrechte sind nicht beabsichtigt.

© Doris Schneider-Coutandin 2011

 

Author's Chapter Notes:

 

Ein Zweiteiler, der möglicherweise trivial anmutet, der aber ein bisschen dem Thema "Mütter" im weiteren Sinne gewidmet ist. Den zweiten Teil gibt es dann - witzigerweise - an Vatertag/Himmelfahrt!

Dazu eine Anmerkung noch: Ich habe das Ganze übrigens geschrieben bevor einiges, was darin beschrieben wird sich so ähnlich tatsächlich und wahrhaftig Ende dieser Woche (also kurz vorm 8. Mai 2011) zugetragen hat! Ein Link mit diesem aktuellem Bezug wurde dazu im Forum/Board gesetzt!










 

Der blonde junge Mann ließ sich halb erleichtert, halb angespannt in die Polster der großen Audi-Limousine fallen, die sogleich nahezu lautlos, beinahe wie schwebend anfuhr.

„Bitte keine Umstände; ich möchte nur einige Einkäufe machen, ein paar Lebensmittel, ein paar Sachen des alltäglichen Bedarfs.“

„Sir…“, doch der zweite Mann im Fahrzeug kam nicht weit, da ihm das Wort sofort abgeschnitten wurde: „Es ist alles in Ordnung. Sie werden deswegen nicht ihren Job verlieren, keiner wird es merken. Ich halte dicht.“

„Dass Sie das niemandem weitersagen, Sir, ist mir vollkommen klar, doch man weiß nie, wer das noch alles mitkriegt.“

„Genau das meine ich. Warum muss man aus so einer stinknormalen – Sie verzeihen die Wortwahl - Situation einen Staatsakt machen? Warum kann ich nicht mehr selbst zum Einkaufen fahren? Ja, ich weiß die Antwort, danke! Dennoch fällt es mir ungemein schwer, mich drein zu fügen. Wenn Sie nun bitte anhalten würden, damit ich in diesen Supermarkt gehen kann, danke.“ 

Bevor noch jemand weiteren Protest anmelden konnte, war der groß gewachsene, in einem Fliegeroverall steckende junge Gentleman aus dem schweren Wagen gesprungen und mit ausladenden Schritten in der Tür des Supermarktes verschwunden.

Er hatte immer schon über eine ungewöhnliche Portion Selbständigkeit verfügt, zumindest für seine Verhältnisse. Und er konnte ungemein stur sein, wenn es darauf ankam. Sein Sternzeichen war Zwilling, da lag ein gewisses Maß an Sturheit wohl schon in den Sternen.

Er wusste, dass sie ihm folgen würden, aber er wusste auch, dass sie hier nicht wie ein ständiger Schatten an ihm kleben, sondern ihn nur aus der Ferne passiv und so diskret wie möglich beobachten würden. Immerhin etwas.

Mit seinem unnachahmlichen charmanten Lächeln, das er ganz sicher von seiner Mutter geerbt haben dürfte, ließ er sich ein paar frische Sachen an den Bedienungstheken zurechtmachen, was den Servicekräften stets aufs Neue eine verlegene Röte auf die Wangen zauberte.

„B… bitte sehr. Kann ich sonst noch irgendwie behilflich sein, kö…, doch ein halblaut gezischtes „Pscht, nicht doch“ von Seiten des Kunden ließ die dienstfertige Supermarkt-Kraft rasch verstummen. 

So wanderten die Lebensmittel nach und nach in die große Tüte und auch an der Kasse wehrte der junge Mann jeden ab, der ihm mit beflissener Geste den Vortritt lassen wollte: „Nein, ich stehe genauso an wie Sie auch, vielen Dank.“ 

Dafür liebten sie ihn. Er war einer von ihnen. Ungleich seiner Familie - dort vor allem die ältere Generation - die ganz sicher nicht wussten, was ein Pint Milch kostete, es sei denn, ein Privatsekretär würde es ihnen leise und diskret zuflüstern.

Außer seiner Mutter war er der Erste in der Familie, der sich fast ständig mit den Dingen des alltäglichen Lebens befasste und das nicht nur theoretisch. Gut, der Fairness halber musste er zugeben, dass es Zweige der Familie gab, wo man auch so ähnlich lebte, aber in der direkten Linie zum… - ja, er sprach es nur ungern aus, aber die Tatsachen ließen sich einfach nicht verleugnen – zum Thron also, gab es niemanden außer seinem Bruder und ihm, die ein einfaches, wie man immer so schön sagte „normales“ Leben versuchten zu führen. Sein Vater gab sich zwar gern den Anschein, modern zu sein, war es aber in Wahrheit ganz gewiss nicht. Lediglich seine Verdienste für die biologisch-ökologisch wertvolle Landwirtschaft konnte man bei ihm ansatzweise als Pluspunkte anführen. Wer sich nicht einmal selbst ein Paar Manschettenknöpfe anlegen konnte, konnte sich kaum auf einer Ebene mit denen befinden, die täglich einem normalen Alltag in Großbritannien ins Auge blicken mussten. 

Er war auch jemand, der stets einen Geldbeutel mit sich führte, niemand sonst aus der Familie tat das. Man ließ sich entweder alles liefern oder beauftrage Dritte mit dem Einkauf und den Abrechnungen dafür.

So blätterte er brav und konzentriert seine Pfundnoten und sein Münzgeld – alles mit dem Konterfei seiner Großmutter darauf - an der Kasse hin, wobei er die kugelrunden Augen der Kassiererin geflissentlich übersah. Beim Rausgehen drückte er die Einkaufstüte fest an seinen Flecktarn-Overall. Auf dem Namensschild auf der linken Brustseite war der Name ‚Wales‘ eingestickt.

Der Kofferraum der Limousine war bereits geöffnet und die Sicherheits-Beamten standen nun wieder abfahrbereit in seine Nähe. Mit leicht genervt verdrehten Augen deponierte er die Einkäufe im Kofferraum und stieg ein.

„Danke, dass Sie sich zurückgehalten haben.“

„Wir tun, was wir können, Sir. Aber ganz korrekt ist es nicht. Auch wenn Sie sich hier sicher glauben, es lauern überall Gefahren.“

„Ich weiß. Möglicherweise ist es naiv von mir so zu denken, aber ich fühle mich nicht bedroht. Ich lebe ja nicht erst seit gestern hier in Wales und kenne so viele Leute und sie mich. Für mich ist es beinahe absurd, den Gedanken zuzulassen, dass mir einer hier etwas Böses will. Alles was ich möchte, ist so normal und unauffällig wie möglich zu leben.“

„Das wissen wir, Sir.“

„Allerdings kein besonders cleveres Vorhaben wenn man der ist, der man eben ist. Ich komme mir manchmal fast schizophren vor.“

Der junge Mann schüttelte in leichter Verzweiflung den Kopf, fasste sich jedoch sehr schnell wieder, da sein Haus in Sichtweite kam: „Ah, Endstation. Danke, meine Herren, wünsche einen angenehmen Feierabend. Auf morgen dann.“

„Auf morgen, königliche Hoheit.“

„Wenn Sie das irgendwann noch weglassen würden, wäre das mehr als fantastisch. Schönen Abend noch.“ 

Er konnte sich nicht mit allen und jedem verbrüdern, das war ihm bewusst. Es würde irgendwann einmal bewirken, dass niemand mehr Respekt vor ihm haben würde und das war keine gute Voraussetzung für seinen zukünftigen Job. Der – würde es nach ihm gehen – am besten auf ewig in weite Ferne gerückt bleiben sollte.

Das Haus war idyllisch gelegen, man roch noch immer das salzige Meer hier und etliche Möwen kreisten schreiend über der Landschaft.

Es war natürlich extrem gut gesichert, aber das ging zum Glück alles sehr unauffällig vonstatten, es nahm kaum jemand die Wach-Patrouillen wahr oder dass alles mit der neuesten Sicherheitstechnik rund um das Anwesen und im Haus ausgestattet war.       

Auf dem Grundstück und im Haus war man endlich vollkommen sich selbst überlassen. Es gab kein Personal, sah man von der Haushaltshilfe ab, die ein- bis zweimal pro Woche je nach Bedarf für ein paar wenige Stunden ihren Dienst versah. Er seufzte: Wieso konnte es nicht immer so sein? Ein schönes Cottage, nette Umgebung, freundliche Leute, ein guter Beruf, eine zauberhafte Frau – er brauchte das andere alles nicht. 

Nein, er musste ehrlich zu sich selbst sein. Er brauchte es schon, weil es nun einmal seine Familie beinhaltete. Seinen Vater, seine Stiefmutter, Onkeln und Tanten, vor allem aber seine Großmutter, die sich mehr als sechzig Jahre lang für dieses Land aufgeopfert hatte. Ja, klar, sie gehörte einer völlig anderen Generation an, einer, die man heute nicht mehr verstand und die sich irgendwann selbst überdauert hatte, dennoch konnte man ungemein viel von ihr lernen. Und so hatte er etwas mit auf den Weg bekommen, das äußerst segensreich war: Er hatte gelernt, ein Leben wie jeder andere Europäer auch zu leben und er hatte gelernt, welche Bedeutung es hatte eine Krone auf dem Kopf zu tragen. Beide Erfahrungen wollte er nicht missen, denn er wusste, dass beides absolut prägend für ihn gewesen war.

Seiner Mutter hatte er den Einblick in die halbwegs normalen Seiten des Lebens zu verdanken, sie hatte ihm trotz ihres zuletzt unsteten Jetset-Daseins klar gemacht, dass man unbedingt auch außerhalb des goldenen Käfigs zum Freiflug ansetzen musste; seine Großmutter und sein Vater hatten ihm gezeigt, was Disziplin, Haltung und Loyalität zu Land und Krone bedeuteten.

Wertvolle Erfahrungen – aber auch welche, die schwer wogen und Kopfdrücken verursachen konnten. 

Es war eine Zwickmühle, zwangsläufig zur Ich-mache-demnächst-alles-anders-Generation zu gehören, denn nicht alles, was die Monarchie ausmachte war schlecht. Zuviel Aufräumaktion würde sicherlich überall im Land und darüber hinaus für Unruhe und Unsicherheit sorgen; zu wenige Reformen würden ihn hingegen schwach und unfähig erscheinen lassen. Gott, er wollte darüber jetzt noch nicht nachdenken!

Er wollte einfach nur morgens aufstehen, mit seiner Frau frühstücken, dann zur Arbeit abdüsen, den Heli gut in die Lüfte bringen und Menschen in Not helfen. Und doch war da immer - mehr.

Er schüttelte unwirsch den Kopf, als er auf der Kommode die Post aus dem Palast sah. Als hätte er es geahnt. Er hasste die schwarzen Boxen mit dem königlichen Wappen darauf, die diejenigen Schriftstücke brachten, die man nicht per Mail übertragen konnte. Wenn sie bei ihm angeliefert wurden, verhieß das nur selten etwas Gutes. Meist waren es offizielle Termine, die abgehandelt werden mussten. Da eine Schule besuchen, dort ein Bäumchen pflanzen, hier eine Rede halten und so weiter. All das war auch immer mit viel Presse verbunden. 

Er drückte sich beide Hände flach an die Schläfen, der Kopfdruck nahm allein bei dem Gedanken daran zu. Sein Verhältnis zur Presse war ambivalent. Die erste Erinnerung war noch präsent, vor allem, da diese Szene noch heute ab und zu durch die Medien geisterte.

Als zweijähriger Steppke war er vor die versammelte Meute gestellt worden und hatte daraufhin völlig überrascht gefragt: „Was ist das?“

Sein Vater hatte damals kurz und trocken geantwortet: „Kameras.“

Und so war es bis heute geblieben. Sie verfolgten ihn auf Schritt und Tritt. Wie sie auch seine Mutter verfolgt hatten – bis in den Tod!

Er wusste, er machte es sich zu einfach, wenn er behauptete, dass die Medien an ihrem Tod schuld waren. Es war nicht gerecht, es war verallgemeinert. Und doch lag darin der berühmte Funken Wahrheit. 

Sein Umgang mit der Presse ging von absolut zurückhaltend und reserviert bis fröhlich und locker. Wobei er sich bei Anlässen, zu denen die Presse offiziell geladen war, wesentlich leichter tat als wenn man ihm unterwegs irgendwo unerwartet auflauerte. Das konnte er noch immer nicht ausstehen und nur seine gute Erziehung hielt ihn dann davon ab rasend wütend zu werden.  

Was also würde man ihm nun wieder aufbürden? Er schielte skeptisch hinüber zu den Dokumenten, wollte aber zuerst die Einkäufe loswerden und seine Frau begrüßen.






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