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William Darcy war sauer auf seine kleinen Brüder: „Ihr strolcht nach der Schule nur in der Gegend herum, habt eine große Klappe und seid so richtig blöd und pubertär. Könnt ihr euch nicht wenigstens ein bisschen zusammenreißen? Wenn nun aus der Arbeit auf Harlow Manor für Jim und mich nichts wird, dann ist das eurem schlechten Benehmen anzukreiden.“

„Spiel dich nicht so auf, Wills.“

Der Jüngste, Louis, hatte keine Lust auf die Strafpredigt seines älteren Bruders.

Und Carl fügte noch hinzu: „Wozu müsst ihr dort überhaupt schuften?“

Jim runzelte die Stirn: „Tja, ich als Studienabbrecher sollte den Eltern nicht mehr länger auf der Tasche liegen, ich muss mich also nun endlich nach einer Arbeit umsehen, und wenn es zunächst nur mal etwas Vorübergehendes wie der Umbau von Harlow Manor ist. Was mir als ehemaligem Architekturstudenten vielleicht sogar liegt. Und Wills, nun der hatte – wie du weißt - ja das Pech, dass die Buchhandlung nach dem Tod von Mr. Hawkins schließen musste und er selbst konnte, oder besser gesagt unsere Eltern konnten das Geld nicht aufbringen, um ihm den Laden zu kaufen. Auch für ihn wäre es gut, wenn er mal wieder etwas Kohle verdienen würde. Damit Mum und Dad dir und Louis die gute Schule und vielleicht dann auch ein Studium ermöglichen können, klar?“

„Klar“, war Carl Darcy kleinlaut zu vernehmen.

Mrs. Darcy stemmte ein klein wenig in Rage ihre Hände in die Hüften: „Diese arroganten Weiber! Was bilden die sich ein, meine Söhne so von oben herab zu behandeln!“

„Krieg‘ dich wieder ein, Mum. Miss Bingley ist ja recht nett. Nur ihre Freundin ist sehr eingebildet, aber was soll’s, mit ihr haben wir zum Glück nur wenig zu tun. So wie sie sich ausgedrückt hat, wird sie wohl kaum viel Zeit auf Harlow Manor verbringen. Ich denke, sie zieht ein luxuriöses Leben in London dem Aufenthalt hier bei uns vor.“

„Soll sie, soll sie. Sie kann uns gestohlen bleiben. Hauptsache diese Miss Bingley hat euch Arbeit in Aussicht gestellt. Was wird sie zahlen?“

William Darcy zuckte mit den Schultern: „Das hat sie nicht gesagt.“

„Das hättest du natürlich noch fragen müssen.“

„Jim hat größtenteils mit ihr gesprochen, nicht ich. Ihm gegenüber hat sie sich wie ein schnurrendes Kätzchen verhalten und war gar nicht kratzbürstig.“

„Nun, da sie immens reich zu sein scheint, kann uns das doch nur recht sein, oder?“

„Geld ist nicht alles, Mum.“

„Das weiß ich. Aber es hilft ungemein.“

„Mum!“

Die beiden Ältesten Darcys hockten nach dem Abendessen noch zusammen auf der Außentreppe des Hauses und tranken ein Bier.

„Und, Jim, wie ist deine Meinung zu Harlow Manor und den beiden Ladies?“

„Was soll ich da groß sagen, Wills. Mit Miss Bingley scheint man wohl ganz gut auskommen zu können, mit ihrer Freundin, na ja…“, er ließ den Satz offen.

„Sie hat ziemlich dick aufgetragen, diese Miss Bennet. Sie hat sehr deutlich ausgedrückt, was sie von uns Landeiern denkt.“

„Und das beunruhigt dich?“

„Nein, nein. Wie denn auch, ich kenne sie nicht und sie kennt mich nicht. Ich wünschte nur, diese verwöhnte Ziege würde nicht gleich so hastig urteilen, ohne sich ein umfassendes Bild gemacht zu haben.“

„Bist du da nun nicht ebenso vorschnell in deiner Aburteilung? Vielleicht ist sie gar nicht so eine verwöhnte Ziege wie du denkst.“

„Jim, du denkst einfach zu gut von allem und jedem. Glaub mir, sie ist genau das!“

„Wie du meinst. Ich finde, jeder hat eine zweite Chance verdient.“

„Blödsinn. Ich wette vielmehr, dass wir sie so schnell nicht wiedersehen werden.“

„Darauf sollten wir noch ein Bier trinken.“

„Gut, wenn du es aus dem Kühlschrank holst, gerne.“

„Das habe ich nun von meiner Gutmütigkeit.“

In ihrem exklusiven Penthouse in North Sheen, unweit von Richmond, streifte Elizabeth Bennet sich ihre noblen Designer-Schuhe von den Füßen und schenkte sich mit geübter, lässiger Geste ein Glas Champagner ein.

Gott, wie hatte sich Charlene nur diese alte Hütte in Hertfordshire andrehen lassen können! Sie würde es noch bitter bereuen, soviel stand für Elizabeth Bennet fest.

Nachdem sie einen Schluck aus der Champagner-Flöte genommen hatte, dachte sie mit Schrecken daran, dass sie sich unbedingt selbst auch wieder um ihren eigenen Landbesitz in Derbyshire kümmern musste. Zwar hatte sie tüchtige Leute auf ihrem Familienstammsitz, die alles im Griff hatten, aber es war trotzdem vonnöten, sich dort regelmäßig als Herrin sehen zu lassen.

Sie seufzte. Es war nicht einfach mit soviel Besitz gesegnet zu sein. Überall musste man Augen und Ohren haben, musste wachsam sein, wollte man nicht übers Ohr gehauen werden. Es hatte bereits einen solchen Versuch gegeben, aber zum Glück war sie aufmerksam gewesen und hatte es gemerkt. Ihre Anwälte hatten dann den Rest erledigt. In solchen Fällen war es durchaus von Vorteil, dass sie über einen Stab von Beratern und Juristen verfügte.

Allein an Georgette Wickham zu denken, verursachte Elizabeth Bennet Übelkeit. Diese hinterlistige Erbschleicherin! Sie hatte eine ganze Zeitlang versucht, an das Bennet’sche Vermögen durch List und Tücke heranzukommen, da sie die Paten- und Ziehtochter des verstorbenen Mr. Bennet gewesen war. Doch Elizabeth hatte rasch hinter die blendende Fassade dieser Miss Wickham geblickt und ihr falsches Spiel aufdecken können. Sie hatte einen privaten Vergleich mit ihr geschlossen, damit ein für allemal Ruhe war und hatte ihr einen recht großzügigen Scheck ausgestellt, mit der Auflage, sich fortan aus dem Leben der Familie Bennet herauszuhalten, woran sich die Dame bislang auch gehalten hatte.

James Darcy hatte großen Spaß daran, mit Miss Bingley durch das Haus zu gehen und die Räume und alles zu vermessen, vor allem, da sie dabei alleine durch das Gebäude streiften.

„Oh, Mr. Darcy, ich kann Ihnen gar nicht sagen wie dankbar ich bin, dass Sie sich ein wenig mit alldem auskennen. Ein Beinahe-Architekt, wer hätte das gedacht.“

Er verzog ein klein wenig sein Gesicht, als er antwortete: „Aber eben nur beinahe. Im letzten Semester den ganzen Kram aus Angst vor den Prüfungen und den Examen hinzuschmeißen, ist sehr unrühmlich, Und es wäre mir lieb, wenn wir uns beim Vornamen nennen würden, es klingt dann nicht so geschraubt und förmlich.“

„Klar, James.“

Er lächelte und reichte ihr die Hand: „Auf Harlow Manor und den anstehenden Umbau, Charlene!“

William Darcy murrte: „Mann, ich will pennen! Kannst du nicht endlich das Licht am Schreibtisch ausmachen, Jim? Es ist gleich eins!“

„Sofort, ich will nur noch die eine Bauzeichnung für Charlene fertigstellen, damit sie sich eine Vorstellung von den geplanten Renovierungsarbeiten machen kann.“

Sein Bruder tauchte mit zerzausten Haaren aus seinen Kissen auf: „Du scheinst mir richtig einen Narren an ihr gefressen zu haben. ‚Charlene hier‘ und ‚Charlene da‘, mir klingen ja schon die Ohren.“

„Ich will ihr doch nur helfen. Und mir macht es Spaß, vielleicht nehme ich in der Tat das Studium wieder auf und beende es dann auch erfolgreich.“

„Ich bin echt platt! Die Tussi scheint richtig Eindruck auf dich zu machen. Hat sich denn die liebe Miss Bennet zwischenzeitlich mal wieder blicken lassen?“

„Bisher noch nicht, warum fragst du denn so scheinheilig? Hat sie etwa Eindruck auf dich gemacht?“

William Darcy vergrub seinen Charakterkopf wieder zwischen Decken und Kissen und murmelte undeutlich: „Um Himmels willen! Eher siedeln sich in der Sahara Pinguine an, als dass ich etwas Positives an dieser Frau finden würde. Was zahlt uns eigentlich deine Miss Bingley, hast du endlich mal gefragt? “

„Nein, ich habe mich nicht getraut. Bitte frag du morgen, wenn wir beginnen die Räume zu entkernen, ja?“

„Waschlappen, der du bist. Immer muss ich die geschäftlichen Dinge erledigen.“

„Bitte, Wills!“

„Ja, gut. Licht aus jetzt und Marsch ins Bett!“

William Darcy schwitzte Blut und Wasser bei der ungewohnten körperlichen Arbeit, deswegen zog er sich kurzerhand das Hemd über den Kopf und arbeitete mit bloßem Oberkörper weiter.

Der Oktober war wahrlich golden und sonnig, da war es bei so harter Arbeit kein Problem mal ohne Oberteil zu schuften.

Elizabeth Bennet blieb wie vom Donner gerührt stehen und beobachtete von einer Ecke am Eingang aus den zweitältesten Mr. Darcy bei seiner schweißtreibenden Arbeit. Er hievte große Steine in einen Schubkarren und hatte sich vor zwei Minuten das Hemd ausgezogen.

Ihre Härchen an den Armen stellten sich nach oben und ein Schauer der Erregung durchflutete sie.

Oh nein! Das nicht, bitte nicht! Wie konnte sie nur so blöd sein und auf das Äußere dieses bäurischen Tölpels abfahren! Er war ein Nichts, ein Niemand. Sie würde sich nicht von einem halbwegs passablen Männerkörper etwas vorgaukeln lassen. No way!

Entschlossen gab sie ihre Deckung auf und stöckelte auf ihren hohen Schuhen durch den Schutt auf ihn zu.

„Schön, dass hier wenigstens einer arbeitet“, gab sie spitz von sich.

William Darcy drehte sich langsam zu ihr um und blickte sie abschätzend an: „Wenn Sie sich nicht ihre zarten Füßchen brechen wollen, dann würde ich vorschlagen, dass Sie hier auf der Baustelle etwas angemesseneres Schuhwerk tragen sollten.“

„Nette Begrüßung.“

„Ich habe auch kein ‚Hallo‘ oder ‚Guten Tag‘ von Ihnen gehört, Miss.“

„Hat Ihre Mutter Ihnen nicht beigebracht, dass man eine Dame zuerst grüßt?“

Er wandte ihr absichtlich den Rücken zu und antwortete: „Doch. Aber ich sehe hier leider keine Dame, nur ein verwöhntes Luxusweibchen, dass von sich annimmt, es wäre eine Dame. Meiner Meinung braucht es andere Eigenschaften, um eine Dame zu sein.“

„Als da wären?“

„Hören Sie, ich muss hier wirklich schwer arbeiten, also können wir bitte Smalltalk wie diesen auf einen anderen Zeitpunkt verschieben?“

„Natürlich“, entgegnete sie sichtlich genervt und trippelt davon.

Er wusste nicht, ob er sich ärgern oder darüber lachen sollte. Musste die ausgerechnet jetzt aufkreuzen, wo hier alles in Schutt und Asche lag und er und Jim wirklich bis zum Umfallen an der Baustelle arbeiteten? Blöde Kuh!






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