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Author's Chapter Notes:

 

Personenverzeichnis:

Arthur Clennam – Näheres unter Kapitel eins
Yí-Yuè – Näheres unter Kapitel sechsundvierzig

Erwähnung finden Gabriel Clennam, Clifford Baxter, Tan-Fu und Méi-Hua

Orte: Im Hause Clennam in Shanghai/Xujiahu Qu

Glossar: Guan Ying - chinesische Göttin (Buddhismus) für Barmherzigkeit und Güte, kann unserer Jungfrau Maria in etwa gleichgesetzt werden










 

Da Arthur nicht damit gerechnet hatte, dass er am Weihnachtstag bereits wieder eine Frau im Haus haben würde, gab es für Yí kein großes Geschenk. Er hatte in aller Eile in den Stoffvorräten gewühlt und einen Ballen qualitativ hochwertiger Seide in Apfelgrün hervorgezogen. Diese Farbe würde er sehr gerne an Yí sehen, sie sollte sich einen Qipao daraus machen lassen. Diesen Stoff gab er nun Yí, nachdem er seinem Vater eine neue Schreibgarnitur mit einer neumodischen Feder, die aus Stahl mit einem Holzgriff gefertigt war, denn seit kurzem kamen die Federkiele mehr und mehr aus der Mode, überreicht und Cliff eine Kiste Zigarren in die Hand gedrückt hatte.

„Bitte, nehmen Sie das, Yí. Es ist ein Stück von unserer besten Seide und ich finde, diese Farbe müsste Ihnen wunderbar stehen, wenn Sie das daraus gefertigte Kleidungsstück erst einmal tragen.“

Sie schaute ihn mehr als überrascht an, offensichtlich hatte sie mit so etwas gar nicht gerechnet: „Oh… oh… das ist wunderbare Farbe und wunderbare Seide. Wirklich für mich?“

„Ja, oder sehen Sie sonst noch eine Dame hier, Yí?“

Sie lächelte: „Shayoé treiben ein wenig Scherz mit mir. Natürlich ist keine andere Dame hier, meine Augen sind gut.“

„Das habe ich nicht bezweifelt. Und ich würde es bevorzugen, wenn Sie Arthur zu mir sagen würden, bitte.“

„Das recht schwer auszusprechen für Chinesen. Aber ich versuche… Aa… Arthur.“

„Bestens. Es ist Sitte, dass man sich bei uns Christen etwas zu Weihnachten schenkt, ähnlich, wie es ihr Chinesen an Neujahr handhabt. Und die Seide ist mein Geschenk an Sie. Frohe Weihnachten, Yí.“

„Auch wünsche ich das an alle hier. Danke, für Freundlichkeit und Großzügigkeit.“

Arthur zeigte Yí das Haus, den Innenhof, den man im Winter nicht nutzte, den Salon, das Arbeitszimmer, die Flure, die Küche, die Schlafzimmer und den Raum, der als Badezimmer fungierte:

„Diese Wanne hat mir Tan-Fu gebaut, mir war der alte Holzzuber zu klein, darin konnte man nämlich kein Bad zu zweit nehmen.“

Die genaue Bedeutung seiner Worte sickerte erst einen Augenblick später bei ihr durch, sie riss ihre schrägen Augen so weit auf wie es nur ging, starrte ihn an und wurde tatsächlich rot!

Er fand es sehr erfrischend, dass es auch anderen Leuten ähnlich wie ihm erging.

Noch klarer wurden die Dinge im Schlafzimmer. Es wurde schnell deutlich, dass es diesmal fürs Erste eher umgekehrte Verhältnisse sein würden: Er würde mehr der Lehrmeister sein und sie mehr die Schülerin.

Sie war überaus befangen, seit Jahren hatte sie ihren Beruf nicht mehr ausgeübt, sie hatte schreckliche Angst davor, sich zu blamieren und weggeschickt zu werden. Weg aus diesem schönen Haus, weg von den freundlichen Leuten hier und vor allem – weg von diesem prachtvollen Mann!

„Yí, ich flöße Ihnen doch nicht etwa Angst ein? Das würde mich sehr betrüben.“

Sie drehte sich zu Arthur um und schüttelte leicht den Kopf: „Möchte sein ehrlich, wie auf Fahrt hierher schon gesagt. Nicht Angst, aber… ich… ich war sehr lange allein, ohne Gönner.“

„Verstehe. Auch ich habe schon viele, viele Monate lang keine Frau mehr im Bett gehabt. Das haben wir also miteinander gemein. Es gibt für mich genauso viel Grund aufgeregt zu sein wie für dich. Wenn es dir hilft, würde ich vorschlagen, dass wir uns einfach in das Bett legen, noch ein wenig plaudern und die Dinge nicht überstürzen, ja?“

„Ja. Das klingen gut.“

„Schön.“

Er legte sich auf das Bett und zog die Decke hoch, es war kalt im Raum, obwohl ein Kohleofen brannte. Yí kroch neben ihn, und er spürte wie sie zitterte.

Er nahm ihre Hand: „Zitterst du vor Kälte oder vor Nervosität?“

„Vor alles, Arthur.“

„Wieder eine ehrliche Antwort, ich schätze das.“

„Dürfen ich etwas fragen?“

„Aber sicher doch.“

„Warum fahren Arthur einen Wagen mit Maulesel? Sehr ungewöhnlich.“

„Ich bin recht froh drum. Weißt du, ich sehe Rikschas nicht als ideales Transportmittel an, weil es eine Schinderei für die Fahrer ist. Und ich möchte nicht, dass ein Mensch sich so furchtbar abrackert, nur um mich von einem Ort zum anderen zu bringen, wenn es Alternativen dazu gibt. Wenn ich nicht mit dem Wägelchen fahre, laufe ich sehr viel. Ja, ich gehe gerne zu Fuß.“

„Kann ich begleiten Arthur bei Laufen?“

„Wie? Nein, ich laufe sehr lange und sehr weit, das würde dir zuviel werden.“

„Warum?“

„Weil… weil… es war bei… bei deiner Vorgängerin so. Sie konnte nicht sehr weit laufen, leider.“

Er war regelrecht ins Stottern geraten, da er mit einer Konversation über solche Themen absolut nicht gerechnet hatte.

Sie setzte sich ein klein wenig auf und sah ihn an: „Hatte andere Qiè Lotosfüße?“

„Ja. Es war anfangs ein großer Schock für mich, diese absichtlichen Verstümmelungen zu begreifen und damit umzugehen.“

„Meine Füße nicht gewickelt sind.“

„Nicht? Das… das finde ich ganz wundervoll! Dann könntest du ja tatsächlich mit mir spazieren gehen? Gleich morgen, wenn das Wetter es erlaubt? Ja?“

Er setzte einen so bettelnden Blick auf, dass ihr plötzlich sehr warm wurde, trotz der Kälte im Zimmer. Außerdem spürte sie nun auch seine Körperwärme neben sich sehr deutlich.  

Sie nickte und fand sich urplötzlich in seinen Armen wieder. Er drückte sie sanft, aber mit Nachdruck auf die Matratze, streifte mit seinen Lippen erst ihre Stirn, dann ihre Nase und presste schlussendlich seinen Mund auf ihren.

Etliche Zeit später hörte sie ihn noch murmeln: „Yí – ich bin sehr froh.“

Dann schlief sie kurz nach ihm erschöpft ein, der Tag war mehr als aufregend gewesen – und das wohl für sie beide!

Sie erwachte am Morgen alleine in dem großen Bett im Kang-Stil und fragte sich sogleich, wo Arthur sein könnte. Ohne ihn wurde es schnell kalt im Bett. Dann hörte sie seine einzigartige Stimme ganz in der Nähe und wurde neugierig. Sie warf sich schnell einen Qipao und eine grob gewebte Jacke über, öffnete die Tür und ging seiner Stimme nach. Yí vermutete, dass er in dem Raum war, den er ihr am Vortag als das Bad vorgestellt hatte. Und genau hinter dieser Tür hörte sie ihn nun auch deutlich rumoren. Sie klopfte zaghaft.

Arthur summte zufrieden vor sich hin, als er sich eine Ladung Seifenschaum zum Rasieren auf die Wangen schmierte. Dann war ihm, als hätte es leise an der Tür geklopft. Sicher war er sich nicht, deswegen ging er selbst zur Tür und machte diese auf.

Yí stand davor und stieß einen unterdrückten Schrei aus: „Aayyy! Erschrecken mich sehr mit diesen Wolken in Gesicht! Was ist das?“

Er musste lachen: „Aber nicht doch, das ist Seifenschaum, ich bin kein Gespenst! Komm rein, ich zeige es dir.“

Er zog sie am Ärmel ihrer dicken Jacke in den Raum, wo es warm war. Sie legte die Jacke schnell ab und hatte nun nur noch ihren Qipao an. Dann schaute sie fasziniert zu wie Arthur sich rasierte.

Als er fertig war, verblieb noch ein Rest des Schaums an seinen Ohren, seinem Hals und in der Nähe seiner Nase.

„Arthur macht das noch weg?“

Er nickte: „Gleich. Komm her, zu mir, bitte.“

Sie näherte sich ihm. Er stand an der großen Wanne, die mit warmem, dampfendem Wasser gefüllt war. Mit einem Ruck zog er sich das Hemd über den Kopf und schlüpfte ziemlich ungeniert aus der Hose, was sie tief erröten ließ, dann glitt er in das Wasser.

„Möchtest du mit mir baden, Yí?“

Sie wurde noch röter, wenn das überhaupt möglich war, doch sie nickte tapfer.

Äußerst verschämt zog sie den Qipao aus und wollte ganz schnell zu ihm ins Wasser, da hielten sie seine Worte auf: „Warte! Lass dich ansehen, bitte!“

Sie ließ es zu, aber es war ihr sehr unangenehm.

„Du bist wirklich schön. Zwar groß für eine Qiè, aber das macht mir nichts aus, im Gegenteil, ich finde, es hat seinen Reiz. Und nun komm ins Wasser, damit du nicht noch anfängst zu frieren.“

Yí ließ sich erleichtert ins Wasser gleiten und empfand es als puren Luxus. Ein Bad gemeinsam mit einem Mann zu genießen – wie wundervoll!

Sie wuschen sich gegenseitig mit dem Schwamm, wobei sie ihm den restlichen Seifenschaum aus dem Gesicht wischte.

So ausgelassen und fröhlich war Yí seit Jahren nicht mehr gewesen.

Als Arthur aber begann, sich ihr persönlich sehr intensiv zu widmen und sich ihrem Lustzentrum wie selbstverständlich zuwandte, zuckte sie zurück: „Jù! Was da machen?“

Er küsste sie zart und antwortete: „Yí, du bist in meinem Haus, in meiner Obhut. Dir wird nichts Schlimmes geschehen, leg’ dich zurück und lass es zu. Du wirst es mögen, da bin ich mir ganz sicher.“

Mit noch immer hochrotem Kopf schlich Yí kurz darauf aus dem Bad zurück ins Schlafzimmer, um sich für das Frühstück anzuziehen. Oh, Guan Ying – du Göttin der Barmherzigkeit und der Gnade, danke für die Aufnahme in dieses Haus und in das Bett dieses Mannes!




Chapter End Notes:

 

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