Unbekannt by doris anglophil
Summary:

 

Der Titel "Unbekannt" weist sowohl auf unbekannte Personen als auch - vielleicht - auf unbekannte Welten oder unbekannte Umstände/Situationen hin.


Categories: Sonstige Fanfiction, Novel-length Characters: eigener m/w Charakter
Genres: Generell
Warnings: Charakter-Tod
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 13 Completed: Ja Word count: 16392 Read: 41381 Published: 11 Jun 2015 Updated: 22 Aug 2015
Story Notes:

 

Die Story ist weder eine Kurzgeschichte noch ein Roman, stellt euch auf irgendetwas dazwischen ein. Außerdem habe ich während eines Großteils der Geschichte auf die übliche Erzählweise verzichtet und alles im Präsens und in Ich-Form geschrieben. Jedes Kapitel beginnt übrigens mit einem Gedicht, das üblicherweise auf die direkten Vorgänge im jeweiligen Kapitel hinweist. 

Ort und Zeit: Berkhamsted, Hertfordshire, Mai 2015... 

© 2015 Doris Schneider-Coutandin

 

1. Kapitel 1 by doris anglophil

2. Kapitel 2 by doris anglophil

3. Kapitel 3 by doris anglophil

4. Kapitel 4 by doris anglophil

5. Kapitel 5 by doris anglophil

6. Kapitel 6 by doris anglophil

7. Kapitel 7 by doris anglophil

8. Kapitel 8 by doris anglophil

9. Kapitel 9 by doris anglophil

10. Kapitel 10 by doris anglophil

11. Kapitel 11 by doris anglophil

12. Kapitel 12 by doris anglophil

13. Kapitel 13 by doris anglophil

Kapitel 1 by doris anglophil
Author's Notes:

 

 

 

Zeit vergeht,
So wie die Welt sich dreht.
Es ist wie ein Traum,
Zwischen Wahrheit, Zeit und Raum,
Wie die Ewigkeit,
Einer längst vergang' nen Zeit,
Wie die dunkle Nacht,
Die im neuen Tag erwacht.
Es ist Zeit, Traumreisezeit,
Zeitreise in die Unendlichkeit.

(Zeitreise, Gerhard Stadler)

Gut, zugegeben, ich hatte schon immer ein Faible fürs Mittelalter. Das fing mit der Arthur-Legende an und zog sich über die Robin-Hood-Geschichten bis zu den Anfängen der Tudors hin. Obwohl... letztere mochte ich schon nicht mehr so, aber ich meine dies nun auch mehr zeitlich betrachtet.

Ich habe Burgen und Festungen zuhauf besucht, klar. Ich habe an Mittelalter-Festen und -Lagern teilgenommen, natürlich alles möglichst authentisch, was Ausstattung und Kleidung betrifft. Ich kann sogar - mehr schlecht als recht - mit dem einhändigen Schwert umgehen und auf dem Lagerfeuer Essen (ohne Kartoffeln und derlei, versteht sich!) bereiten. Man meint, ein Gefühl für die Lebensart und Lebensweise zu bekommen und exportiert sich gern für eine überschaubare Zeitspanne in diese Welt hinein. Man befindet sich dann in so einer Art Zeitblase. Denkt man zumindest. Das alles geht für ein paar Stunden, ein Wochenende, danach setzt man sich wieder retour, auf Normalzustand. Schön bequem, elektrisches Licht, Zentralheizung, Internet-Zugang überall, Hybridauto. Mittelalter ist schön, wenn man nicht ständig in dieser Welt leben muss. So ein bisschen Pause vom schnelllebigen Alltag und der Über-Technisierung, nicht wahr? Tut echt gut.

Sofern man nicht gerade ein totaler Freak in der Hinsicht ist, macht man so etwas auch nicht an jedem Wochenende. Es gibt also Wochenenden, und derer sind's nicht wenige, wo man zu Hause herum dümpelt. Länger schlafen ist angesagt, vielleicht ein ausgiebiger Shopping-Trip, vielleicht ein kleiner Ausflug, vielleicht ein bisschen Gartenarbeit, oder was sonst noch so anliegt. Da ich noch nicht lange da wohne, wo ich nun wohne, - de fakto bin ich erst vor wenigen Tagen umgezogen - kommt das Einrichten und Bewohnbar-Machen meines Domizils bei mir noch hinzu. Trotzdem kann man ja ausschlafen, es ist schließlich Samstag. Die unausgepackten Kisten - wie ich sie hasse! - können warten.

Ein ungewohntes Geräusch lässt mich jedoch aus meinem wohlverdienten Schlummer hochschrecken. Was war das? Ich schiele zum Uhrenwecker, der kurz nach sechs Uhr in der Früh anzeigt. Ah, vielleicht eine Katze, die im Garten herumturnt und irgendetwas umgestoßen hat. Hier auf dem Land gibt es bestimmt viele Katzen, die sicher gern in aller Herrgottsfrüh durch die Gegend streunen und dabei unter Umständen auch Lärm verursachen. Also, umdrehen, weiterpennen! Bevor mich das durchmischte Gefühl von Schläfrigkeit und Wohlbefinden wieder ins Land der Träume sinken lässt, fahre ich durch das nächste Geräusch jäh hoch und sitze senkrecht im Bett. Eine Katze scheint mir das nicht zu sein und aus dem Garten kommt der Krach garantiert auch nicht. Mehr aus... meiner Küche! Vielleicht hat sich ein der animalischen Gattung zugehöriges Was-weiß-ich-was versehentlich Zugang zur Küche verschafft und findet nun den Weg nicht mehr hinaus? Möglich ist alles, die Küche hat ja einen Hinterausgang zum Garten hin. Seufzend werfe ich die Decke von mir, schlüpfe in meine Pantoffeln, greife nach meiner Brille auf dem Nachttisch und schlurfe dann, tausend Verwünschungen murmelnd, in Richtung Küche.

Sekunden später finde ich mich in einem Alptraum wieder, dessen bin ich ganz sicher! Ein ohrenbetäubender Schrei gellt durch mein Haus und ich realisiere mit Schrecken, dass der Schrei sowohl von mir als auch von meinem äußerst erstaunlichen Gegenüber ausgestoßen wurde. Überdies sehe ich mich mit einem blank gezogenen Schwert konfrontiert. Langsam erhebe ich meine Hände und stammele „Keine... Panik, nichts... überstürzen!"

Das Gegenüber, ein Mann, redet, aber ich verstehe kein Wort von dem, was er sagt. Scheiße, ein Ausländer! Wo ist mein Handy? Polizei! Ich stehe dem Kerl wehrlos gegenüber, dessen Schwertspitze nach wie vor auf einen Punkt an meiner Kehle zielt, wo ich in etwa meine Schilddrüse vermute. Wäre jetzt nicht ein geeigneter Zeitpunkt, um gnädig in Ohnmacht zu fallen? Nein, geht natürlich nicht wenn man gerade einen derartigen Adrenalinschub hat!

Die nicht einmal unangenehme, leicht sonore Stimme des merkwürdigen Eindringlings meldet sich erneut zu Wort und ich strenge mich an, um aus dem Kauderwelsch eine Nationalität zu ermitteln. Komisch, mir war, als hätte er „Hexe" gesagt. Ach, so viel Englisch kann er wohl, der elende Schurke! Aber mich als Hexe zu beschimpfen, ist schon reichlich unverschämt. Wie ich schon sagte, ein Alptraum, ohne Zweifel. Ich stehe im Pyjama - eigentlich sind es nur Teile eines solchen - und mit hoch erhobenen Händen in meiner Küche, während ein Schwert auf mich gerichtet ist und ein offensichtlich kaum des Englischen mächtiger Einbrecher, oder was auch immer der Strolch vor mir sonst ist, sagt mir radebrechend, ich sei eine Hexe! Toll! Spinner! Oder bin etwa ich diejenige, die spinnt? Die Situation hat etwas völlig Surreales.

Mit großer Anstrengung bringe ich meine in Panik wüst herumspringenden Gehirnzellen dazu, sich halbwegs zu ordnen und in einen funktionstüchtigen Modus zu verfallen. Ein Schwert, ein paar Worte, die dem Englischen nicht unähnlich sind... mein Blick wandert vorsichtig am Schwert entlang zu dessen Besitzer. Grundgütiger - ein Ritter? Ein... ein... keine Ahnung, was stellt der Mann dar, wo kommt er her, weswegen steht er bei mir in der Küche? Hat er sich verlaufen und hier Schutz gesucht? Wie ein Einbrecher kommt er mir inzwischen nicht mehr vor, eher aber, als wäre er - ich versuche, diesen Gedanken nicht zu sehr hochkommen zu lassen - aus einer Irrenanstalt entlaufen. Ein verkleideter Verrückter, das ist die Erklärung! Gut... oder auch nicht gut, das bleibt zunächst dahingestellt. Immerhin könnte ich es nun mit Ruhe und ein paar netten Worten probieren.

Ich befeuchte meine vor Aufregung ausgetrockneten Lippen mit der Zunge und meine heiser: „Se.... Setzen Sie sich doch, bitte", wobei ich freundlich auf einen hyper-modernen Barhocker zeige, der sich an meiner nicht minder hyper-modernen Essbar befindet.

Der Blick, der mich aus den Augen des Fremden trifft, spiegelt eine Mischung aus Unverständnis, Unbehagen und Unfreundlichkeit wider. Mensch, was habe ich denn falsch gemacht? Ich wollte nur höflich sein. War wohl nix. Aber verstanden hat er wohl das, was ich sagte, zumindest habe ich aufgrund seiner - wenn auch unvorhergesehenen - Reaktion so den Eindruck. Gibt's ja, dass Ausländer eine Sprache besser verstehen denn selbst sprechen.

Der Mann öffnet erneut seinen Mund und ich spitze wiederum die Ohren, erstens, um ihn zu verstehen und zweitens, um über seine Sprache mehr über seine Herkunft herauszufinden. Und das, was ich höre... zu hören glaube, ist mehr als ungewöhnlich, weil ich dabei zu dem Schluss komme, dass er sehr wohl Englisch spricht, allerdings ein sehr langsames Englisch, und - soweit ich es identifizieren kann - dass es sich um astreines Mittelenglisch handelt.

Er sagt nämlich einem Mantra ähnlich nichts anderes als: „Weiche von mir, Hexe!"

Kapitel 2 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Der Kulturschock war vorauszusehen und er kommt!

 

Liebe Nachbarn, mit Vergunst!
Eine Hex‘, durch Zauberkunst,
Kann sich in ein Tier verwandeln,
Um die Menschen zu misshandeln.
Eure Katz‘ ist meine Frau;
Ich erkenne sie genau
Am Geruch, am Glanz der Augen,
Spinnen, Schnurren, Pfötchensaugen...«
Der Nachbar und die Nachbarin,
Sie riefen: »Jürgen, nimm sie hin!«
Der Hofhund bellt: »Wau! Wau!«
Die Katze schreit: »Miau!«

(Die Hexe, Heinrich Heine)

Großartig! Fantastisch! Hervorragend! Ich sinke innerlich zu einem Häufchen Elend zusammen, krame aber während erwähnten Zusammensinkens hektisch in meinem Gedächtnis nach meinen rudimentär vorhandenen Kenntnissen des Mittelenglischen. Für einen Irren hat er eine recht gewählte Ausdrucksweise, außerdem lässt er sich durch halbwegs gastfreundliches Entgegenkommen meinerseits - die Strategie nämlich, die ich als Erfolg-bringend vermutet hatte - anscheinend nicht von seinem eingeschlagenen Pfad abbringen. Nun, dann eben auf die harte Tour: ich drehe mich abrupt um und haste ins Schlafzimmer, wo ich mein Handy greife.

Damit ausgestattet trete ich dem Komiker in meiner Küche wieder entgegen, der mich ob meiner blitzschnellen Reaktion verblüfft bis verunsichert ansieht, und halte ihm das Smartphone triumphierend vors Gesicht: „Ich rufe nun die Polizei."

Als ich mit einem Finger übers Display streiche und dieses folgerichtig hell aufleuchtet, bedingt sein markerschütternder Ruf „Hexenwerk", dass ich zu Tode erschrecke und das Handy fallenlasse, welches auf den Fliesen der Küche prompt und unwiederbringlich in seine Bestandteile zerspringt. Dieser Idiot! Das wird er mir teuer bezahlen! Ich bin nah dran, in Tränen auszubrechen, möchte mir aber vor diesem... diesem Individuum nicht die Blöße geben und reiße mich daher zusammen. Natürlich wird mir nun auch klar, dass ich ohne Handy meinem Gegenüber ziemlich schutzlos ausgeliefert sein werde. Das ist... bedauerlich, nein... ärgerlich, nein... saublöd. Eigentlich aber ist es... unglaublich gefährlich.

Auf der Unterlippe kauend stelle ich mich halb trotzig, halb verunsichert in meine niegel-nagelneue, hyper-moderne Küchenzeile und knipse den elektrischen Wasserkocher an. Eine Tasse Tee hat noch keinem geschadet, einem Engländer, und sei er noch so durchgeknallt, schon dreimal nicht. Der nächste überlaute Schrei des unheimlichen Besuchers folgt - hätte ich es ahnen sollen? - auf dem Fuß. Okay, das Handy ist ihm suspekt, der Wasserkocher auch, meine Erscheinung sowieso... was in aller Welt hat der Typ nur?

Ich machen einen Beschwichtigungsversuch, spreche absichtlich dezidiert langsam: „Ich... ich möchte nur Tee aufgießen, kein Grund zu Beunruhigung."

Und dann kommt die erste halbwegs normale Antwort, die gleichzeitig auch Frage ist: „Tee?"

„Ja, genau. Sie trinken doch Tee, oder?"

„Tee? Ich.. bin... nicht... krank. Habt... Ihr... Wein? Oder... Dünnbier?"

Wein? Dünnbier? Nicht krank? Ich denke aber schon - vermutlich ein Alki! Na bravo! Ein Alkoholiker, womöglich auf der Suche nach Fusel, deswegen drang er in mein Haus ein! Immerhin haben sich meine Ohren und mein Gehirn nun schon ein bisschen auf sein im Schneckentempo vorgetragenes Mittelenglisch eingestellt.  Meine wenigen Weinflaschen sind noch irgendwo verpackt, allein der Teufel weiß wo. Außerdem bin ich keine Biertrinkerin, aber vielleicht habe ich noch eine Flasche von dem Pack übrig, das ich den Küchenausstattern anlässlich des Aufbaus der schicken Einbauküche hingestellt hatte. Mit Vorsicht öffne ich den Kühlschrank, mache mich auf einen langgezogenen Schrei des Unbekannten gefasst, doch als ich nach der letzten verbliebenen Flasche mit Bier greife und sie ihm hinstelle, geschieht - nichts. Unfassbar!

Stattdessen kommt eine Frage, laaangsaaam, wie immer: „Was ist das?"

Er deutet zweifelnden Blicks mit seiner freien Hand auf die Bierflasche.

„Bier, natürlich."

Ich widerstehe der Versuchung, mich ratlos am Kopf zu kratzen. Aber ich glaube, ich weiß, auf was er hinaus möchte, aus der Pulle trink er wohl nicht. Also drehe ich seufzend die Flasche auf, hole ein Glas aus dem Schrank und schenke ein. Dann stelle ich das gefüllte Glas vor meinen merkwürdigen Gast.

„Glas?" fragt er, als wäre dies ein Weltwunder.

„Ja, Glas."

Es ist ohnehin schon befremdlich, dass ein Unbekannten morgens um halb sieben in meiner Küche nach einem Bier verlangt, dass er aber das Glas verschmäht, in welchem ihm das Bier angeboten wird, grenzt an... an Verschrobenheit, eindeutig. Doch ein Verrückter!

Mit Bedacht, nahezu übervorsichtig, als hätte er Angst, das zerbrechliche Trinkgefäß kaputt zu machen, setzt der Fremde das Glas an seine Lippen und trinkt - ex! Wow!

Doch dass er daraufhin angewidert das Gesicht verzieht, war so nicht vorherzusehen.

Mit einer geschmeidigen, aber dennoch zackigen Bewegung hält er mir abermals das Schwert an die Kehle, das er in den vergangenen fünf Minuten gesenkt gehalten hatte und schreit mich mit rauer Stimme an: „Gift! Du Hexe!"

Die Nummer wieder, super. Es scheint hoffnungslos zu sein.

Ich mache mir zum ersten Mal die Mühe, seine Erscheinung genauer zu betrachten. Nun, betrachtet habe ich ihn sicherlich zuvor bereits, denn Schwert und Kleidung hatte ich ja schon erfasst, aber mich noch nicht bewusst mit alldem auseinandergesetzt.

Er ist nicht sehr groß, aber schlank, um nicht zu sagen dünn. Seine Kleidung, und das sehe ich nun erst richtig, ist alles andere als die, wie man sie sich bei einem Alkoholiker oder Irren vorstellt, sie ist nämlich erlesen, wirklich edel. Samt, sauber abgesteppt, eingefasst mit Brokatborten, ein Ledergürtel mit fein ziselierter Schnalle, vermutlich Silber. Das Schwert - und ich danke meiner Kenntnis des Mittelalters! - ist eine wundervolle Waffe, fein schimmernder, glatt polierter Stahl, frisch abgezogen und sauber geölt, wie mir scheint. Die Schuhe... Lederstiefel, aber solche, wie ich sie noch nie zuvor auf einem Mittelalter-Lager sah. Ähnlich zwar, jedoch ganz anders. Sie scheinen extrem gut zu passen und sind offenbar aus herrlichstem, ungemein teurem Leder gearbeitet. Etwas Neid macht sich in mir breit.

Verdammt, welchem gut gemachten Historienfilm ist er denn nun davongelaufen? Das alles versuche ich mit Macht innerhalb weniger Sekunden abzuschätzen und zu verinnerlichen, möglichst noch bevor die - wie auch immer geartete - nächste Katastrophe über mich hereinbricht. Warum fragt er mich nichts? Warum frage ich ihn nicht, wo er herkommt? Rätsel über Rätsel.

Also, Angriff ist die beste Verteidigung: „Das ist kein Gift, das ist Bier!"

Mein Blick versucht sich in Festigkeit meiner Stimme anzupassen, doch der Zweifel bleibt, ob dies auch gelungen ist,

„Bier? Niemals, denn es ist so eisig wie Schnee und so bitter wie Galle."

Ähm. ja, das hat Bier aus dem Kühlschrank, der möglicherweise noch nicht richtig, nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach zu kalt, eingestellt ist,  so an sich.

Ich verkneife mir aber die leicht patzige Antwort und bemühe mich um einen netten Plauderton, um ihn weiter auszuhorchen: „Doch, das können Sie mir ruhig glauben. Übrigens, Ihre R's sind so rollend, Sie kommen sicher aus Schottland, nicht wahr?"

Sein Blick funkelt mich nun wütend an. Oh je - großer Fehler, Mist!

„Madame sprechen fürwahr zu schnell und zu vorlaut."

Waaaaas? Madame? Hat der einen an der Waffel? Und wie geschraubt sein komisches Zeitlupen-Mittel-was-auch-immer-Englisch klingt. Madame sprechen fürwahr... pffff.

Und dann setzt er wahrhaftig noch einen drauf: „Weiterhin scheinen Madame mir nicht passend gekleidet. Was soll das darstellen?"

Er deutet mit der Schwertspitze auf mein - zugegeben - ziemlich legeres Outfit. Gott sei Dank zeigt die stählerne Klinge dadurch nicht mehr länger auf meine Kehle, uff!

„Entschuldigung, ich war doch recht überrascht von... von der Anwesenheit eines unbekannten Mannes in meinem Haus und konnte in der Eile nichts... nichts...", ich breche ab, weil ich die passenden Worte nicht finde.

„Bitte langsamer reden, ich kann nicht folgen."

Das ist doch die Höhe! Aus welchem unzivilisierten Hinterland kommt der komische Kauz denn?

Einlenkend entschließe ich mich, das mir sich nicht recht erschließende Spielchen fürs Erste mitzuspielen und schraube meine Sprechgeschwindigkeit extrem weit nach unten, wobei ich mir wie in einem Sprechseminar für Schauspiel-Schüler vorkomme: „Gern. Ich bitte darum, mich umkleiden zu dürfen."

Zu meiner Überraschung senkt er das Schwert komplett und zeigt den Anflug eines wohlwollenden Lächelns, als er erwidert: „Sehr viel besser. Es sei gewährt."

Ich wende mich betont langsam - Langsamkeit ist wohl das erklärte Tagesmotto - zum Gehen, obwohl ich viel lieber rennen, flüchten möchte, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter mir her, doch ich reiße mich am Riemen. Als ich den Flur erreicht habe und nur noch wenige Schritte vom Schlafzimmer entfernt bin, höre ich ihn behäbig, aber laut sagen: „Und es ist sehr eng in diesem Gemäuer, um nicht zu sagen winzig."

Tief ausatmend lasse ich mich auf mein Bett fallen. Gefährlich scheint er mir nicht zu sein. Unberechenbar schon eher. Wie aus einer Zeitkapsel gekommen. Ich richte mich mit einem Ruck auf. Wäre das nicht eine Erklärung? Quatsch! Ich rufe mich selbst zur Ordnung. Das wäre ja vollkommener Blödsinn und ganz sicher nichts weiter als ein wirrer Traum.  
Kapitel 3 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Wir erfahren wieder ein ganz klein wenig mehr über den ungewöhnlichen Gast, weitere Puzzleteile vervollständigen langsam das Bild.

 

Wo zwischen Schlaf und Wachen Träume wohnen,
erzählt dir deine Seele schön Geschichten
und wartet auf mit einem Farbenspiel
in Bildern kraft- und eindrucksvoller Dichte.

Da will die Welt so wirklich dir erscheinen.
Was lange schon vergangen, ist dir nah'
und windet sich empor wie Grün' aus Steinen;
was du verdrängt, verborgen, siehst du klar.

Und kannst es nun erfühlend auch erschauen,
wenn dich kein Alp bedrängt mit arger List.
Doch noch im Traume sagt dir ein Vertrauen,
dass du in Gottes Hand geborgen bist.

Mehr als ein Ritual, das obsolet,
ist doch seit Kindertagen dein Gebet.

(Im Traum, Ingrid Herta Drewing)

Seine Stimme, wenn auch gedämpft durch Türen und Wände, schreckt mich aus meinen Gedanken hoch: „Habt Ihr jemanden, der Euch beim Ankleiden zur Hand geht? Euer Heim scheint mir - wie erwähnt - sehr klein, um viel Dienerschaft beherbergen zu können."

Ich habe einen Geistesblitz, komme mit Elan auf die Füße und reiße meinen Schrank auf. Da... ja, da ist die Kiste mit meinen Mittelalter-Sachen. Immerhin schon im Schrank und nicht mehr irgendwo im Nirgendwo.

Währenddessen rufe ich, langsam und mit absichtlich rollenden Rs, meine Antwort: „Es ist allein zu bewerkstelligen, danke der Nachfrage."

„Madame hören sich sehr viel besser verständlich an als vorhin. Betet Ihr?"

Wie meint er das? Jetzt im Moment? Oder gelegentlich? Oder überhaupt?

Da ich gerade eine grob gewirktes leinenes Unterkleid über meinen Kopf stülpe, fällt meine Antwort etwas genuschelt aus: „Ja... durchaus... manchmal."

„Ihr betet, also seid Ihr keine Hexe. Manchmal... was heißt das? Mehrere Gebete pro Tag, so will ich hoffen?"

„Na... natürlich. Mehrmals am Tag."

Eine Notlüge. Gott wird sie mir sicher verzeihen.

Immerhin hat er es aufgegeben, mich als Hexe zu sehen. Ein Fortschritt, ein Silberstreif am Horizont. Ich zwänge mich nach dem Unterkleid in ein einfaches, aber ordentliches Übergewand, immerhin das Beste, was sich in meiner bescheidenen Sammlung an Gewändern befindet. Dann ziehe ich noch die dazu gehörenden Schuhe an und zerre ein samtenes Schapel aus der Kiste hervor, das ich aber nicht aufsetze, sondern in der Hand behalte. Ich möchte herausfinden, was der merkwürdige Besucher im Schilde führt und ob sein Aufzug und sein Gebaren nur zu einer gut einstudierten  Rolle gehören, ob er authentisch wirkt oder gar - so ungewöhnlich das auch klingen mag - authentisch ist. Ach ja, und falls das ein Traum ist, dann habe ich schon lange nicht mehr einen so realistischen, wenngleich verrückten Traum gehabt!

Ich öffne die Tür und pralle unmittelbar auf den Fremden, den ich noch in der Küche wähnte, der tatsächlich nun aber im Flur vor meinem Schlafzimmer steht.

Er umklammert sofort mein Handgelenk mit hartem, aber erstaunlicherweise kaum schmerzhaftem Griff und ich bemerke, dass er für einen Mann sehr schmale, fast feingliedrige Finger hat. Wenn er damit seinen imposanten Eineinhalb-Händer, also... ähm... das Schwert ist damit natürlich gemeint, Kampf-gerecht führen kann, dann hat er meinen Respekt. Geschickt dirigiert er mich auf eine Armlänge Entfernung von sich und betrachtet mich abschätzend.

„Ein recht einfaches Gewand, Madame, wenngleich sehr viel besser als Euer Aufzug von zuvor. Seid Ihr von so niedrigem Stand? Und was soll der Reif in Eurer Hand? Bedeckt Euer Haar mit einem Schleier und setzt den Reif darauf, so Ihr denn ein Eheweib seid. Falls dem so ist, wo ist dann Euer Gemahl?"

Ich gerate ins Stottern: „Ich... ich bin unverheiratet."

„Was die Abwesenheit eines Ehemanns erklärt und Euch von der Notwendigkeit entbindet, das Haar bedeckt zu tragen."

Er lässt mich so abrupt los wie er mich gepackt hatte und fügt hinzu: „Nun, da Ihr annähernd ordentlich gekleidet seid und weniger einer Hexe gleicht, habe ich einige Fragen an Euch."

Annähernd ordentlich. Was zum Henker stimmt an meinem Outfit schon wieder nicht? Zu einfach und bescheiden, hmh? Er kann mir gern ein Kleid aus Brokat und Samt anfertigen lassen, gar kein Problem, das nähme ich jederzeit dankend an. Anscheinend kann man's dem aber auch gar nicht recht machen, diesem seltsam tickenden Ober-Perfektionisten. Und Fragen habe ich auch. Hunderte! Mindestens!

Meine Frage Nummer eins auf dem Weg zurück in die Küche lautet: „Darf es nun eine Tasse Tee sein?"

„Nein, ich traue Euren Kräuterkünsten nicht über den Weg."

So ganz hat er die Sache mit der Hexe noch nicht vergessen. Idiot!

„Bier habe ich keines mehr."

„Euer Haushalt ist wahrlich dürftig ausgestattet, wenn Ihr nur über solch geringen Mengen des bitteren Zeugs, das Ihr Bier nennt, verfügt. Aber ich sehe es Euch angesichts all der Merkwürdigkeiten, die Euch umgeben, fürs Erste nach."

Merkwürdigkeiten, aha. Das finde ich allerdings auch, jedoch alles ihn betreffend. Während ich endlich den Wasserkocher - wohlgemerkt ohne des Besuchers Zwischenruf, juhu! - anschalte, um wenigstens mir einen Tee zu brühen und ich bei eben jener Tätigkeit den verwundert-skeptischen Blick meines Besuchers geflissentlich übersehe, sinkt dieser plötzlich auf meinen Küchenfliesen in die Knie und fängt halblaut an zu beten. Auf Latein!

Doch so recht versunken und absorbiert in sein Gebet scheint er mir nicht zu sein, denn zwischendrin wirft er mir immer wieder vorwurfsvolle Blicke zu, so dass ich, kaum dass ich meinen Tee aufgegossen habe, gar nicht mehr anders kann, als ebenfalls in die Knie zu gehen und den Kopf demütig zu senken. Wenn's denn sein muss und er sich damit besser fühlt - sei's drum. Zu meinem großen Befremden schlägt der Mann... der Ritter... bei seinem abschließenden „Amen" ein Kreuz. Katholik! Etwas steif erhebe ich mich gemeinsam mit dem Fremden und fasse im Geiste zusammen, was ich mir bislang zusammengereimt habe: Ein Mann, nicht einmal übel aussehend, etwa Mitte Dreißig, nobel gekleidet im Stil des Spät-Mittelalters, spricht geschraubtes Mittelenglisch und Latein, ist Katholik, anscheinend einer der ganz frommen Sorte, und... tja, ein wenig weltfremd. Doch zu einer finalen Konklusion komme ich nicht. Ich kann mir auf den Kerl absolut keinen Reim machen, so leid es mir tut.

Ich stelle meinen nunmehr fertigen Tee auf die Essbar und hieve mich in meinem mittelalterlichen Gewand auf einen der beiden Barhocker. Sicher ein Bild für Götter. Es folgt prompt ein Kommentar seinerseits.

„Eine fürchterliche Sitzgelegenheit. Wo sind Eure Stühle, Madame?"

„Sie stehen noch auf einem Stapel in der Garage. Ich wohne erst seit kurzem hier, bin noch nicht fertig eingerichtet."

„Ich verstehe. Auch wenn ich nicht weiß, was Ihr mit ‚Garage‘ meint. Vermutlich eine Kammer, in der Ihr derlei Gegenstände abstellen könnt."

„Ihr sagt es. Darf... darf ich fragen, woher Ihr kommt?"
„Nicht aus Schottland, wie Ihr zuvor gemutmaßt habt."

„Sondern?"

„Ich bitte Euch, drückt Euch etwas deutlicher aus, wenn Ihr mich etwas fragt."

Ich unterdrücke einen Seufzer und bilde, seiner Aufforderung nachkommend, einen vollständigen Satz: „Wenn es nicht Schottland ist, dann ist es welche Gegend, bitte?"

„Ihr seid sehr neugierig und ich bin wahrlich darüber erstaunt. Aber ich sehe auch ein, dass mich nicht jeder Mann, jede Frau und jedes Kind in England kennen kann. Eure Frage ist nicht einfach zu beantworten. Bevor ich mich unversehens in... in dieser äußerst seltsamen Behausung von Euch wiederfand, befand ich mich in Gesellschaft meiner Mutter in Hertfordshire. Doch einen Großteil meines Lebens verbrachte ich in Yorkshire, falls Ihr das meintet."

Kapitel 4 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Die nächste Herausforderung wartet bereits auf den unbekannten Gast!

 

Getadelt oft, doch immer heimwärts kehrend
zu den Gefühlen, die mit mir gebor'n,
nicht Reichtum, nicht Gelehrtheit jagend, während
ich mäßig Dinge träume, die verlor'n.

Heut' such ich nicht nach Schattenregionen,
die weiter wachsen, halt- und hoffnungslos;
wo Visionen über Visionen
ersteh'n in Traumeswelten fremd und bloß.

Ich werde schreiten, doch nicht Heldenfährten
und nicht die Pfade h
öherer Moral,
und nicht mit den Gesichtern, halb-geehrten
durch der Geschichte längst verstaubtem Saal.

Ich geh' und lass‘ Natur den Weg mir zeigen:
Ich möchte keinen andern, der mich führt:
Wo graue Herden Futter sich ersteigen,
wo wild den Wind man von den Bergen spürt.

Was kann der Berge Einsamkeit enthüllen?
Mehr Freud, mehr Leid als all die Worte mein:
die Erde, die ein Herz erweckt zum Fühlen,
schließt Himmel wie auch Hölle in sich ein.

(Stanzen, Emily Brontë, aus Yorkshire stammend)

Er glaubt, man müsse ihn in England kennen? Wieso? Ich habe ihn jedenfalls noch nie gesehen, auf keinem Mittelalter-Event, auf keinem Bild und im Fernsehen auch nicht. Demnach kann er so bekannt nicht sein, wie er vorgibt sein zu wollen.

„Yorkshire. Schön."

Das ist alles, was ich dazu hervor pressen kann. Ich trinke einen Schluck aus meinem nun auf Trinktemperatur befindlichen Tee.

„Das will ich meinen."

 

Die Konversation gerät merklich ins Stocken. Ich dachte, er hätte viele Fragen an mich. Davon ist momentan echt nichts zu spüren. Ich warte und schlürfe meinen Tee. Ist es sehr unhöflich, ihm nichts mehr anzubieten? Er mochte keinen Tee und das mit dem Bier hat sich erledigt. Ob er vielleicht Kaffee trinken würde? Nein, entscheide ich spontan aus dem Bauch heraus, würde er nicht, denn ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass er mit Kaffee nichts anzufangen wüsste.

 

Doch er kauft mir einmal mehr den Schneid ab, als er plötzlich sagt: „Dieses Gebräu, was Ihr Tee nennt, scheint ungiftig zu sein, denn wie ich sehe, schmeckt es Euch. Würdet Ihr die Güte haben, mir das Gleiche aufzugießen?"

Juhu, ein Durchbruch! Ich springe enthusiastisch auf und mache mich ans Werk. Der Wasserkocher ist nun etabliert, zwar starrt mein seltsamer Gast noch immer wie hypnotisiert darauf, aber jegliche Protestrufe bleiben aus.

Dann endlich kommt die erste Frage von Wichtigkeit: „Wie macht Ihr das? Ich sehe kein Feuer, um das Wasser zu erhitzen. Dennoch erhaltet Ihr in Windeseile kochendes Wasser."

Elektrizität ist ihm fremd? Irgendwie überrascht mich das nicht. Nur - wie soll ich es ihm erklären?

„Was Ihr für Hexenwerk haltet, ist alles andere als das. Es... es handelt sich um...um... Elektrizität."

Er kann damit nichts anfangen, ich weiß, doch was soll ich halt sonst sagen? Mein Blick und meine Gesten drücken leichte Ratlosigkeit aus.

 

Sein Blick bleibt - folgerichtig - zweifelnd.

„Was auch immer es ist, es ist nicht minder befremdlich wie eigentlich alles an dieser Eurer Bleibe. Wo habt ihr Euren Abtritt, Madame?"

Ich reiße die Augen in großer Verblüffung weit auf.

„Mei... meinen was?"

„Abtritt. Ich kann natürlich verstehen, dass es diese angenehme Einrichtung in so einer kleinen Behausung wahrscheinlich nicht gibt, deswegen nehme ich auch mit dem Nachtgeschirr vorlieb. Und dann würde ich mir gern die Hände waschen, das ist gewiss möglich, da Ihr das Wasser ja so ungewohnt schnell erhitzen könnt. Für mein Waschwasser wäre mir die Zugabe von Bergamotte-Öl recht; falls Ihr das - wie so vieles andere - nicht haben solltet, gebt eine andere wohlriechende Essenz nach Eurem Gutdünken hinzu. Anschließend dürft Ihr alles zum Fastenbrechen herrichten, denn wenn mich meine Sinne nicht täuschen, zeigt die Sonne schon den fortgeschrittenen Vormittag an, was in dieser fremden Umgebung ein bisschen schwer zu erfassen ist, somit wäre es an der Zeit, etwas zu sich zu nehmen."

 

Ach du Schande! Das wird ja immer besser und der Typ rückt nicht ein Zoll von seinem strikt mittelalterlichen Kurs ab. Er ist mehr als überzeugend und mich beschleicht das Gefühl, dass es in der Tat mehr Authentizität denn halbwegs glaubwürdiger Auftritt ist. Ich rutsche mit einer gewissen Resignation von meinem Barhocker und hoffe inständig es möge ihn in meinem Badezimmer nicht der Schlag treffen.

„Bitte, es geht hier entlang."

Ich gehe vor und öffne die Tür zum Bad. State-of-the-Art, alles ganz neu. Eine voll-verglaste, ebenerdige Duschkabine mit Vario-Duschsäule, eine asymmetrische Badewanne mit allen Schikanen, die zu beschreiben nun jegliches Maß sprengend würde, Waschplatz mit darüber liegender Spiegelwand und zwei Armaturen, die ein einziges, sehr breites Glas-Waschbecken bedienen, dazu ein Hänge-WC mit in die Wand eingebautem Spülkasten, dieses ist natürlich räumlich durch eine halbhohe Wand vom Rest des Bads abgetrennt.

 

Der Mann prallt entsetzt zurück und tritt mir dabei schmerzhaft auf den Fuß.

„Aua!"

Auf meine Schmerzensbekundung reagiert er nicht, stattdessen ruft er: „Das ist die Folterkammer des Teufels. Ihr seid mit ihm im Bund und doch eine Hexe! Ich wusste es! Durch welche Teufelei bin ich nur in Eure Fänge geraten!"

„Seid nicht albern. Ich zeige Euch, wie alles funktioniert und dann lasse ich Euch in Ruhe pi... ähm, Euer Geschäft verrichten. Übrigens: warmes Waschwasser habt Ihr hier mit Betätigung dieses Hebels. Und Zusätze... ich meine Essenzen zuhauf auf dem Regal hinter der Badewanne."

„Badewanne? Das ist also ein Badezuber?"

Er deutet auf die High-Tech-Wanne und ich nicke. Als nächstes klappe ich den Klodeckel hoch.

„Das ist der... wie sagtet Ihr doch so schön?... der Abtritt. Wenn Ihr fertig seid, drückt Ihr auf diese Taste", ich demonstriere es und er weicht voller Schrecken zurück, als das Wasser die Toilettenschüssel flutet und alles durchspült, „und zack - ist alles weg."

 

„Heilige Mutter Gottes hilf! Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu und ich muss wissen, was mir geschehen ist, dass ich mich in dieser Wirrnis wiederfinde. Doch meine Notdurft ist dringend und ich muss mich erleichtern. Ihr dürft Euch nun entfernen."

Natürlich. Ich hatte garantiert nicht vor, dem grandiosen Schauspiel beizuwohnen. Leise schließe ich die Badezimmertür hinter mir und sinke im Flur mit einem klagenden Laut zusammen. Hinter der Tür plätschert es verhalten. Na, wenigstens das kriegt er gebacken. Doch so sehr ich auch lausche, dem seichten Plätschern folgt kein vertrautes Rauschen der Spülung, wie es sonst so die übliche Abfolge wäre. Abwarten, denke ich. Vielleicht dauert seine Sitzung ja länger. Und frühstücken wollte er, fällt mir da wieder ganz heiß ein.

 

Also raffe ich mich auf und werfe in der Küche alles in die Waagschale, was mein Kühlschrank und die sonstigen Vorräte so zu bieten haben. Er wollte Tee, bitte, kein Problem. Gerade als das erste Paar Toast mit dem mir vertrauten Geräusch aus dem Toaster springt, zuckt darob jedoch hinter mir eine Gestalt zusammen, die wohl inzwischen im Bad alles erledigt hat.

„Toast", sage ich und entnehme das Brot mit spitzen Fingern dem Toaster, doch aufgrund seines irritierten Blicks korrigiere ich sofort, „ähm, geröstetes Brot."

Kapitel 5 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Die Identitäten werden endlich gelüftet, doch vorher begibt sich die Dame noch einmal kurz auf eine falsche Fährte.

 

Wird Er mich recht führen
bei meinem Probieren,
mir schärfen die Sinne
bei meinem Beginne?

Wird Er bleiben bei mir
und mir öffnen die Tür?

Allein ist es schwer,
Gottes Hilfe tut Not.
Man braucht sie so sehr
wie das tägliche Brot.

(Tägliches Brot, Rainer Tiemann)

Mit einem tiefen Seufzer beginnt er einen weiteren kleinen Monolog: „Es scheint mir an der Zeit, den Irrungen und Wirrungen, die uns zusammengebracht haben, auf den Grund zu gehen. Ich glaube nicht, dass es bei alldem mit rechten Dingen zugeht. Ich fühle mich sehr angestrengt durch die fremde Umgebung und all die Fremdartigkeiten, die damit verbunden sind. Aber eines muss man Euch lassen - das mit dem Wasser im Abtritt ist eine wundersame Sache. Wenn ich wüsste, wie es zustande kommt, würde ich versuchen, eben dies in einigen meiner Burgen einrichten zu lassen. Das Wasser scheint durch Rohre ins Haus zu kommen, habe ich Recht?"

Ich nicke sichtlich beeindruckt. ... in einigen meiner Burgen... wow, das heißt, er besitzt mehrere, oder?

„Rohre, ja, im Prinzip verhält sich so."

Viel mehr kann ich nicht sagen, denn er bietet in dem Augenblick, als er seine Gestalt mit Bedacht auf den Barhocker zieht, einen gar zu komischen Anblick. Eigentlich sieht er nicht mal schlecht aus, ein bisschen hager vielleicht, was bei seiner nicht so ausgeprägten Körpergröße leicht unproportioniert wirkt. Ein paar wenige Pfund mehr auf den Rippen und fünf Zentimeter mehr an Höhe, dann wäre er regelrecht attraktiv zu nennen und unter Garantie unwiderstehlich, was das weibliche Geschlecht betrifft. Seine Augen sind von einem bestechenden Blau, sie stehen in reizvollem Kontrast zu seinen dunklen Haaren, die er lang trägt und die sich da, wo sie auf seine Schultern treffen ein wenig wellen.

Gewaltsam wende ich meinen prüfenden Blick ab von ihm und stürze mich wieder in die Unterhaltung.

„Bitte, hier ist Euer Tee und wenn es Rührei sein soll, sagt es mir einfach."

„Rührei? Meint Ihr gebratene Eier?"

Ich nicke rasch und er stiert wie hypnotisiert auf das Ceranfeld mit digitaler Anzeige, das bei jedem Fingertouch meinerseits ein kleines ‚Piep‘ von sich gibt.

Etwas leiser, fast eingeschüchtert fährt er fort: „Ich bin es nicht gewohnt auszuwählen, bei mir wird ohne Nachfrage aufgetischt und gut."

Dementsprechend beeile ich mich, die Eier aufzuschlagen und meine dabei: „Ich stimme zu, dass wir Redebedarf haben. Wer beginnt? Ihr oder ich?"

„Ihr... nein, doch besser ich."

„Dann nur zu."

„Wenn ich wüsste, wo ich ansetzen soll. Es kommt mir alles so undurchdringlich vor, wie ein verwachsenes Dickicht."

„Mir erst. Lasst uns bei den einfachen Dingen anfangen, bei den Namen. Mein Name ist... Kendra Clayden und ich komme eigentlich aus Thetford in Norfolk. Hier wohne ich erst seit ein paar Tagen."

„Kendra... die weibliche Form von Kendrick wohl. Ein schöner Name. Norfolk... daran habe ich gute und weniger gute Erinnerungen. Aber das soll nicht Eure Sorge sein. Thetford ist mir jedoch kein Begriff. Vielleicht nur ein unbedeutender Marktflecken. Und was meint Ihr mit ‚hier‘?"

Unbedeutender Marktflecken, ich muss doch sehr bitten. Doch ich sehe ein, dass es wahrscheinlich wenig bringen wird ihm zu sagen, dass der RAF-Stützpunkt Lakenheath dort gerade um die Ecke liegt. Ich wende mich freundlich um, um ihm die fertigen Eier zu servieren und präzisiere die Dinge.

„Es befindet sich unweit von Bury St. Edmunds. Und mir ‚hier‘ meine ich in diesem Haus."

„Bury St. Edmunds ist mir geläufig. Doch ich muss Euch bitten, mir diesen Ort unseres Befindens genauer zu beschreiben, um meinen deutlich verwirrten Geist zu erhellen."

Also gut.

„Hier bedeutet: Castle Hill, Berkhamsted, Hertfordshire."

Seine Miene hellt sich auf.

„Berkhamsted! Meine Mutter wohnt hier."

Ah, jetzt geht mir zum Glück ein Licht auf: der Junge hat sich anscheinend mit zugesoffenem Kopf auf dem Weg von einer Kostümparty nach Hause verlaufen. Ich bin erleichtert. Es gibt doch für nahezu alles eine einfache Erklärung.

„Schön, dann habt Ihr's ja nicht weit. In welcher Straße wohnt sie denn?"

Er sieht mich streng von Kopf bis Fuß an und antwortet mit einem Hauch von Verachtung in der Stimme: „Im Schloss, natürlich."

Natürlich. Ist ja auch gerade um die Ecke und steht nicht mehr. Von dem alten Kasten sind nur noch ein paar wenige Ruinen übrig. Klasse, so kommen wir nicht weiter. Wir drehen uns ständig im Kreis. Kaum glaubt man, einen kleinen Fortschritt erlangt zu haben, entpuppt sich dieser sogleich als Sackgasse.

Er fährt ungerührt fort, wobei sein Tonfall zunehmend ungnädig wird: „Außerdem bin ich mehr und mehr erstaunt darüber, dass Euch zu meiner Person nichts einfällt, obwohl es genügend Hinweise gegeben hat. Ihr seid nicht einmal zu einer korrekten Anrede fähig, was Euch genau genommen um Kopf und Kragen bringen kann."

Jetzt reicht's mir langsam! Was bildet der sich eigentlich ein? Schneit unbefugt hier herein, schwingt große Sprüche, glaubt, jeder müsse ihn kennen, lässt sich hinten und vorne bedienen und versaut mir meinen ganzen Samstagvormittag. Von meinem kaputten Handy, das er zu verantworten hat, ganz zu schweigen!

„Hören Sie... ähm, hört mich an: Ich weiß absolut nicht, was hier gespielt wird, aber ich habe das Spielchen echt satt. Ich habe Sie... Euch, einen Wildfremden, zu unchristlich früher Stunde in meinem Haus vorgefunden, Euch durchgefüttert und aufs Klo... das gewisse Örtchen gelassen, habe Euch meinen Namen genannt und war angesichts der ungewöhnlichen Situation noch richtig nett zu Euch. Sogar meine Mittalter-Kleidung habe ich wegen Euch angelegt. Ich laufe so gewiss nicht tagtäglich herum, um es mal deutlich zu sagen! Und jetzt Ihr, wenn ich bitten darf! Sofort!"

Mich trifft sein Blick, der voll der Entrüstung ist.

„Madame, wie redet Ihr denn mit mir! Ich sehe, Ihr wisst wirklich nicht, wen Ihr vor Euch habt und das erfüllt mich mit Traurigkeit. Es ist schlecht um mein Reich bestellt, wenn meine Untertanen ihren König nicht kennen."

Reich? Untertanen? König? Also doch einer aus der Klapse!

Er rutscht ebenso bedächtig vom Barhocker wie er sich vor einigen Minuten auch drauf gesetzt hat und baut sich vor mir auf, wie erwähnt nicht sonderlich groß, aber... aber... wie soll ich sagen... durchaus majestätisch. In einer kleinen Ecke meines Hirns meldet sich ein aufgeregt blinkendes rotes Lämpchen. In Windeseile setze ich ein paar geschichtliche Puzzleteile zusammen und schaue mir mein Gegenüber nochmals im Detail an. Also, angenommen der Typ hält sich für einen mittelalterlichen König, für einen, dessen Mutter in Schloss Berkhamsted gewohnt hat, dann... dann ist er für Edward den Vierten echt zu klein. Bliebe nur noch... der Atem stockt mir und ich taste willkürlich nach dem zweiten Barhocker, um mich daran festklammern zu können, falls mir die Luft gleich ganz wegbleibt... bliebe nur noch...

„Ich sehe Euch das Erkennen an, Madame. Ja, ich bin's wahrhaftig, Richard Plantagenet, König von England und Frankreich und Herr über Irland, der Dritte dieses Namens."

Ach du ahnst es nicht! Obwohl, na ja, ich ahnte es bange drei Sekunden vor seinem letzten Satz doch irgendwie. Mir schwirrt der Kopf. Ist das alles real? Sicher nicht. Und wenn doch? Was sagt man da? Majestät? Quatsch, rufe ich mich selbst zur Ordnung, das kann alles nur ein schlechter Scherz sein, mach‘ dich nicht lächerlich. Ich presse mühsam „verstehe" heraus und halte ansonsten krampfhaft meine Nase in meine Teetasse.

Mit einer Seelenruhe, fast als wäre nichts geschehen, lässt sich Seine Majestät, oder was auch immer die beschissene Anrede für diesen... diesen... Menschen wäre, wieder am Esstresen nieder und schaufelt - mit einem Löffel!, die Gabel neben ihm ignorierend - ungerührt Rührei in sich hinein.

Dazu nuschelt er: „Köstlich, wenngleich ein klein wenig zu kalt."

Als sein Teller leer ist, wendet er sich mir zu und schaut mich an, als erwarte er, dass ich auf den Knien vor ihm liege.

Da dies mitnichten der Fall ist, verzieht er seine schmalen Lippen zu einer säuerlichen Grimasse und meint dann: „Ihr habt schlechte Manieren und eigentlich sollte ich eher Weib denn Madame zu Euch sagen."

„Wie Ihr denkt, Maj... Euer... Hoheit... Gnaden. Es bliebe noch die Frage, wie Ihr in mein Haus gekommen seid."

Seine Stimmungen wechseln ganz offensichtlich schneller als ein LED-Farbwechsler in einer Lampe seine Farbe; war gerade seine Stirn noch umwölkt und musste man fürchten, dass er einen gleich fürchterlich abkanzeln würde, so umspielt nun ein leichtes Lächeln seinen Mund und sofort sieht er sehr freundlich, beinahe gut gelaunt aus.

„Ich bin erfreut, Euch anderen Sinns zu sehen und danke Euch für die mir dargebrachte Ehrerbietung. Ich würde Eure Frage nur zu gern beantworten, doch ich kann es nicht. Ich kann nur sagen, dass ich im Schloss zu Besuch bei meiner Mutter weilte und... und als sie mich bat,  bei dieser Gelegenheit einige ihrer alten Juwelen zu holen, weil sie keinen Diener damit betrauen wollte, ging ich - denn bei ihr bin ich in erster Linie folgsamer Junge und dann erst König - durch einen langen Gang zum Gewölbe, wo sie wertvolle Dinge aufbewahrt, stolperte im Dunkel, da nicht überall Fackeln brannten, fiel hin und als nächstes sah ich dann Euch vor mir stehen."

Es klingt unglaublich, doch ich spüre, dass er nicht lügt. Mein Haus liegt in Sichtweite zu den Schlossruinen und der Gang, den mein Besucher... also der König, so irre das nun auch klingt... seiner Schilderung nach entlang schritt, führt möglicherweise in Richtung Castle Hill, wo ich nun wohne.

Kapitel 6 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Heute gleich zwei Kapitel auf einmal, da ich letzte Woche verhindert war! Im folgenden Kapitel beginnen die Dinge, eine ganz eigene Problematik zu entwickeln

 

Und dann schenkt mir der König
ein Zeichen, wie nicht viele sind.
Es kommt von fern, es kommt ganz wenig,
doch spürbar geht ein leiser Wind ...

(Ein Zeichen, Arne Baier)

Es gibt nur eine halbwegs plausible Erklärung.

„Ihr seid ein Zeitreisender, Euer königliche Gnaden."

In mir macht sich ein klein wenig Erleichterung breit, weil ich erstens endlich die richtige Anrede hervorgekramt und zweitens eine wahrscheinliche Deutung der Vorgänge vorliegen habe.

„Ihr beliebt zu scherzen, Madame."

„Nichts läge mir ferner, glaubt mir."

Ich kann endlich auch lächeln, eine Gefühlsregung, die mir seit meinem unsanften Aufstehen wegen des Eindringlings noch nicht gelang.

Er bemerkt es und geht sogar darauf ein.

„Ein Lächeln steht Euch gut zu Gesicht und ich bin froh, dass Euer Gemüt aufgeheitert ist."

„Ich auch. Dennoch, bitte, wappnet Euch, denn ich sage Euch nun, dass Ihr ins Jahr 2015 katapultiert wurdet."

Der kleine schmächtige Mann vor mir wird blass, sofern dies bei seiner ohnehin schon sehr kreidigen Gesichtsfarbe überhaupt noch möglich ist und seine stahl-blauen Augen blicken verzweifelt zu Boden.

Seine Antwort ist nur ein Flüstern: „Das kann nicht sein. Fünfhundertdreißig Jahre nach vorn? Bei allen Heiligen im Himmel! Und..." er ist nun so weiß wie eine frisch gekalkte Wand, „wie komme ich wieder zurück?"

„Ihr seid gut im Rechnen. Ja, fünfhundertdreißig Jahre in die Zukunft. Und das Zurückkommen könnte uns vor ein paar Probleme stellen. Darüber werden wir viel nachdenken müssen", und etwas verwundert setze ich hinzu „wobei ich es schon merkwürdig finde, dass Ihr frühmorgens gegen sechs Uhr Geschmeide Eurer Mutter aus unterirdischen Gewölben holen geht."

„Das ist einfach zu erklären: ich konnte nicht besonders gut schlafen - Ihr solltet wissen, dass ich schlecht schlafe seitdem Gott der Allmächtige meinen Sohn und meine Frau binnen Jahresfrist zu sich gerufen hat - und da fiel mir der Wunsch meiner Mutter, geäußert einen Abend zuvor, wieder ein. Also richtete ich mich her und wollte ihr den Gefallen tun. Sie hätte sich darüber gefreut, den Schmuck beim Aufstehen zu sehen."

„Das kann ich mir vorstellen", murmele ich trocken.

Zu dem anderen, seinem erwähnten schweren Verlust, kann ich nichts sagen, weil es mich sprachlos macht. Vielleicht sollte ich seine Geschichte mal rasch in der Encyclopaedia Britannica nachschlagen, besser noch googeln, um für solche Fälle besser gewappnet zu sein. Die Basics weiß man ja, geboren, gekrönt, gestorben... oh Schreck - gestorben? Fünfhundertdreißig Jahre zurück? Mai 1485? Nein, nein! Die Erkenntnis lässt mich erschauern: der Mann vor mir hat nur noch drei Monate zu leben! Mein Hirnzellen rattern wie verrückt... nein, alles noch einmal von vorn. Er hätte noch drei Monate zu leben, wenn er in seiner Zeit geblieben wäre. So aber... ja, was denn? Habe ich es nun etwa in der Hand, den Lauf der Geschichte zu ändern? Das wäre ja vollkommen absurd, vollkommen aberwitzig, vollkommen... surreal.

Der in die Zukunft gefallene König scheint zu merken, dass etwas mit mir nicht stimmt und fragt höflich nach: „Fühlt Ihr Euch nicht wohl? Ist Euch vielleicht der Tee  nicht recht bekommen? Dann hätte ich ihn auch nicht trinken sollen, doch mir schmeckt er, was mich selbst ziemlich erstaunt."

Ich weiß nur, dass ich ihn vom Bücherregal fernhalten muss. Sollte er nämlich auf die glorreiche Idee kommen, sich selbst nachzuschlagen, kann er sich jetzt und hier auch gleich den Schuss geben. In mir arbeitet es noch immer fieberhaft, denn ich kann mir einfach nicht ausmalen, wie die Dinge sich entwickeln werden, ob und wann eine Möglichkeit besteht, ihn in seine Zeit zurückzubringen, ob er hierbleiben muss und somit alles, was in den Geschichtsbüchern steht auf den Kopf gestellt wird. Ach, noch etwas fällt mir siedend heiß ein: was wird aus England, aus seinem Reich im Jahr 1485, wenn dort plötzlich König Richard spurlos verschwunden ist? Wie geht es seiner Mutter damit? Seinen Vertrauten? Je tiefer ich gedanklich in die Materie eintauche, desto mehr Fragen wirft sie auf.

Ich schaue ihn an und meine mit leicht zitternder Stimme: „Es... es müssen Euch doch schon Leute vermissen und nach Euch suchen. Sie werden erstaunt sein, Euch nicht finden zu können."

Sein Kopf ruckt sofort herum in meine Richtung.

„Ich habe darüber noch nicht viel nachgedacht, weil meine Gedanken die ganze Zeit über in höllischem Aufruhr sind, doch nun, da Ihr es sagt... ja, sicherlich. Madame. Ihr seid hier zu Hause und lebt in diesem Zeitalter, nicht ich. Also wird es hauptsächlich an Euch sein, einen Weg für meine Rückkehr zu finden. Ich... ich kann England im Augenblick für kaum mehr als ein Stündchen unregiert lassen. Es herrschen unsichere Zeiten... Ihr versteht... in der Zeit, aus der ich komme. Mir wäre daher an einer baldigen Rückkehr sehr gelegen."

Scherzkeks! Wie soll ich das denn hinkriegen? Hokuspokus-Fidibus, dreimal schwarzer Kater und König Richard findet sich in einem dunklen Kellergang in seines Mutters Burg wieder? Schön wär's!

Rat- und mutlos stelle ich die leere Teetasse ab. Mir ist jeglicher Appetit vergangen, Flüssigkeitszufuhr eingeschlossen. Als ich die Zuckerdose wegstelle, fällt mein Blick auf ein ganz bestimmtes Küchenutensil und der mir eigene Humor drängt sich kurzfristig an die Oberfläche. Ich greife es und wirbele damit zu meinem hohen Besucher herum.

„Bitte, ich brate Euch eins mit dem Nudelholz über und gut! Das dürfte Euch dann wieder dorthin bringen, wo Ihr hergekommen seid. Wollen wir?"

Ich hole aus, meine es nicht einmal bierernst, will einen Scherz damit machen, doch zu meiner Überraschung pariert er meinen Ansatz zum Schlag blitzschnell mit seinem Schwert. Donnerwetter, ist der aber reaktionsschnell!

„Haltet ein, Madame, wir wollen nichts übereilen. Und das nenne ich übrigens ein Teigholz, was aber sind Nudel?"

„Nudeln", verbessere ich, „Pasta... etwas zum Essen aus... aus einem einfachen Teig bereitet."

Er lächelt breiter als jemals zuvor, was ihn irgendwie liebenswert, ja, nahezu attraktiv macht, und erwidert schlicht: „Teigholz also, wie ich sagte."

Während ich die Frühstückssachen wegräume und dabei angestrengt nachdenke, gibt mein zertrümmertes Mobiltelefon ein paar ächzende Geräusche von sich und - da der Vibrationsalarm anscheinend noch funktioniert - tänzelt dabei unruhig auf der Arbeitsfläche hin und her.

Mein Besucher schreit und duckt sich unter den Esstresen, schützend die Hände über seinem Kopf haltend.

„Was ist das nun wieder für eine Teufelei, Mylady Clayden?"

„Das... das ist ein Telef... ein Apparat, um Nachrichten zu übermitteln. Es ist nun aber kaputt und stellt so oder so keinerlei Gefahr dar. Ihr müsst Euch an derlei Dinge gewöhnen, da Ihr Euch in der Zukunft befindet."

Er sieht mich zweifelnd an und gibt halb patzig, halb unsicher zur Antwort: „Ich möchte wieder zurück in meine Zeit. Ich habe vor nur wenigen Dingen Angst, ich bin ein erfahrener Soldat, habe erfolgreich Schlachten geschlagen und Feldzüge befehligt. Aber das hier befremdet mich nicht nur, nein, es verängstigt mich sehr."

„Vermutlich. Noch etwas: ich bin schlicht und einfach Kendra."

„Euer Vater ist kein Lord? Ein Pair? Oder wenigstens ein Baron?"

„Nein, er war Mr. Clayden und fertig."

„Oh. Also dann... Kendra."

„Besser. Darf ich im Gegenzug Richard sagen oder wäre das entgegen jedes Protokolls?"

Kapitel 7 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Ja, es gibt heute im Englischen keinen Unterschied mehr zwischen der Höflichkeits- und der Vertraulichkeitsform. You ist you. Früher jedoch machte man schon Unterschiede, und hier würde es vor allem um die Worte "thou" oder "thy" gehen (Ihr oder Euer), wobei auch da "Your Grace" (Euer Gnaden) eine Abweichung ist. Der Satz, um den es in diesem Kapitel vor allem geht, lautet "„Oh ja, wir hatten zwar nicht viele, aber doch einige Frauen auf dem Thron seit deiner Zeit." und würde ich es auf Englisch sagen, wäre das bekanntlich "Oh yes, we haven't had that many, but few women on the throne since your times." Heutige Form mit "you(r)". Höflichkeitsform wäre früher gewesen "Oh yes, we haven't had that many, but few women on the throne since thy times." Es hat also seine Berechtigung, dass der Herr bei diesem Satz eine gewisse Reaktion zeigt. 

 

Wie Könige die schließlich nur noch schreiten

fast ohne Ziel, nur um von Zeit zu Zeit

sich den Verneigenden auf beiden Seiten

zu zeigen in des Mantels Einsamkeit -  

so steigt, allein zwischen den Balustraden,

die sich verneigen schon seit Anbeginn,

die Treppe: langsam und von Gottes Gnaden

und auf den Himmel zu und nirgends hin;  

als ob sie allen Folgenden befahl

zurückzubleiben, - so dass sie nicht wagen

von ferne nachzugehen; nicht einmal

die schwere Schleppe durfte einer tragen.

(Versailles, Rainer Maria Rilke) 

Er denkt einen Augenblick nach und meint schließlich: „Es wäre respektlos, ganz gewiss. Da... da wir uns aber in einer ungewöhnlichen Situation befinden und niemand sonst zugegen ist, wir demnach ohne Zeugen sprechen, könnte ich es Euch erlauben."

„Könntet oder werdet Ihr es erlauben?"

Er zögert merklich, bevor er nachgibt und nickt.

„Es sei Euch erlaubt."

„Danke. Es erleichtert mir die Unterhaltung erheblich. Ich habe mich zwar mittlerweile an Eure langsame, altmodische Sprechweise gewöhnt, doch eine weniger formelle Anrede macht es für mich leichter."

„Kendra, wer ist nun - in der Zeit, in der wir uns gerade befinden - König von England?"

Ich muss schmunzeln, denn wenn ich ihm beispielsweise sagen würde, dass es gar keine Monarchie mehr gibt, wie in so vielen anderen europäischen Ländern, würde er sicher mit Gott hadern. Da es aber glücklicherweise im Vereinigten Königreich soweit nicht kam, bleibt ihm dieser Schock erspart.

„Elizabeth die Zweite."

Er reißt erstaunt die Augen auf.

„Eine Frau?"

„Oh ja, wir hatten zwar nicht viele, aber doch einige Frauen auf dem Thron seit deiner Zeit."

Er zuckt ob der informellen Form des persönlichen Fürworts merkbar zusammen, beißt sich kurz auf die Lippen,  zwingt sich dann aber zu einem Lächeln.

„Äußerst bemerkenswert."

„Finde ich auch. Richard", wieder zuckt er, doch ich fahre ungerührt fort, „es würde mich interessieren, ob es jemanden gibt oder gab, den du sehr gern mochtest, vielleicht auch sehr liebst oder geliebt hast."

Seine Augen verdunkeln sich und seine Stirn runzelt sich zusammen.

„Meine Frau. Dass sie starb fügte mir tiefen Schmerz zu."

„Es tut mir aufrichtig leid. Sonst noch wer?"

„Meine Kinder, allen voran mein Sohn Edward. Er ist auch von mir gegangen."

„Ein schrecklicher Verlust."

Er nickt düster.

„Ja, sein Tod hat meine ganze Welt verfinstert. Die meisten, die ich liebte, sind tot. Mein Vater, meine Brüder, gute Freunde. Entweder erlagen sie unheilbaren Krankheiten oder fielen im Krieg. Meine Mutter lebt noch, immerhin. Ich liebe sie natürlich, auch wenn sie manchmal ein bisschen halsstarrig ist. Und mein Freund Francis steht mir noch immer treu zur Seite. Einer der wenigen, die nicht dem Verrat anheimfielen."

„Das ist doch sehr tröstlich, denke ich. Gibt es keine neue Frau in deinem Leben?"

War ja klar, dass ich als Frau so etwas fragen würde. Aber meine Neugier möchte befriedigt werden.

Er schüttelt den Kopf, die dunklen Wellen seiner halblangen Haare fliegen dabei herum.

„Nein."

„Das ist schade und irgendwie traurig."

Ich habe das Thema schon abgehakt, als er leise, kaum hörbar hinzusetzt: „Ich liebe aber meine Nichte Elizabeth, die älteste Tochter meines Bruders Edward, über die Maßen. Nur... es stehen sehr viele Hindernisse zwischen uns und ich habe mir verboten, an sie als etwas anderes als meine nahe Verwandte zu denken. Sie ist sehr hübsch und liebenswert und...", seine Stimme bricht und er vollendet den Satz nicht.

Seine Traurigkeit ist fast greifbar und berührt mich sehr. Dem hehren Ritter und tapferen Feldherrn haftet etwas unglaublich Melancholisches an, eine verdeckte Schicht seiner Persönlichkeit kommt zum Vorschein, die einen betroffen macht.

„Ich kann sie nicht heiraten, auch wenn ich das mehr als alles andere möchte. Ich muss jemand anderen wählen, und das bald, denn ich bin ohne einen Erben."

„Verzeih, wenn ich dir zu nahe trete, aber derzeit müssen wir erst nach einer Möglichkeit zu deiner Rückkehr suchen, denn ohne Zeitreise zurück wird es weder eine Hochzeit noch einen Erben für dich geben."

Ich sage ihm nicht, dass weder das eine noch das andere für ihn im Jahr 1485 stattfinden wird, denn so viel aus seiner Geschichte kenne ich immerhin. Vom unsäglichen Rest natürlich ganz zu schweigen...

Die Kernfrage, die mich vorrangig beschäftigt ist, ob ich dem Schicksal ein Schnippchen schlagen kann indem ich ihn hierbehalte, ob ihm dann das alles, was ihn an Schlimmem erwartet erspart bleiben würde. Es ist schwer, dies abzuwägen. Vor allem frage ich mich, ob er einverstanden wäre zu bleiben, wenn er wüsste, was im Fall der - wie auch immer eingeleiteten - Rückkehr auf ihn zukommt. Wäre es einen Versuch wert, ihm die knallharte Wahrheit ins Gesicht zu sagen? Alles in mir sträubt sich dagegen, ich brächte es wohl nicht übers Herz. Andererseits... die Vorstellung, dies zu tun hat durchaus auch etwas Faszinierendes.

Gut, ich befinde mich zwar im Jahr 2015, aber einen DeLorean mit Flux-Kompensator besitze ich leider nicht und ich kenne auch keinen, der dergleichen oder ein ähnliches Zeitreise-fähiges Fahrzeug besäße. Bleibt nur noch, das zu tun, was heutzutage alle tun, wenn sie nicht mehr weiter wissen: ein Abstecher ins Internet, Tante Google fragen. Mein Handy ist hinüber, deswegen muss ich meinen Laptop holen. Bevor ich das mache, muss ich Richard darauf vorbereiten, damit er nicht einen weiteren Schreikrampf bekommt, wenn die Kiste angeworfen wird.

„Ähm, ich hole nun etwas, das dich vermutlich sehr verwundern wird. Bitte nicht aufregen, ja?"

„Noch mehr Höllenmaschinen?"

„So in etwa. Größer als das Te... Telefon, das kaputt ist, aber vollkommen ungefährlich."

„Sagst du."

„Sage ich. Keine Angst."

Während ich mich entferne, sitzt Richard stocksteif auf seinem Barhocker und stiert Löcher in die Luft. Ein bemitleidenswerter Anblick, ich muss es zugeben. Er kommt mir wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen vor und er hat verdammte Angst, das ist nun deutlich zu sehen.

Nach weniger als dreißig Sekunden komme ich mit meinem schwarzen Laptop wieder und klappe ihn auf. Ich spüre Richards argwöhnische Blicke. Neugierig ist er dennoch.

„Was macht man damit?"

„Es... es ersetzt eine Bibliothek, gewissermaßen. Man kann Dinge, Informationen vor allem, nachschlagen."

„Wie ein Buch?"

„Wie ein Buch, aber umfassender. Es wird weltweites Wissen ausgetauscht."

„Äußerst irritierend."

„Für dich sicherlich. Für mich Normalität."

„Grässlich."

Sein Blick fällt auf die Tastatur und er deutet darauf.

„Sind das Buchstaben?"

Ich nicke.

„Buchstaben, Zahlen, sonstige Zeichen. Anstatt sie mit Tinte auf Papier zu schreiben, drückt man drauf und schon erscheint der jeweilige Buchstabe auf dem Bildsch... auf der Anzeige. So...", ich zeige es ihm und er weicht entsetzt zurück.

„Das kann ich kaum lesen, die Buchstaben sind sehr klein und... entsprechen nicht der Weise, wie ich sie schreibe."

„Sie haben keine Schnörkel und Verzierungen, falls du das meinst. Hier ist ein großes ‚R‘, siehst du?"

Nun nickt er.

„Das kann ich erkennen. Nicht schön."

„Nein, schön vielleicht nicht, aber zweckmäßig."

„Welche Informationen suchst du in... in diesem Apparatus?"

Ich verkneife mir ein Schmunzeln und sage: „Hinweise auf Zeitreisen. Aber das Meiste dürfte Schwachsinn sein und das herauszufiltern, was uns weiterhelfen würde, ein Ding der Unmöglichkeit."

„Weswegen unterziehst du dich trotzdem der Prozedur?"

Ach, wie ich sein geschraubtes Englisch inzwischen mag!

„Weil ich auf einen Zufallstreffer hoffe."

„Zeitverschwendung, deucht es mich."

Er hat wahrscheinlich recht.

„Hör‘ mal, Richard", er unterbricht mich und sagt freundlich: „Bitte, da wir schon bei einer sehr familiären Anrede sind, wäre mir ‚Dickon‘ wesentlich lieber."

„Dickon? Ernsthaft?"

Er nickt abermals und ich begreife, welche Ehre er mir damit erweist. Da ich sowieso gerade aufstehen wollte, verbinde ich das mit einem kleinen Knicks und setze neu an: „Also, Dickon, ich danke sehr für das Vertrauen und die Ehre. Ich... ich werde mal schnell ins Bad gehen, du weißt... der Ruf der Natur, und bin in wenigen Minuten wieder da. Gut?"

Das dritte Nicken. Ich entferne mich.

Kapitel 8 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Heute lernen wir etwas über Hypocras und über alte englische Hohlmaße.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hypocras

Das Quart entspricht 1,14 Litern und das Pint entspricht 0,568 Litern. 

 

Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer,
Tönt so traurig, wenn er sich bewegt
Und nun aufhebt seinen schweren Hammer
Und die Stunde schlägt.

(Der Tod, Matthias Claudius)

Als ich wiederkomme, traue ich meinen Augen nicht. Er steht am Küchenfenster und hat die Hände in sichtlicher Verzweiflung vors Gesicht geschlagen. Ob er weint oder nicht, kann ich nicht feststellen, doch ein Blick auf den Laptop offenbart, dass er seinen eigenen Namen - ich kann mir denken, langsam und übervorsichtig - eingeben hat. Die Ergebnisse füllen den Bildschirm, unter anderem sieht man wenig schmeichelhafte Porträts von ihm. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

„Dickon! Ich sagte doch, dass das Meiste Schwachsinn ist."

Er ist überraschend wütend, als er aufschaut.

„Schwachsinn? Wozu gibt es dann diesen... diesen Apparatus überhaupt, wenn er - wie du behauptest - Schwachsinn verbreitet? Und nenn‘ mich gefälligst nicht Dickon!"

„Aber...", ich verzichte klugerweise auf den Protest bezüglich seiner Anrede und versuche mich stattdessen in Beschwichtigungen, „es ist meist ein Zeitvertreib, wie Bücher lesen, jedoch darf man nicht alles für bare Münze nehmen, was im Internet... in dieser Maschine erscheint."

„Gut, dann kannst du mir sicher sagen, dass mein darin angegebenes Todesdatum auch Schwachsinn ist, ja?"
Er hat es also gelesen! Verdammt, verdammt, verdammt! Zahlen sind ja auch eindeutiger und besser zu lesen als moderne Buchstaben.

„Und die Bilder? Wie kommen so schreckliche Gemälde, Abbildungen meiner Person in dieses... dieses Teufelsding? Gemälde, die mir nicht im Entferntesten ähnlich sind!"

„Oh, Dickon..." mir fehlen die Worte und ich sacke erschöpft am Türrahmen entlang auf den Boden.

Sein Mitleid mit mir hält sich in Grenzen, eher äußert sich seine Gemütslage gerade durch nahezu ungezügelte Wut.

„Ich möchte sofort zurück! Wenn nicht, schlage ich dir eigenhändig den Kopf ab."

Na bravo! Vielleicht wäre das ja die Lösung und mein Opfertod brächte ihn in seine Zeit zurück. Weiß man's?

Matt erwidere ich: „Sei nicht albern. In der heutigen Zeit gibt es keine Todesstrafe mehr im Ver... im Königreich."

Er ist sichtlich betroffen.

„Was? Königin... Elizabeth lässt keine Verbrecher hinrichten?"

„Nein."

„Was geschieht dann mit Verbrechern und Verrätern?"

„Sie bekommen eine Gerichtsverhandlung und werden, falls sie bei schweren Vergehen schuldig gesprochen werden, ins Gefängnis gesteckt."

„Eingekerkert?"

„Ja, sozusagen."

„Da muss das Gefängnis Ihrer königlichen Gnaden aber recht voll sein, oder?"

„Es handelt sich um deutlich mehr als nur ein Gefängnis, Dickon. Wir können gerne im Internet nachschlagen, wie viele es genau sind."

„Du meinst in diesem... Ding?" er deutet geringschätzig auf den Laptop.

Ich nicke schwach.

„Um dann Schwachsinn zu erhalten?"

Ich kriege die Krise!

„Zugegeben, nicht alles darin ist Schwachsinn", murmele ich.

„Aha. Also stimmt mein Sterbedatum?"

Ich kann nicht antworten.

Er kommt auf mich zu und fasst mich an der Schulter.

„Kendra? Es stimmt, nicht wahr?"

Ich hebe mein Gesicht an und er sieht mit Bestürzung meine Tränen.

„Wenn du hierbleibst, entgehst du doch sicher alldem", schluchze ich undeutlich.

Er starrt mich entgeistert an.

„Kendra! Das ist unmöglich! Hast... hast du ein Buch? Etwas anderes, als dieses... dieses merkwürdige Etwas hier, wo ich Buchstaben drücken muss, die nichtssagend für mich sind, und das vorgeblich Schwachsinn ausspuckt?"

Ich weiß zwar nicht, was er vorhat und was er damit bezweckt, doch ich raffe mich mit etwas Mühe auf, schniefe kurz und zerre dann die Encyclopaedia Britannica aus dem Bücherregal im Wohnzimmer, die auch noch nicht sehr lange da steht, die nämlich gestern noch in eine Kiste im Flur gepackt war, eine der wenigen Kisten übrigens, deren Inhalt mir halbwegs geläufig war.

„Bitte."

Er wiegt das Buch in seinen schmalen Händen, die eher wie die einer Frau aussehen, die aber erstaunlich fest ein Schwert packen und führen können, wie ich bereits feststellen durfte.

„Ein schweres Buch. Schön. Ich werde deine Hilfe brauchen. Es... es sind moderne Buchstaben."

Ich beuge mich zu ihm und mir wird zum ersten Mal sein Duft bewusst.

Fremd, aber nicht ganz ungewohnt: ein bisschen Leder - seine Stiefel und sein Gürtel; ein bisschen Rauch - die großen Kaminfeuer im Schloss; ein bisschen Schweiß - ein Bad ist auch für einen König Luxus und er hat Angst; ein bisschen Tee und Bier - seine Flüssigkeitszufuhr heute Morgen.

Und wie auf's Stichwort merkt er an: „Ich habe Durst. Hast du Hypocras im Haus, Kendra?"

„Hypo... Hypocras nicht," wieder danke ich meiner Mittelalter-Lager-Erfahrung dafür, diesen Würzwein zu kennen, „aber normalen Wein, denke ich mal. Warte, erst zeige ich dir die Seiten über... über dich und dann schaue ich nach, in welchen Kisten meine Weinflaschen sein könnten. Einverstanden?"

„Einverstanden."

Ich blättere durch den Wälzer und schlage dann eine Seite vor ihm auf, die ihn wahrscheinlich interessieren wird: Ein großes Bild von Königin Elizabeth der Zweiten bei ihrer Krönung.

„Das ist die jetzige Königin bei ihrer Krönung."

Richard blickt mit Interesse auf das Bild.

„Sie ist sehr schön und sie sieht kaum anders aus als Edward oder ich bei unserer Krönung. Vielleicht trägt sie sogar noch prächtigere Juwelen. Ich bin beeindruckt. Wann war das?"

„1953."

Sein Blick wandert überrascht vom Bild zu mir.

„Sie ist seit zweiundsechzig Jahren Königin? Und ein Kind scheint sie bei ihrer Krönung nicht gewesen zu sein. Wie alt ist sie jetzt?"

Ah, Richard der Schnellrechner, mal wieder. Das kann er ohne Frage perfekt.

Doch ich muss ihn verbessern, allerdings nicht wegen eines Rechenfehlers.

„Sie ist seit dreiundsechzig Jahren Königin, sie wurde ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters gekrönt. Und sie wird in elf Monaten neunzig, Dickon."

„Eine von Gott gesegnete Frau und Herrscherin. Ich mag sie."

Diese gerade von ihm gemachte Äußerung hat etwas sehr Rührendes, Ehrliches. Ich bin sehr erstaunt und blättere rasch weiter.

„Und jetzt zu deiner Seite, schau, ab hier. Ich beeile mich nun auch mit dem Wein."

Eilig reiße ich Kiste um Kiste auf, die meisten davon stehen in einer noch nicht eingerichteten Ecke des Wohnzimmers, ein paar wenige im Flur. Wie immer in einem solchen Fall befindet sich das Gesuchte in der letzten Kiste! Erleichtert nehme ich zwei Flaschen einer teuren französischen Marke an mich und hechte in die Küche zurück. Diesmal finde ich keine unliebsame Überraschung vor.

Richard sitzt still vor der Buchseite und hält eine seiner Hände flach aufs Papier gepresst.

„Der Wein, ich habe ihn gefunden."

„Gut."

Während ich ein Glas aus dem Schrank hole und einen Korkenzieher ansetze, wandert sein Blick mit Interesse vom Buch zur Flasche. Als der Korken mit einem lauten ‚Plopp‘ aus dem Flaschenhals fährt, zuckt Richard wieder zusammen.

„Gibt es keine Weinfässer und Karaffen mehr?"

„Doch, aber... aber für den Hausgebrauch nicht. Der Wein wird in der Kellerei, beim Winzer gewissermaßen, schon in Flaschen abgefüllt. So hält er sich länger und... und es geht beim Transport nichts verschüttet."

Immer praktisch denken, Kendra!

„Ich sehe. Ein bisschen wenig in diesen... Flaschen, oder?"

„Nicht ganz ein Liter."

„Liter?"

Oh, wenn man mich nun nach dem korrekten Hohlmaß aus dem Jahr 1485 fragt, werde ich passen müssen.

„Sieht wie etwas mehr als ein Pint und nicht ganz so viel wie ein Quart aus, wenn man mich fragt."

Halleluja, Richard kennt sich aus!

„Wenn du das sagst. Aber den Vergleich zum Pint kann ich gelten lassen, das gibt es heute noch."

„Wirklich? Sehr erfreulich."

Ich schenke mit Grazie ein und stelle Richard das Glas hin.

Er greift es vorsichtig und murmelt: „Ich finde diese unfassbar dünnen Gläser zum Trinken wenig geeignet. Becher aus Zinn, Silber oder Gold wären besser. Sie brechen nicht, sollte man sie einmal fallen lassen."

Er trinkt - und das Glas ist annähernd leer. Joi, hat der Mann einen Zug am Leib!

Sein Blick trifft mich frontal.

„Woher ist dieser Wein?"    

„Aus... aus Frankreich", stottere ich unsicher.

„Frankreich? Die Franzosen sind Lumpen, wo ihnen das Hemd am Körper anliegt, aber verdammten Wein können sie machen. Ich habe niemals zuvor einen so köstlichen Tropfen getrunken."

Für mich das Stichwort nachzuschenken.

„Trinkst du nichts, Kendra?"

Ich schüttele den Kopf.

„Zu früh am Tag. Am Abend vielleicht."

„Sehr diszipliniert. Aber leidest du denn bis dahin keinen Durst?"
„Nein. Ich trinke andere Sachen. Wasser, Saft... ähm, Most und so etwas."

„Wasser? Davon holt man sich den Tod! Nur arme Bauern saufen Wasser und sterben weg wie die Fliegen."

„Nicht mehr heute, Dickon. Wasser ist... sehr gesund."

„Bei Gott, das ist eine verrückte Welt, in der du hier lebst. Zurück zum Buch. Ich finde hier das gleiche Datum und... die gleichen hässlichen Bilder, die angeblich mich zeigen sollen."

Er klingt bemüht sachlich, doch ich denke, er zeigt seine wahre Verfassung gerade nicht.

„Ja."

„Ich kann das nicht lesen, nur die Zahlen sagen mir etwas. Am 2. Oktober 1452 geboren, das ist richtig, und am 22. August 1485... nun ja...", er trinkt das nächste Glas so gut wie leer und fragt dann beinahe emotionslos: „Wie werde ich sterben?"

Kapitel 9 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Die Situation ist verfahren und nicht einfach, weder für Kendra noch für König Richard. Was wird möglich und umsetzbar sein? Muss der trinkfeste, aber körperlich leicht gedrungene mittelalterliche Herrscher seiner Welt für immer entsagen? Würde er dadurch seinem eigenen Schicksal entgehen? Fragen über Fragen und wenig bis keine Antworten... bei allem Ernst der Lage auch ab und zu wieder mit einem Augenzwinkern versehen.

P.S. Eine Flasche Château Angludet 2011 kostet momentan etwa 30 Euro.

 

Das alte Fass ist ausgetrunken,
der Himmel steckt ein neues an.
Wie mancher ist vom Stuhl gesunken,
der nun nicht mit uns trinken kann.
Doch ihr, die ihr wie wir beim alten
mit so viel Ehren ausgehalten,
geschwind die alten Gläser her
und setzt euch zu den neuen her!

(Weingedicht, Georg Christoph Lichtenberg)

Es hilft nichts, ich schenke mir auch ein Glas Wein ein und nachdem ich einen großen Schluck des Château Angludet 2011 - zugegeben exzellent und... teuer - genommen habe, bin ich bereit für das Unausweichliche. In die Augen sehen kann ich ihm dabei nicht, also wende ich meinen zum Glas gesenkten Kopf zusätzlich ab.

„Dickon, wenn du es schaffst, zurückzukehren, wirst du als... als Held in einer Schlacht sterben."

„Oh."

Mehr sagt er nicht.

„Doch soweit muss es ja nicht kommen. Wir... ich weiß nicht einmal, wie deine Rückkehr gestaltet sein könnte. Wenn du hier bleibst...", er unterbricht mich, dieses Mal eher in sanftem Tonfall und gar nicht mehr ruppig: „Ich bin doch kein Feigling, der vor einer Konfrontation, vor einer Schlacht davonläuft. Ich weiß es zu schätzen, dass du mich davor bewahren möchtest, aber es geht nicht. Sieh, dieses Buch ist gedruckt und es weist die Daten meiner Geburt und... und meines Todes aus. Deine merkwürdige Maschine... dieses Inter... ich weiß nicht mehr, wie es heißt, zeigt das Gleiche an. Wir können Geschichte nicht ändern, nicht umschreiben. Geschichte ist Geschichte und geschehen."

Sicher sieht er mir meine Verzweiflung an, als ich den Kopf hebe und kraftlos fortfahre: „Dickon, ich weiß keinen Weg für dich zurück, ehrlich nicht."

Er lächelt - und darüber wundere ich mich total - mich von der Seite her an und antwortet: „Wolltest du vor einiger Zeit nicht kräftig mit dem Teigholz auf mich einschlagen?"

„Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, außer heftigem Schmerz und einer riesigen Beule auf dem Kopf, unter Umständen auch Schlimmeres, nämlich eine offene, hässlich blutende Wunde."

„Wäre es den Versuch nicht wert?"

Ich staune weiterhin Bauklötze.

„Du wünschst dir wirklich deine Rückkehr, obwohl du weißt, was passieren wird?"

„Ja. Ich habe keine andere Wahl. Auch wenn ich mich in der fernen Zukunft befinde, so ist die nahe Zukunft, die mich bei meiner Rückkehr erwartet dennoch sehr viel erstrebenswerter für mich."

„Aber sie führt dich in den Tod, Dickon."

„Und das hier? Zu was führt mich das? In die schiere Verzweiflung? In den Wahnsinn? Nein, Kendra, das würde ich nicht ertragen. Ich fühle mich jetzt schon, nach nur wenigen Stunden, wie ein Kranker, wie ein Entwurzelter,  entkräftet, entheimatet, ohne jegliches Wohlgefühl. Abgesehen vom wirklich vorzüglichen Wein, doch das wäre ein nur sehr schwacher Trost."

Er ist der tapferste Mann, den ich kenne. Wie heroisch er sich seinem Schicksal stellt. Ich seufze ergriffen und schenke ihm das nächste Glas ein. Saufen kann er überdies, ein wahrer Tausendsassa!

Saufen! Ein weiterer Geistesblitz durchzuckt mich. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Wenn er so betrunken ist, dass er nicht mehr viel merkt, könnte ich das Nudelholz auf seinen Schädel sausen lassen und ihn mit diesem Schlag eventuell zurückbefördern. Zumindest würde ich mich nicht ganz so schlecht fühlen, weil ich ihm wehgetan habe, egal dann, ob seine Rückführung klappt oder nicht.

Ganz langsam reift in mir ein Plan oder wenigstens etwas, das man ansatzweise so nennen könnte. Man könnte... ich denke intensiv nach.

Zuerst möchte ich, dass er glücklich ist für die noch verbleibende Zeit seines Lebens. Immer natürlich vorausgesetzt, er schafft es zurück in seine Ära. Ein Teil meines Plans sieht vor, ihm ein winziges bisschen Glück zukommen zu lassen. Ich brauche dafür ein paar Minuten, eine Viertelstunde maximal, für mich allein, am Laptop. Wie fange ich das an? Meine Gedankengänge sind so komplex, dass mir der Kopf schon schwirrt, nach und nach manifestieren sie sich zu konkreten Vorhaben.

„Dickon, ich habe ein paar Ideen im Kopf, die vielleicht gut für dich sein könnten. Gibt's du mir ein paar Minuten, um besser nachdenken zu können? Bitte? Du... du könntest dich ein wenig in den Garten setzen, es regnet nicht und das Wetter ist recht angenehm. Du kannst gern die zweite Flasche Wein mitnehmen, wenn er dir so gut schmeckt."

„In den Garten?"

„Ja", ich öffne ihm die Tür und zeige hinaus, „da."

Er späht argwöhnisch hinaus, betrachtet die überschaubare Fläche und fragt dann mit zweifelnder Miene: „Das ist ein Garten? Es sieht aus wie... wie... ich finde keinen Vergleich dazu."

„Vermutlich sehr klein verglichen mit dem, was du einen Garten oder Park nennst."

„So ist es."

Zögerlich tritt er ins Freie. Dort rücke ich ihm einen Gartenstuhl aus Alu zurecht, den er mit großen Augen begutachtet, und stelle ihm sein Glas, die Weinflasche und eine Schüssel Kartoffelchips hin.

„Ich beeile mich, aber denke dran, ich arbeite an einem Plan, der dir möglicherweise die Rückkehr in deine Welt ermöglicht. Also bitte ich um ein bisschen Geduld."

Er nickt, als er vorsichtig Platz nimmt, die lange Schwertscheide durch die Lücken in der Stuhllehne führend. Zu diesem Bild fällt mir eine weitere Frage ein.

„Dickon, weswegen gehst du eigentlich mit einem umgegürteten Schwert in den Keller des Schlosses deiner Mutter?"

Er lacht tatsächlich und mein Herz macht einen unvermuteten Sprung.

„Eine trefflich gute Frage. Sieh, es gibt zahlreiche Lumpen in meinem Königreich. Die Wachen bei Mutter hier in Berkhamsted sind dünner gesät als in meinen Palästen, und sie können ihre Augen und Ohren nicht überall haben. Es ist besser, mit einer Waffe in der Hand durch die Gewölbe des Schlosses zu gehen. Außerdem kann ich dann und wann eine Ratte damit erledigen. Sie sind elende Plagegeister."

„Und bringen die Pest. Verstehe."

Er schaut mich verblüfft an: „Die Ratten bringen die Pest? Wirklich?"

Ich nicke ernsthaft: „Ja. Eigentlich sind es nicht die Tiere selbst, sondern die Paras... die Flöhe, die sie im Fell tragen."

„Oh, das ist eine wertvolle Mitteilung. Danke dafür."

„Keine Ursache."

Bevor ich zurück in meine Küche gehe, um meine Pläne endlich in konkrete Taten umzusetzen, greift Richard gedankenverloren in die Schüssel mit den Chips und steckt sich ein paar davon in den Mund.

Erstaunt fragt er: „Kendra, was ist das? Das schmeckt sehr... würzig und fremd, aber gut."

„Frittierte Kartoffeln, im Prinzip."

„Kar... was?"

Klar, kann er nicht kennen. Ich schüttele leicht meinen Kopf, alles kann man ihm halt nicht erklären.

„Etwas, das es zu deiner Zeit noch nicht gibt, weil es aus Ländern stammt, die... die noch niemand entdeckt hat. Kolumbus wird das tun, unter anderem."

„Kolumbus? Dieser... dieser Genueser, der sich momentan am spanischen Hof aufhält?"

„Genau der."

Ich verschwinde ins Haus, bevor ich den Verstand, die Geduld und meine mühsam aufrecht erhaltene Fassung verliere.

Kapitel 10 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Es ist soweit, der arme Zeitreisende muss aus dem geschützten Raum von Kendras Haus hinaus in die Öffentlichkeit, in das brodelnde Leben des 21. Jahrhunderts. Schauen wir mal, wie Kendra es handhabt und wie er es verkraftet. 

 

Buchstaben
kratzen über
das Papier.
Gefederten Schrittes
lauschen sie
in die Tiefe
des Tintentons.
Im Schwung
der Vergänglichkeit
graviert sich
ein Stückchen
Ewigkeit

(Schöpfung, Silke Kühn)

Dort verfalle ich in Hektik. Ich suche im Internet nach einem mittelalterlichen Schriftfont, einem, der Richards Handschrift halbwegs nahekommt. Es dauert mir natürlich zu lange... doch da - endlich... gut, gefunden, installiert, nächster Schritt. Ich schreibe eine kurze Nachricht in dieser Schriftart, dann drucke ich selbige aus. Mit unsicherer Hand krakele ich außen auf das mehrfach gefaltete Papier in Buchstaben, die ich mir mühsam abgucke, einen Namen drauf. Puh, hoffentlich klappt das alles. Ich bin sehr unsicher, doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Dann betrachte ich mein Erscheinungsbild im Spiegel und stelle fest, dass ich arg mitgenommen aussehe. Im Bad verpasse ich mir eine kurze Auffrischung und reiße im Vorbeigehen eilig aus der Kiste mit den Weinen eine Flasche Champagner heraus. Außerdem greife ich mir im Vorbeigehen den Blumenstrauß, den ich von einer Freundin zum Einzug bekommen habe und der - wenngleich nicht mehr taufrisch - noch einen halbwegs präsentablen Eindruck macht. Das mehrfach erwähnte Nudelholz rolle ich in ein Küchenhandtuch und binde es mir geschickt um.

Nun ist es an der Zeit, Richard meinen irrwitzigen Plan zu enthüllen - wenigstens den Großteil dessen. Einen Punkt habe ich, den ich ihm nicht preisgeben werde. In alles andere werde ich ihn natürlich einweihen, denn ohne sein Einverständnis und seine Mitarbeit ist der Plan zum Scheitern verurteilt.

Mit einem Schmunzeln stelle ich beim Hinaustreten in den Garten fest, dass sein Blick leicht glasig ist und die Weinflasche - die zweite! - halbleer. Guter Junge!

„Dickon, wir müssen zum Schloss hinüber. Wirklich, so nahe wie möglich dorthin, wo sich dein Gemach befand... befindet. Denkst du, du wirst es finden? Ich sage gleich, dass wir nur Ruinen vorfinden werden."

„Natürlich finde ich mich zurecht."

Ich habe so meine Zweifel, lasse sie mir aber nicht anmerken. Es gilt, wichtigere Dinge zu besprechen.

„Wir gehen gemeinsam. Es ist Samstag und sehr viel los. Wir werden auf Dinge treffen, die dir Schrecken einjagen werden. Jogger, Radfahrer, Autos, Motorräder, und dergleichen. Du musst mir hoch und heilig versprechen, mir absolut zu vertrauen, dir nichts anmerken zu lassen und vor allem, nicht zu  schreien oder sonst wie aufzufallen. Ja?"

Jogger, Radfahrer, Autos, Motorräder... Richard kann gewiss mit keinem dieser Begriffe etwas anfangen. Er lässt sich seine Irritation, die unendlich groß sein muss, kaum anmerken.

„Ich vertraue nur wenigen Leuten in meinem Umfeld, aber gut, Kendra, ich verspreche es. Wenn du mich nur zurückführst, das ist mein größtes Anliegen."

„Hör zu: normalerweise ist niemand im Jahr 2015 so gekleidet, wie wir es sind. Du, weil du ein mittelalterlicher König von England bist und ich, weil... weil ich mich dir angepasst habe und zufällig solche Kleidung im Haus hatte. Aber es ist Samstag, wie ich bereits sagte, und es gibt samstags nicht selten Hochzeiten, denen das Thema ‚Mittelalter‘ zugrunde liegt. Wir geben einfach vor, ein Hochzeitspaar zu sein, das in den Schlossruinen Bilder, Fotografien machen möchte, so fallen wir überhaupt nicht auf. Hast du das verstanden, Dickon?"

„Nein."

Eine grundehrliche Antwort, das muss man ihm lassen. Er ist merklich heillos überfordert. Es ist aber auch schwierig, ihm das alles zu vermitteln, wenn er weder Autos kennt, noch weiß, was ein Fotoapparat ist.

„Also gut, es ist ganz einfach: Wir beide gehen dort nun hin und du wunderst dich bitte, bitte, bitte über gar nichts von alldem, was du auf dem Weg dorthin hörst und siehst. Alles andere überlässt du mir. Oh, eines noch: du musst verliebt in mich sein. Ginge das?"

Richard schaut mich an, als wäre ich die vielköpfige Hydra, doch dann nickt er langsam.

„Ich will alles versuchen, wenn es meiner Rückkehr förderlich ist."

Toll, er tut gerade so, als ob es eine Riesenüberwindung wäre, ein bisschen verliebt mit mir zu tun. Klar, ich bin nun einmal nicht seine angebetete, angeblich wunderschöne Nichte Elizabeth. Doofer Kerl!

„Trink aus, Dickon, dann gehen wir."

„Vorher müsste ich noch einmal..."

„... ins Bad, kein Problem. Du weißt ja nun, wie es geht."

Ungeduldig warte ich - ein zweites Mal an diesem Tag - vor der Badezimmertür, bis er fertig ist. Als die Tür sich langsam öffnet, kommt ein sehr blasser,  sichtlich angetrunkener, aber noch weitgehend stabiler Richard zum Vorschein. Ich werfe ihm einen abschätzenden Blick zu. Gut, abgesehen vom ungewöhnlichen Outfit dieses besonderen Exemplars Mann ist das alles in allem für einen britischen Bräutigam sicherlich der Normalzustand.

„Kannst du meine Hand halten, Dickon?"

„Weswegen sollte ich das tun?"

„Verliebte machen das. Hochzeitspaare sowieso."

„In aller Öffentlichkeit?"

„Oh ja."

„Seltsame Sitten und Gebräuche habt ihr."

Ich drücke ihm die Sektflasche in seine linke Hand und halte den Blumenstrauß in meiner rechten. Dann reiche ich ihm meine linke Hand und er ergreift sie nach kurzem Zögern mit seiner rechten. In einem Beutel befinden sich das kleine Briefchen, ein Fotoapparat und meine Hausschlüssel, das Nudelholz ist im Tuch an meinem Gürtel befestigt. Alles gerichtet. Noch einmal tief durchatmen... ich öffne die Fronttür.

Als das erste Auto vorbeibraust, drücke ich fest Richards Hand, der sich nicht minder fest auf die Lippen beißt.

„Schau nicht hin, schau auf den Boden, oder zu mir, aber sei nicht verkrampft. Ich helfe dir", flüstere ich, als ich seine instinktive Abwehr spüre.

„Höllenmaschinen, Hexenwerk", höre ich ihn murmeln.

„Und lass‘ um Himmels willen weder meine Hand los, noch die Flasche fallen, ja?"

Er nickt stumm.

Wir sind noch keine dreißig Yards gelaufen, da werden wir auch schon von einer Gruppe Passanten von der gegenüberliegenden Straßenseite angesprochen: „Herzlichen Glückwunsch!",  „Wieder hat's einen erwischt, der guckt ja jetzt schon ganz bekümmert" oder auch „Hey, Mittelalter-Hochzeit, cool."

Am Abzweig zur Brownlow Road haben wir's fürs Erste geschafft, wir erreichen die Ausläufer des Parks mit vielen großen Bäumen, die uns nun ein bisschen von der modernen Welt abschirmen. Ich halte an und atme durch.

„Das war sehr gut, Dickon, wirklich."

Seine blauen Augen flackern unruhig hin und her und er macht den Eindruck eines halb zu Tode gehetzten Tieres auf mich.

„Das ist Wahnsinn", würgt er heiser hervor.

Ich lege meinen Blumenstrauß ins Gras und streiche ihm mit beiden Armen beruhigend über die samtenen Ärmel seines edlen Wams‘, wobei ich ihm unglaublich nahe komme. Ich spüre seinen Wein-getränkten Atem.

Einem nicht zu unterdrückenden Impuls folgend sinkt mein Kopf zum kurzen Verweilen an seine Brust, während ich erwidere: „Ich weiß. Wir sind schon weit gekommen. Du schaffst das. Du bist ein großer Krieger, ein tapferer Mann."

„Lieber kämpfe ich in einer Schlacht, als dieser Welt hier hilflos ausgeliefert zu sein."

Ich nicke verstehend, dann löse ich mich ein klein wenig von ihm und frage erwartungsfroh: „Und? Erkennst du schon etwas?"

Richard schüttelt den Kopf. Ich ahnte, dass es so einfach nicht werden würde.

„Wir klettern mal auf den Erdwall, dann vielleicht, ja?"

Reiner Zweckoptimismus meinerseits.

Langsam erklimmen wir die kleine Anhöhe. Von dort oben hat man einen deutlich besseren Überblick, wird aber auch von anderen gut gesehen. Wir bekommen sofort Feedback, denn ein Mitbürger spurtet von der anderen Seite hoch zu uns und bietet sich an, ein paar Fotos von uns zu schießen. Wir müssen das Spielchen fröhlich mitspielen, ob wir wollen oder nicht.

„Ey Mann, du hast ja'n echtes Schwert. Geil! Weißt du was? Damit köpfst du jetzt die Pulle Sekt, das kommt tierisch gut auf den Fotos, ja?"

Richard sieht mich verzweifelt an. Ich empfinde das, was mein Mitmensch und Zeitgenosse aus dem Jahr 2015 von sich gibt, als extrem unpassend, und schäme mich nun dafür, dass ich in der Früh‘ ähnlich gedacht und reagiert hatte.

Weil ich merke, dass Richard kein Wort versteht, flüstere ich ihm deswegen rasch ins Ohr: „Zu schnell gesprochen und Worte, die du nicht kennst, nicht wahr? Er möchte, dass du mit deinem Schwert der Flasche den Hals abschlägst. Mach' es einfach, dann sind wir ihn gleich los."

Er nickt in sein Schicksal ergeben und zieht das Schwert. Die Reaktion des anderen folgt prompt.

„Oho, was'n Teil! Hoffe, du kannst damit umgehen, Alter!"

So ein Vollidiot! Ich halte unwillkürlich die Luft an, doch wenn einer das Schwert hervorragend führen kann, dann ist es wohl Richard, sogar mit einem ordentlichen Schwips. Mit einem gekonnten, zielgerichteten Hieb ploppt der Korken aus der Flasche, nicht einmal das Glas splittert dabei, und die Sektfontäne schießt heraus. Ich bin sichtlich beeindruckt und schmiege mich bewundernd an meinen hehren Ritter... und nie war dieser Spruch wohl mehr wörtlich zu nehmen. Der Fotoapparat klickt und klickt. Dann reicht der Fremde uns den Apparat zurück.

„Seid'n echt cooles Paar. Hammer. Glückwünsche und noch viel Spaß."

Kapitel 11 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Nicht wundern, es geht hier heute schon weiter, denn mir sitzt die Zeit ein wenig im Nacken, nicht direkt wegen "#44on22nd", aber es hat entfernt natürlich mit dem Datum etwas zu tun. 

Kendra und Richard versuchen also gemeinsam, ihn wieder in seine Zeit zurück zu bringen. Ob's gelingt?

 

Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ich‘s noch: ein dunkles unverwund‘nes
grausames Etwas, das ein Schönverbund‘nes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.

Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wären‘s alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:

Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes - schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.

(Abschied, Rainer Maria Rilke)

Uff, wir sind den Typen endlich los. Mein Aufatmen ist deutlich hörbar. Die Sektflasche ist durch die überschäumende Flüssigkeit beinahe halbleer, doch ich nötige Richard, daraus zu trinken.

„Probier‘, es ist etwas ganz Besonderes."

Er setzt die zum Glück unversehrte Flasche an und trinkt. Als er absetzt, muss er rülpsen, zu viel Kohlensäure.

„Oh, Schaumwein. Sehr teuer. Wir armen Söhne Yorks, auch wenn wir Könige sind und waren, können uns den kaum leisten. Als ich im Exil in Brügge war, an meines Schwagers Hof, da gab es ab und zu Schaumwein. Charles ist so viel reicher drüben in Burgund als wir in England. Brügge ist eine der florierendsten Handelsstädte überhaupt. Wirklich sehr reich. Sie essen dort ständig von goldenen Tellern. Nahezu unvorstellbar hier."

„Dann trink‘ die Flasche leer, los", ermuntere ich ihn.

„Gleich. Ich... ich sehe kein Schloss, Kendra. Aber vielleicht sagst du mir, wo Nord, Süd, Ost, West ist, dann kann ich die Dinge besser einordnen und Orientierung erlangen."

Ich zeige ihm gehorsam und kooperativ, wo sich die Himmelsrichtungen befinden. Richard nickt und trinkt - endlich - die Flasche leer.

Leicht schwankend läuft er auf dem Erdwall entlang Richtung Süden, rudert unsicher mit den Armen und meint: „Dort hinten im Nordosten auf dem Burgstall steht der Bergfried. Hier unten ist der innere Burghof... und hier, direkt vor mir, der Wohnturm!"

„Dein Gemach ist wo, Dickon?"

Er dreht sich verwirrt um die eigene Achse: „Ich weiß... weiß nicht so genau. Irgendwo hier, vermutlich. Es... es ist sehr schwer, dies im Augenblick zu bestimmen."

Richard lässt sich fallen wie ein Stein und liegt nun - in den Himmel starrend - rücklings auf dem Wall. Er ist inzwischen voll wie eine Haubitze, definitiv. Der Schampus hat ihm den Rest gegeben. Ich hoffe nur, er irrt sich mit seinem zugedröhnten Kopf nicht in der Örtlichkeit.

„Kendra", ruft er mit schwerer Zunge, „warum kommst du nicht mit mir?"

Das wäre ja was. Obwohl - so verlockend die Idee auch ist, wie sollte ich das anstellen, wo ich ja nicht einmal weiß, ob er überhaupt die Zeitreise zurück antreten kann. Was würde er mir versprechen, wenn es möglich wäre? Er hat selbst gesagt, er müsse wieder heiraten. Käme ich in Frage? Ein Anflug von Größenwahn und Eitelkeit durchrennt mich kurzfristig.

Lächelnd setze ich mich neben ihn ins Gras. Ein kleiner Flirt zum Abschied kann ja nicht schaden, denke ich.

„Ich würde, wenn ich genau wüsste wie."

„Wir sind doch schon ein... ein Hochzeitspaar. Ich bin der König, ich könnte dich heiraten."

„Das würdest du wirklich tun, Dickon?"

Er nickt fest, jedoch mit eher trotzigem Gesichtsausdruck.

„Vor allem natürlich aus Dankbarkeit."

„Keine Liebe?"

„Liebe? Vielleicht. Du bist eine nette Frau, ein bisschen ungewöhnlich vielleicht, aber durchaus ansprechend."

„Danke", sage ich trocken.

So voll er auch ist, so ernüchternd sind seine Worte. Aus Dankbarkeit. Fantastisch! Es wird Zeit, ihn dahin zurück zu befördern, wo er hingehört. Ich stecke ihm das Zettelchen aus meinem Beutel unauffällig in seine Wams-Tasche und beuge mich über ihn.

„Ich wünsche dir eine angenehme Rückreise, Dickon."

Dann befreie ich das Nudelholz aus dem Tuch, mich vergewissernd, dass wir keine Zuschauer haben oder diese wenigstens so weit weg vom Geschehen sind, dass sie nicht sehen können, was vor sich geht.

Doch bevor ich noch den Griff des Nudelholzes für den auszuführenden Schlag fest umklammern kann, kommt die große Überraschung, denn Richard murmelt träge unter halb geschlossenen Lidern: „Würdest du mir einen Abschiedskuss geben?"

Ich stoße perplex die Luft aus. Dieser kleine, durchtriebene, alkoholisierte Wi... - okay, nicht in alte Muster verfallen und taktlos ordinär-modern werden, Kendra! - ... Schwachkopf aber auch! Allerdings bin ich nun doch emotional weichgeklopft, ganz ohne Frage. Wenn es ihm hilft, den Schmerz, den ich ihm gleich zufügen werde, besser zu ertragen - bitte.

Folglich nähere ich mich seinen Lippen und hauche leicht beseelt „natürlich", dann drücke ich sanft meinen Mund auf seinen. Doch es ist mehr als nur der Wunsch in mir, seine Bürde zu erleichtern. Die Welt versinkt, ich küsse - mit sichtlichem Vergnügen - König Richard den Dritten! Elektrisiert fahre ich hoch. Beinahe hätte ich mich völlig vergessen und ihn angefleht, mich mitzunehmen, wie auch immer das zustande kommen sollte. Ich kann mir ja schlecht selbst eins überbraten, oder? Der Mann hat definitiv ein Charisma, dem man sich irgendwie nicht entziehen kann. Mit dem Mut der Verzweiflung und der letzten Kraft, die ich aufbieten kann, setze ich mich auf, meinen Körper als Sichtschutz gegenüber etwaiger Zuschauer nutzend, und schlage zu. Bumm!

Ich blinzele verwirrt und stöhne laut auf! Nichts ist geschehen. Richard liegt regungslos da und langsam bieten wir beide wohl ein merkwürdiges Schauspiel. Vielleicht habe ich nicht fest genug zugeschlagen? Doch ich traue mich nicht, noch einmal das Nudelholz zu heben. Die Gefahr, dass entfernte Passanten aufmerksam werden, ist nun einfach zu groß.

„Dickon?"

Keine Reaktion. Oh Gott, hoffentlich war es nicht zu fest und er ist nun - tot!

Ich komme unter Mühen auf die Füße und stupse ihn leicht mit dem Fuß an.

„Dickon!"

Nichts. Scheiße, verdammte! Alles war umsonst. Er wird nicht zurückkehren. Er wird mit höllischen Schmerzen aus der Bewusstlosigkeit erwachen und sich enttäuscht zu mir ins Haus zurückschleppen. Ah, schau an, ein sturzbetrunkener Bräutigam, werden die Leute denken. Und dann? Keine Ahnung.

Verzweifelt schließe ich die Augen, drehe mich im Kreis und sinke zu Boden. Ich bin so hundemüde, so elend erschöpft, einfach kaputt.

Als ich die Augen wieder öffne und abermals in den Himmel blinzele, werfe ich sofort suchend den Kopf herum. Ich bin allein! Was? Wo ist er? Wo... wo ist König Richard, verflucht noch eins? Doch wohin ich auch schaue - er ist weg! Ich breche in Tränen aus. Tränen der Erleichterung, aber auch Tränen der Trauer und der Enttäuschung. Meine Gefühle fahren Achterbahn und ich bin komplett durch den Wind. Diesen Samstag werde ich nie, nie in meinem Leben vergessen. Ich taste tränenblind nach dem Fotoapparat und klicke mich durch die wenigen digitalen Bilder, die von uns beiden existieren, die definitiv beweisen, dass ich nicht geträumt habe, während langsam meine Tränen trocknen. Er hat Recht, die blöden Bilder, die in allen möglichen Quellen von ihm kreisen, spotten seiner wahren Person nur. In Wahrheit sieht er anders, nämlich sehr, sehr viel besser aus.

Kapitel 12 by doris anglophil
Author's Notes:

 

Wir wechseln die Erzählperspektive und auch das Tempus, vom Präsens zum Präteritum/Perfekt, weil Kendra hier nicht mehr als Erzählerin und Protagonistin fungiert. Der Schluss wird - wie sollte es anders sein - am Samstag gepostet und dieser beinhaltet dann eine Erstveröffentlichung von mir, doch bis dahin... Geduld! :pfeif:

 

Schlug nicht von fern‘ die alte Kirchturmuhr?
Wie mir auf einmal eng die Kehle wird,
und trüb das Auge wird, wie kommt das nur,
als hätt ein Stäubchen sich hinein verirrt. -
Da winkt die Linde schon von weitem her,
und jeder Stein am Wege sieht mich an.
Was ist es nur, das ganz von ungefähr
den harten Sinn so seltsam rühren kann!
Es will mich bergen wie in Flaum und Pfühl;
die Hände falten sich wie einst zur Nacht:
Heimat ist wie von Gott ein tief Gefühl,
das auch den rauen Mann zum Kinde macht.

(Heimkehr, Joachim Winterfeld von Damerow)

Richards Kopf schmerzte wie irre. Außerdem klebte seine Zunge am Gaumen, sein Mund fühlte sich total ausgetrocknet an und er spürte alle Knochen seines Körpers wie sonst nur nach einer Schlacht. Ein langgezogener Schrei ließ ihn zusammenzucken und mit viel Mühe gelang es ihm, die Augen zu öffnen. Er lag auf dem steinernen Fußboden vor seinem Bett und sein Leibdiener stand fassungslos vor ihm.

Dieser jammerte: „Das kann nicht sein! Es ist unmöglich. Das ganze Schloss haben wir nach Euer königlichen Gnaden abgesucht und ich hätte schwören mögen, dass Ihr nicht in Eurem Gemach wart, als ich das letzte Mal hier nachgesehen habe. Und doch... Ihr seid's!"

„Du kreischst schlimmer als ein Waschweib und vor allem - zu laut. Hilf mir auf, du Tölpel. Ich... ich hatte einen fürchterlichen Traum."

„Eurem Zustand nach zu urteilen habt Ihr eher fürchterlich gezecht."

„Keine Frechheiten, Rob. Wie befindet sich die Duchess, meine Mutter?"

„Sie wird froh sein zu hören, dass man Euch gefunden hat. Sie hat sich ziemlich aufgeregt, als sie von Eurem Verschwinden unterrichtet wurde."

Richard kratzte sich am Kopf, unterließ es aber sogleich wieder, weil es unglaublich wehtat und er plötzlich Blut an seinen Fingern hatte.

„Meinem Verschwinden?"

„Ja, man hat mehrere Stunden über geglaubt, Euer Gnaden wäre spurlos verschwunden. Bei Gott, Ihr müsst Euch beim Sturz aus dem Bett den Kopf übel angeschlagen haben. Ich schicke nach dem Arzt, wenn's recht ist?"

„Nein. Oder... ja, gut. Es kann nicht schaden, wenn sich's einer ansieht."

„Dürfte ich Euer Gnaden dann bitten, die Kleidung zu wechseln? Das was Ihr tragt, sieht nahezu ähnlich mitgenommen aus wie Ihr."

„Robert, es reicht langsam!"

Mit sichtlich gequältem Gesichtsausdruck ließ der König sich aus der Kleidung helfen, die sein Leibdiener dann pikiert wegtrug. Doch nach nicht einmal einer Minute war er wieder da.

„Euer Gnaden?"

„Hmh", knurrte Richard unwirsch.

„Ich habe ein Stück Papier in Eurem Wams gefunden. Es sieht wie ein zusammengefalteter Brief aus. Was soll damit geschehen?"

„Zeig her."

Robert reichte dem König das Papier und dieser stutzte.

Es stand in sehr komischen Buchstaben, aber halbwegs leserlich drauf „An Lady Elizabeth of York, Castle Sheriff Hutton, Yorkshire, England".

Konnte das wahr sein?

Nach kurzem Zögern gab Richard das Schriftstück an Robert zurück.

„Es ist an meine Nichte Elizabeth gerichtet. Sieh zu, dass sie es so schnell wie möglich erhält. Es ist nicht von mir verfasst."

„Das sehe ich. Eure Schrift ist anders. Nach Sheriff Hutton also?"

„Ja, unverzüglich."

„Ich habe übrigens jemanden zu Eurer Mutter geschickt, um ihr...", er hatte den Satz noch nicht vollendet, da stand auch schon die Dowager Duchess of York in der Tür.

„Dickon!"

„Mutter. Schön, Euch zu sehen."

„Wo bist du mehr als einen halben Tag lang nur gewesen? Alle Welt hat nach dir gesucht. Ich war sehr in Sorge und dachte schon... dachte, ich müsse England an deiner statt regieren."

Richard erhob sich langsam, um die Schmerzen in Grenzen zu halten, trat auf seine Mutter zu und küsste sie auf die Stirn: „Ich wüsste niemanden, dem ich das lieber anvertrauen würde. Ihr würdet Euch trefflich als Herrscherin machen."

„Puh, Dickon, du riechst wie eine ganze Weinhandlung. Ich will nicht hoffen, dass du im Dorf mit den Bauern getrunken hast, denn so kommt es mir nach dem penetranten Geruch, der von dir ausströmt geradezu vor. Und die Wunde auf deinem Kopf! Der Arzt wird gleich da sein, mein Junge."

„Mutter, ich bin zweiunddreißig Jahre alt. Behandelt mich bitte nicht wie ein Säugling."

„Ganz wie du wünschst. Ich lasse dich nun allein, damit du baden und versorgt werden kannst. Auf später."

Als Richard mit einem Kopfverband im Badezuber lag, kehrte langsam die Erinnerung an das wieder, was er zunächst als Traum bezeichnet hatte. Das Badezimmer bei Kendra! Die komischen Apparaturen - zum Wasserkochen, zum Kühlen von Trinkbarem und Essen, diese Maschine fürs Inter... Internetz, wie er von seinem eigenen Todesdatum erfahren hatte und schließlich der Wein, der Perlwein, der aufreibende Abschied voneinander - der Kuss. Sie musste ihm das Briefchen an Elizabeth bei dieser Gelegenheit zugesteckt haben. Eine kluge Frau. Es tat ihm nun weh, dass er sie zurückgelassen hatte. Doch so wie er sich in ihrer Welt nicht zurechtgefunden hätte, so wäre es ihr in seiner Welt, in einer anderen Zeit, auch ergangen. Es wäre nicht gutgegangen.  

Er ließ sich im Wasser zurückgleiten und dachte darüber nach, ob er es in drei Monaten schaffen würde, die Badekultur in wenigstens einem oder zwei seiner königlichen Residenzen an das bei Kendra Gesehene mit den ihm zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln in etwa anzugleichen. Ein extrem schwieriges Unterfangen. Er würde viel zu tun haben bis August.

In einem Tag fünfhundertdreißig Jahre vor und zurück gereist zu sein, machte müde, hungrig und durstig. Richard aß mit sehr gesundem Appetit, trank, dieses Mal aber mit Most und Wasser verdünnten Wein, damit dieser ihm nicht wieder so sehr zu Kopf stieg und fiel dann zu einer Stunde in einen sehr tiefen Schlaf, zu der er normalerweise nie ins Bett ging. Aber er war froh um diesen Schlaf, da er ausnahmsweise mal recht lang und erholsam war.

Keine drei Wochen später, es war bereits Juni, er befand sich mittlerweile auf Kenilworth Castle in Warwickshire, seine Kopfwunde war recht gut verheilt und er war wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, wurde ihm Besuch gemeldet:

„Euer Gnaden, Lady Elizabeth of York ist soeben im Schloss eingetroffen."

Nervös sprang er auf und ließ dabei achtlos einen Stapel Papier und seine Schreibfeder fallen.

„Führt meine Nichte sofort zu mir."

Wenige Minuten später stand sie vor ihm, ermüdet von der Reise, aber mit klaren, leuchtenden Augen. Bei seinem Anblick versank sie in eine Reverenz, errötete sichtbar, wagte es aber schließlich, aufgrund seines anhaltenden Schweigens als erste zu sprechen, wenngleich sie sich zunächst räuspern musste, um das Wagnis anzugehen.

„Ähm, hmh... ich bekam eine sehr merkwürdige Nachricht, nicht von Eurer Hand, Euer Gnaden, eher wie aus einem gedruckten Buch, und doch folgte ich der Aufforderung, so schnell wie möglich zu Euch zu kommen, mein Onkel und König."

Endlich redete auch Richard, seine Stimme klang nicht weniger belegt als ihre: „Ich bin erfreut, Euch zu sehen, Mylady, sehr erfreut sogar. Und natürlich dürft Ihr Euch erhaben. Darf ich den Brief sehen, den man Euch schickte?"

„Ungern. Aber da es wohl keine Möglichkeit gibt, es Euch zu verweigern - hier ist er."

Elizabeth zog das Papier aus einer kleinen Tasche in ihrem Umhang und reichte es Richard, wobei sich ihre und seine Finger kurz berührten. Ihre Blicke kreuzten sich teils verlegen, teils viel sagend, doch dann las er rasch.

„Fragt nichts, so merkwürdig Euch alles auch vorkommt. Tretet sofort nach Erhalt des Briefes die Reise zu Eurem Onkel, König Richard, an, ohne jegliches Zögern und Zaudern. Macht ihn glücklich, Mylady, denn er hat es verdient.

P.S. Er liebt Euch

P.P.S Jemand, der es sehr gut mit ihm und Euch meint"

Richard sah auf und bemerkte die Tränen in Elizabeths Augen. Er zog sie langsam in seine Arme und hatte mitnichten vor, sie in den kommenden Stunden und Tagen daraus wieder zu entlassen.

 

Kapitel 13 by doris anglophil
Author's Notes:
Der Tag der Tage... :sigh2: :( und nicht zuletzt deswegen habe ich diese Story entwickelt; sie endet mit einem Tribut an den gefallenen König, einer Erstveröffentlichung eines Gedichts von mir. Dieses Gedicht wird hier im finalen Kapitel in Deutsch gepostet, es gibt davon aber auch die englische Version. Beide Fassungen werde ich anschließend noch als Extra, losgelöst von den Kapiteln, im KR III Thread einstellen. Beide Gedichte wurden bereits auf meiner FB-Seite heute Nacht eingestellt und kommen - ebenfalls getrennt von der Geschichte - auch hier an anderer Stelle des FF-Archiv.
Und es ist reiner Zufall, dass das Ende durch Kapitel 13 markiert wird. :bibber:

 

Ein Zauberreigen unsichtbar
und Phantasie in Noten.
erinnern, was verborgen war
im Reich der Schicksalsboten.
Im Innern kehrt oft das zurück,
was früher tief verborgen,
weist uns die Wege Schritt für Schritt
für Heute und das Morgen.

(Schicksalsboten, Ingrid Riedl)

Epilog - 22. August 2015, Berkhamsted, Hertfordshire

Nein, ich konnte und wollte nicht nach Leicestershire fahren, um dort an Ort und Stelle auf dem Bosworth Field dem fünfhundertdreißigsten Jahrestag der Schlacht und des... des Todes von Richard dem Dritten zu gedenken. Auch wenn es wundervolles Mittelalter-Leben live dort gibt, Re-enactment sowieso, es wäre mir falsch, wie eine Farce vorgekommen. Ein Spektakel mit großer Öffentlichkeits-Wirksamkeit ist das Letzte, was ich an diesem Tag hätte gebrauchen können.

 

Stattdessen liege ich zu frühester Morgenstunde hier, auf dem Erdwall der ehemaligen Burg, genau an der Stelle, an der Richard und ich uns im Mai zum letzten Mal gesehen haben. Ich denke an ihn, der heute in seinem Leben, in seiner Zeit sein Schicksal vollendet.

Ich habe in den vergangenen Wochen unglaublich viel nachgeforscht und vieles über ihn erfahren, wesentlich mehr, als man üblicherweise im Geschichtsunterricht erfährt; um einiges mehr, als Menschen über ihn wissen, die ein nur durchschnittliches Interesse an der Sache haben. Was ich entdeckt habe, hat mich sehr berührt und deckt sich größtenteils mit dem, wie ich ihn in den paar kurzen Vormittagsstunden erlebt habe.

Fast alles, was als vielbeschworenes Allgemeinwissen über ihn gilt, ist schlicht und ergreifend Unfug.

So, wie er in meiner Küche saß und sich später mit mir auf diesem Wall gab, war er natürlich auch nicht, denn da war er verunsichert, aus der Bahn geworfen und teils auch verängstigt. Aber seine wahre Persönlichkeit schimmerte dennoch irgendwie durch: ein König, ein Krieger, ein vom Schicksal Gebeutelter und Getriebener. Alles in allem aber - ein guter Mensch, jedoch nie im Leben ein Unhold, ein Monster, ganz im Gegenteil. Meine Hand würde ich dafür ins Feuer legen, dass er kein einziges der ihm nachgesagten Verbrechen auch tatsächlich begangen hat. Unter gar keinen Umständen, niemals! Ach, noch etwas: er war sehr viel jugendlicher, sehr viel besser aussehend, als er auf Porträts dargestellt wird, die er ja selbst so überaus zutreffend als ‚unsäglich‘ bezeichnete.

Nur eines werde ich leider nie erfahren: ob Elizabeth aufgrund des Briefs zu ihm gekommen ist und ob sie und er für die knappe verbliebene Zeit zusammen glücklich gewesen sind. Ich wünsche so sehr, dass dem so war.

Um diese Uhrzeit bin ich an der Burgruine ganz allein, kaum ein Mensch ist jetzt schon unterwegs, so kurz nach Sonnenaufgang. Gut so. Ich brauche niemanden, nur meine Erinnerungen und meine Gedanken. Richard. Er wirkte so präsent und stark, so voller Tatkraft und Willensstärke, was konträr zu seiner leicht femininen, feingliedrigen und gedrungenen Erscheinung stand. Es war ein sehr ungewöhnlicher, aber unglaublich reizvoller Kontrast, etwas, das ihn als jemand Besonderen kennzeichnete.

Das Schöne ist, dass ich Fotos habe, die mir beweisen, dies alles nicht geträumt zu haben. Das Schöne ist weiterhin, dass er - hoffentlich - den Brief an Elizabeth hat - besser gesagt hatte -, der ihm bewies, dass auch er die Zeitreise wirklich unternommen und nicht geträumt hatte. Das Unschöne ist, dass ich niemandem davon berichten kann, ohne dass man mich für plemplem erklärt. Das Unschöne ist natürlich auch, dass dieser Tag heute geschieht - fünfhundertdreißig Jahre zurück gerechnet.

Die Berichte über die Ereignisse von Bosworth sind nicht minder verworren wie vieles andere, was über ihn geschrieben wurde, doch eines konnte ich aus ihnen herausfiltern: Es schien, als würde er sich freiwillig in den Schlund der Hölle werfen. Obwohl ihm zugetragen wurde, dass man ihn schändlich verraten hatte, ritt er unverdrossen weiter, direkt auf den Feind zu, schlug alle Warnungen in den Wind und weigerte sich vehement zu fliehen. Seine Zeitgenossen wunderten sich, weswegen dem so war. Mir hingegen ist die Sache nun klar: er wusste, dass der Tod dort auf ihn wartete. Ausweglos.

Ich weine heimlich vor mich hin und bete für ihn. Etwas anderes kann ich nicht tun. Erklären kann ich mir all das, die Begegnung, die mir widerfahren ist, noch immer nicht. Es war ein Wunder, ein Phänomen, ein Kuriosum, mit nichts auf dieser Welt zu erfassen und niemandem begreiflich zu machen. Es war ein Geschenk. Woher, von wem und aus welchem Grund? Keine Ahnung. Ich kann es nur als solches betrachten und bin froh und dankbar dafür. Ich spekuliere nicht mehr darüber, ich nehme es einfach hin. Je mehr ich so denke, desto ruhiger und gelassener werde ich. Gott sei ihm gnädig!

Unterm blauen Himmelszelt

Flattern Fahnen

Und Banner im Wind.

Gras wiegt sich in der Brise,

Grillen zirpen - ein Idyll.

Und doch liegt über alldem

Der Hauch des Todes.

Schwerter klirren aneinander,

Hellebarden treffen auf ihr Ziel.

Die Rösser wiehern,

Die Menschen schreien.

Der Tod kommt,

Manchmal rasch,

Manchmal quälend langsam.

Inmitten das Aufblitzen

Eines wertvollen Juwels.

Der Sonnenstrahl bricht

Nur kurz sich am goldenen Reif,

Dann ist der Moment vorbei.

Einsam ist sein Träger,

Trotz allen Aufruhrs.

Wie ein gemähter Grashalm

Fällt er zu Boden.

Der goldene Reif

Rollt ins Gebüsch.

Richard. Redmore. Ruhe sanft.

(Richard, Doris Schneider-Coutandin © 2015)

22. August 1485, Sutton Cheney, Leicestershire

Wie geht man einem Schicksal entgegen, dass einem bekannt ist? Dessen Ausgang man weiß? Richard war noch niemals in seinem Leben so übel gewesen wie an diesem Morgen. Kein Auge hatte er in der vergangenen Nacht zugemacht, keine Sekunde lang geschlafen. Bleich wie ein frisch gewaschenes Leintuch trat er aus seinem Zelt, komplett gerüstet, den gekrönten Helm aber noch unterm Arm tragend. Auf ihm ruhten die Blicke Hunderter, ja, Tausender. Erwartungsfrohe, aber auch ängstliche Blicke. Er konnte ihnen unmöglich sagen, was er wusste. Er brachte es nicht übers Herz ihnen zuzurufen, dass sie alle in ihr Unglück reiten oder laufen würden. Mit zusammengekniffenen Lippen schritt er an ihnen vorüber. Ihm war so schlecht, dass er dem Erbrechen nahe war, doch er riss sich zusammen. Sein Blick suchte nicht die Augen seiner Vertrauten, seiner Freunde, sondern schweifte über deren Köpfe hinweg zum Horizont, wo gerade die Sonne sich übers Land erhob. Er konnte niemandem direkt ins Auge sehen, er wäre dann nämlich zusammengebrochen.

Ein letztes Gebet, ein letzter Gedanke, der Elizabeth galt - und Kendra, der er zu danken hatte für die kostbaren glücklichen Stunden - zu wenige, nach seinem Dafürhalten - in den letzten Wochen seines Lebens. Doch nun - er musste es vollenden, er musste dem Unausweichlichen entgegen treten. Es gab keine andere Möglichkeit. Bedächtig setzte er den Helm auf und bestieg sein Streitross. Während er sich mit seinem Pferd langsam in Bewegung setzte und mit ihm seine gesamte Streitmacht ausrückte, reifte in ihm der Entschluss, so viele Männer aus den feindlichen Reihen mit in den Tod zu reißen, wie es ihm denn möglich sein würde. Dieser Entschluss setzte in ihm Kräfte frei, die er selbst aufgrund seiner anhaltenden Übelkeit kaum für möglich gehalten hatte. Mit unbeugsamer Willenskraft stürzte Richard sich voller Elan in das Kampfgetümmel.

Als absehbar wurde, dass man ihn verraten und verkauft hatte und die Schlacht begann, ungünstig für ihn zu stehen, lehnte er es ab zu flüchten, obwohl er dazu aufgefordert, ja, regelrecht gedrängt wurde. Zur Verwunderung seiner sich in der Nähe befindlichen Freunde ritt er weiter direkt in die Linien des Feindes hinein, als hätte er die Gefahr dort nicht geahnt, nicht gesehen. Es dauerte nicht mehr lange, bis er vom Gegner umzingelt war. Und so kam es, wie es kommen musste - wie ein gemähter Grashalm fällt er zu Boden.

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