Unbekannt by doris anglophil
Summary:

 

Der Titel "Unbekannt" weist sowohl auf unbekannte Personen als auch - vielleicht - auf unbekannte Welten oder unbekannte Umstände/Situationen hin.


Categories: Sonstige Fanfiction, Novel-length Characters: eigener m/w Charakter
Genres: Generell
Warnings: Charakter-Tod
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 13 Completed: Ja Word count: 16392 Read: 41268 Published: 11 Jun 2015 Updated: 22 Aug 2015
Kapitel 13 by doris anglophil
Author's Notes:
Der Tag der Tage... :sigh2: :( und nicht zuletzt deswegen habe ich diese Story entwickelt; sie endet mit einem Tribut an den gefallenen König, einer Erstveröffentlichung eines Gedichts von mir. Dieses Gedicht wird hier im finalen Kapitel in Deutsch gepostet, es gibt davon aber auch die englische Version. Beide Fassungen werde ich anschließend noch als Extra, losgelöst von den Kapiteln, im KR III Thread einstellen. Beide Gedichte wurden bereits auf meiner FB-Seite heute Nacht eingestellt und kommen - ebenfalls getrennt von der Geschichte - auch hier an anderer Stelle des FF-Archiv.
Und es ist reiner Zufall, dass das Ende durch Kapitel 13 markiert wird. :bibber:

 

Ein Zauberreigen unsichtbar
und Phantasie in Noten.
erinnern, was verborgen war
im Reich der Schicksalsboten.
Im Innern kehrt oft das zurück,
was früher tief verborgen,
weist uns die Wege Schritt für Schritt
für Heute und das Morgen.

(Schicksalsboten, Ingrid Riedl)

Epilog - 22. August 2015, Berkhamsted, Hertfordshire

Nein, ich konnte und wollte nicht nach Leicestershire fahren, um dort an Ort und Stelle auf dem Bosworth Field dem fünfhundertdreißigsten Jahrestag der Schlacht und des... des Todes von Richard dem Dritten zu gedenken. Auch wenn es wundervolles Mittelalter-Leben live dort gibt, Re-enactment sowieso, es wäre mir falsch, wie eine Farce vorgekommen. Ein Spektakel mit großer Öffentlichkeits-Wirksamkeit ist das Letzte, was ich an diesem Tag hätte gebrauchen können.

 

Stattdessen liege ich zu frühester Morgenstunde hier, auf dem Erdwall der ehemaligen Burg, genau an der Stelle, an der Richard und ich uns im Mai zum letzten Mal gesehen haben. Ich denke an ihn, der heute in seinem Leben, in seiner Zeit sein Schicksal vollendet.

Ich habe in den vergangenen Wochen unglaublich viel nachgeforscht und vieles über ihn erfahren, wesentlich mehr, als man üblicherweise im Geschichtsunterricht erfährt; um einiges mehr, als Menschen über ihn wissen, die ein nur durchschnittliches Interesse an der Sache haben. Was ich entdeckt habe, hat mich sehr berührt und deckt sich größtenteils mit dem, wie ich ihn in den paar kurzen Vormittagsstunden erlebt habe.

Fast alles, was als vielbeschworenes Allgemeinwissen über ihn gilt, ist schlicht und ergreifend Unfug.

So, wie er in meiner Küche saß und sich später mit mir auf diesem Wall gab, war er natürlich auch nicht, denn da war er verunsichert, aus der Bahn geworfen und teils auch verängstigt. Aber seine wahre Persönlichkeit schimmerte dennoch irgendwie durch: ein König, ein Krieger, ein vom Schicksal Gebeutelter und Getriebener. Alles in allem aber - ein guter Mensch, jedoch nie im Leben ein Unhold, ein Monster, ganz im Gegenteil. Meine Hand würde ich dafür ins Feuer legen, dass er kein einziges der ihm nachgesagten Verbrechen auch tatsächlich begangen hat. Unter gar keinen Umständen, niemals! Ach, noch etwas: er war sehr viel jugendlicher, sehr viel besser aussehend, als er auf Porträts dargestellt wird, die er ja selbst so überaus zutreffend als ‚unsäglich‘ bezeichnete.

Nur eines werde ich leider nie erfahren: ob Elizabeth aufgrund des Briefs zu ihm gekommen ist und ob sie und er für die knappe verbliebene Zeit zusammen glücklich gewesen sind. Ich wünsche so sehr, dass dem so war.

Um diese Uhrzeit bin ich an der Burgruine ganz allein, kaum ein Mensch ist jetzt schon unterwegs, so kurz nach Sonnenaufgang. Gut so. Ich brauche niemanden, nur meine Erinnerungen und meine Gedanken. Richard. Er wirkte so präsent und stark, so voller Tatkraft und Willensstärke, was konträr zu seiner leicht femininen, feingliedrigen und gedrungenen Erscheinung stand. Es war ein sehr ungewöhnlicher, aber unglaublich reizvoller Kontrast, etwas, das ihn als jemand Besonderen kennzeichnete.

Das Schöne ist, dass ich Fotos habe, die mir beweisen, dies alles nicht geträumt zu haben. Das Schöne ist weiterhin, dass er - hoffentlich - den Brief an Elizabeth hat - besser gesagt hatte -, der ihm bewies, dass auch er die Zeitreise wirklich unternommen und nicht geträumt hatte. Das Unschöne ist, dass ich niemandem davon berichten kann, ohne dass man mich für plemplem erklärt. Das Unschöne ist natürlich auch, dass dieser Tag heute geschieht - fünfhundertdreißig Jahre zurück gerechnet.

Die Berichte über die Ereignisse von Bosworth sind nicht minder verworren wie vieles andere, was über ihn geschrieben wurde, doch eines konnte ich aus ihnen herausfiltern: Es schien, als würde er sich freiwillig in den Schlund der Hölle werfen. Obwohl ihm zugetragen wurde, dass man ihn schändlich verraten hatte, ritt er unverdrossen weiter, direkt auf den Feind zu, schlug alle Warnungen in den Wind und weigerte sich vehement zu fliehen. Seine Zeitgenossen wunderten sich, weswegen dem so war. Mir hingegen ist die Sache nun klar: er wusste, dass der Tod dort auf ihn wartete. Ausweglos.

Ich weine heimlich vor mich hin und bete für ihn. Etwas anderes kann ich nicht tun. Erklären kann ich mir all das, die Begegnung, die mir widerfahren ist, noch immer nicht. Es war ein Wunder, ein Phänomen, ein Kuriosum, mit nichts auf dieser Welt zu erfassen und niemandem begreiflich zu machen. Es war ein Geschenk. Woher, von wem und aus welchem Grund? Keine Ahnung. Ich kann es nur als solches betrachten und bin froh und dankbar dafür. Ich spekuliere nicht mehr darüber, ich nehme es einfach hin. Je mehr ich so denke, desto ruhiger und gelassener werde ich. Gott sei ihm gnädig!

Unterm blauen Himmelszelt

Flattern Fahnen

Und Banner im Wind.

Gras wiegt sich in der Brise,

Grillen zirpen - ein Idyll.

Und doch liegt über alldem

Der Hauch des Todes.

Schwerter klirren aneinander,

Hellebarden treffen auf ihr Ziel.

Die Rösser wiehern,

Die Menschen schreien.

Der Tod kommt,

Manchmal rasch,

Manchmal quälend langsam.

Inmitten das Aufblitzen

Eines wertvollen Juwels.

Der Sonnenstrahl bricht

Nur kurz sich am goldenen Reif,

Dann ist der Moment vorbei.

Einsam ist sein Träger,

Trotz allen Aufruhrs.

Wie ein gemähter Grashalm

Fällt er zu Boden.

Der goldene Reif

Rollt ins Gebüsch.

Richard. Redmore. Ruhe sanft.

(Richard, Doris Schneider-Coutandin © 2015)

22. August 1485, Sutton Cheney, Leicestershire

Wie geht man einem Schicksal entgegen, dass einem bekannt ist? Dessen Ausgang man weiß? Richard war noch niemals in seinem Leben so übel gewesen wie an diesem Morgen. Kein Auge hatte er in der vergangenen Nacht zugemacht, keine Sekunde lang geschlafen. Bleich wie ein frisch gewaschenes Leintuch trat er aus seinem Zelt, komplett gerüstet, den gekrönten Helm aber noch unterm Arm tragend. Auf ihm ruhten die Blicke Hunderter, ja, Tausender. Erwartungsfrohe, aber auch ängstliche Blicke. Er konnte ihnen unmöglich sagen, was er wusste. Er brachte es nicht übers Herz ihnen zuzurufen, dass sie alle in ihr Unglück reiten oder laufen würden. Mit zusammengekniffenen Lippen schritt er an ihnen vorüber. Ihm war so schlecht, dass er dem Erbrechen nahe war, doch er riss sich zusammen. Sein Blick suchte nicht die Augen seiner Vertrauten, seiner Freunde, sondern schweifte über deren Köpfe hinweg zum Horizont, wo gerade die Sonne sich übers Land erhob. Er konnte niemandem direkt ins Auge sehen, er wäre dann nämlich zusammengebrochen.

Ein letztes Gebet, ein letzter Gedanke, der Elizabeth galt - und Kendra, der er zu danken hatte für die kostbaren glücklichen Stunden - zu wenige, nach seinem Dafürhalten - in den letzten Wochen seines Lebens. Doch nun - er musste es vollenden, er musste dem Unausweichlichen entgegen treten. Es gab keine andere Möglichkeit. Bedächtig setzte er den Helm auf und bestieg sein Streitross. Während er sich mit seinem Pferd langsam in Bewegung setzte und mit ihm seine gesamte Streitmacht ausrückte, reifte in ihm der Entschluss, so viele Männer aus den feindlichen Reihen mit in den Tod zu reißen, wie es ihm denn möglich sein würde. Dieser Entschluss setzte in ihm Kräfte frei, die er selbst aufgrund seiner anhaltenden Übelkeit kaum für möglich gehalten hatte. Mit unbeugsamer Willenskraft stürzte Richard sich voller Elan in das Kampfgetümmel.

Als absehbar wurde, dass man ihn verraten und verkauft hatte und die Schlacht begann, ungünstig für ihn zu stehen, lehnte er es ab zu flüchten, obwohl er dazu aufgefordert, ja, regelrecht gedrängt wurde. Zur Verwunderung seiner sich in der Nähe befindlichen Freunde ritt er weiter direkt in die Linien des Feindes hinein, als hätte er die Gefahr dort nicht geahnt, nicht gesehen. Es dauerte nicht mehr lange, bis er vom Gegner umzingelt war. Und so kam es, wie es kommen musste - wie ein gemähter Grashalm fällt er zu Boden.

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