- Schriftgröße +



Der Weg zurück ins Hotel war eine einzige Quälerei. Sie sprachen kein Wort miteinander, sie spürte dieses belastende Schweigen wie ein schweres Gewicht auf ihrer Brust. Während der Fahrt schaute sie aus dem Fenster, damit sie seinem Blick entgehen konnte, denn dass er sie ansah, das spürte sie genau. Selbst die lebenslustige Samantha und ihr Bruder waren verstummt, auch sie spürten die Spannung zwischen den Eheleuten.

Dave hielt den Wagen direkt vor dem Eingang zum Hotel an. Beide Männer halfen ihr aus dem Auto und stützten sie auch auf dem Weg zu ihrem Zimmer. Erleichtert ließ sie sich auf dem Bett nieder und legte den Fuß sofort hoch. Er hatte bereits einige Eisstücke in eine Servierte gewickelt und legte ihr dieses Päckchen wortlos auf den verletzten Fuß.

„Der Arzt wird gleich da sein! Kann sein, dass du ins Krankenhaus musst. Eventuell muss eine Röntgenaufnahme gemacht werden. Ich werde dich dahin fahren, falls nötig!“
Er zog seine Reisetasche aus dem Schrank und warf sie auf das Bett. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen aus den Augenwinkeln. Aufgeregt presste sie die Lippen aufeinander und fragte sich, was er wohl vorhatte.
Sie hielt es nicht mehr aus: „Was machst du da?“

„Ich packe!“
Mit den Händen fuhr sie sich durch das Gesicht. Plötzlich war ihre Kehle wie ausgetrocknet und sie musste sich räuspern, bevor sie fragte: „Aber warum? Warum willst du denn... ?“
„Da fragst du noch?“, er lachte hart auf.
„Ich...“
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie.
„Ich will nach Hause!“, sagte er, bevor er die Zimmertür öffnete.

Wortreich begrüßte er den Arzt und schilderte ihm kurz den Unfall, den sie erlitten hatte. Er ging hinüber zu seiner Seite des Bettes und stellte die Tasche auf den Boden. Vielleicht wollte er dem Arzt gegenüber nicht den Eindruck erwecken, dass er seine kranke Frau allein ließ.

Die Untersuchung ging schnell vonstatten und offensichtlich hatte sie sich lediglich die Bänder gedehnt. Nach der Meinung des Arztes war keine Röntgenaufnahme nötig. Die Schonung des Fußes und abschwellende Maßnahmen seien ausreichend.

Wenigstens musste er sie nicht in ein Krankenhaus bringen. Aber was würde jetzt geschehen? Würde er sie hier allein lassen? Wie einfach wäre es eine Pflegekraft einzustellen, die ihr für einige Tage hier behilflich sein würde. Nach ein oder zwei Wochen könnte sie dann ja wieder nach Hause kommen. Bis dahin wäre er sicher ausgezogen!
Und das wollte sie auf keinen Fall! Sie wollte, dass er bei ihr blieb! Sie wollte, dass er sie liebte, dass er sie umsorgte und sie wollte das Gleiche für ihn tun! Eine Trennung schien ihr unmöglich!

Doch wie sollte sie es anstellen, dass er blieb? Der Arzt legte ihr einen festen Verband an, während sie sich das Hirn zermarterte. Sie musste ehrlich zu ihm sein, sie würde um Verständnis bitten. Das könnte er ihr doch nicht abschlagen!

Einerseits erwartete sie sehnsüchtig, dass der Arzt sich verabschiedete, andererseits fürchtete sie sich schon vor dem Alleinsein mit ihrem Mann. Fieberhaft überlegte sie nach einem Ausweg und als der Arzt die Tür hinter sich schloss, faltete sie Hände im Schoß und starrte auf sie.
Er hob die Reisetasche wieder auf das Bett und öffnete den Reisverschluss.

„Das sieht doch komisch aus, findest du nicht?“
„Was?“, fragte er ruppig.
„Wenn du jetzt gehst!“.
Er wandte sich zum Wandschrank und fragte erneut: „Was meinst du?“.
„Meinst du nicht, dass es Aufsehen erregt, wenn du mich hier so allein zurück lässt?“
„Wen kümmert’s?“, blaffte er.
„Die Presse?“, fragte sie kurz.

Er stand vor den geöffneten Türen des Schrankes und antwortete nicht. Er hatte seine Hände in die Hüften gestemmt, sie konnte förmlich seine Spannung spüren!
„Du bist also der Meinung, dass sich die Presse darum schert? Wie kommst du darauf? So berühmt sind wir nicht!“, sagte er mit vermeintlicher Ruhe.
Doch sie spürte, dass sie den richtigen Nerv getroffen hatte. Er wollte kein Gerede in der Presse. Nach ihrer Hochzeit hatte es schon genügend Spekulationen gegeben, wie lange ihre Ehe wohl halten würde. Der Schauspieler und die reiche Erbin – das konnte doch nur scheitern.
Sie sagte ruhig: „Nein, da hast du wohl recht – so berühmt sind wir nicht!“

Er schloss die Schranktüren, ohne ein Kleidungsstück herausgeholt zu haben und wandte sich ihr zu: „Aber vielleicht hast du Recht. Es sähe allein vor dem Hotelpersonal schon blöd aus, wenn ich dich – die arme verletzte Ehefrau – hier allein lassen würde. Doch sobald es deinem Fuß besser geht, möchte ich nach Hause! Ist das klar?“

Sie nickte stumm und biss sich auf die Lippen. Die Knöchel ihrer Finger traten weiß hervor, so fest hatte sie ihre Hände zusammen gepresst. Langsam ließ sie die Luft aus ihrer Lunge und sackte erleichtert etwas zusammen. Er sollte nicht merken, wie froh sie war, dass er blieb. Jetzt musste sie nur noch eine geeignete Gelegenheit finden, mit ihm über alles zu reden und die Missverständnisse auszuräumen. Sie musste ihm sagen, dass sie ihn liebte – über alles liebte! Wie hatte sie nur je zweifeln können, sie konnte sich selbst nicht verstehen!

Sie brauchte ihn! Sie brauchte ihn wie die Luft zum Atmen und ohne ihn würde sie verdorren, wie eine Blume ohne Wasser! Und er hatte ihr doch gesagt, dass er sie liebe! Wenn er das tat, dann gab es doch Hoffnung!
‚Verdammt noch mal’, dachte sie. ‚Reiß dich zusammen, er ist doch kein Ungeheuer! Du musst nur Mut finden, dann klappt das schon.’

Seufzend lehnte sich sie zurück und streckte sich auf dem Bett aus. Ihre Muskulatur war völlig verspannt und ihr Fuß schmerzte höllisch. Sie stöhnte ein bisschen, als sie den Fuß etwas zur Seite kippen lassen wollte. Er blickte auf und kam zu ihr ans Bett.
„Kann ich noch etwas für dich tun?“, fragte er.
„Vielleicht kannst du mir ein Glas Wasser bringen?“

Er stand auf, nahm ein Glas vom Tisch und ging ins Bad. Der Arzt hatte ihr ein Schmerzmittel da gelassen, das zugleich auch die Schwellung lindern sollte. Er reichte ihr das Glas und sie nahm aus seiner Hand. Allein die leichte Berührung seiner Finger ließ sie erbeben. Sie schluckte die Tabletten mit dem Wasser herunter und stellte das Glas auf ihren Nachttisch.

Er erneute die kalte Kompresse, das Personal hatte ihnen einen Sektkühler voll Eis auf das Zimmer gebracht. Die Unterlage auf dem Bett war feucht geworden und auch die wechselte er gegen eine trockene aus.
„Heb dein Bein ein wenig an“, sagte er ruhig, nahm ein Kissen und bette(te) den Fuß in einer Mulde, die er mit seiner Faust in das Kissen geschlagen hatte. So konnte der Fuß nicht mehr zur Seite kippen und sie war unendlich froh, dass er dies für sie tat!

Sie beobachtete ihn.
‚Oh Gott, du Feigling!’, dachte sie. Sie schloss die Augen, als er zu ihr trat und das Kissen für sie auf schüttelte.
„Okay so?“, fragte er.
„Ja! Du... wegen vorhin, ich wollte...“
„Mir sagen, dass du glaubst, du liebst mich? Ich glaube, dass du gar nicht weißt was das bedeutet – Liebe!“
Während er sprach, hatte er sich ein wenig über sie gebeugt und sie mit seinen Augen fixiert. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, doch plötzlich richtete er sich auf, murmelte etwas und verließ das Zimmer.

Als sie aufwachte blickte sie sich verwirrt im Zimmer um. Das Pochen in ihrem Fuß erinnerte sie an die Ereignisse des Vormittags. Mühsam setzte sie sich auf und seufzte. Er war noch nicht zurück gekommen. Sie hatte über eine Stunde lang geschlafen, und er war noch nicht wieder da. War er vielleicht bereits abgereist?
Sie robbte sich vorsichtig über das Bett zu seiner Seite, doch die Reisetasche stand auf dem Boden.

Sicher hatte er sich mit Samantha und Dave getroffen! Das war natürlich interessanter, als mit ihr hier im Zimmer rum zu hängen. Sie war unschlüssig, was sie tun sollte. Ihn suchen? Ihm hinterher laufen – nein, das bestimmt nicht. Er würde sich ärgern, wenn sie ihm nachgelaufen käme. Vorsichtig versuchte sie sich umzudrehen und war überrascht, wie gut das mit dem verletzten Fuß funktionierte. Erleichtert seufzte sie auf, als sie bequem auf der Seite lag.

Doch sie spürte eine Unruhe in sich, die sie nicht entspannen ließ. Ständig wirbelten ihr die gleichen Gedanken im Kopf herum. Was würde er wohl tun, wann würde er abreisen? War dies das Ende ihrer Ehe? Der endgültige Bruch? Was konnte sie nur dagegen tun? Sie wollte ihn auf keinen Fall verlieren!

Immer und immer wieder wälzte sie das Problem in ihrem Hirn hin und her. Die einzige Möglichkeit ihre Ehe zu retten, schien auch die schwierigste zu sein. Sie musste endlich mit ihm reden, ihn endlich davon überzeugen, wie sehr sie ihn brauchte... wie innig sie ihn liebte.

Sie setzte sich auf und schaute sich im Zimmer um. Zuerst würde sie duschen! Sie fühlte sich nach der Wanderung immer noch verschwitzt und schmutzig, direkt nach dem Unfall war ihr allerdings nicht nach einem Kleidungswechsel zumute gewesen. Doch wie sollte sie es anstellen, ins Bad zu humpeln? Ihre Wanderstöcke standen griffbereit neben ihrem Bett. Sie streckte den Arm aus und griff beherzt nach ihnen. Langsam schwang sie die Beine aus dem Bett und behutsam stellte sie den verletzten Fuß auf den Boden. An den Stöcken zog sie sich langsam hoch. Der harte Sporn am Ende der Stützen konnte auf dem weichen Teppichboden wohl keinen Schaden anrichten.

Anders sah das wohl im Badezimmer aus, dort würde sie vorsichtig sein müssen, damit sie auf den Fliesen nicht wegrutschte. Einen neuen Unfall konnte sie sich nun wirklich nicht leisten. Abgestützt auf die Wanderstöcke humpelte sie durch das Zimmer und fischte sich aus dem Schrank schnell einige frische Kleidungsstücke heraus, die sie sich über die Schulter hängte. So beladen machte sie sich auf den Weg ins Bad.

Die Tür war einen Spalt geöffnet und sie konnte einen Blick auf die große Eckbadewanne werfen. Das wäre der reinste Luxus nach dieser Strapaze, doch sie befürchtete, dass sie vielleicht zwar in die Wanne käme, doch niemals wieder heraus! Durch die Tür schlug ihr Wärme und ein zarter Duft nach Badeöl entgegen und kaum hatte sie die Tür ganz geöffnet, tauchte ihr Mann aus dem Wasser in der Wanne auf. Sie erschrak und zuckte zurück. Er hatte sie noch nicht entdeckt, sondern wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und rieb sich über die Augen.





Bitte gib den unten angezeigten Sicherheitscode ein: