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Story Notes:
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Sie wandte ihren Kopf langsam nach rechts und blickte auf die Runde am Tisch neben ihr. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte nicht verhindern können ihn anzusehen. Die Art, wie er den Kopf zurückwarf, wenn er lachte, wie er mit gespreizten Fingern durch sein volles Haar fuhr und jeden am Tisch mit diesem Blick bedachte.

Dieser Blick, der sie, hätte er ihr gegolten, zum Schmelzen gebracht hätte. Sie zwang sich von ihm wegzusehen und etwas anderes zu fixieren und doch sah sie vor ihren Augen immer nur ihn. Sie hörte seine Stimme und zwischen all den verschiedenen Düften, die vom Tisch herüber wehten, konnte sie ihn riechen.

Langsam schloss sie die Augen, hob ihr Glas und nahm ein paar Schlucke Rotwein. Vielleicht würde er bewirken, dass dieses leise Beben in ihrem Körper nachließ. Seufzend wandte sie sich dem Meer zu und stützte ihr Kinn in die Handfläche. Ihre Gedanken schweiften ab, weg vom Nebentisch, den Geräuschen und Gerüchen, weg vom Kerzenlicht und den Lampions und hin zu den letzten Wochen und Monaten.

Diese kurze Zeit des Glücks, diese Verliebtheit, die brennende Sehnsucht nach etwas, von dem sie nicht wusste, was es war. Sie hatte gehofft, dass er die Leere in ihr ausfüllen würde. Ihre Gedanken verweilten an dem Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten auf dieser drögen Party, zu der sie nicht hatte gehen wollen, bei den Menschen, die sie nicht hatte sehen wollen.

Und er hatte an der Tür zur Terrasse gestanden, in der einen Hand ein Glas, die andere in der Hosentasche versenkt, und es schien ihm egal zu sein, ob er sein Jackett zerknitterte oder nicht. Das Licht aus dem Zimmer hinter ihm war auf ihn gefallen und hatte ihn in ein zauberhaftes Licht getaucht und sie hatte gewusst, dass irgendetwas geschehen würde.

Schon damals hatte sein Blick auf ihr gelegen wie schwerer Samt und hatte sie zu Boden gezogen. Alles an ihr war schwer geworden und, obwohl sie sich nicht vom Fleck gerührt hatte, war es ihr vorgekommen, als sei sie in einer Zeitraffer gefangen. Ihr Herz hatte dumpf in ihrer Brust geschlagen, doch in gleichmäßigem, langsamem Rhythmus. Er hatte sie angesehen, hatte sie an den Menschen und Pflanzen vorbei und über den Pool hinweg mit seinen Augen festgehalten.

War es Liebe, die sie gefühlt hatte? Liebe? Was wusste sie schon davon? Aufgewachsen ohne Eltern und Geschwister, von Vormunden, Ratgebern und Freunden der Eltern umsorgt und geführt, eingehüllt in den Kokon aus Geld und Macht. Die Macht, die hinter ihrem Namen stand, und der Konzern, dem sie einmal vorstehen sollte. Da war niemand gewesen, den sie hätte lieben können, nicht mal ein kleines Haustier.

Sicher meinten es alle gut mit ihr, doch abgesehen von ihren Klassenkameraden und Kommilitonen hatte sie mit niemand eine tiefe Freundschaft oder gar Liebe verbunden. Je älter sie geworden war, desto mehr Abstand hatten die Menschen zu ihr genommen. Sie war einsam geworden und hatte sich mit der Zeit immer häufiger aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.

Doch wie anders war er gewesen. Er hatte in sie hinein sehen können, hatte ihre Warnungen überhört, ihre Zweifel beiseite geschoben und ihr gezeigt, was das Leben noch zu bieten hatte. Sie hatte sich nie über die Aufrichtigkeit seiner Worte Gedanken gemacht, ihm von Beginn an in allem vertraut und die Kritik ihrer Berater überhört.
Er hatte sie gewollt und nicht ihr Geld! Er hatte sie gewollt und bekommen.

Sie erschauerte, und das kam nicht von der Brise, die vom Meer herüber wehte. Sie dachte an seine Hände. Seine Berührungen, so zart und sanft und doch auch so fest und hart. Diese wunderbaren Hände, mit denen er soviel ausdrücken konnte, die für ihn sprachen, wenn ihm die Worte fehlten. Sie sah jede einzelne Sommersprosse auf ihnen.

Sie atmete tief ein und das Bild seiner Unterarme erschien vor ihr. Der Schimmer der rotgoldenen Härchen, die kräftigen Muskeln und das Spiel seiner Sehnen. Die Erinnerung an seine Umarmung durchflutete sie und wieder suchten ihre Augen seine kraftvolle Gestalt. Mit seinem sprühenden Charme beherrschte er die Unterhaltung am Tisch und wenn er sprach, hingen alle - Männer wie Frauen - an seinen Lippen.

Er lachte auf und sein ganzes Gesicht schien zu strahlen. Seine Augen, seine Lippen, selbst seine Zähne im weit geöffneten Mund. Sein Anblick erfreute sie immer wieder und ihr Körper reagierte wie damals, als sie ihn zum ersten Mal sah. Nichts hatte sich für sie verändert. Und doch hatte sich alles verändert.

Noch am Abend der Party hatte er ihr seine Liebe gestanden und er war in ihr Leben getreten wie eine Flut. Mit seiner Lebensfreude und seiner Liebe hatte er sie fortgespült, fort von ihrem einsamen Leben, hinein in die Welt – in seine Welt. Er war Schauspieler und jeder Blick, jede Bewegung seines Körpers sprach von seiner Leidenschaft zu seinem Beruf. Diese Profession war es, die ihn ausmachte, er lebte dafür.

War das Liebe? War es Liebe, wenn man sich bei einem Mann geborgen fühlte, wenn man froh war, dass er einem nahe war? War es Liebe, wenn sie stolz auf ihn war? Warum hatte sie es ihm nicht zeigen können? Warum hatte sie sich in seinen starken Armen nicht entspannen können? Wann hatte es begonnen, wann hatte der Anfang vom Ende begonnen?
War dies das Ende? Fragend schaute sie zu ihm hinüber. Er inmitten von Freunden, locker und gelöst, lachend und flirtend, unterhaltsam und zufrieden – und sie, abseits, ausgeschlossen und einsam!

Gegen jegliche Vernunft hatte sie ihn geheiratet. Die Wochen nach ihrer Hochzeit waren doch die glücklichsten in ihrem Leben gewesen, oder nicht? Warum saß sie dann hier - nahe bei ihm und doch Meilen entfernt? Liebte er sie denn nicht mehr? Er hatte doch gewusst, auf was er sich einließ, als er sie heiratete. Sie hatte es ihm immer und immer wieder gesagt! Ihr Name, ihre Verantwortung, diese Bürde, die sie mit sich trug und mit niemanden teilen konnte! Dieses unsägliche Erbe ihrer Eltern.

Sie war aus dieser harten, kalten Welt in seine Wärme gefallen, so plötzlich, so schnell, dass sie kaum zum Nachdenken oder Aufatmen kam! Die Wärme seiner Haut, seiner Stimme, seines Lachens und all das hatte sie umschlossen und hinweg getragen. Und obwohl oftmals ihr ganzer Körper vor Sehnsucht nach ihm schmerzte, hatte sie sich nicht fallen lassen können.

Er begann sich zurückzuziehen – jeden Tag ein wenig mehr. Immer häufiger nahm er Engagements außerhalb der Stadt an, selbst die Angebote kleinerer Bühnen akzeptierte er. Dann war er einige Wochen unterwegs und rief nur sporadisch an. Meist nahm er sein Handy nicht mit und, wenn sie die Nummer seines Hotels nicht kannte, konnte sie sich nicht einmal mit ihm in Verbindung setzen.

War er zuhause, unternahmen sie nur noch selten etwas miteinander, sie schwiegen sich an und schon bald schliefen sie auch getrennt. Sie traute sich nicht ihn anzusprechen und zu fragen, was ihnen widerfuhr, sie fand den Mut nicht und hatte auch Angst vor dem, was er womöglich antworten würde.

Ihre Aufgaben im Konzern nahmen sie so sehr in Anspruch, dass sie dieses schleichende Auseinanderleben zunächst kaum bemerkte: sie gab ihrem unterschiedlichen Tagesablauf und dem andersartigen Arbeitsrhythmus die Schuld. Hatten sie nicht trotzdem immer wieder Zeit gefunden, miteinander zu sprechen, beieinander zu sein ...?

„Kommst du?“
Sie erschrak. Er war hinter sie getreten und hatte kurz seine Hand auf ihre Schultergelenk gelegt.
„Ich bin müde. Lass uns gehen!“
„Ja“, sagte sie.

Sie verabschiedeten sich von ihren Gastgebern und fuhren schweigend nach Hause. Er sprang die Stufen der großen Freitreppe hinauf und öffnete die Eingangstür.
„Ich springe noch schnell ins Wasser und drehe ein paar Runden. Gute Nacht!“
Sie nickte. Er drehte sich um und verschwand im Haus.
Müde schleppte sie sich die letzten Stufen hinauf und verstohlen wischte sie sich die Tränen weg, die plötzlich über ihre Wangen liefen.

Sie schüttelte den Kopf, so konnte das nicht weiter gehen! Sie musste etwas tun. Es durfte nicht enden – nicht so! Sie schloss die Tür, streifte sich die Schuhe von den Füßen und durchquerte barfuss die Halle und schritt durch die weit geöffnete Tür nach draußen. Die milde Meeresluft war auch hier deutlich zu spüren, der Sommer hatte sie verwöhnt und er schwamm jeden Abend vor dem Zubettgehen einige Bahnen.

Die kleinen Lampen im Pool strahlten ihn an und erleuchteten seinen nackten Körper. Sie stand ganz still in der Dunkelheit und beobachtete ihren Mann gebannt, der in gleichmäßigen Zügen durch das Becken schwamm. Sie liebte es, ihm dabei zuzusehen, genauso wie sie es liebte, gemeinsam mit ihm zu schwimmen.

Sie ging zu den breiten Stufen, die in das Becken führten und tauchte ihre Füße ins Wasser. Sie trat einen weiteren Schritt hinab und setzte sich auf den Rand des Pools. Er hatte gelacht, als er den Pool zum ersten Mal sah, hatte seine Hände auf die Schenkel geschlagen und lauthals gelacht, daran erinnerte sie sich noch gut. Dieses Schwimmbad war das Einzige, was ihm an diesem Haus gefallen hatte. Spontan hatte er sich die Schuhe abgestreift, Jeans und Shirt ausgezogen und war im Slip ins Wasser gesprungen wie ein Kind.

Den Rest ihres Hauses konnte er nur schwer ertragen. Die Weite der Räume, die hohen Decken - Tanzsäle nannte er die Zimmer abfällig. Er käme sich vor wie auf einem Präsentierteller, hatte er gemeint.

Vor den Treppenstufen tauchte er auf. Zuerst erschien sein Kopf, das Wasser hatte seine Haare glatt an den Kopf gepresst. Dann tauchten seine breiten Schultern und der Brustkorb auf, über und über mit Sommersprossen bedeckt. Das Wasser perlte aus seinen Haaren, den Wimpern und lief über seine Nase und die vollen, leicht geöffneten Lippen. Er wirkte wie ein Gott, der dem Wasser entstieg und ihr verschlug es die Sprache. Es sah sie an und streifte sich die Tropfen aus dem Haar.

Seine Nacktheit schien ihn nicht zu stören. Er setzte sich auf die Stufen etwas unterhalb von ihr und sie blickte auf seinen Rücken. Sie unterdrückte den spontanen Wunsch ihn anzufassen und konzentrierte sich statt dessen auf das, was sie sagen wollte.

„Du bist noch wach?“
„Wir müssen reden!“
„Müssen wir das?“
Verlegen neigte sie den Kopf und suchte nach Worten.

In unnachahmlicher Weise stieß er den Atem aus und lachte kurz: „Was willst Du bereden, mein Schatz? Dass du dich nicht wohlfühlst in unserer Ehe? Dass du es nicht erträgst, wenn ich dich berühre?“
„Das stimmt nicht!“

„Nein? Komisch! Ich hatte vorhin das deutliche Gefühl, dass du selbst meine Hand auf deiner Schulter nicht ertragen kannst!“
„Ich bin nur erschrocken, das ist alles! Ich liebe dich!“
„Tust du das? Das Gefühl habe ich ganz und gar nicht, meine Liebe! Es scheint mir eher so zu sein, dass ich in diesem golden Käfig der unterhaltsame Vogel bin, der Exot, den man mal vorzeigen kann wenn’s nötig wird!“

„Das ist nicht wahr! Bitte ...!“
„Bitte was? Was willst du? Mehr Liebe? Mehr Sex? Mehr von mir?“, er drehte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen.
„Du hast fast alles von mir! Sex willst du nicht! Da ist nicht mehr, was ich dir geben könnte, mein Schatz! Tut mir leid! Nimm’ das, oder lass es bleiben! Aber offensichtlich brauchst du gar nicht(s) mehr, du bist doch ganz zufrieden mit dem, was du hast, oder? Dieses Haus, dein Reich, deine Firma und mich, den unterhaltsamen exotischen Vogel!“

Er stand auf und griff nach dem Badetuch.
„Warte!“, rief sie ihm nach.
Fest schlang er sich das Tuch um die Hüften und sah über die Schulter zurück zu ihr.
Sie schluckte und räusperte sich: „Können wir nicht noch einmal reden? Können wir nicht ... irgendwo hin fahren? Irgendwo hin, wo uns niemand kennt? In ein Hotel, weg von hier. Ich, ich ...!“
„Ja du! Du – immer nur du! Aber meinetwegen! Es soll ja nicht heißen, ich hätte nicht alles versucht, diese eiskalte Beziehung zu retten. Ich habe bis übernächste Woche Zeit, bis die Proben für das neue Stück beginnen. Sag mir wann und wohin, ich komme mit!“

An der Tür blieb er stehen, seine Haare standen mittlerweile in alle Himmelsrichtungen ab, sie trockneten nur langsam und sie konnte nicht glauben, wie schön er war.
„Scheint dir ernst zu sein! Wann hast du je deinen Betrieb allein gelassen? Oder willst du deinen Assistenten und das Notebook nicht doch besser mitnehmen?“, seine Stimme troff vor Sarkasmus und sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln.
Sie schnaufte, erhob sich von der Treppe und richtete sich kerzengerade auf: „Das ist mir noch viel mehr wert! Und – nein – ich nehme niemanden mit!“
Ihr Blick folgte ihm ins Haus. Was zurück blieb waren lediglich die Spuren seiner nassen Füße auf dem Boden. Du wirst schon sehen, dachte sie.





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