- Schriftgröße +



Nach den abfälligen Worten ihrer Mutter hatte Sally wie vom Donner gerührt dagestanden, ehe sie ihre Stimme wieder fand.

„Doch Mutter, das ist genau der Umgang, den ich habe und der Umgang, den ich haben möchte!. John ist nicht ein Freund, er ist mein Freund und ich will nicht, dass du oder irgendjemand anders sich da einmischt. Sally wusste im Nachhinein nicht mehr, wie sie den Mut aufgebracht hatte ihrer Mutter entgegenzutreten und was sie ihr noch alles gesagt hatte. Der Besuch von Mia Wakefield war kurz und heftig gewesen und sie war noch am selben Tag wieder abgereist.

Noch immer wütend machte Sally sich auf den Weg zu John. Doch der öffnete nicht, seltsam, sein Auto stand doch vor der Tür. John sah Sally kommen und er hörte die Klingel, aber er blieb am Küchentisch sitzen. Was hatte es für einen Zweck aufzumachen? Es war vorbei; er hatte gewusst, dass dies zu schön war um wahr zu sein. Sallys Mutter hatte ihm schmerzlich bewusst gemacht, dass die Beziehung zu Sally ein schöner Traum war. Auch wenn Sally am liebsten in Jeans und Pulli herumlief, kam sie aus einer anderen Welt. Während er Knecht war und Knecht bleiben würde, hatte Sally studiert und hatte, nach dem Wagen ihrer Mutter zu schließen, der vor der Tür gestanden hatte, auch Geld. Es tat so weh, und es war wohl unvermeidbar gewesen. John barg sein Gesicht in den Händen und weinte. Dann holte er die große Flasche Whiskey, die hinten im Küchenschrank stand und goss sich das erste Glas ein; es würde ihm zumindest für diese Nacht helfen zu vergessen.

Am nächsten Tag rief Ethan bei Sally an. „Sag mal, Sally, Mutter kam zurück und hat mir eine ziemliche Horrorstory aufgetischt von einem seltsamen Mann, mit dem du zusammen wärst und du hättest dich mit ihr verkracht und so…“

„Ethan, du kennst Mutter. Sie kann sehr elitär sein und, ja, das ist der Mann, den ich dir mal vorgestellt habe. John ist nur Knecht, aber ich liebe ihn und ich habe nicht vor mich irgendwie oder vor irgendwem zu rechtfertigen.“

Ethan war eine Weile still, dann sagte er, „Du hast eigentlich immer gewusst, was du tust und ich will dir da auch nicht reinreden. Wenn ich das nächste Mal vorbeikomm, schau ich mir diesen Burschen trotzdem mal näher an. – Öh, ist Maike da?“

„Die Zeiten, wo Frauen die Erlaubnis ihres Bruders einholen mussten, sind schon eine Weile vorbei, Brüderchen,“ sagte Sally, nun schon etwas entspannter. „Hab ich mir übrigens gedacht, dass du einen ganz anderen Grund hast anzurufen. Soll ich sie ans Telefon holen?“

~~~

Warum meldet sich John nicht? Er weiß zwar nicht, dass meine Mutter bereits am Freitag wieder abgefahren ist, aber jetzt ist Montag. Enttäuscht legte Sally den Hörer auf. Auch am nächsten Tag schien er nicht zu Hause zu sein, als Sally bei ihm klingelte, noch meldete er sich bei ihr. Sally kam ein böser Verdacht; John musste mit angehört haben, was ihre Mutter gesagt hatte und hatte seine Schlüsse draus gezogen, falsche Schlüsse. Wenn sie John jetzt nicht nachging, war es vorbei. Sie liebte ihn, und allein die Vorstellung ihn zu verlieren…

Am Tag darauf fing Sally ihn nach der Arbeit vor seinem Haus ab. Er schloss seine Haustür auf und Sally folgte ihm in die Küche. „John, was soll denn das?“ sagte sie. John schaute ihr nicht ins Gesicht, als er seine Jacke auszog und sich setzte. „Bitte John, ich weiß, dass du gehört hast, was meine Mutter gesagt hat, aber du kannst dich doch nicht zurückziehen, nur weil sie gegen uns ist. “

Schließlich blickte John sie an. „Ja, ich habe gehört, was deine Mutter gesagt hat und… ich habe auch gehört, dass du nichts darauf erwidern konntest. Ich mach dir keinen Vorwurf. Lass gut sein, Sally, es hat keinen Zweck, hat es von vornherein wahrscheinlich nicht gehabt. Bitte geh einfach.“ Er stand auf und räumte weg, was noch an Sachen auf dem Tisch lag ohne sie weiter zu beachten. Sally wusste, dass es keine böse Absicht war, sie hatte sein gequältes Gesicht und seine geröteten Augen gesehen.

Sally war wie vor den Kopf geschlagen. Es war viel schlimmer, als sie gedacht hatte. Er hatte die abfälligen Bemerkungen ihrer Mutter gehört, aber das, was Sally erwidert hatte, nicht. „Nein, John Standring, so einfach kommst du mir nicht davon, nicht jetzt, wo ich meine Mutter gewissermaßen rausgeschmissen hab wegen dir.“ erwiderte sie hitzig.

John fuhr herum. „Du hast was?“ fragte er ungläubig.

„Meine Mutter ist noch am Freitag Abend gefahren, nachdem ich ihr gesagt habe, dass du mein Freund bist und ich mir jede Einmischung verbitte,“ erklärte Sally etwas leiser. „John, bitte, ich brauche dich und ich möchte dich nicht verlieren.“ Tränen liefen ihr die Wangen herunter; John nahm sie in die Arme und küsste ihre Stirn, während er sie hielt. „Sally,“ stöhnte er. „Sally, ich dachte, alles ist vorbei.“

„Du hast gedacht, ich lasse dich im Stich,“ sagte Sally leise. „Warum? Weißt du denn nicht, dass ich dich liebe?“ Johns Gesicht sagte ihr alles; er hatte gehofft, aber er war nicht sicher gewesen. Seine Umarmung wurde fester, während seine Lippen die ihren zärtlich streiften.. „Ich liebe dich, Sally; geh heute nicht,“ flüsterte er.

Nachdem Sally in seinen Armen eingeschlafen war, lag John noch wach. Wie wunderschön war es mit ihr gewesen. Wie nah war er daran gewesen sie zu verlieren und das durch eigene Schuld. Wenn sie nicht fest entschlossen gewesen wäre zu kämpfen, wäre es jetzt vorbei. So hatte es jetzt erst richtig angefangen. Er wusste, es würde nicht einfach werden; Alona Veyseys gab es überall, aber John wusste, dass er sich nie wieder einfach zurückziehen würde. Sally hatte ihm gesagt, dass es auch Leute gab, die zu ihnen stehen würden. „Fiona freut sich für uns. Sie hat nur gemeint, ich soll dir ein paar neue Pullover kaufen,“ hatte sie gelacht.

Sally war im Morgengrauen mit John aufgestanden. Er musste früh aus dem Haus und sie wollte zurück in ihre Wohnung und sich fertig machen. John hatte sie zum Abschied zärtlich geküsst. „Ich hab in dieser Woche einige ganz wichtige Dinge zu erledigen, Sally. Kann ich dich am Freitagabend abholen?“

Sally hatte in den nächsten zwei Tagen alle Hände voll zu tun. Der Vorfall mit ihrer Mutter und die Beihnahe-Trennung von John hatten sie gelähmt. Sie hatte ihre Arbeit in der Bücherei gemacht, war aber nicht in der Lage gewesen zu Hause irgendetwas zu tun. Maike war mit der Firma auf einer Dienstreise und Fiona schien ständig beschäftigt. Endlich war Freitag! John hatte vorher noch einmal angerufen und ihr gesagt, dass er sie um 8°° Uhr abends abholen würde. Pünktlich klingelte es an der Tür und Sally öffnete. „John, ich….“ Die Worte bleiben ihr im Hals stecken. Vor ihr stand John, aber ein vollkommen veränderter John. Seine dicken Locken waren einen modernen Kurzhaarschnitt gewichen; er war glatt rasiert und er trug einen modernen Anzug. „Kann ich reinkommen?“ fragte er lachend, als er merkte, dass Sally keine Anstalten machte den Eingang frei zu machen. Sein Lächeln war selbstbewusster und seine ganze Haltung aufrechter. Fiona steckte den Kopf aus ihrem Zimmer. „Und? Gut?“ grinste sie. „Ich war mit Fiona beim Friseur und den Anzug kaufen,“ erklärte John. Sally nickte, noch immer verdattert. „Du siehst toll aus,“ sagte sie schließlich und folgte John in ihr Zimmer.

„Sally, ich wollte dir etwas sagen…ich meine....“ Sein Blick wurde unsicher. „Eigentlich…“ John zog eine kleine Schachtel aus seiner Jackentasche und öffnete sie; ein Ring mit einer kleinen Perle war darin. Er schluckte. „Willst du mich heiraten, Sally? Wir sind zwar noch nicht so lang zusammen, aber…“

Sally schaute ihn an. Ja, es stimmte, sie kannten sich noch nicht so lange, aber sie wusste genau, dass sie diesen Mann liebte und keinen anderen wollte. „Ja, John,“ sage sie einfach.

~~~

John hatte einen Tisch in einem Restaurant reserviert. Er wartete in der Küche, während Sally sich noch einmal umzog, denn ihre Jeans passten heute wirklich nicht!

Als die beiden das Restaurant betraten, gab es allerhand Getuschel von den anderen Gästen. Natürlich kannte jeder John Standring, aber niemand hatte ihn jemals in einem Anzug gesehen und auch Sally in ihrem chicen schwarzen Kleid mit schmalen Trägern erregte Aufsehen. Als sie vom Kellner auf ihren Platz begleitet wurden, sahen sie Alona Veysey an einem Nachbartisch sitzen. Alona starrte und zog dann die Augenbrauen hoch. „Ohooo! Gibt es einen besonderen Anlass?“ fragte sie herausfordernd.

„Ja,“ sagte John und schaute sie fest an. „unsere Verlobung.“



EPILOG

Einen Monat später heirateten Sally und John in der Kirche eines kleinen Ortes namens Dibley und fuhren dann weiter auf ihre Hochzeitsreise nach Norwegen. Sallys Eltern brauchten einige Zeit, bis sie sich mit ihrem Schwiegersohn anfreunden konnten, während Ethan schnell gemerkt hatte, dass John der richtige Mann für seine Schwester war. Etwas länger brauchte er, bis er merkte, dass er in Maike die richtige Frau gefunden hatte, aber dann konnte er sie davon überzeugen nach ihrem Studium in England zu bleiben und ihn zu heiraten.

Nach einem weiteren Jahr kauften John und Sally mit Geld aus dem Verkauf von Johns Haus und einer größeren Summe, die Sally von ihrer Großmutter geerbt hatte, einen kleinen Bauernhof und nach ein paar Jahren machten zwei Mädchen und ein Junge die Gegend unsicher.



Und wenn sie leben, sind sie übrigens noch immer nicht gestorben.   



Ende
Marianne ist Autor von 4 anderen Geschichten.



Bitte gib den unten angezeigten Sicherheitscode ein: