- Schriftgröße +



 Ethan hatte nichts gemerkt, zum Glück nicht. Er trug die Einkaufstüten, die Sally in ihrer Eile am Auto hatte stehen lassen, in die Wohnung hoch und stellte sie in der Küche auf den Tisch, während Sally Kaffee einen Kaffee aufsetzte. Ethan setzte sich und sein Blick glitt über seine Schwester. „Du siehst gut aus, Sally. Mutter hat ja nicht viel gesagt, aber wenn ich dich so anschau, wars gut, dass du hierher gekommen bist. Ich vermut nur, sie wird es nie verstehn.“ In diesem Moment hörte sie die Haustür. „Wart mal, das müsste eine meiner Mitbewohnerinnen sein. – Maike?“ 

 

„Moment, komm gleich! Ich riech schon den Kaffee!“ Maike stelle ihre Sachen in ihrem Zimmer ab und öffnete die Küchentür. „Mensch, bin ich fertig, ich…“ Beim Anblick von Ethan unterbrach sie sich, fing sich aber schnell wieder.

 

  „Maike, das ist mein Bruder Ethan – Ethan, das ist Maike Berger; sie ist Studentin aus Deutschland und macht ein Auslandspraktikum hier,“ stellte Sally vor. Die Reaktion beim Anblick von Ethan war sie gewohnt. Ihr Bruder hatte dunkelbraune, ständig zerzauste Haare, hellgrüne Augen und ein Lächeln, mit dem er schnell Freunde gewann. Allerdings hatte Sally schon immer Mühe gehabt sich die Namen seiner Freundinnen zu merken, so schnell wechselten diese. Ethan lächelte Maike freundlich an und begrüßte sie dann flüssig auf Deutsch. Sally sah, dass Maike beeindruckt war. „Maike, ich muss dich gleich warnen. Er ist zwar mein Bruder, aber ich glaube, das bin ich dir schuldig.“ grinste sie. „Also echt, Sally! - Und so was nennt sich Schwester,“ rief Ethan mit gespielt beleidigtem Gesichtsausdruck und Maike sah seine Augen spitzbübisch glitzern. „Da besteht keine Gefahr. Von Männern, die wissen, wie gut sie aussehen, halte ich mich generell fern,“ witzelte Maike. „So, und jetzt brauch ich erstmal einen Kaffee.“ Sie holte sich eine Tasse, setzte sich an den Küchentisch, seufzte und schloss einfach die Augen, während Sally ihre Einkäufe wegräumte. Ethan betrachtete Maike verstohlen. Sie war wirklich hübsch, etwa 1,75 und schlank, aber nicht zu dünn, mit kurzen schwarzen Haaren und blauen Augen. Für Hungerhaken hatte er noch nie etwas übrig gehabt. Und – sie schien es tatsächlich ernst gemeint zu haben, dass die kein Interesse an ihm hatte; jedenfalls beachtete sie ihn nach der Begrüßung nicht weiter. Vielleicht wollte sie Sally und ihrem Bruder aber auch einfach nur etwas Privatsphäre lassen. Vielleicht konnte er sich morgen noch etwas mit ihr unterhalten.  Ethan folgte Sally in ihr Zimmer. Sie merkte erst jetzt, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Anders als ihre Eltern hatte er einfach akzeptiert, dass sie andere Ziel hatte. Ein paar Stunden später ging Ethan. Er hatte vor ein paar Tage in der Gegend zu bleiben und würde sich erst einmal ein Hotel suchen. Sally hatte ihm gesagt, dass sie am nächsten Tag bei John vorbeischauen würde und er hatte nicht nachgefragt, sondern Maike vorgeschlagen mit ihm die Gegend zu erkunden. Diese hatte gut gelaunt zugesagt.

Während Sally die Tür hinter ihm schloss, kam ihr ins Bewusstsein, was sie die vergangenen Stunden verdrängt hatte: John! Zuerst hatte sie sich gesagt, dies sei eine komplette Überraschung für sie gewesen, aber war es das wirklich? Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, war es ja schon etwas seltsam gewesen über seine Hände nachzudenken oder seine Augen schön zu finden, wenn er nur ein normaler Freund war. Andererseits war ein Mann wie John doch wirklich nichts für sie, oder? Sie gab nicht viel auf Äußerlichkeiten, wenngleich sie beim Anblick von Johns Pullovern und Jacken meist das kalte Grausen packte und auch seine Haare, na ja, Frisur konnte man das nicht nennen...: Aber der Mann hatte das netteste Lächeln, das sie sich vorstellen konnte. Er lächelte nicht oft, aber wenn… Er sah dann fast gut aus und … hatte sie sich jemals bei einem Mann so wohl gefühlt wie bei John, so unbefangen und ruhig? Bei ihm hatte sie nicht das Gefühl sich ständig beweisen zu müssen, ständig einen guten Spruch bringen zu müssen, damit die anderen sahen, dass sie schlagfertig oder gebildet war. Hatte ihr Unterbewusstsein ihr einen Streich gespielt, als sie John Freundschaft anbot? Sally wusste es nicht, aber sie wusste, dass sie Johns Freundschaft auf keinen Fall verlieren wollte. 

~~~ 

John war rasch wieder nach Hause gegangen, nachdem er sich von Sally und Ethan verabschiedet hatte. Er hatte gemerkt, dass Sally ihm hinterher gestarrt hatte; hatte er sich verraten? Es hatte wehgetan, sie mit einem anderen Mann zu sehn und ein Stein war ihm vom Herzen gefallen, als sie ihn als ihren Bruder vorgestellt hatte. Es war ganz seltsam, er kannte Sally erst kurze Zeit, aber sie war ihm so wichtig geworden, dass er sich beinahe selbst nicht mehr kannte. John war sich bewusst, dass er jahrelang völlig unlogisch reagiert hatte, wo Carol betroffen war. Wider besseres Wissen hatte er gehofft, dass sich etwas zwischen ihnen entwickeln könnte. War er dabei den gleichen Fehler mit Sally zu machen? Sally war anders; er wusste jetzt schon, dass sie ihn nie benutzen würde. Sie war offen, freundlich, hübsch…Er konnte offener mit ihr umgehen als jemals mit einer anderen Person, aber er wusste auch, dass es Bereiche gab, in denen sie Welten trennte. Sally war Bibliothekarin und er Knecht auf einem Bauernhof. Sie hatte ihm nie einen Hinweis darauf gegeben, dass er auf mehr hoffen könnte als auf Freundschaft. Das Beste wäre, wenn er sich zurückzöge, aber vielleicht…  John schlief schlecht in dieser Nacht; erst irgendwann kurz vor Tagesanbruch schlief er richtig ein und wachte mit stechenden Kopfschmerzen auf. Auch das noch! Uhm, er hatte einen Brummschädel wie nach einer durchzechten Nacht, nur ohne den Spaß vorher. Eine heiße Dusche würde ihm gut tun. Der heiße Strahl hämmerte auf ihn herunter und erst allmählich wurde John wach. Er streifte eine Jeans über und ging in die Küche, um Kaffee aufzusetzen.. Rrrring! Es klingelte an der Tür. Das musste Sally sein; war es schon so spät? Ohne weiter nachzudenken, tappte er zur Tür und öffnete; er merkte erst, was er gemacht hatte, als Sally ihn mit weiten Augen anstarrte: Außer seinen Jeans hatte er nichts an. 






Bitte gib den unten angezeigten Sicherheitscode ein: