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John starrte ihr nach. Sie war genauso nett wie immer gewesen; offensichtlich hatte Alona Veysey nichts weiter über ihn gesagt oder es hatte sie kalt gelassen. Als John sich umdrehte um an der Bar ein neues Bier zu bestellen, schaute er in das grinsende Gesicht der Bibliothekarin. Offensichtlich hatte sie den Vorfall bemerkt und auch sein Gesicht; was sie morgen herumerzählen würde, konnte er sich gut denken. Sie war in der gleichen Klasse gewesen wie John und hatte schon damals jede Gelegenheit genutzt ihn aufzuziehn. Er hatte nie begriffen, wie jemand so missgünstig sein konnte, sich so gerne über andere lustig machen konnte. Was hatte sie davon? Ohne Alona anzusehen setzte er sich wieder auf seinen alten Platz. 

Sally war froh, dass es Wochenende war und sie etwas länger schlafen konnte. Sie wurde langsam wach, als die Sonne zum Fenster hineinblinzelte und sie in der Küche Geschirr klappern hörte. Maike war eine Frühaufsteherin, das hatte sie schnell gemerkt; der Kaffeeduft zog schon durchs Haus. Nach einer Dusche zog Sally wieder ihren Morgenmantel an und ging in die Küche. Die Brötchen standen auf dem Tisch, Müsli, Marmelade und Käse. Es war einfach herrlich gemütlich, mit ihren Freundinnen am Wochenende zusammen zu frühstücken. Maike grinste sie fröhlich an. „Na? Wach oder aufgestanden?.“ „Im Moment eher noch aufgestanden, aber nach dem Kaffee bin ich bestimmt wach,“ erwiderte Sally.  Drei Minuten später gesellte sich Fiona zu ihnen. „Na, wie fandest du es gestern Abend denn so?“ fragte sie.  „Hat mir echt gut gefallen, nur beim Rausgehen hat mich ein Betrunkener angemacht. Es ist nichts weiter passiert und John Standring ist dazwischen gegangen. Sag mal, Fiona, was weißt du denn über den? Alona Veysey hat so ein paar blöde Bemerkungen gemacht.“ 

„Ach, Alona, diese Giftspritze. Na ja, über John weiß ich nicht so arg viel. Er arbeitet als Knecht auf einem Hof in der Nähe, ist ein ziemlicher Einzelgänger. Er hat letztes Jahr das Haus von seinem Großvater geerbt und lebt allein. Das Haus kennst du,ist grad da vorn rechts um die Ecke, die Nr. 8. Einige meinen, John wär etwas zurückgeblieben, aber das glaub ich eigentlich nicht. Ich glaub nur, er hatte noch nie eine Freundin. Vor ein paar Jahren war er mal mit Carol Bolton aus, aber das war wohl nichts, denn eigentlich war die ja mit Andrew Lawton zusammen. Ja, und er ist freundlich und hilfsbereit und mit Sicherheit zu gutmütig.“ Dann grinste sie etwas. „Unübersehbar ist jedenfalls, dass seine Frisur und sein Kleidergeschmack ziemlich verbesserungsbedürftig sind. Vielleicht ist er auch farbenblind. Sag mal, musste er echt dazwischen gehen, als du von dem Typ da angegrabscht worden bist? Ich hab gar nix mitgekriegt, aber es war auch ziemlich voll.“ 

„Nein, es hat schon ausgereicht, dass er dem Kerl gesagt hat, er soll mich in Ruhe lassen,“ meinte Sally. „Ich hab auch noch nie gehört, dass er ein Schläger sein soll. Ist zwar ein großer Kerl und ich möchte wetten, dass da kein Gras mehr wächst, wenn er doch mal hinhaut, Okay, genug über John Standring, ich muss mich allmählich fertigmachen. Heute Nachmittag bin ich mit Paul verabredet. Sally, würdest du für mich mit aufräumen? Ich übernehm dann morgen was von dir mit.“ Sally nickte und Fiona ging raus; kurze Zeit später hörten sie die Dusche plätschern.  

Maike und Sally blieben noch eine Weile sitzen. „Und was hast du heute vor, Maike?“ Maike verzog das Gesicht. „Was heißt vorhaben? Der Chef hat mir doch tatsächlich etwas übers Wochenende aufgedrückt. Miss Berger, für Ihre Diplomarbeit wird Ihnen dieses Projekt auf jeden Fall sehr nützlich sein, bla,bla,bla. Du weißt ja, wie das mit Praktikanten ist, volle Arbeitskraft, kein Gehalt. Ich muss mich also zumindest einen Teil des Wochenendes an den PC klemmen. Und du?“ „Ich räum jetzt auf und muss noch ein paar Sachen erledigen. Dann geh ich raus, erst eine Runde joggen und später will ich endlich wieder was malen. Während Maike sich an ihren PC verzog, brachte Sally noch die Küche in Ordnung. Sie genoss es sehr so nette Mitbewohnerinnen zu haben. Wenn sie jetzt auch noch mehr Anschluss hier im Ort bekam…. Mit Alona Veysey brauchte sie sich ja außerhalb der Arbeit nicht abzugeben. Die Arbeit machte ihr Spaß und vielleicht bestand die Chance, dass aus der befristeten Stelle etwas Dauerhaftes würde. 

Sally zog ihre Sportsachen an und machte sich auf den Weg. Von der Wohnung aus waren es nur ein paar Minuten und sie war im Wald. Der Weg war zwar noch ziemlich matschig, denn es hatte in den letzten Tagen ein paar Mal geregnet, aber die Luft war wirklich toll. Schnell fand Sally ihren Rhythmus und lief ihre Strecke gleichmäßig, während ihre Gedanken abzuschweifen begannen, wieso allerdings ausgerechnet zu John Standring, war etwas seltsam, denn das war doch nun wirklich kein Mann für sie. Wenn er allerdings lächelte, sah er fast süß aus. Süß! Was für ein Ausdruck für einen Mann dieser Größe!.  - - Aaargh! Eine Wurzel! Sally stolperte und obwohl sie sich noch zu fangen versuchte, fiel sie der Länge nach hin. Oh, tat das weh! Ah, nein, das durfte doch nicht war sein! Sally versuchte aufzustehn, doch der Schmerz ließ sie aufschreien und Tränen traten ihr in die Augen. Sie musste sich eine Sehne gerissen haben. Es war unmöglich aufzutreten. Keuchend saß sie auf dem Waldboden. Sie hatte sich auch den Arm abgeschürft und es brannte ziemlich, aber das war nicht so schlimm; viel schlimmer war, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie jetzt nach hause kommen sollte; das waren mindestens 7 km. Sie hatte noch nicht einmal ein Handy dabei und auf ihrem Weg hatte sie bisher noch keine anderen Jogger gesehn.

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Maike streckte sich. Sie hatte fast drei Stunden am PC gesessen und fühlte sich etwas verspannt. Komisch, es war so ruhig in der Wohnung. Sally wollte doch nur kurz joggen gehen. Sie hätte längst zurück sein müssen. Und wenn ihr irgendetwas passiert war? Sie würde ja die Strecke ablaufen oder mit dem Fahrrad abfahren, aber so gut kannte Maike sich in der Gegend auch noch nicht  aus. Und wenn sie jemanden fragte? – Aber wen? Sie war erst seit einigen Wochen in der Gegend und kannte noch fast niemanden. Moment – vorhin hatten Fiona und Sally doch von diesem John Standring gesprochen; er war anscheinend nett und außerdem wusste Maike, wo er wohnte; sie hatten seine Adresse genannt. Maike schnappte ihre Schlüssel und machte sich auf den Weg. Vielleicht war es ja falscher Alarm, aber sie wollte lieber nichts riskieren.






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