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Story Notes:
Disclaimer: Alle Charaktere, Orte, Schauplätze etc. sind Eigentum der jeweiligen rechtmäßigen Besitzer. Die Originalcharaktere und Originalhandlung sind Eigentum des Autors. Der Autor ist in keiner Weise mit den Besitzern, Erschaffern oder Produzenten irgendeiner Medienkonzession verbunden. Vorsätzliche Verstöße gegen das Urheberrecht sind nicht beabsichtigt.



Er hatte „Nein“ gesagt. Carol hatte ihn gefragt, ob er sie heiraten würde und er hatte abgelehnt. Natürlich hatte er die Gerüchte gehört, dass der Hof über beide Ohren verschuldet war und Carols Vater die fälligen Pachtraten nicht bezahlt hatte. Gewundert hatte es ihn nicht; seit Carols Weggang war Richard Bolton immer mehr verfallen und hatte bald nur noch getrunken. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er John nach einem Streit gesagt, er brauche nicht mehr wiederzukommen. Jetzt war er an einem Herzinfarkt gestorben und Carol war bankrott. Er hatte Carols Vorschlag erst für einen schlechten Scherz gehalten. Sie wusste, dass er in sie verliebt war, seit er denken konnte und für eine kurze Zeit hatte er gedacht, sie habe auch Gefühle für ihn. Wenn er daran dachte, fühlte er die Demütigung wie vor fünf Jahren. Er hatte sie auf ein Bier in die Kneipe eingeladen und nie und nimmer damit gerechnet, dass sie ihn vor allen dort küssen wollte. Er konnte das nicht; die Bemerkungen der anderen Gäste hätte er sich gut vorstellen können. Und dann hatte Carol ihm vorgeschlagen… Die Röte stieg ihm ins Gesicht, als er sich daran erinnerte, wie er sich blamiert hatte. Und trotzdem hatte er gehofft, sie hätte Gefühle für ihn und hatte am nächsten Tag die Ohrringe seiner Mutter mitgebracht. Später hatte er erfahren, dass sie sich nur an Andrew hatte rächen wollen; er war nichts als ein nützlicher Idiot gewesen.  

Ein Idiot, ja, das war es, was er für viele war. Er wusste, dass viele ihn für zurückgeblieben hielten, für ein Kind im Körper eines Erwachsenen. Bereits mit vierzehn Jahren war er so groß gewesen wie heute und auch vorher immer einen Kopf größer als die anderen Kinder in seiner Klasse. Wäre er aggressiv gewesen, hätte ihn niemand gehänselt, aber bei all seiner Größe war John gutmütig und freundlich und schlug selbst dann selten zurück, wenn er angegriffen wurde. Überall war er Außenseiter gewesen, zu ungelenk für Fußball, zu ruhig für hitzige Diskussionen, zu gerne allein. Seine Mutter war eine nette, einfache Frau gewesen, die genug mit ihren zwei Putzstellen und dem Haushalt zu tun hatte. Sie war bereits Mitte Vierzig gewesen, als John auf die Welt kam, ein Kind, mit dem niemand gerechnet hatte. „Lasst meinen John in Ruhe, “ hatte seine Mutter immer gesagt.“ „Er ist ein guter Junge.“ John wuchs auf, ohne dass sich jemand so recht um ihn kümmerte. Nicht dass er vernachlässigt worden wäre; er hatte immer genug zu essen und seine Kleidung war sauber, aber Mary Standring war zufrieden gewesen, dass ihr Sohn keine großen Ansprüche stellte. Als John fünfzehn war, starb sie an einem Schlaganfall und John wuchs bei seinem Großvater auf. Sein Leben änderte sich nicht.  John blieb ein Außenseiter und keiner kannte ihn richtig. Es hätte die meisten wohl überrascht, dass er gerne las und seine Büchereikarte regelmäßig nutzte. Es waren meist Reisebeschreibungen, die er las, Berichte über Entdeckungen, Henry Morton Stanley, Marco und Nicolo Polo. Viel freie Zeit hatte er nicht, aber wenn die Arbeit getan war, war er sowieso meist allein. Meist machte es ihm nichts aus; er liebte die Stille und wenn er nicht las, ging er in seine kleine Werkstatt, die er sich eingerichtet hatte. Sein letztes Werk war eine Holztruhe gewesen; es verschaffte ihm Genugtuung zu sehen, wie aus den rohen Brettern etwas wurde, die rauen Spunten glatt wurden. Aber auch das wusste niemand; warum sollte er es jemandem zeigen? 

Auch Carol wusste nichts von ihm. Sie brauchte Geld. Oh ja, sie bot ihm eine Ehe an, sie sprach von einer Partnerschaft, sprach davon, dass sie etwas Wichtiges in ihrem Leben machen wollte und da hatte er gemerkt, dass er es nicht wollte. Der Grund für diese Ehe war, dass sie  etwas aus ihrem Leben etwas machen wollte. Er sollte wieder ein nützlicher Idiot sein. In diesem Augenblick realisierte er, dass er im Grunde genau so besessen gewesen war von ihr war wie Andrew. Nein, er wollte es nicht und das erste Mal in seinem Leben hatte er dies sagen können ohne verlegen wegzuschaun. Carol hatte ihn angeschaut, als ob er ein Fremder sei und war gegangen. Und da realisierte er noch etwas: Es war ihm egal. 

Als John das Haus verlies, kam es ihm vor, als ob er verschiedene Dinge ganz anderes wahrnähme. Es war ein schöner Tag und er schaute sich um, während er sich auf den Weg in die Bücherei machte. Er hatte die neue Aushilfe in der Bücherei noch nie beachtet -  Sally hieß sie wohl.  Sie war immer freundlich zu ihm gewesen, und das erste Mal betrachtete er sie genauer. Sie war hübsch, hatte glatte braune Haare und warme brauen Augen. Als er sein Buch auf den Tresen legte, lächelte sie ihn an – und John lächelte zurück.






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