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Mittwoch, 9. Januar. Casey hatte zuerst lachen wollen, als Ian ihr sagte, dass Datum und die Uhrzeit für die Hochzeit habe ein Astrologe bestimmt. Da sie aber mittlerweile sich ein wenig in die chinesische Kultur hineindenken konnte, verkniff sie sich das Lachen. Derart wichtige Ereignisse und Termine wurden in China niemals ohne das vorherige Konsultieren eines Astrologen vereinbart.

So stand sie jetzt im Schlafzimmer ihres Hauses und drehte sich vor dem Spiegel hin und her. Claudia und Dianne Chen waren begeistert. Die Schneiderin hatte ein Meisterwerk abgeliefert. Casey trug ein elfenbeinfarbenes Ensemble aus reiner Seide. Ursprünglich war ein Qipao vorgesehen gewesen, aber nach der ersten Anprobe hatte sich Casey dagegen entschieden, es war ihr einfach zu chinesisch und passte nicht zu ihr. Ihr Brautkleid bestand nun aus drei Teilen. Der Rock war sehr schmal geschnitten, vorne ein eingesetzter Streifen, mit einem sehr dezenten Ton-in-Ton Drachenmotiv, der direkt am Knie endete, der Rest war bodenlang. Dazu ein Top, darüber eine Schößchenjacke, wobei auch das Schößchen hinten sehr viel länger war als vorne. Da man in China gerne die Farbe Rot für Hochzeiten verwendete, da diese als glücksbringend angesehen wurde, hatte das Top für diesen Farbtupfer sorgen müssen. Das Haar war hochgesteckt und zwei weiße Lotusblüten darin befestigt. Der Brautstrauß bestand ebenfalls aus Lotus und Gardenien.

Lim-Chu strahlte über das ganze Gesicht, weil er die Ehre hatte die Braut mit dem Rolls Royce zum Government House zu fahren. Dort wartete bereits Ian Dunross mit Lando Mata. Ian hatte schon viele Hochs und Tiefs in seinem bisherigen Leben erlebt, aber er hatte selten Nervosität verspürt. Und überhaupt noch nie eine solche Nervosität wie an diesem Tag, eine Nervosität die ihm fast schon Übelkeit bescherte.

Seine erste Hochzeit vor fast zwölf Jahren in England hatte er sehr gleichmütig über sich ergehen lassen, obwohl alles überaus pompös aufgezogen gewesen war. Eine kirchliche Trauung im großen Stil, mit weinenden Müttern und Tanten, die mit wagenradgroßen Hüten und bonbonfarbenen Mantelkleidern erschienen waren. Heute grauste es ihm bei der Erinnerung daran regelrecht.

Er trug den traditionellen ‚Morning Suit’, eine leicht gestreifte, anthrazitfarbene Hose, eine hellgraue Weste, ein weißes Hemd, ein grau-weiß gestreiftes Plastron und den dunkelgrauen Cut darüber. Er sah umwerfend darin aus. Lando hatte sich ebenfalls in diese Kleidung geworfen, allerdings trug er eine bunt bestickte chinesische Seidenweste und das entsprechende Plastron dazu. In seiner Westentasche steckten die schweren, goldenen Eheringe.

Das 'Government House', ein äußerst repräsentativer Ort für eine Hochzeit

 

Obwohl man sich Mühe gegeben hatte, das Hochzeitsdatum nicht bekannt werden zu lassen, war es natürlich schnell durchgesickert und so gab es doch etliche Schaulustige vor dem Government House, auch hatten Presse und Fernsehen dort Stellung bezogen, um wenigstens in den lokalen Nachrichten einen kurzen Bericht von der Hochzeit des Jahres in Hongkong abgeben zu können. Die Kameras hielten bereits auf den Aston Martin Lagonda von Lando Mata, als dieser mit dem Bräutigam auf dem Beifahrersitz in die Gouverneurs-Residenz einbog. Doch als dann der Rolls mit der Braut und ihrer Trauzeugin erschien, waren alle noch euphorischer.

Casey kam sich einerseits sehr elitär und privilegiert vor, andererseits war sie peinlich berührt von dem Aufsehen, das sie erregte. Mit zittrigen Knien stieg sie aus dem Wagen, ging hinter Claudia in das Haus. Diese warf einen letzten prüfenden Blick auf die Braut, zupfte ihr eine der Lotusblüten im Haar zurecht und gab dann das Zeichen, das man bereit war. Casey schlug das Herz bis zum Hals. In diesem Moment wäre sie am liebsten weggelaufen, sie schloss die Augen für eine Sekunde und dachte an Ian, der jetzt hinter dieser doppelten Flügeltür stand und sie erwartete. Dann war das panische Gefühl vorbei. Die Tür ging auf und sie folgte Claudia in den Raum.

Ian meinte, es hätte ihm jemand einen heftigen Schlag in die Magengrube verpasst, als er Casey sah. Er wollte ein Aufstöhnen unterdrücken, was ihm merkwürdigerweise nicht gelang. Lando schaute ihn fragend an, und er selbst erschrak ganz furchtbar über seinen lauten Seufzer. Casey war das schönste, zauberhafteste Wesen, das er jemals gesehen hatte.

Die Zeremonie war ziemlich kurz, nach einer knappen Viertelstunde streiften sie sich die Ringe über die Finger, wobei er jedoch noch immer leicht zitterte. Als jedoch der Gouverneur, Sir Geoffrey Allison, ihn abschließend, wie bei Trauungen üblich, aufforderte, die Braut zu küssen, entspannte er sich zusehends, auch wenn der Kuss ein wenig keusch ausfiel.

Es waren bei der Trauung außer dem Gouverneur selbst und dem Brautpaar in der Tat nur die Trauzeugen und ein Repräsentant der amerikanischen Botschaft anwesend gewesen. Alle anderen Gäste waren zum Hochzeitsbankett ins Peninsula geladen. Ian und Casey hatten es gewählt, weil das Hotel für sie beide doch eine große Rolle gespielt hatte. Als sie nach den Glückwünschen des Gouverneurs und der Trauzeugen, sowie einiger Angestellter des Government House in den Rolls Royce stiegen, konnten sie es beide noch gar nicht fassen. Casey drehte wieder und wieder den goldenen Reif an ihrem Finger, nahm auch Ians Hand und schaute mehr als einmal seinen Ring an. Dann fuhren sie durch das Blitzlichtgewitter der Medien.

Vor dem Hotel ein ähnlicher Auflauf. Dort hatte man sogar die Gewissheit, beide direkt sehen zu können, da sie ja aussteigen mussten. Chinesische Klatschreporterinnen überschlugen sich mit Kommentaren über das Brautkleid und das Aussehen der Braut. Ian war mit Casey während der Fahrt übereingekommen, dass man sich kurz den Fotografen stellen würde, er wusste, dass sonst nämlich niemals Ruhe vor dem Hotel einkehren würde.

Das Paar fuhr am Peninsula vor, Lim-Chu öffnete die Tür, zuerst stieg der Bräutigam aus, dieser reichte seiner Frau die Hand, die dann versuchte, mit dem engen langen Rock halbwegs elegant aus dem Rolls zu kommen. Der Wagen rollte vom Eingang weg, damit die Meute Gelegenheit hatte, einen unverstellten Blick auf die beiden zu werfen. Die Objektive waren nun alle auf dieses Motiv gerichtet. Ian gab ihnen genau zwei Minuten, danach nahm er Casey sanft am Ellbogen und geleitete sie ins Hotelinnere. Casey war völlig erschlagen vom Interesse der Öffentlichkeit. Sie schüttelte immer wieder fassungslos den Kopf.

Gedeckt für einen stilvollen Hochzeitsempfang - Bankettsaal im 'Peninsula Hotel'

 

Beim Empfang im Bankettsaal waren natürlich keine Kameras mehr zugelassen. Es war eine rein private Feier, auch wenn Christian Tox vom China Guardian unter den geladenen Gästen weilte. Aber Ian Dunross wusste, dass Christian soweit vertrauenswürdig war, obwohl ihm natürlich klar war, dass morgen oder übermorgen sehr wohl ein Bericht über die Hochzeit in diesem Blatt zu lesen sein würde.

Casey hatte keine Familienangehörigen mehr. Ihre Eltern waren tot, Geschwister hatte sie keine. Dafür waren zwei Direktoren von Par-Con anwesend, die extra für die Hochzeit her geflogen waren. Bei Ian Dunross sah es kaum besser aus, auch seine Eltern lebten nicht mehr, sein Onkel Alastair war in England und fühlte sich nicht wohl genug, um derzeit einen Flug nach Hongkong zu machen. Linbar hatte zurück nach Sydney gemusst und das war auch schon der gesamte Restbestand der Familie. Es waren also alles Freunde, Bekannte und Geschäftspartner auf dem Hochzeitsempfang.

Unter großem Applaus schnitt das Brautpaar eine sagenhafte Hochzeitstorte an. Casey wollte nichts von dem süßen Zeug, ihr war wieder ein wenig schlecht. Sie litt nicht direkt unter Morgenübelkeit, bei ihr konnte das Unwohlsein zu jeder Tages- und Nachtzeit plötzlich auftreten. Sie setzte sich daher einen Moment zu Dianne Chen, die sehr freundlich war und ihr empfahl, ein wenig Ingwer zu kauen, wann immer sie die Übelkeit befiel. Casey war dankbar für den Tipp und wollte ihn gerne beherzigen.

Als sie und Ian wenig später zum Peak hinaufgefahren wurden, löste er das Plastron vom Kragen und sagte: „Ja, es ist in der Tat komisch, wie du letzthin bereits sagtest, dass wir uns noch nicht einmal zwei Monate kennen, nun bereits verheiratet sind und du schon in der neunten Woche schwanger bist? Wir haben wohl nichts anbrennen lassen, wir beide, oder?“

Sie schaute ihn sehr zärtlich an: „Da stimme ich dir zu. Ich hatte einmal vor einigen Wochen, ich glaube es war an dem Tag bevor ich Hongkong verließ, zu dir gesagt, dass dir alle Dinge ziemlich glatt von der Hand gehen, fast so wie Brötchenbacken, erinnerst du dich?“

Er nickte: „Oh ja, das weiß ich natürlich noch. Es war in der Lobby des Peninsula. Ich machte dir bei dieser Gelegenheit auch den Vorschlag, dass du hier in Hongkong bleiben solltest, damit wir ein paar Tage Urlaub zusammen machen können. Dazu ist es ja erst einmal nicht gekommen. Mein Angebot jedoch steht noch. Wenn du möchtest, können wir ein paar Tage in Macao verbringen. Lando fliegt übermorgen nach Taipeh, er würde uns für die Zeit seiner Abwesenheit sein Haus zur Verfügung stellen. Wie wär’s?“

„Kannst du dich von Struan’s für einige Tage freimachen?“

„Wenn du es von Par-Con kannst, ja.“

„Für wie lange?“

„Lando ist für eine Woche weg. Es ist also von einem Tag bis sieben Tage alles möglich.“

„Drei?“

„Sechs!“

„Gut, vier.“

„Fünf, mein letztes Wort!“

„Einverstanden. Fünf Tage Macao. Und in Landos Haus, ich freue mich drauf.“

„Ich mich auch. Dort sind wir schließlich zum Paar geworden, es birgt Erinnerungen für uns.“

„Hmh, eigentlich sind wir schon einen Tag vorher zum Paar geworden, als du mich auf diese Dschunke eingeladen hattest.“

„Nein, das gilt nicht, da hattest du ja nicht gewollt.“

„Das ist nicht wahr! Ich hatte schon gewollt - und wie, aber ich hatte Bedenken wegen all der geschäftlichen Verwicklungen und so.“

„Mit ein paar kümmerlichen Küssen hast du mich damals abgespeist, von wegen ‚gewollt’, pah!“

Sie waren inzwischen am Haus angekommen, eigentlich wollten sie ihre nette Unterhaltung gleich fortsetzen, aber das Personal hatte sich feierlich versammelt, um den Frischvermählten Glück zu wünschen, das mussten sie nun erst über sich ergehen lassen. Sie schüttelten Hände, nahmen Glückskekse entgegen und auch Blumen. Die Braut wurde noch einmal ausgiebig bewundert, mit dem Bräutigam erlaubte sich heute das Personal ausnahmsweise den ein oder anderen kleinen Scherz. Dann endlich war man allein. Sie verloren jetzt keine Zeit mehr, eilten sofort ins Schlafzimmer. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, fragte er: „Wo waren wir in unserem Gespräch stehen geblieben?“

„Bei unserem ersten Kuss auf der Dschunke.“

"Ah ja, stimmt. Und bei deinem zögerlichen Verhalten was gewisse andere Dinge anlangte.“

„Zögerlich? Ich sagte doch, ich wollte – mehr als alles andere.“

„Aber es kam nicht dazu! Mrs. Dunross, dafür fordere ich sofortige Wiedergutmachung. Und für die kommenden Tage in Macao können Sie sich auch darauf einstellen!“

„Auf was?“

Er riss sie an sich, küsste sie verlangend, während er ihr fast wie nebenbei das Kleid auszog, aber er gab keine Antwort.

Eine gute Stunde später, sie lagen noch ganz verschlungen ineinander, kam die schuldig gebliebene Antwort von seiner Seite: „Auf das!“

 






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