Freitag, 4. Januar. Nachdem er einen Gutteil des Vormittags bei der Morgenarbeit der Rennpferde zugebracht hatte, setzte er sich in seinen schnittigen Mercedes und fuhr zum Queen Mary Hospital.
Eingangsfront des Queen Mary Hospitals, Hongkong
Auf dem Parkplatz stand bereits Caseys Wagen. Er betrat das Klinikgebäude und fragte sich nach der Gynäkologie durch. Nachdem er eine ganze Weile durch die langen Flure und Institute gelaufen war, kam er endlich in der Privatsprechstunde der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde an. Casey saß noch im Wartebereich, zum Glück. Sofort war eine Arzthelferin da und fragte ihn pflichtgemäß nach seinen Wünschen. „Meine Verlobte Miss Tcholok und ich haben einen Termin jetzt“, teilte er der jungen Dame mit.
Sie blickte ihn mit großen Augen an und stotterte sogleich: „Oh, natürlich, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie nicht sofort erkannt habe, Tai Pan. Bitte nehmen Sie noch einen kleinen Augenblick Platz.“
Er setzte sich auf den Stuhl neben Casey, diese raunte ihm zu: „Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich in dieser Stadt alle Türen und Tore öffnen, wenn du erscheinst. Mich haben sie schon fast auf Händen getragen, als ich meinen Namen bei der Anmeldung angab. Die Medien werden anscheinend sehr aufmerksam studiert hier.“ Er nickte zustimmend, wollte gerade etwas erwidern, als die Arzthelferin wieder erschien und das Paar nun bat, mitzukommen.
Luxuriöses Ambiente auch in den Wartbereichen des QMH
Es standen erst einige Laboruntersuchungen für Casey an, währenddessen Ian es sich in einem Lounge-ähnlichen Bereich gemütlich machen konnte. Für zahlungskräftige Privatpatienten war dies fast wie ein Luxushotel. Dann untersuchte der Professor Casey und schließlich wurde Ian zum Ultraschall dazu gebeten.
Professor Sanderson begrüßte ihn sehr freundlich: „Tai Pan, sehr erfreut, Sie kennen zu lernen. Und dann zu so einem wundervollen Anlass. Ich habe bereits zu Ihrer Frau gesagt, dass alles zum Besten steht. Die Blutwerte sind, soweit sie bereits vorliegen, völlig in Ordnung, der gynäkologische Befund ebenfalls, jetzt möchten wir natürlich auch sehen, was das kleine Etwas im Mutterleib so anstellt. Seit Jahren ist die Methode der Ultraschall-Diagnostik nun immer weiter ausgebaut worden und es ist nicht nur ein hervorragendes Mittel, um die Entwicklung des Kindes genau zu beobachten, sondern auch wunderbar geeignet, um die werdenden Eltern daran teilhaben zu lassen. Etwas, was man früher leider nicht gekonnt und gekannt hat. Ich werden Ihnen alles detailliert erklären.“
Mit großer Faszination blickte Ian Dunross nun auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes. Zuerst schien er gar nichts erkennen zu können, obwohl der Professor schon auf das Fruchtwasser, den Mutterkuchen und die Gebärmutterwand hingewiesen hatte. Als dieser dann aber auf einen winzigen zuckenden Punkt deutete und sagte, dass dies das Herz des Kindes sei, wurde es letztlich auch dem werdenden Vater deutlich. Er lächelte breit.
Der Rest sah in seinen Augen zwar noch eher wie eine kleine Kaulquappe aus, aber es war ja laut Professor auch erst der Beginn der neunten Schwangerschaftswoche. Und rund vierzig Wochen dauerte so eine Schwangerschaft. Ian suchte instinktiv Caseys Hand und drückte sie fest. In etwa zehn Wochen, so der Professor weiter, wäre es dann sogar möglich bei einem weiteren Ultraschall-Termin nachzuschauen, ob man das Geschlecht des Kindes feststellen könne. Aber eine hundertprozentige Gewissheit habe man nicht, es sei oftmals auch schon die Nabelschnur des Babys für etwas ganz anderes gehalten worden. Das Embryo wurde dann noch vermessen und die Daten genau in einer Karteikarte festgehalten. Dann war das ‚Babygucken’, wie Ian es für sich nannte, leider schon vorbei.
Casey wurde nun im vierwöchentlichen Turnus einbestellt, zum nächsten Ultraschall-Termin war selbstverständlich der Ehemann dann auch wieder gerne gesehen.
Eine Frage hatte der Professor dann noch abschließend: „Mr. Dunross, es ist zwar noch ziemlich viel Zeit bis zum Entbindungstermin, aber trotzdem würde ich gerne fragen, ob Sie sich bereits überlegt haben, Ihrer Frau bei der Geburt beizustehen. Es ist seit vielen Jahren mehr und mehr üblich geworden, Männer im Kreißsaal sind inzwischen gang und gäbe.“
Casey und Ian tauschten einen Blick. Er antwortete: „Um ehrlich zu sein, haben wir uns darüber noch keine Gedanken gemacht. Aber grundsätzlich wäre ich gerne dazu bereit, sofern meine Verl… ähm, Frau damit einverstanden ist. Sie ist diejenige, die das entscheiden muss. Wir werden darüber reden und es Sie dann natürlich wissen lassen, danke Professor.“
Auf dem Weg zum Parkplatz sprachen sie das soeben Erlebte noch einmal durch.
„Es ist schon ein irres Gefühl, so ein winziges Herzchen in diesem kleinen Würmchen schlagen zu sehen. Der Ultraschall ist eine tolle Erfindung. Ich bin wirklich froh, dass ich es sehen durfte. Es hat mich sehr angerührt.“
„Ja, mir ist es beim ersten Mal in den Staaten genauso gegangen. Wie schön, dass man dadurch die Möglichkeit hat, sein Kind gleich von Anfang an irgendwie betrachten zu können. Auch wenn das Bild meist mehr an Schneegestöber erinnert.“
Er lachte kurz auf: „Das stimmt. Er sagte ja, dass man beim nächsten Mal eventuell nach dem Geschlecht nachschauen könnte. Möchtest du es denn schon wissen? Ich muss das Angebot erst einmal verarbeiten, ich wusste bislang nicht, dass dies überhaupt möglich ist.“
„Ich bin mir nicht sicher. Einerseits ist es sehr spannend, wenn man bis zum Schluss nicht weiß, was herauskommen wird, andererseits kann man sich, wenn man es weiß, mit der Einrichtung, der Kleidung, dem Namen bereits darauf einstellen.“
„Ja, aber er sagte auch, dass dies keine Garantie ist. Stell’ dir vor, du richtest alles in blau ein und dann ist es doch ein Mädchen, eben weil der Arzt die Nabelschnur für einen..., ähm für etwas anderes gehalten hat. Ich denke, wir sollten abwarten.“
„Hmh, ich bin auch eher für Überraschungen zu haben.“
„Und wie möchtest du es nun mit meiner Anwesenheit bei der Geburt halten? Wenn du nicht möchtest, dass ich mitkomme, dann musst du es nur sagen. Da es aber heutzutage diese Möglichkeit gibt, würde ich sie schon gerne auch wahrnehmen, dein Einverständnis - wie gesagt - vorausgesetzt.“
Sie hatte sich bei ihm untergehakt und blieb nun stehen, die Autos waren bereits in Sichtweite: „Ian, ganz ehrlich – ich weiß es noch nicht. Es stürzt derzeit so viel auf uns ein, auf mich insbesondere, ich bin so schnell hierher verpflanzt worden, es ist noch nicht einmal zwei Monate her, dass wir uns kennen gelernt haben, ich wohne plötzlich in einem regelrechten Palast hoch über Hongkong, bekomme ein Baby, heirate in wenigen Tagen, mir schwirrt echt der Kopf.“
Er nahm sie in den Arm, sehr mitfühlend: „Möchtest du, dass ich dich nach Hause fahre? Wir können dein Auto dann morgen holen, oder Lim-Chu damit beauftragen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich fahre in die Firma zurück, dort stapelt sich die Arbeit. Es ist schon gut. Und – ich möchte schon, dass du bei der Geburt dabei bist. Nicht nur, weil dir so viel daran liegt, sondern weil ich dich sehr gerne dann an meiner Seite hätte.“
Sie küsste ihn zart, fast vorsichtig, dann schloss sie den Jaguar auf und stieg ein. Er warf ihr noch eine Kusshand zu und begab sich zu seinem Mercedes.