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Author's Chapter Notes:

 

In diesem, dem vierten, Kapitel geht es zu Anfang um ein schier unglaubliches Juwel, das so genannte "Middleham Jewel", 1985 per Zufall durch einen Metalldetektor auf Middleham Castle gefunden. Das wundervolle Stück wurde vom Yorkshire Museum in York für sage und schreibe - festhalten! - 2,5 Mio. Pfund angekauft und noch heute dort ausgestellt. Mehr darüber sage ich nach dem Kapitel, weil ich erst einmal nicht spoilern möchte! 










 

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden;
Der Himmel selbst hing sie ihr an,
Weil sie sein getreuester Untertan!

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden,
Und hat sie Stern und Orden um,
So strahlt sie weit aus ihren Ruhm.

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden;
Der Stern der Liebe ist der Blick,
Den Liebe gibt der Liebe zurück;

Der Orden der Lieb' ist ausgehangen
Auf ihrer Stirn und ihren Wangen -
Er trägt die Farbe der Züchtigkeit,
Die Liebe verlangt und Liebe scheut;

Der Orden der Liebe glänzt und funkelt
Aus Augen von ersten Tränen umdunkelt,
Von den ersten Tränen, die Liebe weint,
Wenn Liebe sich mit Liebe vereint;

Der Orden der Liebe ziert und schmückt
Die Brust, die ein Herz ans Herz sich drückt;
Ein Herz voll Liebe ohn' allen Schein,
Das muss ihr köstlichster Orden sein;

Ein Herz am Herzen, und glühende Wangen
Und Augen, nass vor Scham und Verlangen,
Das sind die Orden, die die Lieb' hat um,
Die ihr Glück ausstrahlen und ihren Ruhm! -

(Orden der Liebe, Ludwig Halirsch)


Die Spannung im Raum war mit Händen greifbar. Keiner sagte ein Wort, alle starrten gebannt auf das prächtige Juwel in Richards Hand.

Schließlich ließ sich Anne mit zittriger Stimme vernehmen: „Wa... was ist das?"

„Ein Schmuckstück."

„Das sehe ich, Richard."

„Es birgt eine Reliquie im Inneren, und auf der Vorderseite wird die Kreuzigung eingraviert dargestellt, während auf der Rückseite die Geburt Jesu abgebildet ist."

„Du bist wahnsinnig. Es muss von unschätzbarem Wert sein und ich fürchte nun sehr, dass du dich dafür sehr verschuldet haben musst. Welch Irrsinn. Ich wäre mit weit weniger zufrieden gewesen; nein, ich wäre selbst mit gar nichts zufrieden gewesen, weil diese Beschenkung so überaus unerwartet geschah."

„Liebste Anne, es kam über Kaufleute aus Apulien, aus Bari hierher und es hat mich längst nicht so viel gekostet wie von euch allen vermutet. Man hat beim Angriff des türkischen Sultans auf Apulien vor einigen Jahren ein paar der bedeutsamsten Reliquien dieser Region gesichert und außer Landes bringen lassen. Dieses Juwel befand sich darunter, man hat es mir angeboten, weil man mich als gottesfürchtigen Mann kennt und weiß, dass der Knochensplitter des Heiligen Nikolaus hier in sicheren Händen sein wird. Deswegen war der Preis auch eher lächerlich zu nennen und Schulden zu machen war dafür nicht erforderlich."

Für alle setzte sich nun langsam ein inneres Bild der heutigen Vorgänge zusammen. Den Tag des Heiligen Nikolaus so herauszustellen, wie es Richard an diesem Abend getan hatte, machte jetzt endlich Sinn.

Zögerlich streckte Anne die Hand aus und berührte das goldene Kleinod.

„Heilige Mutter Gottes, Heiliger Nikolaus, gelobt sei Jesus Christus."

„In Ewigkeit, Amen", kam es vom Rest der Anwesenden.

„Aber du warst in sceap town und nicht in York, wo man Kaufleute aus dem Süden, aus Apulien sicher eher antrifft."

„Ja, das stimmt. Ich denke, dieses Reliquiar sollte zu uns kommen, Gott hat es so bestimmt, dessen bin ich sicher. Es war ein großer Zufall, dass der Kaufmann vor seiner Rückreise beträchtliche Mengen Wolle kaufen wollte und sich deswegen in sceap town befand."

„Und dieser Kaufmann kannte dich? Das klingt recht unwahrscheinlich, wie ich finde."

„Nein, aber es wurde ihm schnell von anderen klargemacht, wen er vor sich hatte und dass wir fromme, gütige und tiefgläubige Menschen sind, die ein hohes Ansehen in der Gegend genießen. Dies sollte mein Nachteil nicht sein und ich erhielt das Kleinod fast geschenkt."

„Es mutet beinahe wie ein Wunder an", sagte nun Francis.

„So kam es mir auch vor, mein Freund. Und wir müssen Gott dankbar dafür sein, dass er uns so reich bedacht hat. Seine Gnade ist unermesslich groß."

„Dem stimmen wir alle zu, Richard. Welch Glück und welche Freude, dass wir hier in Frieden und Dankbarkeit zusammenleben, was wir ganz gewiss der Gnade und Barmherzigkeit unseres Herrn im Himmel zu verdanken haben. Deswegen lasst uns alle vor dem Zubettgehen ein Dankesgebet sprechen. Ich würde mich nun gern zurückziehen, wenn ihr gestattet. Gute Nacht."

„Gute Nacht, Francis", kam es beinahe unisono von Richard und Anne, während die Countess of Warwick ein leises „angenehme Ruhe" murmelte, bevor auch sie sich erhob, um den solar zu verlassen. Sie nickte dem Mann ihrer Tochter kurz zu und küsste Anne auf die Schläfe.

„Schlaf gut."

„Ihr auch, Lady Mutter."

Zu Richard sagte sie nichts, doch dieser war darüber nicht überrascht. Sie hatten sich über die Streitigkeiten um das Warwick'sche Erbe merklich voneinander entfernt und sie hatte es ihm nicht verziehen, dass er seinem Bruder Edward näher stand als das Andenken des Earl of Warwick, seinen verstorbenen Ziehvater und Mentor, so hoch zu halten, dass es in ihrem Sinne gewesen wäre. Natürlich hegte sie gegenüber George, dem Duke of Clarence, ihrem anderen Schwiegersohn, ein noch größeren Groll, doch an Richard konnte sie ihren Unmut tagtäglich auslassen, denn mit ihm lebte sie unter einem Dach, während sie George und Isabel kaum sah. Sie hielt jedoch als sie ging die Schatulle, die sie zuvor von Richard erhalten hatte, fest unter ihren Arm geklemmt, was ihm ein schwaches Schmunzeln ins Gesicht zauberte, das sie allerdings nicht bemerkte, da sie ihm da bereits den Rücken zugekehrt hatte.

Als sich die Tür hinter der Countess of Warwick geschlossen hatten, ließ sich Anne vernehmen: „Sie wird dir verzeihen, es ist nur noch eine Frage der Zeit."

Richard lachte auf, doch es mischte sich eine leichte Bitterkeit in sein Lachen.

„Ach, Anne, ich habe ja gar nichts Schlimmes getan, außer dich so sehr zu lieben, dass ich dich unbedingt heiraten wollte."

„Sie glaubt noch immer, dass es wegen des Erbes war."

„Ja, ich weiß. Ich bete oft für sie, für ihre verirrte und verwirrte Seele. Sie scheint all das vergessen zu haben, was wir lange Jahre hier auf Middleham miteinander erlebt und geteilt haben. Sie scheint vergessen zu haben, dass es damals schon für mich feststand, dass meine Ehefrau nur eine sein würde: du!"

„Ich habe noch nie einen Mann wie dich gekannt, so voller Bestimmtheit, niemals seinen vorgezeichneten Pfad verlassend und allen gegenüber höchst loyal."

Nun lachte er wieder, diesmal aber deutlich gelöster.

„Ich würde dir wirklich ein paar sehr bohrende Fragen stellen müssen, würdest du dich der näheren Bekanntschaft noch anderer Männer meines Alters rühmen."

„Du vergisst, dass ich schon einmal verheiratet war."

Richards Lachen erstarb auf diesen Satz hin, jedoch sprühten seine Augen weiterhin amüsierte Funken.

„Dieser... dieser Kerl, vermutlich selbst nicht einmal den Lenden von Mad Harry entsprungen,  wusste das Juwel nicht zu schätzen, das ihm vor die Füße gelegt wurde und ich bin froh darüber. Ich bete jeden Tag voller Freude zu Gott, um ihm dafür zu danken, dass Edward of Lancaster es nicht gewagt hat, dich anzurühren."

„Er hatte weder die Zeit noch die Kenntnis dafür."

„Armer Tropf, seine Mutter hätte ihn auf ein paar wichtige Dinge des Lebens besser vorbereiten sollen. Tja, was soll ich noch sagen, außer: ich habe sowohl Zeit als auch Kenntnis, Madame! Zu Bett nun!"

 




Chapter End Notes:

 

Zurück zum Middleham Jewel, das aus beidseitig graviertem Gold ist, wobei die Vorderseite die Kreuzigung Jesu und die Rückseite dessen Geburt zeigt. Außerdem sind vorne ringsum lateinische Worte eingraviert, die Böses vom Besitzer abhalten sollten. Die Rückseite zieren an gleicher Stelle die Bildnisse von fünfzehn Heiligen, vermutlich auch das des Heiligen Nikolaus. Der Knüller ist der große Saphir, der 10 Karat wiegt. Außerdem kann das Juwel wie ein Medaillon geöffnet werden und es gilt als sicher, dass es eine Reliquie barg. Möglicherweise waren um das rautenförmige Schmuckstück auch noch Perlen in regelmäßigem Abstand befestigt.Es gilt in England als das wertvollste erhaltene Juwel aus dieser Zeit. Ich zeige im Anschluss Bilder vom Original und von einem Nachbau mit erwähnten Perlen.

http://www.english-heritage.org.uk/content/images/story-england/late-medieval/mid-jewel-thumb-two Original

http://www.danegeld.co.uk/USERIMAGES/middleham.jpg Nachbau

Die im Text noch erwähnten Personen Mad Harry, Edward of Lancaster und dessen Mutter Marquerite (und Frau von Mad Harry) sind diese:

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_VI._%28England%29

https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_of_Westminster

https://de.wikipedia.org/wiki/Margarete_von_Anjou 



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