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Author's Chapter Notes:

 

In Kapitel 3 kommen wir zu den wertvolleren "Nikolausgeschenken", jedenfalls zu zwei von insgesamt dreien. Es wurden zwischen 1985 und 1990 verschiedene, nachweislich der Ära von Richard dem Dritten bzw. dem Duke of Gloucester zugeschriebene Artefarkte in Middleham Castle gefunden, von denen ich die wichtigsten in die Geschichte aufgenommen habe. Um das Haupt-Fundstück geht es dann in Kapitel 4. Heute begegnen wir einem kupfernen Beschlag, der sicher zu einer Schatulle gehörte und mit den Initialen "R und A" versehen ist. Von diesem runden Teil gibt es leider keine Fotos. Weiterhin ist ein Ring beschrieben, den man den "Middleham Ring" nennt und der unten im Text genauer umrissen wird. Über dessen Herkunft ist wenig bekannt, weswegen ich darüber eine eigene Theorie entwickelt habe. Dieser Ring ist hier zu sehen:

http://www.yorkmuseumstrust.org.uk/scripts/adlib_image.php?id=YORYM_1991_21.jpg&width=650&height=650

Es werden außerdem die beiden unehelichen Kinder Richards erwähnt (ein drittes, nicht offiziell von ihm anerkanntes existierte möglicherweise), denen er nachweislich sehr zugetan war.










 

Lieber heiliger Nikolaus,
komm doch heut in unser Haus,
Lehr uns an die Armen denken,
lass uns teilen und verschenken,
Zeig uns, wie man fröhlich gibt,
wie man hilft und wie man liebt.

(Lieber heiliger Nikolaus, Autor unbekannt)

Der Duke of Gloucester, gerade erst einundzwanzig Jahre alt und doch schon durch leidvolle Schicksalsschläge geprägt und daher recht lebenserfahren, war ein fürsorglicher Ehemann und Vater und ein guter, loyaler Freund; doch solche Loyalität erwartete er im Gegenzug auch von anderen, insbesondere von allen, die ihm nahestanden oder dienten.

Er war großzügig und freigiebig, sofern es ihm seine bescheidenen Mittel erlaubten. Zwar war er mit großem Land- und Grundbesitz gesegnet, doch aus diesen Besitztümern waren nur schwerlich größere Erträge zu erwirtschaften, so dass man einen Prinzen wie ihn kaum als vermögend oder gar reich bezeichnen konnte. Er schuldete nicht selten anderen Lords, die mehr klingende Münzen in ihren Beuteln hatten als er, einiges an Geld, wenngleich er bestrebt war, möglichst wenig Schulden zu machen und wenn, diese so schnell wie möglich wieder zu begleichen. Duchess Anne besaß in der Tat nur zwei Gewänder, die am Hof König Edwards bestehen konnten, und trug hier auf Middleham oftmals geflickte Kleider oder Gewänder aus einfachen Stoffen, die man wenigstens mit Borten, Pelz, Zierrat und Schmuck aufzuwerten versuchte. Sie beklagte sich darüber nicht, denn wichtiger als Tand waren ihr ein ruhiges Heim, ihr kleiner Sohn und ihr geliebter Richard. Damit war sie glücklich und zufrieden, denn das wog in ihren Augen mehr als jedweder Prunk, der ohnehin meist nichts anderes als Blendwerk war.

Nichtsdestotrotz nahm sie gern Richards Geschenke an, auch wenn sie ihn manchmal dafür schalt, weil er dafür sein knappes Geld ausgab. So harrte sie nun gespannt der Dinge, die da kommen würden.

Richard, dessen nun langsam trocknenden Haare sich auf seinen Schultern leicht kringelten und gegen den blassen Hintergrund des Samtes seines Doublets einen reizvollen Kontrast bildeten, ließ sich auch nicht lange bitten, denn es war schon spät und sie alle, ihn und Anne eingeschlossen, wollten in absehbarer Zeit zu Bett gehen.

Er blickte mit sichtlichem Vergnügen in die kleine, vor ihm versammelte Runde, räusperte sich kurz und sprach dann: „Edward wurde bereits von mir bedacht und ich weiß, dass in eurem Kopf der Gedanke kreist, dass es möglicherweise ungerecht ist, dieses Kind meinen anderen beiden vorzuziehen. Ihr drei hier, Mutter, Anne, Francis - dazu käme noch Robert, wäre er denn heute hier - kennt mich in- und auswendig und sicher wisst ihr, dass ich niemals jemanden bewusst bevorzugen oder benachteiligen würde. Meine Kinder John und Katherine erhalten ebenso Geschenke, ohne Frage. Das Einverständnis meiner lieben Anne vorausgesetzt, werde ich nämlich beide in Kürze hierher nach Middleham holen, damit sie gemeinsam mit Edward aufwachsen können und eine angemessene Erziehung erhalten, wie es sich für die Kinder eines Prinzen aus dem Haus York geziemt, denn ich finde, das sollte sich nicht nur auf die beschränken, die meine legitimen Erben sind. Sie sind schließlich alle mein Fleisch und Blut und werden dementsprechend behandelt. Ich hoffe, auch in eurem Sinn so entschieden zu haben. Und nun direkt zu euch, meine Lieben. Lady Mutter, Euch brachte ich eine Schatulle mit, in die Ihr alles, was Euch lieb und teuer ist, hineinlegen und verschließen könnt. Niemand möchte oder wird Euch Eures Schmucks berauben, dessen seid ein weiteres Mal versichert, und weil Euch mein Wort aus unerfindlichen Gründen anscheinend nicht reicht, lasse ich dieses Geschenk für sich sprechen. Ich hoffe, es wird Euch von Nutzen sein und Euer Misstrauen mir gegenüber, für das ich sogar ein gewisses Maß an Verständnis aufbringe, wenngleich es völlig ungerechtfertigt ist, schwinden lassen. Auf dass uns ein wenig mehr Frieden untereinander beschert sein mag."

Einer großen Packtasche, die sich hinten auf seinem Pferd befunden hatte, und die nun in Reichweite auf einer hölzernen Bank des Erkerfensters lag, entnahm Richard eine sehr kunstvoll gefertigte Schatulle aus fein poliertem Holz, die mit Kupfer beschlagen war, wovon das zentrale Stück rund gearbeitet war und die Initialen ‚R‘ und ‚A‘ zeigte.

„Ihr könnt es halten wie Ihr wollt, Madame, seht es entweder als die Initialen von Euch und Eurem Gatten selig an oder als die von Anne und mir, die wir Euer beider Namen tragen."

Mit diesen Worten überreichte er die kleine Truhe einer beschämt zu Boden blickenden Dowager Countess of Warwick, die zunächst nicht einmal ein Wort des Dankes hervorbrachte. Richard nahm es gelassen und ging nicht weiter darauf ein.

Erst als er sich Francis zuwenden wollte, ließ sie sich leise vernehmen: „Ihr beweist doch mehr Anstand als Euer Bruder Clarence, den ich nichts weiter als einen Idioten nennen kann".

„Das würde ich so nicht sagen. Ein Idiot ist er wohl nicht, er setzt nur leider immer aufs falsche Pferd, ist also mehr eine Spielernatur und ich fürchte, so wird er eines Tages auch enden - als jemand, der alles, wirklich alles restlos verspielt hat. Beten wir also zu Gott, dass ich mich diesbezüglich irre."

Der Blick denn Anne voller Dankbarkeit ihrem Ehemann zuwarf, sprach Bände. Francis, der Anne direkt im Blick hatte, fürchtete sogar, sie könne ihre nur noch mühsam aufrecht erhaltene Contenance verlieren, sich hier, vor den Augen Dritter, hemmungslos in seine Arme werfen und versucht sein, ihn zu küssen, was selbst in diesem engen Kreis einem Affront gleichkäme.

Richard lächelte seiner Schwiegermutter kurz zu, dann griff er in eine in sein Doublet eingenähte Tasche und drückte Francis Lovell ein sehr kleines, in einen rot-goldenen Brokatstoff gewickeltes flaches Päckchen in die Hand.

„Kein Aqua Vitae, wie du vielleicht gehofft hattest. Aber ich verspreche dir, dass wir alle Destillen und Brennereien aufsuchen und uns das Beste von dort aussuchen, sobald die Schotten es wagen werden, hier im Norden Unruhe zu stiften."

„Ganz ehrlich, Dickon? Ich glaube nicht, dass sie das tun würden, weil sie wissen, dass du hinter der Grenze auf einen solchen Fehler von ihnen lauerst und sie windelweich prügeln würdest, sollten sie einen falschen Schritt tun. Sie haben Angst vor dir. Es wird wohl also nichts daraus werden, ihre Brennereien zu plündern, wirklich schade."

Jetzt lachte Richard schallend: „Ach, eine so abschreckende Wirkung habe ich? Na gut, dann sehe ich halt zu, dass ich auf weniger kriegerischem Weg noch ein paar kleine Fässchen des uisge beatha heranschaffen kann. Ich werde demnächst ein paar Händler auf der Durchreise in Richtung Norden darum bitten. Doch nun öffne dein Geschenk, mein Freund."

Francis rollte den brokatenen Stoff aus und hielt unwillkürlich den Atem an, als er eines goldenen Rings ansichtig wurde, der außen ringsum zwölf Embleme zeigte, die dem Buchstaben ‚S" ähnelten und innen die Gravur soverenly aufwies. „Richard! Das kann ich nicht annehmen, er muss ein Vermögen gekostet haben."

„Ich verrate es nur ungern, aber ich habe nur die Gravur innen anfertigen lassen. Den Ring hatte ich bereits, er gehörte Edmund Beaufort, hingerichtet nach der Schlacht von Tewkesbury, deswegen die lancastrischen ‚S' auf der Außenseite. Der Ring soll uns beide mahnen auf ewig verbunden zu bleiben, niemals einander zu verraten und dir zu versichern, dass wir Brüder im Geiste sind. Ich nicht höher als du, du nicht niedriger als ich - soverenly, wir sind Lords. Und ich wählte mit Absicht ein lancastrisches Schmuckstück, weil es große Symbolkraft hat, dass es nun an einem yorkistischen Finger steckt."

„Oh Dickon, ich stehe auf ewig in deiner Schuld."

„Nicht in meiner Schuld, Francis, aber mir zur Seite."

Francis Lovell beugte in Demut und Ergriffenheit ein Knie vor dem Duke of Gloucester und senkte seine Stirn auf dessen Hände. Dann erhob er sich zögerlich und steckte sich den wertvollen Ring an einen Finger seiner Hand.

„Und nun zu Anne, ja?"

Annes Augen weiteten sich, denn wenn Richard derart großzügig aufgelegt war und solch wertvollen Geschenke machte, was erwartete dann sie?

Es war ihr peinlich, vor Francis und ihrer Mutter beschenkt zu werden, doch sie sagte nichts und schluckte nur, um den immer größer werdenden Kloß in ihrem Hals irgendwie loszuwerden. Ach, wären sie doch nach dem Bad Richards nur gleich im Schlafgemach geblieben. So aber war sie den Blicken der anderen beiden ausgesetzt und fühlte sich unbehaglich.

Richard ging zurück zur Packtasche, wobei es den anderen nicht entging, dass ein zufriedener Ausdruck auf seinem oftmals so ernst dreinschauenden Gesicht lag. Er hatte sehr feine, fast feminine Züge, auch war er kein großer Mann; im Vergleich zu ihm war sein Bruder Edward, der König, geradezu ein Riese. Richard litt seit seiner frühen Jugend, nunmehr etwa seit zehn Jahren, an einer Deformität des Rückgrats, etwas, das sich Griechisch skolios nannte. Es behinderte ihn jedoch nur wenig in der Ausübung seiner Pflichten, er konnte reiten, jagen und auch unfassbar gut kämpfen, wobei ihm da sein maßgefertigter Harnisch sehr half. Mit voller Bekleidung war sein Rückenproblem kaum erkennbar und nur wenige wussten überhaupt davon. Er hatte sich davon niemals beirren oder beeinträchtigen lassen und lebte - abgesehen von leichten Schmerzen dann und wann - das ganz normale Leben eines Ritters seiner Zeit.

„Anne, seit eben dieser Schlacht von Tewkesbury, als ich erleichtert feststellte, dass deine Ehe mit Edward of Lancaster nur auf dem Papier bestanden hatte, habe ich ohne Unterlass um unser Glück gekämpft und seit Sommer letzten Jahres können wir dieses Glück nun schon genießen. Hier, fernab vom Trubel des Hofes meines Bruders, in großer Ruhe und Abgeschiedenheit, vorläufig gekrönt von der Geburt unseres Sohnes. Ich möchte es gar nicht anders haben und hoffe, dir geht es ebenso; hoffentlich bist du hier genauso glücklich wie ich. Meine Liebe hast du, für immer, wie bei unserer Vermählung vor Gott bekräftigt. Ich weiß, dass viele - deine werte Lady Mutter eingeschlossen - denken, ich wäre auf dein Vermögen, dein Erbe, deine Ländereien aus gewesen, doch das ist nur übles Gerede, dem ich leider kaum etwas entgegenzusetzen habe. Wie hätte ich denn auch jemals das Gegenteil beweisen können? Die Situation setzt mich in ein denkbar schlechtes Licht, noch immer, und ich erfahre dies beinahe tagtäglich durch die ablehnende Haltung deiner Mutter. Ich nehme es hin, ertrage es, weil du es bist, der mir am Herzen liegt. Du und der kleine Edward. Das hier, liebe Anne, kann meine Gefühle zwar nicht annähernd ausdrücken, aber es kann dir vielleicht einen Teil meiner Wertschätzung zeigen."

Mit diesen Worten öffnete er seine schmale Hand und ein rautenförmiges, goldenes Schmuckstück, das fast seine gesamte Handfläche ausfüllte, kam zum Vorschein. Es war etwas, das weder die Countess of Warwick, noch Anne, noch Francis jemals gesehen hatten, ein Medaillon von absolut ungewöhnlicher Form und Machart, etwas, das nicht von dieser Welt zu sein schien. An der Spitze der Raute, die mit zahlreichen eingravierten Reliefs versehen war, prangte ein Saphir von unfassbarer Größe und Schönheit.






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