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Author's Chapter Notes:

 

Die nächste Herausforderung wartet bereits auf den unbekannten Gast!










 

Getadelt oft, doch immer heimwärts kehrend
zu den Gefühlen, die mit mir gebor'n,
nicht Reichtum, nicht Gelehrtheit jagend, während
ich mäßig Dinge träume, die verlor'n.

Heut' such ich nicht nach Schattenregionen,
die weiter wachsen, halt- und hoffnungslos;
wo Visionen über Visionen
ersteh'n in Traumeswelten fremd und bloß.

Ich werde schreiten, doch nicht Heldenfährten
und nicht die Pfade h
öherer Moral,
und nicht mit den Gesichtern, halb-geehrten
durch der Geschichte längst verstaubtem Saal.

Ich geh' und lass‘ Natur den Weg mir zeigen:
Ich möchte keinen andern, der mich führt:
Wo graue Herden Futter sich ersteigen,
wo wild den Wind man von den Bergen spürt.

Was kann der Berge Einsamkeit enthüllen?
Mehr Freud, mehr Leid als all die Worte mein:
die Erde, die ein Herz erweckt zum Fühlen,
schließt Himmel wie auch Hölle in sich ein.

(Stanzen, Emily Brontë, aus Yorkshire stammend)

Er glaubt, man müsse ihn in England kennen? Wieso? Ich habe ihn jedenfalls noch nie gesehen, auf keinem Mittelalter-Event, auf keinem Bild und im Fernsehen auch nicht. Demnach kann er so bekannt nicht sein, wie er vorgibt sein zu wollen.

„Yorkshire. Schön."

Das ist alles, was ich dazu hervor pressen kann. Ich trinke einen Schluck aus meinem nun auf Trinktemperatur befindlichen Tee.

„Das will ich meinen."

 

Die Konversation gerät merklich ins Stocken. Ich dachte, er hätte viele Fragen an mich. Davon ist momentan echt nichts zu spüren. Ich warte und schlürfe meinen Tee. Ist es sehr unhöflich, ihm nichts mehr anzubieten? Er mochte keinen Tee und das mit dem Bier hat sich erledigt. Ob er vielleicht Kaffee trinken würde? Nein, entscheide ich spontan aus dem Bauch heraus, würde er nicht, denn ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass er mit Kaffee nichts anzufangen wüsste.

 

Doch er kauft mir einmal mehr den Schneid ab, als er plötzlich sagt: „Dieses Gebräu, was Ihr Tee nennt, scheint ungiftig zu sein, denn wie ich sehe, schmeckt es Euch. Würdet Ihr die Güte haben, mir das Gleiche aufzugießen?"

Juhu, ein Durchbruch! Ich springe enthusiastisch auf und mache mich ans Werk. Der Wasserkocher ist nun etabliert, zwar starrt mein seltsamer Gast noch immer wie hypnotisiert darauf, aber jegliche Protestrufe bleiben aus.

Dann endlich kommt die erste Frage von Wichtigkeit: „Wie macht Ihr das? Ich sehe kein Feuer, um das Wasser zu erhitzen. Dennoch erhaltet Ihr in Windeseile kochendes Wasser."

Elektrizität ist ihm fremd? Irgendwie überrascht mich das nicht. Nur - wie soll ich es ihm erklären?

„Was Ihr für Hexenwerk haltet, ist alles andere als das. Es... es handelt sich um...um... Elektrizität."

Er kann damit nichts anfangen, ich weiß, doch was soll ich halt sonst sagen? Mein Blick und meine Gesten drücken leichte Ratlosigkeit aus.

 

Sein Blick bleibt - folgerichtig - zweifelnd.

„Was auch immer es ist, es ist nicht minder befremdlich wie eigentlich alles an dieser Eurer Bleibe. Wo habt ihr Euren Abtritt, Madame?"

Ich reiße die Augen in großer Verblüffung weit auf.

„Mei... meinen was?"

„Abtritt. Ich kann natürlich verstehen, dass es diese angenehme Einrichtung in so einer kleinen Behausung wahrscheinlich nicht gibt, deswegen nehme ich auch mit dem Nachtgeschirr vorlieb. Und dann würde ich mir gern die Hände waschen, das ist gewiss möglich, da Ihr das Wasser ja so ungewohnt schnell erhitzen könnt. Für mein Waschwasser wäre mir die Zugabe von Bergamotte-Öl recht; falls Ihr das - wie so vieles andere - nicht haben solltet, gebt eine andere wohlriechende Essenz nach Eurem Gutdünken hinzu. Anschließend dürft Ihr alles zum Fastenbrechen herrichten, denn wenn mich meine Sinne nicht täuschen, zeigt die Sonne schon den fortgeschrittenen Vormittag an, was in dieser fremden Umgebung ein bisschen schwer zu erfassen ist, somit wäre es an der Zeit, etwas zu sich zu nehmen."

 

Ach du Schande! Das wird ja immer besser und der Typ rückt nicht ein Zoll von seinem strikt mittelalterlichen Kurs ab. Er ist mehr als überzeugend und mich beschleicht das Gefühl, dass es in der Tat mehr Authentizität denn halbwegs glaubwürdiger Auftritt ist. Ich rutsche mit einer gewissen Resignation von meinem Barhocker und hoffe inständig es möge ihn in meinem Badezimmer nicht der Schlag treffen.

„Bitte, es geht hier entlang."

Ich gehe vor und öffne die Tür zum Bad. State-of-the-Art, alles ganz neu. Eine voll-verglaste, ebenerdige Duschkabine mit Vario-Duschsäule, eine asymmetrische Badewanne mit allen Schikanen, die zu beschreiben nun jegliches Maß sprengend würde, Waschplatz mit darüber liegender Spiegelwand und zwei Armaturen, die ein einziges, sehr breites Glas-Waschbecken bedienen, dazu ein Hänge-WC mit in die Wand eingebautem Spülkasten, dieses ist natürlich räumlich durch eine halbhohe Wand vom Rest des Bads abgetrennt.

 

Der Mann prallt entsetzt zurück und tritt mir dabei schmerzhaft auf den Fuß.

„Aua!"

Auf meine Schmerzensbekundung reagiert er nicht, stattdessen ruft er: „Das ist die Folterkammer des Teufels. Ihr seid mit ihm im Bund und doch eine Hexe! Ich wusste es! Durch welche Teufelei bin ich nur in Eure Fänge geraten!"

„Seid nicht albern. Ich zeige Euch, wie alles funktioniert und dann lasse ich Euch in Ruhe pi... ähm, Euer Geschäft verrichten. Übrigens: warmes Waschwasser habt Ihr hier mit Betätigung dieses Hebels. Und Zusätze... ich meine Essenzen zuhauf auf dem Regal hinter der Badewanne."

„Badewanne? Das ist also ein Badezuber?"

Er deutet auf die High-Tech-Wanne und ich nicke. Als nächstes klappe ich den Klodeckel hoch.

„Das ist der... wie sagtet Ihr doch so schön?... der Abtritt. Wenn Ihr fertig seid, drückt Ihr auf diese Taste", ich demonstriere es und er weicht voller Schrecken zurück, als das Wasser die Toilettenschüssel flutet und alles durchspült, „und zack - ist alles weg."

 

„Heilige Mutter Gottes hilf! Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu und ich muss wissen, was mir geschehen ist, dass ich mich in dieser Wirrnis wiederfinde. Doch meine Notdurft ist dringend und ich muss mich erleichtern. Ihr dürft Euch nun entfernen."

Natürlich. Ich hatte garantiert nicht vor, dem grandiosen Schauspiel beizuwohnen. Leise schließe ich die Badezimmertür hinter mir und sinke im Flur mit einem klagenden Laut zusammen. Hinter der Tür plätschert es verhalten. Na, wenigstens das kriegt er gebacken. Doch so sehr ich auch lausche, dem seichten Plätschern folgt kein vertrautes Rauschen der Spülung, wie es sonst so die übliche Abfolge wäre. Abwarten, denke ich. Vielleicht dauert seine Sitzung ja länger. Und frühstücken wollte er, fällt mir da wieder ganz heiß ein.

 

Also raffe ich mich auf und werfe in der Küche alles in die Waagschale, was mein Kühlschrank und die sonstigen Vorräte so zu bieten haben. Er wollte Tee, bitte, kein Problem. Gerade als das erste Paar Toast mit dem mir vertrauten Geräusch aus dem Toaster springt, zuckt darob jedoch hinter mir eine Gestalt zusammen, die wohl inzwischen im Bad alles erledigt hat.

„Toast", sage ich und entnehme das Brot mit spitzen Fingern dem Toaster, doch aufgrund seines irritierten Blicks korrigiere ich sofort, „ähm, geröstetes Brot."






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