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„Das glaub’ ich jetzt nicht! Na die hat Nerven!“ Rosies entsetztes Gesicht schaute hinüber zur Tür.
Harry stöhnte. „Ach du Scheiße!“ Er lockerte seine Krawatte, sein Kopf fühlte sich plötzlich heiß an.
Geraldine sah ihn an und folgte seinem Blick quer durch den Raum.
„Wer ist das Schatz?“
„Harry?“ fragte Geraldine erneut.
„Jemand aus den Tiefen meiner Vergangenheit. Jemand, den ich lieber nicht wiedergesehen hätte, glaub mir!“

„Dieser Jemand ist ganz schön hübsch! Eine Verflossene? Sie trägt eine Uniform?“ Ihr Stimme klang irritiert. „Ich muss jetzt nicht mit unangenehmen Enthüllungen rechnen, oder?“
Harry war die Kleidung seiner ehemaligen Freundin sofort aufgefallen. Er blickte seine Frau an. „Sie ist wohl immer noch Flugbegleiterin bei Air Canada. Darling! Keine Enthüllungen, keine Skandale, glaub’ mir! Ich liebe Dich!“ Harry beugte sich zu ihr, sah ihr tief in die Augen und küsste sie zärtlich.
„Vertraust du mir?“

„Uneingeschränkt!“ war ihre knappe Antwort. Er umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und folgte den Konturen mit seinen Fingern. Im Augenwinkel sah er Rosie. Sie war aufgestanden und hatte die Hände entschlossen in die Seite gestemmt.
„Schatz, ich muss da mal hin, bevor ein Unglück passiert, okay?“ Harry machte sich auf den Weg und schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch bis zur Eingangstür.
Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte Justine wirklich nicht wählen können. Sie stand noch immer in der Nähe der Tür und sah ihn kommen.

Ihr Aussehen hatte sich kaum verändert. Doch trotz ihres Lächelns lag ein harter Zug um ihren Mund und den hatte sie früher nicht gehabt.
„Jas!“ Ihre Stimme klang tatsächlich ein bisschen unsicher.
Harry atmete tief durch, diese blöde Anrede! „Mein Name ist Harry!“
„Entschuldige Liebling“, jetzt klang ihre Stimme so, wie er sie kannte – gereizt und harsch. Komisch, dass ihm das früher nicht so aufgefallen war.
„Schön dich zu sehen! Ich bin so froh, dass ich dich endlich gefunden habe. War ein ganz schöne Sucherei!“
„Wie hast du mich gefunden und wieso hast du mich überhaupt gesucht?“
„Deine Firma…“

Na, die werden was erleben, dachte Harry.
„Ich wollte dich wiedersehen, Harry!“ Dieses Jammern stieß ihn total ab.
„Und hatte ich nicht am Telefon schon gesagt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will?“
„Ähm... na ja, ich dachte du hättest es nicht so gemeint. Wir waren doch so gute Freunde!“
„Waren, Justine... waren!“
„Jetzt sei doch nicht so. Lass uns doch zumindest mal miteinander reden!“ Ihr Blick schweifte durch den Saal, sie rümpfte die Nase: „Da bin ich wohl in einen Dorftanz geraten?“
„Nein Justine... du bist in meine Hochzeitsfeier geraten!“
„Deine... waaas?“ Ihr Gesicht erstarrte, ihr Unterkiefer klappte herunter. „Du bist verheiratet?“
„Das kann man so sagen! Ein Hochzeitsfest setzt für gewöhnlich eine Heirat voraus!“ Irgendwie tat es gut, ihr das sagen zu können, er grinste.

„Was will die denn hier?“
Harry blickte über seine Schulter und sah Rosie heranstürmen. Oh Gott, jetzt kam die Kavallerie!
„Hallo Rosie, schön dich zu sehen!“ Auch Justines Aufmerksamkeit lag jetzt bei Harrys Schwester. Bei dem Anblick der nahenden Frau wich sie einen Schritt zurück.
„Halt die Klappe Justine! Nicht schön, dich zu sehen. Das du dich überhaupt hierher traust!“ Rosie schob ihren Bruder zur Seite. „Schon immer eine deiner Spezialitäten: Zur falschen Zeit am falschen Ort aufzutauchen!“

Justine startete noch einen Versuch: „Lange nicht gesehen...!“
„Wäre mir bedeutend lieber, wir hätten uns gar nicht mehr gesehen!“ Sie trat näher an Justine heran.
„Rosie!“ Harry legte beschwichtigend eine Hand auf den Arm seiner Schwester. Doch Rosie war voll in Fahrt und nicht zu stoppen. Sie fixierte Justine mit ihrem Blick.
„Andererseits habe ich mich Jahre auf diesen Moment gefreut!“
„Wie meinst du das?“ Justines Stimme klang gepresst.
„Wie ich das meine? ... So!“
Rosie holte aus und verpasste Justine eine kurze Gerade.

Harry blickte entsetzt auf seine Schwester: „Rosie!“
„Klasse! Das hat gesessen!“ Owen stand hinter den Geschwistern und beobachtete genüsslich, wie Justine rückwärts an die Wand kippte und dann langsam, wie in Zeitlupe, an ihr herunter rutschte. Der Schlag hatte sie förmlich umgehauen. Ihre Augen waren offen, ob sie etwas wahrnahm, war eine andere Frage.
Rosie ging in die Hocke und gab Justine einen Schubs. „Hallo? Jemand zuhause?“ Ihre Stimme klang amüsiert.

Mittlerweile hatte die Aufregung an der Tür die Aufmerksamkeit aller Gäste erregt. Es bildete sich ein Auflauf.
„Wow!“ Geraldine blickte auf die niedergeschlagene Frau. „Harry! Was geht denn hier vor sich? Was hat sie deiner Schwester denn getan?“
„Komm Schatz, setzen wir uns.“ Fragend richtete er sich an Owen: „Könnten Sie sich um Miss Armstrong kümmern?“
„Mit Vergnügen!“ Ein anzügliches Grinsen erschien auf dem Gesicht des Farmers.
„Oweeeen!“ Geraldines Stimme ließ ihn aufhorchen.
„Okay, okay... ich kümmere mich um die Lady!“

„Um die kümmere ich mich! Diesen Tag wird sie nie vergessen!“ Rosie Stimme klang so eindringlich, dass sie sich fast schon überschlug.
„Rosie! ... Rosie!“
„Waaas?“ Sie richtete sich auf, drehte sich um und blickte in das Gesicht von Jeremy. „Misch du dich nicht ein!“
„Doch, das tu ich. Krieg dich wieder ein, Rosemary Kennedy!“

Er nahm ihre Hand und zerrte sie ungeachtet ihrer Proteste durch die Tür.
„Hey... was soll das? Nimm deine Finger von mir. Lass mich sofort los!“
Jeremy zog sie schweigend ins Freie. Er schlug den Weg zur Kirche ein.
„Ich glaub’ du hast eine Meise! Zerr’ nicht so an mir rum. Wohin gehen wir? Ich will wieder zurück. Ich will der Schl...“
„Halt den Mund, Rosie!“
„Ich soll waaaas? Was erlaubst du dir? Denkst du, nur weil du Vikar bist, könntest du hier den Moralapostel raushängen lassen? Äh... was willst du in der Kirche?“
„Mit dir reden.“
„Aber ich will nicht mit dir reden! Sie hat es verdient, diese Schnepfe! Du weißt ja gar nicht, was sie Harry angetan hat!“

„Nein, weiß ich nicht.“ Jeremy öffnete die Kirchentür und schob Rosie vor sich her. „Doch eines weiß ich, was immer es war – es ist kein Grund, die Hochzeit der Beiden damit zu belasten!“
„Ach ja? Du hast ja keine Ahnung. Was willst du denn hier?“ Rosie schaute sich in der leeren Kirche um, in der noch überall die Dekoration der Hochzeit zu sehen war.
„Mit dir reden, hab’ ich doch schon gesagt. Hier kannst du so viel herum schreien, wie du willst. Hier hört dich keiner!“
„Das werden wir ja sehen! Du kennst mich nicht. Wenn ich erst mal loslege, kann mich so schnell nichts stoppen. Ich geh’ ab wie eine Rakete, mein Lieber! Das wirst du schon sehen, dann kann mich auch ein Gotteshaus nicht aufhalten – und schreien kann ich so oft, so lange und so laut wie ich will. Damit das klar ist... hey... rück mir nicht so auf die Pelle. Jeremy!“

Der Vikar stand jetzt ganz nah vor ihr: „Wenn du nicht für eine Sekunde die Klappe halten kannst, muss ich andere Mittel einsetzen!“ Mit einem Ruck zog er sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Sie schnappte nach Luft und stieß einen Fluch aus.
„Hast du den Verstand verloren? Was ...?“
Er nahm ihr Gesicht in die Hände und wieder legte er seine Lippen auf ihre. Sie versuchte wieder etwas zu sagen, doch er ließ ihr keine Möglichkeit. Mit seinem Mund, erforschte er zärtlich ihr Gesicht und landete dann wieder auf ihrem warmen Mund. Ihre Lippen wurden weicher, doch sie gab noch nicht völlig nach. Die Spannung ihres Körpers ließ nach und er bemerkte, wie sie sich an ihn lehnte. Sie stöhnte und öffnete ihre Lippen ein winziges bisschen.

Schamlos nutzte er dies aus, öffnete seinerseits die Lippen und vorsichtig tastete sich seine Zunge vor. Sofort verspannte sich ihr ganzer Körper, ihre Hände drückten gegen seine Schultern, sie schloss die Lippen und drehte den Kopf zur Seite.
„Jeremy! Lass mich jetzt sofort los! Auf der Stelle!“ Sie klang total sauer, doch er lockerte seine Umklammerung nur, ließ sie aber nicht ganz los.
„War dir das unangenehm? Also ich fand es... mhm... wunderbar. Ich will mehr!“
„Hast du ne Macke? Träum weiter!“

Jeremy ließ sich nicht so schnell aus der Fassung bringen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so hartnäckig sein würde. Was dachte er sich denn? Dass sie in seine Arme fallen würde wie ein Stück reifes Obst? Da hatte er sich aber geschnitten, der Gute. Andererseits... es hatte sich gar nicht sooo schlecht angefühlt, oder? Doch sie war noch so erfüllt von der Wut auf Justine, dass sie momentan keinen klaren Gedanken fassen konnte.
Jeremys Arme hielten sie noch immer, obwohl Rosie versuchte sich von ihm zu lösen. Sie seufzte und gab auf.

„Und jetzt? Willst du mir eine Standpauke halten? Über das Thema ‚wie versaue ich meinem Bruder die Hochzeit?’ Ein zaghaftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
„Hatte ich eigentlich vor, ja. Aber jetzt... habe ich andere Dinge im Kopf!“ Er lachte und zog sie wieder näher zu sich.
„Ganz nett – hier bei dir!“
Er konnte ihre Stimme kaum hören. „Was hast du gerade gesagt?“
„Nix. Vergiss es!“
„Nein, so kommst du mir nicht davon. Rück’s raus, sei kein Frosch!“

Ihre Stimme war nun erheblich lauter: „Nett hier bei dir, habe ich gesagt!“
„Ach so? Schön! Ich finde es auch nett. Hab’ gar keine Lust wieder zurück zu gehen!“
„Na, sooo gemütlich ist es hier auch nicht. Und wenn jemand rein kommt? Kriegst du keinen Ärger, wenn dich jemand so sieht?“
„Das Risiko gehe ich gerne ein! Komm noch ein bisschen näher, es ist so kühl hier drinnen.“ Er lachte verschmitzt.
„Stimmt! Ziemlich kalt! Aber nicht, dass du denkst ich hätte diese blöde Tussi vergessen! Da ist noch eine Rechnung offen!“
„Meinst du nicht, dass sie genug bezahlt hat? Diesen Schlag wird sie nie in ihrem Leben vergessen!“
„Hoffentlich! Na ja... habe wohl genug angerichtet, oder? Aber ich habe kein schlechtes Gewissen. Na ja, höchstens Geraldine und Harry gegenüber. Was die wohl jetzt machen?“

„Mir egal... ich weiß, was ich jetzt mache!“ Jeremy verschloss Rosies Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss... und dieses Mal gab sie gerne nach.
Sie schlang ihre Arme fest um ihn, denn der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken. Ihr Herz schlug so heftig und so fest, sicher würde es gleich aus ihrer Brust hüpfen.

Dieser Vikar in seiner schwarzen Kluft sah so harmlos aus! Doch er hatte es faustdick hinter den Ohren! Rosie konnte nicht fassen, was mit ihr geschah, was er mit ihr machte ... seine Küsse waren so erregend! Sie zog ihn noch etwas näher, presste ihren Körper fest an ihn und vergaß alles um sie herum. Die Hochzeitsfeier, Harry, Geraldine und sogar Justine rückten plötzlich in ziemlich weite Ferne.





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