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Rosie hatte bei der Probe in der Kirche unbedingt dabei sein wollen. Sie hatte Harry eindringlich erläutert, dass sie nicht das kleinste Fitzelchen versäumen wollte. Termine hatten sie noch in London festgehalten und so war sie froh, dass sie es noch mehr als rechtzeitig geschafft hatte.

Sie wollte nicht mehr länger auf die beiden Verliebten warten, die zwei konnten einfach die Finger nicht voneinander lassen. Da wurde selbst die Hilfe beim Anziehen einer Jacke zur erotischen Angelegenheit. Außerdem löcherte Geraldine ihren Bräutigam ständig mit ihren neugierigen Fragen nach den Abläufen seiner Partynacht. Harry hatte ihr ziemlich ausführlich Bericht erstattet, hatte aber das Erlebnis mit Dorothy als etwas weniger intensiv geschildert.

Also war Rosie vorgegangen und trat jetzt durch die Kirchentür in den Innenraum. An der Orgel saß ein älterer Herr und bearbeitete die Tasten des Instruments. Durch den Gang bewegte sich die gebeugte Figur eines Mannes, der entlang der Bänke ein Kabel verlegte und einige Personen saßen bereits in den Bänken und warteten wohl auch auf die Hauptdarsteller.

Rosie ging langsam durch den Gang nach vorne, um einen möglichst guten Platz zu erwischen. Neben der Kanzel stand ein Mann, der in seinen Taschen wühlte. Sie sah ihn an und in diesem Augenblick hob er den Kopf und lächelte ihr zu. Sie atmete tief ein und lächelte zurück. Dann wandte sie verlegen die Augen ab und blickte auf den Steinboden. Sie schürzte ihr Lippen, trat einen Schritt zurück und stolperte über das blöde Kabel auf dem Boden. Der Mann sprang nach vorne, konnte sie jedoch nicht mehr erreichen. Mit einem dumpfen Geräusch landete sie in der Kirchenbank. Na prima, dachte sie. Wieder mal die Aufmerksamkeit Aller erregt. Sie blickte sich unsicher um, doch außer ihm hatte sie zum Glück niemand beobachtet.

Er kam auf sie zu und sah sie freundlich an. Sie seufzte und hoffte im Stillen, er würde gleich wieder verschwinden. Der Typ machte sie nervös. Doch er ging nicht! Er sah sie an, neigte den Kopf und meinte: „Hallo! Ich bin Jeremy!“
„Ja, schön ... Jeremy!“ Demonstrativ blickte sie in eine andere Richtung. Doch er folgte ihrem Blick und schaute in ihre Augen: „Ich bin Geraldines Freund. Ich werde Geraldine und... äh... Harry trauen!“
Rosie wusste nicht, was an ihm sie so irritierte! Hoffentlich zischte er bald ab. „Na, das ist ja Spitze!“ Ihre Stimme klang gereizt.
„Braut oder Bräutigam?“ Er konnte es wohl nicht lassen.
„Was?“ Rosie runzelte die Stirn, sie sah ihn an.

„Gehörst du zur Braut ... nein, das wüsste ich. Du gehörst zum Bräutigam, oder? Richtig geraten?“
Oh Mann, jetzt nerv’ nicht. Sie stand auf und drehte sich zur Tür um. Wo waren die Zwei denn nur? Sie hier so warten zu lassen und dieser ... dieser ... Mann, ja ... der machte sie ganz zappelig! Nervös trat sie von einem Fuß auf den andern, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder. Nutzte ja auch nichts, wenn sie hier rum stand und Maulaffen feilhielt.
Also dann: „Ja! Bravo! Richtig geraten. Ich bin Harrys Schwester!“
„Hallo, Harrys Schwester!“ Er reichte ihr die Hand und lachte.
Fing der nun total an zu spinnen? „Ich heiße Rosie!“ Sie nahm seine Hand und auf ihrem rechten Unterarm bildete sich eine Gänsehaut. Es kribbelte überall, ihre Härchen standen alle stramm. Ruckartig ließ sie seine Hand los, schaute auf ihre Finger und dann in sein Gesicht.

„Alles klar mit dir, Rosie?“ fragte er leise. Auf seinem Gesicht erschien ein kleines Lächeln und Rosies Herz machte einen Satz.
„Ja. Alles klar. Mir geht’s gut! Wirklich!“ Jetzt lächelte sie auch, sie konnte gar nicht anders. Sie lehnte sich zurück, die Holzbank quietschte ein bisschen und sie war froh, als Harry und Geraldine endlich durch die Kirchentür traten.

„Aha ... da kommen ja die Beiden. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was die Zwei zusammengeführt hat. Wenn das mal kein Unglück gibt. Die liebliche Geraldine und dieser ... äh...!“
„Sag’ nichts Falsches! Was die zusammengebracht hat? Da fragst du noch? Die Liebe selbstverständlich, das sieht doch ein Blinder! Die Beiden lieben sich!“ Rosie wurde immer unsicherer, jetzt ging er ihr allmählich auf den Keks.

Aber ... gleichzeitig war sie auch angetan von ihm! Angetan! Auf ihrem Gesicht erschien ein entsetzter Blick, sie konnte geradezu spüren, wie er sich ausbreitete. Jeremy sah ihn wohl auch, er tat einen Schritt zur Seite. Angetan – hatte sie völlig den Verstand verloren?

„Ihr habt Euch schon kennen gelernt?“ Harrys Stimme unterbrach die konfusen Gedankengänge seiner Schwester. Erleichtert atmete sie auf und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
„Alles in Ordnung mit dir, Kleines?“
„Klar doch. Mit mir schon, aber alle warten auf Euch! Geraldine, du musst raus“, kommandierte sie „und Harry, ab nach vorne!“ Beide nahmen ihre Positionen ein und auch die Nervensäge Jeremy begab sich auf seinen Platz. Jeremy klatschte in die Hände: „So, jetzt kann es los gehen!“ Er blickte an Harry vorbei zu Rosie und wandte sich dann an den Orgelspieler am Ende des Kirchenschiffs.

Die schlanke Gestalt ihres Bruders stand ein wenig verloren in der Kirche. Nicht mehr lange und sie würde eine Schwägerin haben. Sie freute sich ungemein für die Zwei, doch der Gedanke, dass ihr Bruder bald schon verheiratet sein würde, machte sie auch etwas melancholisch. Sie hatten über die Jahre so viel miteinander geteilt, Höhen und Tiefen ausgelotet und so manchen Stein aus dem Weg geräumt. Bald würde er eine andere Vertraute haben, jemanden dem er sein Herz geschenkt hatte. Und wie groß dieses Herz war, dass wusste Rosie genau.

Jeremy gab dem Organisten erneut ein Zeichen und es erklang... ein Trauermarsch! Geraldine wurde von David in die Kirche geführt, beide blieben irritiert stehen. Jim Trott entschuldigte sich. Nun gab Jeremy den Takt an und Geraldine stand nach einigen Schritten neben ihrem zukünftigen Mann. Sie blickte vertrauensvoll zu ihm auf und er gab diesen liebevollen Blick zurück.

Mit einigen Worten stimmte er das Paar auf die Trauungszeremonie ein und kam recht schnell zum Ehegelübde der Beiden. Bei der Frage nach den vollen Namen, antwortete Harry zuerst, was dem Typen rechts neben ihrem Bruder ein Prusten entlockte, wie Rosie irritiert bemerkte. Wer war das denn? Meine Güte, was für ein Verein. Was gab es denn an Jasper auszusetzen? Viel peinlicher würde es sein, wenn bei der Trauung am nächsten Tag der gesamte Name Geraldines vorgelesen werden würde?

Jeremy konnte nicht anders und las den Namen zumindest heute vollständig vor! Na, der würde was erleben! Er sollte ihr in die Finger kommen, dieser Fatzke! Was bildete er sich ein? Im Geiste rieb Rosie sich schon mal die Hände, sie freute sich auf ein offenes Gespräch mit ihm.

Der Rest der Probe verlief reibungslos und Rosie sah Erleichterung in den Augen von Harry und Geraldine.
„Und – aufgeregt?“ fragte Rosie und sah ihre zukünftige Schwägerin an.
„Aufgeregt ist kein Ausdruck! Ich bin mit den Nerven am Ende und wenn Hugo bei der Hochzeit auch so nett über unsere Namen lacht, ist der Tag gelaufen! Oh Rosie, was musst du von dieser Gemeinde denken?“
Rosie nahm Geraldine bei den Händen und lachte sie an. „Mach dir mal keine Sorgen, die sind doch ganz in Ordnung!“ Sie blickte an Gerry vorbei und sah Jeremy an, der mit diesem Hugo sprach. Sie seufzte, drückte Geraldines Hände und biss sich auf die Lippen.
„Rosie?“ Geraldine sah sie fragend an. Sie antwortete nicht.
„Rosie!“
„Äh, ja?“ Rosie schluckte, schüttelte den Kopf und versuchte sich auf Geraldine zu konzentrieren. „Ja, geht ihr schon mal vor. Ich komme gleich nach!“
„Du kommst gleich nach??“
„Ja!“ Ihre Antwort war kurz und knapp.

Geraldine nahm Harry am Arm und zog ihn aus der Kirche. Rosie blieb zurück und wartete, bis Jeremy das Gespräch mit Hugo beendete.
Sie ging langsam zur Kirchentür, doch sie ging noch nicht hinaus, sondern beobachtete von ihrem Standpunkt diesen Pfarrer mit Argusaugen. Er verabschiedete sich von Hugo, drehte sich um und griff nach seiner Jacke, die über einem Stuhl hing. Im Hinausgehen, grüßte er sich auch noch den Organisten und den Kabelleger.

Rosie sah ihn auf sich zukommen und spürte schon wieder dieses komische Flattern. Sie rieb sich tatsächlich die Hände, aber nicht weil sie sauer war. Nein, sie war ungemein zappelig. Reiß dich zusammen, um Himmels willen! Er ist nur ein... Pfarrer!
„Nun, wie gefiel es dir? Warst du zufrieden mit der Probe?“
„Mit der Probe an sich schon!“ Sie schaute ihn streng an. „Aber musste das sein? Das mit den Namen, meine ich?“
„Oh je ... was für ein Gesicht du machst! Als ob du mich auffressen willst. Ein kleiner Scherz am Rande. Glaub mir, Geraldine kann auch austeilen, ich musste einfach ein bisschen darauf herumreiten. Wer benennt seine Tochter schon nach eine m ganzen Musikfilm?“ Er lachte und fasste sie am Arm.

Rosie zuckte zusammen. Sie wollte ihn eigentlich richtig zusammen stauchen. Aber, das gelang ihr nicht. Sie schüttelte ihren Arm, als ob sie die Hand loswerden wollte. Doch er ließ nicht los, sondern führte sie hinaus. „Komm, lass uns ein Stück gehen!“
„Nö, lass mal. Ich möchte jetzt zu Geraldine und Harry“, erwiderte sie energisch
„Die Beiden kommen ganz gut ohne dich zurecht, meinst du nicht?“ Er wandte sich nach rechts und nahm sie einfach mit sich.

„Klar kommen die ohne mich zurecht, ich...“
„Dann ist ja gut. Ich dachte schon, du traust dich nicht mit mir einen Spaziergang zu machen!“
„Ich... was? Ich traue mich nicht, mit dir spazieren zu gehen? Was bringt dich denn auf diese kuriose, vollkommen aus der Luft gegriffene, wahnwitzige...!“
„Ja, ja, schon gut. Krieg dich wieder ein und erzähle mir lieber von Harry und Gerry! Huch, hört sich lustig an ... Harry und Gerry!“ Seine Hand rutschte an ihrem Arm herunter, fasste ihre Hand und hielt sie fest.

Rosie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, lief sie doch jetzt Hand in Hand mit einem Pfarrer durch Dibley. Einem Vikar! Sie konnte es nicht glauben. Eine Überraschung nach der anderen – und das lag allein an diesem Dorf!






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