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Author's Chapter Notes:

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Ein erster Blick und eine Aussprache

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Harrys Klamotten waren noch in Taschen und Kisten verpackt. Er wühlte auf die Schnelle eine Jeans und ein T-Shirt heraus und entledigte sich der leidigen Pyjamahose. So sehr er sich auch einen klaren Kopf wünschte, die Dusche musste warten. Er versuchte, seine verwuschelten Haare mit den Fingern einigermaßen zu ordnen und machte sich auf den Weg zu Annabelle.

Als er herunterkam, blickte er ins Wohnzimmer und sah die Maklerin langsam durch das Zimmer schreiten. Sie berührte mit ihren Fingerspitzen Möbelstücke, Bücher und CD’S. Träumerisch schaute sie sich mit einem Blick um, der sehr deutlich sagte, dass es ihr hier auch gefallen würde. Das konnte sie sich abschminken! Jetzt griff sie nach einem Hemd, das über der Lehne eines Stuhles hing. Sie nahm es hoch, es war Jacks Hemd. Bevor sie noch auf die Idee kam, auch daran zu riechen, trat er einen Schritt vor und stieß mit dem Fuß gegen die Stehlampe, die scheppernd umfiel.

Miss Latimer zuckte zusammen und senkte das Hemd. „Da wird Jack sich freuen, er sucht sein Hemd schon die ganze Zeit!“ Mit einem verkrampften Gesichtsausdruck überreichte Annabelle das Hemd, an einem Finger baumelnd, an Harry.
„Er duscht, wird aber gleich da sein. Wir haben den Umzug gestern etwas heftig gefeiert, wissen Sie!“ Harry druckste herum, alles musste sie ja nicht wissen.

Jack hüpfte wie auf’s Stichwort pfeifend die Treppe herunter: „Guten Morgen, Ladies, ist das nicht ein wunderschöner Tag? Annabelle, Harry, wie wäre es mit Frühstück? Soll ich uns was besorgen? Ich glaube, hier gibt es einen kleinen Laden. Mal sehen, ob die etwas für uns haben? Kramt ihr schon mal die French Press raus, ich schätze wir alle brauchen einen starken Kaffee!“
Jack sah aus wie das blühende Leben, während Harry das Gefühl hatte, mit einem Betonklotz am Kopf herum zu laufen.

„Ja, einen Kaffee könnte ich jetzt wirklich auch gebrauchen!“ murmelte Annabelle. Jack schlang seinen Arm um die junge Frau und drückte sie an sich. „Das glaube ich, meine Liebe, so eine anstrengende Fahrt! Du musst heute morgen schon in aller Frühe aufgestanden sein. Ist das nicht fürsorglich, Harry?“ Annabelle befreite sich aus Jacks Umarmung und schaute ihn ärgerlich an.
Harry konnte sich das Geschwätz nicht länger anhören. Er musste hier raus!
„Ich brauche dringend etwas frische Luft, mir platzt gleich der Schädel. Macht ihr schon mal Kaffee. In der Küche steht eine Kiste mit Tee- und Kaffeeutensilien, darin findet ihr alles. Ich muss mal raus!“

Harry schnappte sich seine Jacke und verließ das Haus. Die frische Herbstluft wehte ihm um die Nase und er atmete tief ein. Er ging die Auffahrt bis zur Straße und wandte sein Gesicht der Sonne zu. Sie stand sehr niedrig und blendete ihn so, dass es ihm in den Augen schmerzte. Müde kniff er sie zusammen und machte sich auf den Weg.

Der Weg zu dem kleinen Laden war nicht weit, doch der kurze Spaziergang tat ihm gut. Er schritt schnell aus, um seinen Kreislauf in Gang zu bringen. Dieser verwünschte Rotwein gestern Abend!
Im Geschäft war er der einzige Kunde und so hatte er den Einkauf schnell erledigt. Milch, Wasser, Toast, Butter und Marmelade sowie ein Glas Marmite, das musste genügen. Er ließ sich alles einpacken, wünschte der freundlichen Frau an der Kasse einen schönen Tag und machte sich auf den Rückweg.

Der Tag war in der Tat schön, Jack hatte schon recht. Er fühlte sich erfrischt und sein Kopf war ihm auch schon leichter geworden. Die Kirche kam in Sicht und er sah im Augenwinkel eine Bewegung. Eine Frau ging vom Eingang der Kirche über den Weg zur Straße, den er bei seinem ersten Besuch hier auch gegangen war.

Sie war nicht groß, ihr Körper war recht mollig und sie trug ein schwarzes Outfit. Sie ging sehr schnell und selbst aus der Ferne schien ihr Gesicht zu strahlen. Dieses Strahlen wurde umrahmt von dunklen Haaren, die im Wind flatterten. Irgend etwas an diesem Anblick berührte Harry, sein Blick folgte ihr über die Straße. Er beschleunigte seinen Schritt, vielleicht sollte er sie ansprechen? Sein Herz schlug plötzlich ganz schön schnell. Sie wandte sich der Pfarrei zu und ging flott auf die Eingangstür des Hauses zu. Harry würde sie nicht mehr einholen können, bevor sie an der Tür war.

Aus irgendeinem Grund bedauerte er dies, er selbst bog in die Auffahrt von Sleepy Cottage ein. Vielleicht suchte sie den Rat des Vikars, brauchte einen Trost oder hatte ein Problem, dass sie mit dem Pfarrer besprechen wollte? Hoffentlich kein Trauerfall, worauf ihre dunkle Kleidung eventuell schließen ließ. Aber wohl eher nicht, sonst hätte sie nicht so fröhlich vor sich hin gelächelt. Lebte sie hier in Dibley?, Er hatte sie vorher nie gesehen. Harry konnte sich nicht wirklich erklären, warum er darüber nachdachte. Er öffnete die Tür zu seinem Haus und trat ein. Vom Wohnraum her hörte er die Stimmen von Jack und Annabelle. Hatten sie sich gestritten? Auf eine Konfrontation mit den zweien hatte er nun wirklich keine Lust. Er würde wohl mal eingreifen müssen!

Doch als er die Jacke aufgehängt hatte und das Wohnzimmer betrat, saßen sie einträchtig nebeneinander auf dem schwarzen Sofa. Sie hatten den Wohnzimmertisch frei geräumt und mit wild zusammengewürfeltem Geschirr gedeckt. Der Kaffee duftete und Harry freute sich auf einen heiße Tasse des anregenden Getränkes. Vielleicht würde das helfen, die Reste des Katers zu vertreiben.
„Annabelle hat mir gerade erzählt, warum sie hierher gekommen ist, nicht wahr?“
„Halt den Mund, Jack. Das habe ich dir im Vertrauen gesagt, klar!“ Sie klang richtig sauer.
„Aber Harry ist mein Freund, er weiß einfach alles. Außerdem betrifft es ja auch ....“
„Jaaack! Lass es einfach sein, okay. Sag nichts mehr. Mit dir habe ich eh noch ein Hühnchen zu rupfen!“ Sie versetzte Jack seinen so festen Stoß, dass dieser fast von der Kante des Sofas fiel.
„Miss Latimer, Annabelle – vielleicht sollten wir wirklich darüber reden, meinen Sie nicht auch?“ Harrys Stimme klang ruhig und er sah sie direkt an.
„Na ja, wenn Sie meinen. Ich wollte nur nicht, dass Jack jetzt einfach so mit etwas herausplatzt, wissen Sie!“
„Jack hat recht, es gibt wirklich kaum etwas, was wir nicht miteinander teilen. Wir können auch über alles reden, wissen Sie. Für mich ist er ein wahrer Freund!“
„Nur ein Freund, oder auch mehr? Er sagt, Sie seien nicht miteinander ... na ja, Sie seinen kein Paar in dem Sinne...!“ Sie schwieg und senkte ihren Kopf.
Sie tat Harry fast ein bisschen leid. Was hatte sie sich denn gedacht, als sie so mir nichts, dir nichts hier auftauchte?

„Annabella, hören Sie! Ich bin nicht sicher ob ich verstehe, warum Sie hierher gekommen sind. Kamen sie wegen mir?“ Vielleicht war Angriff die beste Verteidigung und sie hatte eine Chance verdient.
„Ich wollte Sie eigentlich nur wiedersehen. Ich wollte wissen, wie Sie hier leben, wie es Ihnen hier ergeht. Jack hatte mir geraten, nicht zu kommen. Aber ich musste einfach, verstehen Sie!“
Jetzt sah Jack sie triumphierend an – ‚ich hab’ Dir doch gesagt’ sagte sein Blick.
Harry atmete tief ein, er musste jetzt dadurch, bevor es noch mehr Missverständnisse gab. „Annabelle, ich fühle mich etwas verwirrt. Ich finde Sie sehr nett und Sie haben mir sehr geholfen, aber ich empfinde nicht mehr für Sie als Dankbarkeit. Es tut mir leid ....!“

„Ja, schon gut, ich habe schon verstanden, Harry.!“ Sie seufzte und Jack rettete die Situation, in dem er abrupt das Thema wechselte: „Hast du eigentlich deinen direkten Nachbarn schon besucht, Harry?“ fragte Jack. „Den Pfarrer, meine ich. Diesen Granger oder wie der heißt? Ich denke, du musst dich da mal vorstellen, macht man das nicht so, wenn man irgendwo neu ist?“

„Keine Ahnung, in London hatte ich mich nie irgend jemandem vorgestellt!“ Wie Jack gerade jetzt darauf kam, fragte Harry sich und biss herzhaft in seinen Toast. Vielleicht sollte er das wirklich machen? Vielleicht konnte er einen Teil des Übels, das heute morgen an seiner Haustür angerichtet worden war, wieder ausmerzen. Er könnte die Situation klar stellen, bevor sich wilde Gerüchte im ganzen Dorf verbreitet hatten. Der Pfarrer hatte sicher auch einen gewissen Einfluss auf seine Gemeindemitglieder, so dass er vielleicht den Schaden begrenzen könnte.

Und wenn nicht, dann eben nicht. Dieser Newitt hatte sicher all seinen Bekannten, denen er heute morgen habhaft werden konnte, die Geschichte haarklein auseinander gelegt. Ein Mann, halbnackt an seiner Haustür, davor eine hübsche Blonde und dann taucht auch noch ein halb bekleideter Fremder im Flur auf. Das musste der Gerüchteküche richtiges Feuer geben! Und das ganze Elend in diesem schönen, betulichen Örtchen, in dem wahrscheinlich nie irgendetwas Skandalöses geschah! Vielleicht war es an der Zeit, dass hier etwas geschah. Sonst würde man sich eventuell zu sehr um Schafe und Kühe kümmern und das konnte ja auch nicht gesund sein. Oder zehn Kinder zeugen, wie dieser Horton!

Harry fühlte sich mittlerweile wieder halbwegs versöhnt mit dem Tag, der so katastrophal begonnen hatte. Er war sicher, dass er sich hier in Dibley wohl fühlen würde. Er würde sich an den Rhythmus dieses Lebens gewöhnen und hätte in London trotzdem genügend Abwechslung.
Jack dagegen würde an einem solchen Ort nicht glücklich werden. Harry wusste, dass der immer lustige, gut gelaunte Freund auch harte Zeiten durchlebte und an sich selbst und seinem Schicksal zweifelte





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