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Author's Chapter Notes:

 

Dieses Kapitel wurde am Valentinstag 2014 eingestellt. Früher gab es zu diesem Anlass eine komplette Geschichte von mir, dieses Jahr hat die Geschichte ja schon angefangen... auch wenn's derzeit eher weniger harmonisch in diesem Wagnis von Ehe zugeht.










 

Sie rauschte ab und ließ die beiden Herren im Vestibül einfach stehen. Justin kniff die Augen zusammen und Nick schüttelte leicht den Kopf.

„Justin, das war wirklich nicht nett. Du weißt doch wie empfindlich sie darauf reagiert. Und sie hat Recht, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen um sich werfen. Sir Giles mag völlig besessen vom Glücksspiel gewesen sein, aber er war kein schlechter Vater. Er hat Serena vergöttert."

Justin stieß verbittert die Luft aus.

„Ja, so sehr, dass er sie als Pfand im Spiel gegen Lord Wrotham eingesetzt hat. Einfach abscheulich."

„Er war von Sinnen an diesem Abend, das weißt du ganz genau. Du hast die ganze Zeit über dabeigestanden und es beobachtet. Mein Onkel war nicht er selbst, er... etwas Dämonisches schien Besitz von ihm ergriffen haben."

„Ich weiß. Das Gleiche geschah immer mit meiner Mutter."

„Da täuschst du dich leider. Lady Harriet war stets die Herrin all ihrer Sinne beim Spiel. Sie wusste genau, was sie tat und alles bei ihr geschah aus reiner Berechnung. Sie versuchte nur, dich glauben zu machen, dass eine Art Besessenheit in ihr wohnte, aber dem war nicht so. Ihr Fall lag wirklich anders, glaub‘ mir, Justin."

„Vermutlich hast du Recht. Es... es tut mir mittlerweile leid, dass ich so hart zu Serena gewesen bin."

„Du solltest dich bei ihr entschuldigen."

„Ja. Das...das ist momentan nicht so einfach."

„Eine Ehekrise?"

Lord Vulcan zuckte mit den Schultern. Er vertraute sich generell nicht gern Leuten an, auch nicht Familienmitgliedern. Er trug sein Herz selten auf der Zunge und redete kaum über persönliche Angelegenheiten.

„Justin, ihr seid kaum drei Monate verheiratet, wenige Wochen erst, und schon hängt der Haussegen schief? Liebt ihr euch denn nicht? Mein Eindruck war immer, dass du derart vernarrt in sie bist, dass du sogar Gefahr läufst, dich deswegen zum Narren zu machen. Ha - mir ist  ein Wortspiel gelungen!"

Justin erwiderte dumpf: „Ich glaube, es beruht nicht auf Gegenseitigkeit."

„Und ich glaube, dass du dich da wiederum gewaltig täuschst. Ich kenne Serena von Kindesbeinen an. Sie würde niemals jemanden heiraten, den sie nicht liebt. Sie hat mich abgelehnt, als ich ihr die Ehe antrug, weil sie keine Zweckgemeinschaft wollte. Und mich mag und schätzt sie, es wäre also keine völlig sachliche Ehe geworden."

Du hast Serena einen Antrag gemacht? Davon weiß ich ja gar nichts."

Justin klang nun eindeutig verstimmt.

„Es war, um sie vor dir zu schützen, du Trottel!"

„Vor mir? Bist du irre?"

„Sie hätte bei einer Eheschließung mit mir Staverley Court behalten können und - als hätte ich's damals geahnt - wäre den finsteren Machenschaften Wrothams und deiner Mutter entkommen. Davor konntest selbst du sie nicht bewahren."

„Weil ich es niemals für möglich gehalten hätte. Ich... ich wurde selbst von diesen Ereignissen überrollt. Was denkst du wohl, ist in mir vorgegangen, als ich dahinterkam?"

„Ich verstehe dich ja."

Nicholas Bower-Staverley seufzte und fuhr dann versöhnlich fort: „Wenn ich an deiner Stelle wäre, Justin, würde ich über meinen Schatten springen und Serena meine Liebe deutlicher zeigen."

„Unterstellst du mir also, das würde ich nicht tun?"

„Im Vertrauen gesagt - ja. Serena hat mit Isabel und mir während des kurzen Aufenthalts auf Staverley Court über so einiges gesprochen und ihren wenigen, vorsichtigen Äußerungen konnte ich entnehmen, dass sie sich von dir vernachlässigt fühlt und dass sie auf Mandrake ein einsames, unausgefülltes Leben führt, das einer jungverheirateten Frau kaum würdig ist."

„Sie hat sich bei Isabel und dir beklagt? Mir gegenüber hat sie dergleichen nie erwähnt, weswegen ich dachte...", er brach entnervt ab.

„Sie hat sich nicht wirklich beklagt, das ist nicht ihre Art. Aber sie hat ab und zu eine Andeutung gemacht, die in diese Richtung ging. Man konnte sich so einiges zusammenreimen. Ich kann mir auch vorstellen, aus welchem Grund sie dir nichts gesagt hat: sie wollte weder undankbar erscheinen noch die kostbare Zeit gemeinsam mit dir durch Klagen trüben."

Justin fuhr sich unstet mit der Hand durch die dunklen Haare.

„Das erklärt auch, warum sie unbedingt nach London wollte."

„Genau. Sie möchte bei dir sein. Du hattest es einfacher, sobald dich die Sehnsucht gepackt hat, bist du ohne Umschweife nach Mandrake gefahren oder geritten. Serena war dies umgekehrt nicht möglich. Ist das alles so schwer nachzuvollziehen wenn man fast noch in den Flitterwochen ist und sich liebt?"

„Nein. Jetzt, da ich wohl ihre wahren Beweggründe kenne, ist alles sehr gut nachvollziehbar. Danke, Nick, dass du mir die Augen geöffnet hast. Ja, du hast Recht - ich bin ein Trottel. Ich war, was meine Mutter betrifft, mit Blindheit geschlagen und dachte, es würde mir nie wieder passieren und doch verhielt es sich mit Serena genauso. Ach, Nicholas, eine Ehe zu führen ist doch um etliches anders, als eine... eine Geliebte in London zu  haben."

„Vor allem, wenn diese so wenig Probleme bereitete und so wenig Ansprüche stellte, wie es La Flamme getan hat. Wobei ich nicht von materiellen Dingen rede. Du hattest Glück mit ihr und das Glück ist auf John Burley übergegangen. Serena hat sicher in einiger Hinsicht weniger Ansprüche als die gute La Flamme, in anderer Hinsicht jedoch... Ich bin bestimmt weit davon entfernt, ein guter Ehemann zu sein, meine Ratschläge sind demnach selten brauchbar, aber diese eine Sache ist mir klar und ich kann sie an dich weitergeben: du solltest deiner Frau einfach ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken."

„Wie gut, dass ich dich getroffen habe und wir uns austauschen konnten."

„In der Tat, das war gut und offensichtlich notwendig. Also, auf bald in der Oper?"

„Ja, auf bald in der Oper."

Nicholas Bower-Staverley nahm seine Garderobe entgegen und verschwand. Justin drehte sich zur Treppe hin. Er war versucht, zwei Stufen auf einmal zu nehmen, um nach oben zu eilen und ein für alle Mal die Missverständnisse zwischen Serena und ihm aus der Welt zu schaffen, um sie zu küssen und ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte, doch die Anwesenheit des Hausmädchens, das gemeinsam mit der Wäscherin große Stapel an Bett- und Tischwäsche nach oben trug, ließ ihn von dieser überschwänglichen Tat Abstand nehmen. Er folgte den beiden in großzügigem Abstand. Die Tür zur Wäschekammer war nur angelehnt und er hörte die beiden jungen Frauen schwatzen, als er daran vorbeikam. Ein mildes Lächeln zog über seine Lippen: ach, der Londoner Tratsch war für herrschaftliche Dienstboten so etwas wie die Luft zum Atmen. Doch einige Wortfetzen ihres Geplappers ließen ihn wie versteinert im Korridor stehen:

„Mit Mylady stimmt etwas nicht. Es hieß, sie habe ihre Blutung, weswegen sie momentan nicht ausgeht, aber die Wäsche ist einwandfrei und ohne jeglichen Hinweis darauf."

„Mir kommt es auch nicht so vor, sonst hätte ich ihr gewiss mehr bei der Toilette zur Hand gehen müssen."

„Ich sag dir eines: Sie ist wahrscheinlich schwanger und möchte nicht, dass es schon bekannt wird.

„Möglich wäre es. Ich hingegen meine, dass der Haussegen zwischen ihr und seiner Lordschaft gehörig schief hängt, denn das munkelt man unten so."

„Verstehe. Du musst's ja wissen, du bist jeden Tag hier, ich nur zweimal pro Woche."

Justin drehte sich um, schnappte nach Luft und raste wie ein Irrer in sein Arbeitszimmer. Von einer Aussprach mit Serena war er nun so weit entfernt, wie ein Taglöhner von Seiner Majestät, King George, entfernt war. Sie log ihn an! Mit voller Absicht und ohne mit der Wimper zu zucken! Sie hatte seine Hingabe und Liebe nicht verdient, war dessen nicht wert. Er hatte sich in ihr getäuscht und seine Liebe einfach verschleudert. Mit einem lauten Stöhnen setzte er sich an seinen Schreibtisch, zerrte ein Blatt Papier aus der Lade, tauchte den Federkiel ins  Tintenfass ein und adressierte das Schreiben an seine Anwälte. Seine sonst gut leserliche, beinahe penible Handschrift geriet zum Gekrakel, etliche Tintenflecke zierten das Blatt und er biss sich vor lauter Zorn und aufgestauter Emotionen so heftig auf die Lippe, dass diese aufsprang und zu bluten anfing. Ein roter Tropfen davon vermischte sich mit der dunklen Tinte auf dem Dokument. Erbost knüllte er das Papier zusammen und ließ seinen Kopf auf die Schreibtischplatte aus poliertem Mahagoni sinken. Regungslos verharrte er so unzähligen Minuten lang, dann stand er ruckartig auf, warf die Schreibfeder achtlos zu Boden und verließ den Raum. Die Tür fiel sehr hart hinter ihm ins Schloss.

Schweigend kleidete er sich um. Er musste raus, sich körperlich betätigen, sonst würde er explodieren. Charles, der auf das ungewöhnlich herrische Läuten seiner Lordschaft erschienen war, um ihm beim Umkleiden behilflich zu sein, spürte deutlich die aufgeladene Atmosphäre. Er sagte und fragte wohlweislich nichts. Lord Vulcan stand zwar im Ruf, unnachgiebig und wenig redselig zu sein, doch meist wahrte er die Höflichkeit und ließ sich Gefühlsregungen kaum anmerken. Hier und heute war seine schlechte Laune regelrecht greifbar und man war besser beraten, ihn nicht zu reizen und man tat gut, einem Konflikt mit ihm aus dem Weg zu gehen.

Als Justin Lord Vulcan sich in Reitmontur geworfen hatte und im Begriff war, eisern schweigend das Haus zu verlassen, musste Charles jedoch das Wort an ihn richten, was er mit der gebotenen Vorsicht tat: „Mylord, ich bitte um Verzeihung, aber soll ich Ihrer Ladyschaft denn nichts über Ihren Verbleib ausrichten?"

Justin herrschte ihn an: „Wenn ich das gewollte hätte, hätte ich es Ihnen aufgetragen. Und sagen Sie Stuart, dass ich umgehend ein Pferd gesattelt haben möchte. Umgehend, verstanden?"

„Natürlich, Mylord."

Charles traute sich nicht, mehr in Erfahrung zu bringen, beispielsweise wohin der Ritt ging, wie lange Lord Vulcan wegzubleiben gedachte oder ob er zum Tee oder Dinner anwesend sein würde. Alles Fragen, die für Charles und die Dienerschaft zwar essentiell waren, die aber angesichts des finsteren Gemütszustands seiner Lordschaft zur Nebensache wurden. Irgendetwas musste vorgefallen sein und den Sinneswandel seiner Lordschaft verursacht haben, so viel war sicher.






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