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Story Notes:
Diclaimer: Alle Rechte an der Geschichte und den Personen liegen bei der BBC, abgesehen von den von mir hinzugefügten Handlungen und Charakteren.



Mr. Thornton blickte Mr. Bell schockiert an. „Und ihre Tante und Cousine sind nicht im Lande?“

„Nein“, erwiderte dieser mit einem betrübten Gesichtsausdruck, „das arme Mädchen ist mutterseelenallein und völlig apathisch. Ich werde sie natürlich zu mir nehmen, aber was will so ein junges Ding mit einem alten Mann wie mir? Sie braucht eine Mutter, eine Schwester, eine weibliche Stütze, aber die Lennoxens sind weit weg – ich habe ihnen zwar sogleich geschrieben, aber wann sie kommen können und ob sie überhaupt kommen, weiß niemand - und nun hat das arme Kind niemanden mehr außer mich, und ich bin ein alter Mann, ein Freund ihres Vaters zwar, aber dennoch fast ein Unbekannter für sie. Ich weiß nicht, was aus ihr werden soll. Ich kann ihr mein ganzes Vermögen bieten und alle Annehmlichkeiten, aber ihre Familie kann ich Margaret nicht zurückgeben. Ich wünschte ihre Tante, Mrs. Shaw wäre niemals mit ihrer Tochter und deren Mann ins Ausland gegangen. Was soll dieses arme Ding nur mutterseelenallein hier in Milton, wo sie niemand bei sich aufnehmen wird? Und in Oxford kennt sie auch keine Menschenseele. Mir tut das Herz weh, wenn ich sie so sehe.“

Mr. Thornton nickte nachdenklich. Er versuchte sich vorzustellen, was Margaret erleiden musste, aber es war ihm unmöglich. Ja, auch er hatte seinen Vater verloren, aber ihm waren zumindest Fanny und seine Mutter geblieben. Es war eine harte Zeit gewesen, aber er hatte sich hochgearbeitet, bis er auf sich selbst gestellt war, er war immer noch ein Mann und konnte von seinem Broterwerb leben, aber Margaret, seine sanfte, liebe und doch so willensstarke Margaret, er konnte sich nicht vorstellen, wo sie ihren Platz finden sollte in der Welt, jetzt wo sie weder Vater noch Mutter mehr hatte.

„Darf ich sie sehen?“, fragte er aus dem plötzlichen Impuls heraus der Frau, die er liebte, Trost zu spenden.

Mr. Bell nickte: „Aber erschrecken Sie nicht, wenn Sie sie sehen, sie ist nicht mehr sie selbst, seit sie vom Tod ihres Vaters erfahren hat.“

Dass Margaret nicht mehr sie selbst war, konnte Mr. Thornton nur zu deutlich sehen, als er den Raum betrat. Margaret oder für ihn Miss Hale bemerkte sein Hereinkommen nicht, sondern starrte nur stumm in die andere Richtung. Auch als er sie begrüßte, kam keine Reaktion von ihr. Erst als er zu ihrem Sessel getreten war und sie ihn sehen musste, reagierte sie auf ihn.

Sie blickte zu ihm hoch aus ihren traurigen, blaugrauen Augen. Die Augen, die sonst immer so voller Elan, voller Leben geblitzt hatten, die ihn so wütend angefunkelt hatten, als sie ihn damals abgelehnt hatten, wirkten wie erloschen.

„Mr. Thornton“, begrüßte sie ihn müde und teilnahmslos.

John Thornton wollte schier das Herz brechen, als er sie so sah. Sie hatte ihn selten mit Freude begrüßt, oft mit Gleichgültigkeit oder sogar mit Unwillen, aber diese stumpfe Apathie, die ihr Gesicht heute trug, hatte er noch nie bei ihr gesehen. Sie wirkte so bemitleidenswert und so hilflos, dass er sich zurückhalten musste, um nicht seine Arme um sie zu schließen. Er liebte sie so sehr, er hatte versucht, es zu verdrängen, er hatte versucht, es zu vergessen, aber nichts hatte geholfen, bei Gott, er liebte sie heute noch mehr als an dem Tag nach dem Aufruhr, als er ihr den Antrag gemacht hatte.

„Miss Hale, mein tiefstes Beileid zum Tod Ihres Vaters, er war mir ein guter Lehrer und enger Freund.“

Margarets Mundwinkel verzog sich ein winziges Stück und das kleinste sichtbare Lächeln, das ein Mensch in einer solchen Situation zu zeigen fähig ist, wurde sichtbar: „Danke, Mr. Thornton.“

Dieser wollte etwas erwidern, aber bevor er die äußerst taktlose Frage stellen konnte, was sie nun zu tun gedenke, biss er sich auf die Zunge. Er ließ sich auf einem Stuhl ihr gegenüber nieder. Sie bediente ihn nicht und rief auch nicht nach Dixon und erwartete auch nichts dergleichen. Sie saßen sich einfach stumm gegenüber, Margaret versunken in die Trauer um ihren Vater und Mr. Thornton überlegte, was er für sie tun könnte, was er ihr sagen könnte, so dass es ihr besser ginge, aber ihm fiel nichts ein. So blickte er sie einfach nur wortlos an und hatte Mitleid mit ihr.

Schließlich war es Margaret, die als Erste wieder das Wort ergriff. Mehr zu sich selbst sagte sie: „Mr. Thornton, sehen Sie, nun bin ich völlig allein. Ich habe niemanden mehr, der sich um mich kümmern würde. Tante Shaw und Edith sind auf Corfu und Frederick, zu Frederick kann ich auch nicht…“ Hier brach sie ab und schluchzte leise.

Mr. Thornton war hin und hergerissen zwischen Eifersucht auf diesen Frederick und tiefem Mitgefühl. Frederick hieß also der Mann, den sie ihm vorzog, der Mann, mit dem sie sich am Bahnhof getroffen hatte, sein Herz zog sich zusammen.

„Er ist in Spanien und denkt nicht einmal mehr an mich noch an Vater, oh, ich bin ganz allein auf dieser Welt!“, erneut brach Margaret in Schluchzen aus, diesmal aber lauter und verzweifelter als zuvor.

John Thornton konnte es nicht länger mit ansehen, da saß sie nun, Margaret, seine Margaret und trauerte um ihren Vater und ihr Geliebter, dieser Frederick hatte sie schändlich verlassen, nach Spanien war dieser Unhold verschwunden und hatte das arme, junge Mädchen mit gebrochenem Herzen zurückgelassen. Alle Beschützerinstinkte, die er vorher schon bezüglich Miss Hales verspürt hatte, traten nun deutlich zu Tage. Er kniete sich vor sie und nahm leicht ihre Hände in die seinen.

„Sie sind nicht allein, Miss Hale, auch wenn Sie dieser Mann im Stich gelassen hat, ich könnte das niemals, oh Margaret, ich bitte Sie: Heiraten Sie mich! Ich werde alles tun, damit Sie glücklich werden, ich werde Ihnen die Welt zu Füßen und Sie hätten wieder einen Platz, wo sie hingehören. Was sagen Sie, Margaret, werden Sie mich nehmen? Meine Mutter wird Ihnen Ihre eigene Mutter ersetzen und ich werde darauf achten, dass es Ihnen an nichts fehlt, bitte Margaret, nehmen Sie meinen Antrag an, ich…“

Hier unterbrach ihn Margaret, die ihn sehr verwundert und perplex anstarrte. „Meinen Sie das ernst, Mr. Thornton?“, fragte sie fassungslos.

Dummkopf, dachte dieser sofort, wie hatte er nur so töricht sein können und Margaret in dieser Situation einen Antrag machen können. Sie hatte gerade erst ihren Vater verloren und sie mit einem Heiratsantrag zu bedrängen, war mehr als taktlos gewesen, es war vollkommen unsensibel. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, so mit seinen Gefühlen herausgeplatzt zu sein, vor allem wenn er bedachte, dass sie nicht ihn liebte, sondern einen anderen Mann. Es machte die Ablehnung, die nun folgen musste, nur noch bitterer, doch er wusste, er musste nun auch zu dem stehen, was er gesagt hatte und meinte: „Ja, Miss Hale, ich habe meinen Antrag ernst gemeint, ich weiß natürlich, wie Ihre Antwort darauf aussehen muss und entschuldige mich zutiefst bei Ihnen, dass ich Sie in Ihrer Trauer noch mit solchen Wünschen bedrängt habe. Ich werde dann wohl besser gehen.“

Er stand auf und wandte sich der Tür zu, aber bevor er den Raum verlassen konnte, rief ihn Miss Hale zurück: „Mr. Thornton, ich danke Ihnen für Ihren Antrag und nehme ihn gerne an. Ich bin bereit Ihre Frau zu werden.“

Mr. Thornton drehte sich zu ihr um und hätte sie am liebsten vor Glück in seine Arme geschlossen, aber ihr immer noch melancholischer Blick hielt ihn zurück. Sie nahm ihn an, weil sie keine andere Zukunftsperspektive hatte, nicht weil sie ihn liebte.

Die Freude, die ihn fast zum Lächeln gebracht hatte, war mit einem Mal verschwunden. Er nickte nur leicht und erwiderte möglichst gleichmütig: „Ich fühle mich geehrt, Miss Hale und werde alles Weitere in die Wege leiten.“

Dann verließ er den Raum ohne sich noch einmal zu ihr umzuwenden. Margaret starrte ihm einen Augenblick lang nach, sie hatte irgendwie gehofft, er würde bei ihr bleiben und sie in die Arme schließen. Warum sie sich das gewünscht hatte, war ihr selbst nicht ganz klar. Sie liebte Mr. Thornton nicht, jedenfalls hatte sie nie geglaubt ihn zu lieben, und doch sprach ihr Handeln eine andere Sprache. Sie hatte seinen Antrag angenommen ohne Nachzudenken. Sie war sofort bereit gewesen ihn zu heiraten. Das musste einen tieferliegenden Grund haben. Jedoch war Margaret an diesem Tag viel zu sehr mit der Trauer um ihren Vater beschäftigt als sich darüber Gedanken zu machen wie sie zu John Thornton stand. Sie stellte nur eins fest: Sie würde ihn nicht mit Unwillen heiraten. Ob dies aber bedeutete, dass sie sich in ihn verliebt hatte, vermochte sie nicht zu sagen.

Und John Thornton? Dieser konnte kaum fassen, was so eben vor sich gegangen war: Er war verlobt mit Margaret Hale, mit der Frau, die er bewundert hatte, seit er sie das erste Mal gesehen hatte und die er fast ebenso lange schon liebte. Eigentlich hätte er jetzt glücklich sein müssen, denn er hatte erreicht, was er immer hatte erreichen wollen, und doch war die Tatsache seiner Verlobung nichts, was dazu geführt hätte, dass er nun freudestrahlend durch die Straßen Miltons gelaufen wäre. Margaret hatte seinen Antrag nur aus Not angenommen und er wünschte sich fast, er hätte sie nie gefragt.






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