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Author's Chapter Notes:

 

Diesmal beschäftigen wir uns u.a. ein wenig mit einer winzigen Insel im Atlantik. Alles, was darüber gesagt wird, ist natürlich entsprechend recherchiert, möglicherweise jedoch ein winziges bisschen für diese Story "aufpoliert".










 

Rasch öffnete er die Tür und drehte die Deckenlampe an, die sofort ein warmes, heimeliges Licht verbreitete. Er drehte sich zu seiner Begleiterin um und warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu.

„Schauen Sie sich doch einfach um und ich hole mein Gepäck, ein paar Lebensmittel und Getränke, ja? Möchten Sie etwas Bestimmtes essen oder trinken?“
Sie schaute ihn an, als wäre er eine Geisterscheinung und wieder beschlich ihn das unangenehme Gefühl, dass er erkannt werden könnte.

Die junge Frau versuchte sich zu fassen und antwortete schüchtern: „Etwas Bestimmtes? Oh… Tee wäre schon gut.“

Während er nickte und verschwand, fragte sie sich, was er alles an Ess- und Trinkbarem dabei hatte, dass er so großzügige Angebote machen konnte.

Ihre Augen wurden rund und groß, als sie die luxuriöse Einrichtung erblickte und bemerkte, was er alles an Lebensmitteln anschleppte.

Die Küche war ein Traum, vor allem für ein Ferienhaus, und sie stand unbeholfen im Weg, während er Körbe und Tüten anschleppte, deren Inhalt zügig auspackte und teils gleich verstaute.

Dann schaltete er den Wasserkocher an und bestückte eine Teekanne mit Pyramiden-Teebeuteln. Nach kurzer Zeit goss er das kochende Wasser darüber und zückte dann mit legerer Geste ein iPhone.

„Während der Tee zieht, rufe ich mal beim AA an. Sind Sie dort Mitglied?“

„Ähm, ich fürchte nein.“

„Dann eben einen Pannendienst in der Nähe. Beaumaris oder Bangor, denke ich.“

Sie hockte sich erschöpft und frierend auf einen Stuhl und hörte mit halbem Ohr dem Telefongespräch zu.

„Wie bitte? Sie sind wegen des Sturms total überlastet? Sie können uns erst für morgen früh zusagen und sich frühestens dann den Wagen ansehen? Na, fantastisch. Also gut, es ist wie es ist. Sie haben ja meine Nummer und melden sich einfach, wenn sie Zeit für uns haben, ja? Danke.“

Er steckte das Handy weg und sah seinen Gast an.

Mit zwei großen Schritten war er bei ihr, zog sie vom Stuhl hoch und sagte energisch: „Raus aus dem nassen Zeug! Los, ins Bad und dann ab an den Kamin! Ich bringe Ihnen den Tee dort hin.“

Sie protestierte schwach: „Ich habe nichts Trockenes zum Anziehen.“

Er riss den Reißverschluss an seiner Reisetasche auf, die noch im Entrée stand und warf ihr ein Kapuzen-Sweatshirt zu.

„Meine Hosen dürften Ihnen leider ganz und gar nicht passen, aber ich suche in der Zwischenzeit nach einer Wolldecke.“

Sanft, aber unmissverständlich schob er sie ins Gäste-WC. Dann nahm er in der Küche die Teebeutel aus der Kanne, entkorkte eine Flasche besten französischen Rotweins und machte sich auf die Suche nach einer kuscheligen Decke.

Als die junge Frau zögerlich aus der Badezimmertür trat, roch sie sofort das Kaminfeuer. Langsam kam sie in den Wohnbereich, wo die Holzscheite im Kamin knackten, fauchten und prasselten.

Er hatte mit dem Schürhaken in der Hand davor gekniet hatte, nun aber drehte er sich um und sah, dass sein Pulli ihr fast bis zu den Knien ging und als eine Art Minikleid durchgehen würde. Die Ärmel waren viel zu lang, weswegen sie diese zu Wulsten umgekrempelt hatte und die Schultern hingen ihr fast an den Ellbogen. Dieser Aufzug entlockte ihm ein winziges Lächeln.

Er stand auf und hielt ihr eine Teetasse entgegen: „Das wird Ihnen guttun. Und ich habe eine Decke aufgetrieben, los aufs Sofa mit Ihnen. Sie sind also von Jersey?“

Sie blickte ihn erstaunt über den Rand ihrer Teetasse an: „Nein.“

„Nicht? Sagten Sie nicht, dass Ihre Eltern von den Kanalinseln wären?“

„Das schon, aber die bestehen ja nicht nur aus der Insel Jersey.“

„Natürlich nicht. Dann halt Guernsey.“

Ihr Kopfschütteln drückte Missbilligung aus: „Sark. Ich bin von der Insel Sark.“

„Oh. Die letzte Bastion des Feudalismus in Europa. Nicht einmal die Gesetze der EU gelten dort. Wie lebt es sich denn auf Sark unter diesen mittelalterlichen Bedingungen? Ich stelle mir das sehr… sehr ungewöhnlich vor.“

Der Ausdruck der Missbilligung in ihr verstärkte sich extrem, sie stellte klirrend ihre Teetasse auf der Untertasse ab und ihr bislang hängender Kopf reckte sich trotzig nach oben: „Ungewöhnlich… ja, das ist es. Mein Vater regiert Sark, er ist der Seigneur de Sercq.“

Seine Wangen überzogen sich mit einer leichten Röte, er war voll ins Fettnäpfchen getreten.

Verlegen nahm er einen Schluck aus dem Rotweinglas und versuchte dann, die Sache zu bereinigen: „Ja… Sie entschuldigen, mein Wissen über die Kanalinseln ist nur lückenhaft und Sie haben nun die beste Gelegenheit, es aufzubessern. Bitte…“, dann fiel ihm etwas ein und er ergänzte, „es wäre auch angebracht, dass wir uns einander vorstellen, würde ich sagen. Mein Name…“, er zögerte, biss sich kurz auf die Lippen und nach kurzer Überlegung sagte er schließlich, „ich heiße nach dem Schutzpatron von Wales, wo wir uns ja gerade befinden.“

Sie nickte: „Gut, ich nehme Ihre Entschuldigung an, vor allem, weil Sie mir so freundlich aus meiner Notlage herausgeholfen haben und für Ihr Halbwissen wohl nichts können. Also… David. Ich bin Sybil.“

Da sie weder Erkennen noch sonst eine Reaktion zeigte, die andeutete, dass sie ihn als öffentliche Person erkannte hatte, atmete er ruhig und gelassen die Luft aus, die er zuvor kurz angehalten hatte. Er fragte sich ein paar Sekunden lang wahrhaftig, ob man auf der Insel Sark überhaupt TV-Empfang hatte.

Nachdem Sybil ihre erste Tasse Tee leergetrunken hatte und aufgrund der Decke und des immer wärmer werdenden Feuers im Kamin nicht mehr fror, machte sie einen nicht mehr ganz so schüchternen und verschreckten Eindruck. Ihre Lebensgeister schienen allmählich wieder zu erwachen, denn sie berichtete nun; ganz augenscheinlich, um Davids Fehlmeinung von Sark zu korrigieren und um diese um ihre Sicht der Dinge zu erweitern.

„Ich wurde nach meiner Ur-Großmutter benannt, die während des Zweiten Weltkrieges Dame de Sercq gewesen ist. Die Deutschen hatten ja damals die Kanalinseln besetzt, ich denke, dass dir das geläufig ist, oder?“

Er nickte: „Natürlich. Und eigentlich fortschrittlich, dass man die Insel auch von Frauen regieren lässt.“

„Das Vereinigte Königreich wird auch von einer Frau regiert.“

„Aber nicht absolut. Es ist eine parlamentarische Monarchie.“

„Sark hat auch ein Parlament, die Chief Pleas.“

Er wusste nicht, wie er seine Vorbehalte höflich verpacken sollte, also nickte er nur zu dieser Information, erwiderte aber nichts. Die Existenz eines Parlaments sagte in dem Fall leider nichts darüber aus, dass parallel dazu nicht auch ein absolutes, feudalistisches System gedeihen konnte.

Nun war er ausgerechnet an die Tochter eines absoluten Herrschers geraten, die Wahrscheinlichkeit als solche war sicherlich geringer als der Hauptgewinn in einer Lotterie und doch war es so geschehen. Er würde die fragwürdigen politischen Strukturen auf der Insel Sark einfach ignorieren, sonst würde an diesem Valentinsabend, in einem sturmumtosten Cottage in Wales, kein bisschen Freude mehr aufkommen, zumindest nicht bei ihm.

Betont munter erhob er sich und fragte seinen Gast: „So, ich habe Hunger. Wie sieht es mit dir aus, Sybil?“

„Wenn es nicht zu unverschämt klingt – ich auch.“

„Eine gute Basis für ein leckeres Dinner, würde ich sagen. Kommst du mit in die Küche?“

„Dann muss ich aber meinen gemütlich warmen Platz unter der Decke und am Feuer aufgeben, wo mir doch gerade erst halbwegs warm geworden ist.“

„Kann ich zwar verstehen, aber ich bin nicht dein Koch. Das mag auf eurer Insel vielleicht so sein, dass man noch Dienstboten herumkommandiert, ich bin dazu jedoch nicht bereit.“

Nun hatte er ihr doch wieder einen Seitenhieb verabreicht, es ging irgendwie nicht anders. Die Sticheleien boten sich ja förmlich an und er nutzte die Gelegenheit trotz des zuvor gefassten guten Vorsatzes weidlich aus.

„Du redest echt Unfug, David.“

„Möglich. Aber du müsstest mich halt auch erst vom Gegenteil überzeugen.“

Sein Mitleid mit ihr, das vorhin draußen auf offener Straße sehr groß gewesen war, hatte sich fast vollständig verflüchtigt. Er sah in ihr nur noch ein verwöhntes Gör, einer Prinzessin nicht unähnlich, das meinte sich alles herausnehmen zu können. Es war wahrscheinlich ihr gegenüber ungerecht, doch er konnte sich diesen Eindrucks einfach nicht erwehren. 

 






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