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Author's Chapter Notes:

 

Zuerst ein unvermeidlicher Konflikt - gibt es ein Happy End?

Zwei Bilder stehen beim entsprechenden Kapitel im Forum ein!










 

Sybil selbst war sprachlos. Sie war nicht mehr in der Lage, den Mann ihr gegenüber anzusehen. Wie hatte sie nur so blind, nein blöd, sein können! Die Stimme der Werbung für M&S Food! Hareton Earnshaw! Arthur Clennam! David… David war Matthew Macfadyen! Und das ‚David‘ war nicht einmal gelogen, es war eigentlich ein Teil seines Namens, den er als Künstler aber nicht mehr nutzte, den er abgelegt hatte.

 

Sie murmelte nur: „Es tut mir so leid“, sprang dann auf und rannte los.

Er spurtete hinterher, die Stufen hinauf, ins Schlafzimmer.

Dort hatte sie sich aufs Bett geworfen, den Kopf in die Kissen vergraben und schrie: „Lass mich! Geh!“

 

Er fühlte sich hilflos angesichts ihres heftigen Gefühlsausbruchs, meinte aber noch, bevor er sich anschickte, die obere Etage wieder zu verlassen: „Ich hätte dich nicht anlügen sollen. Es tut mir auch wahnsinnig leid.“

 

Er verzehrte einsam und ohne besonders großen Appetit seine gefüllte Pastete, während draußen immer noch der Orkan über das Land fegte. Doch was war schon dieses Sturmtief gegen das Stimmungstief hier im Cottage? Ein laues Lüftchen, mehr nicht.

 

Er zuckte zusammen, als er ihre Stimme hörte: „Dav… ähm, Matthew, es ist nicht weil du gelogen hast, es ist, weil ich eine dumme, unwissende, mit völliger Blindheit geschlagene Pute bin. Dass du deine Identität nicht hast preisgeben wollen, kann ich durchaus verstehen.“

 

Mit einem Ausdruck der Erleichterung auf dem Gesicht drehte er sich zu Sybil um, die in der Küchentür stand: „Ich war ja froh, dass du mich nicht erkannt hast. Sehr froh sogar. Wenigstens konnte ich mir sicher sein, dass du nicht aus einer bestimmten Motivation heraus hier geblieben bist und überdies auch mit mir ge… geschlafen hast. Und du darfst ruhig weiterhin David zu mir sagen, auch wenn das inzwischen kaum noch einer tut.“

„Sagen wirklich alle Matthew zu dir? Deine Eltern auch?“

Er nickte: „Es hat sich mit der Zeit so eingebürgert.“

„Matthew…“, sie schien probieren zu wollen, wie ihr der Name von der Zunge ging.

„Möchtest du nun essen?“

 

Sybil schüttelte den Kopf: „Lass einstweilen. Ich… ich muss mir das alles erst durch den Kopf gehen lassen. Ich wollte mir nur eine Tasse Kaffee holen, wenn’s recht ist.“

„Natürlich. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“
Sie hob den Kopf und schaute ihn zum ersten Mal als Matthew an: „Vielleicht mich dann doch zu meinem Auto fahren, damit ich meine Sachen dort rausholen kann?“

„Gut, wenn auch ungern. Es ist nach wie vor ziemlich gefährlich rauszugehen.“

„Danke.“

Sie nahm den Kaffeepot in die Hand und ging wieder. Er vermutete, dass sie sich erneut nach oben in den Schlafraum zurückzog. Dorthin, wo sie sich beide in der Nacht ausgiebig geliebt hatten. Ein schmales Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er sich an die Szenen mit ihr im Bett erinnerte.

 

Er ließ ihr eine Stunde Zeit zum Nachdenken, dann rief er sie mit seiner sonoren Stimme, die das Haus sogleich mit dem charakteristischen Timbre erfüllte: „Sybil? Wenn du möchtest, fahren wir schnell, ja? Ich ziehe mich gerade an.“

Er erhielt keine Antwort, also ließ er seine festen Schuhe wieder fallen und stieg die Stufen nach oben. Vermutlich war sie eingeschlafen, was nicht verwunderlich war, da sie beide in der Nacht alles Mögliche getan hatten und Schlaf dabei zu kurz gekommen war.

 

Ihr Anblick machte all den Stress der vergangenen zwei Stunden wieder wett - Matthew musste sich schwer zusammenreißen, um sich nicht sofort zu ihr zu legen. Es war nämlich nicht abzusehen, wie sie darauf reagieren würde. Aber er konnte der Versuchung, sich zu ihr zu beugen und ihr einen Kuss auf den leicht geöffneten Mund zu geben, dann doch nicht widerstehen.

 

Sie erwachte prompt davon, fast so wie Dornröschen vom Kuss des Prinzen.

„Was… oh, verflixt, ich bin eingeschlafen.“

„Ja.“

Mehr sagte er nicht, weil er sie nicht überfordern und unnötig zutexten wollte. Sie strich sich die wirren Haare aus dem Gesicht und fragte mit leicht belegter  Stimme: „Für lange? Hast du…“, sie brach unsicher ab und schaute auf den Platz neben sich im Bett, was klar machte, wie die Frage hätte lauten sollen.

„Nein, ich bin gerade eben erst die Treppe hochgekommen.“

„Okay. Was gibt’s?“

„Wir fahren schnell rüber zu deiner Karre.“

„Ah, ja, das ist nett. Gib mir eine Minute, bitte.“

„Sicher doch. Ich bin unten und ziehe mir Jacke und Schuhe an.“

„Ähm… warte.“

Sie stand auf, näherte sich ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zaghaft: „Einmal retour, bis gleich.“

 

Die verkrampfte Stimmung lockerte sich offensichtlich und so pfiff er in deutlich gehobener Laune ein wenig vor sich hin, als er sich unten zum Gehen ankleidete.

Draußen genehmigte er sich eine Zigarette, die er im Schutz des Hauseingangs anzünden musste, was wegen des enormen Windes, der ums Haus fegte, nicht anders machbar war. Er hatte die Sucht recht gut im Griff; allerdings hatte er, was das Rauchen betraf, schon alles durchgemacht: Vom Kettenraucher zum Nichtraucher, vom Nichtraucher zum Wiedereinsteiger, und mittlerweile war er so etwas wie einem Genuss- und Gelegenheitsraucher geworden. Damit lebte es sich recht gut, wie er fand.

 

Sybil trat zu ihm und bevor sie noch einen Kommentar zum Rauchen abgeben konnte, wurde sie vom Wind erfasst und beinahe zu Boden gerissen. Halt suchend klammerte sie sich an Matthew.

„Ui, das pfeift aber noch immer hundsgemein heftig. Hier oben auf den Klippen ist man dem Sturm echt völlig schutzlos ausgeliefert, sobald man einen Fuß vor die Tür setzt. Dass dir die Kippe nicht wegfliegt, ist ein Wunder.“

Er hielt sie fest umklammert und blickte auf ihr zartes Gesicht herab. Den Rest seiner Zigarette überließ er der Naturgewalt des Orkans, beugte sich zu ihr und küsste sie, härter und fordernder denn je.

Sybil spürte den beißenden Wind nicht mehr, seine Arme waren wie ein Schutzwall um sie gelegt und hielten einen Großteil der Böen ab. 

 

Als sie wieder zu Atem kam, meinte sie nur: „Wie kann ein Mann nur so unglaublich gut küssen? Lernt man das auch, wenn man Schauspieler wird? Ich meine, man muss ja schließlich bei allen möglichen Gelegenheiten mit den Kolleginnen rumknutschen, weil’s das Drehbuch so verlangt, da gibt’s doch sicher Tipps für die Praxis in der Ausbildung, oder?“

Er lachte: „Nein, das ist etwas, was man uns bewusst verschweigt. Wenn es das erste Mal soweit ist, dass man vor laufender Kamera küssen muss oder ähnlich geartete romantischen Dinge tun soll, wird man einfach ins kalte Wasser geworfen.“

„Wie gemein! Und?“

„Was und?“

„Was macht man dann?“

„Meist macht man instinktiv das Richtige, denn an sich“, er küsste sie erneut, wenngleich diesmal weniger ausdauernd, dann sprach er weiter, „stellt es ja keine große Schwierigkeit dar.“

„Offensichtlich nicht, was dich betrifft.“

„Na ja, zumindest nicht, wenn es dir gelingt die zwanzig Leute, die gesamte Technik und das grelle Licht um dich herum halbwegs auszublenden, die das Ganze zu einem Horrortrip machen.“

„Armer Kerl.“

„Kein Scherz, ich stehe vor jeder romantischen Szene Todesängste aus, weil es wirklich unschön ist, dabei so extrem unter Beobachtung zu stehen. Aber sag mal, hat Bernard dich denn nicht liebevoll geküsst?“

Sybil sah Matthew voller Zweifel an: „Kein Vergleich. Der konnte einem Mädchen offenbar nur gierig die Zunge in den Hals stecken. Von Zärtlichkeit, Sanftheit und verdeckt brennender Leidenschaft hat man da leider nicht viel gemerkt.“

„Heißt das im Umkehrschluss, dass du das bei mir bemerkst?“

„Und wie! Ich habe jedes Mal Pudding in den Knien, wenn du mich nur in eindeutiger Absicht aus deinen blauen Augen ansiehst, vom Küssen – und dem gloriosen Rest - gar nicht erst zu reden.“

„Du hast mir meine Zurückhaltung bezüglich meiner Identität vergeben?“

„Restlos. Es war wirklich mehr meiner Beschränktheit zuzuschreiben. Und wenn jemand so küssen und eine Frau lieben kann wie du – dem verzeiht man so gut wie alles.“

„Na, wenn du meinst. Aber nun ein rascher Spurt zum Auto, damit wir hin und wieder zurück kommen, bevor es dunkel wird. Auf drei, ja? Eins… zwei… drei!“

 

Sie rannten Hand in Hand los und sprinteten zur Garage, in der sich das Auto zum Glück gut geschützt vorm Sturm befand.

Matthew sah Sybil an und hatte eine Idee: „Hör mal, ich versuche nun doch gleich einen Abschleppwagen kommen zu lassen, dann hätten wir das hinter uns und können – vorausgesetzt, du möchtest es nach der dramatischen Enthüllung meiner wahren Identität – in aller Ruhe noch das Wochenende hier genießen. Es bleiben uns mit morgen und übermorgen noch zwei komplette Tage. Am Montag muss ich aber nach London zurück. Termine.“

 

Sie schien kurz nachzudenken, nickte dann aber zu seinem Vorschlag: „Ja. Versuchen wir den Pannendienst zu erreichen, womit wir eine Kuh vom Eis hätten.  Was die andere Sache betrifft, glaube ich, dass ich weiß warum du mir nicht sagen wolltest wer du bist. Es ist nämlich so, dass ich nun, wo ich es weiß, ständig befürchte, dass du wiederum denken könntest, ich würde nur deswegen noch hier sein, weil du ein Star bist. Aber… das ist nicht so. Ich wusste es heute Nacht nicht, ich wusste es heute Morgen nicht und fand es einfach himmlisch mit dir.“

„Sybil, nicht doch, mir klingen gleich die Ohren.“

 

Er fuhr  den Wagen konzentriert die Auffahrt hinunter auf die Zubringerstraße und ergänzte dann mit einem kleinen, schelmischem Funkeln in den Augen: „Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass du nicht deswegen bleibst, weil ich Matthew Macfadyen bin, sondern allein deswegen, weil ich so verdammt gut küssen kann und ein Ass im Bett bin, stimmt’s?“

Sybil de Carteret prustete los und lachte so laut und ausdauernd, dass er Mühe hatte von unterwegs aus das Telefongespräch mit dem Pannendienst zu führen.

 






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