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Author's Chapter Notes:

 

Da die Story dem heutigen Tag gewidmet ist, kommt natürlich auch ein neues Kapitel heute raus. Hierbei machen wir uns die alte Weisheit zunutze, dass Liebe bekanntlich (auch) über den Magen geht! HAPPY VALENTINE'S DAY!










 

Sybil wusste nicht, ob sie ihm weiterhin trotzen sollte, weil er sie mit seinen ungnädigen Kommentaren ärgerte, oder besser um des lieben Friedens willen nachgeben sollte.

Da sie jedoch auf seine Gnade und Barmherzigkeit an diesem Abend angewiesen war, entschied sie sich rasch für die letztere Variante.

Seufzend warf sie die kuschelige  Decke von sich, erhob sich und fragte: „Also gut. Was genau schwebt dir bezüglich des Essens vor?“

Auf dem Weg in die Küche stellte er ihr die diversen Möglichkeiten fürs Dinner vor: „Es ist ganz einfach. Wegen des Sturms habe ich vorausschauend fürs ganze Wochenende eingekauft, jedoch könnte es ein klein wenig Probleme mit der Menge geben, da ich nicht mit einem Gast gerechnet habe. Ich hatte mir eigentlich für heute kurz gebratene und flambierte Jakobsmuscheln mit Tomatenbutter, Zucchini-Streifen und einem Klecks Kaviar als Vorspeise vorgestellt, danach ein gegrilltes argentinisches Rumpsteak plus Ofenkartoffel mit Sour-Cream, wobei es mit dem Fleisch für zwei Personen echt knapp wird, dazu bietet sich eine Grilltomate an. Als Nachtisch schlage ich eine Crème Bavaroise, abgewandelt und verfeinert mit gehobelten Mandeln und Kokosflocken, vor. Falls es mit dem Fleisch nicht ausreicht und der Hunger weiterhin groß ist, schieben wir einen Käse-Gang dazwischen. Anschließend ein Tässchen Espresso, versteht sich.“

„Versteht sich“, echote Sybil überrascht, „alles ganz einfach.“

Er hatte doch nicht wirklich vor, das nun alles zuzubereiten und zu kochen? Neugierig fragte sie nach: „Ich dachte, du würdest dich damit begnügen, eine Dose Ravioli aufzumachen oder so. Und nun, nach deinen Chefkoch-mäßigen Ausführungen vermute ich, dass du das Menu fertig bei M&S gekauft hast und es nur noch erhitzen und servieren musst. Wobei es total witzig ist, dass sich deine Stimme eigentlich genauso anhört, wie die von dem Typen, der die M&S Werbung immer spricht.“

Er zuckte zusammen und hätte sich beinahe mit dem scharfen Messer, mit welchem er die Vakuumverpackung der frischen Orkney-Jakobsmuscheln aufschlitzte, in den Finger geschnitten. Jetzt hieß es einfach nur ruhig bleiben und sich nichts anmerken lassen.

Gleichmütig erwiderte er: „Es wird alles frisch gekocht, Sybil.“

„Du hast nicht einmal die Tomatenbutter fertig gekauft?!

„Nicht einmal die. Wenn du möchtest, zeige ich dir wie sie gemacht wird. Es ist das Einfachste vom ganzen Menü.“

„Das dauert dann ja noch ewig mit dem Essen, wenn das alles erst noch richtig zubereitet werden muss.“

„Die Vorspeise können wir in spätestens fünfzehn Minuten essen, ich denke, so lange halten wir noch durch, oder?“

„So schnell geht das?“

Er nickte und stellte die Pfanne auf den Herd: „Oh ja.“

Sie hatte nach seinen präzisen Anweisungen die Tomatenbutter in nicht einmal fünf Minuten zusammengerührt und konnte nun die Finger nicht davon lassen.

Mit dem Stiel eines Teelöffels probierte sie wieder und wieder das Ergebnis ihrer eigenen Rührerei.

„Mhm, das ist deliziös und dabei so einfach. Was du da gerade in der Pfanne hast, riecht aber auch sehr gut.“

„Das will ich meinen. Ich habe meinen schottischen Verwandten so lange den letzten Nerv getötet, bis sie mir endlich einen vernünftigen Fischhändler für die Orkney-Jakobsmuscheln ausfindig gemacht haben.“

„Die kommen echt frisch von dort?“

„Natürlich. Sie waren zwar eingeschweißt, sind ansonsten aber absolut frisch´, denn sie haben die Kühlkette erst vor Kurzem verlassen.“

„Ich sehe schon, dass dir ohnehin nichts anderes als diese qualitativ hochwertigen und taufrischen Sachen auf den Tisch käme.“

„Ach, ich esse auch gerne mal ein Stück Toast mit Marmite, so ist das nicht.“

„Wie bescheiden. Wieso kannst du so gut kochen? Machst du das beruflich?“

Er warf ihr ein kurzes Lächeln zu, also hatte sie ihn wirklich nicht erkannt, was ihn irgendwie amüsierte.

„Nein, aber sollte ich mal arbeitslos werden, könnte ich vielleicht als Sous-Chef irgendwo anheuern.“

„Wenn du kein Koch bist, was arbeitest du dann?“

Er schluckte und sah schnell in seine Pfanne. Dort rührte er und flambierte dann geschickt die Muscheln mit einem hochprozentigen Whisky. Alles war in dieser Situation besser, als ihr antworten zu müssen. Er konzentrierte sich auf die Tätigkeit am Herd und überlegte währenddessen. Was sollte er ihr sagen?

Die Wahrheit wäre am einfachsten und doch scheute er sich davor.

„Ich… ich bin Schauspieler“, presste er schließlich undeutlich hervor und hoffte, damit so bescheiden und untertreibend gewirkt zu  haben, dass Sybil nicht allzu neugierig drauf wurde.

„Ach so. Scheiß Job, was? Rumtingeln, irgendwelche ollen Klassiker vor Schulklassen ableiern oder – wenn man Glück hat – in einer nichtssagenden Soap als derjenige mit einem Satz pro Folge auftreten. Ein Wunder, dass du dir das Cottage und das Essen leisten kannst. Musst lange dafür gespart haben. Oder vielleicht lag deine letzte Gage dann doch mal über der tausend Pfund Marke und du haust die nun gerade auf den Putz. Recht so.“

Über der tausend Pfund Marke – die Kleine war echt gut. Wenn sie wüsste, dass er nur noch höchst selten weniger als fünfhunderttausend Pfund für einen Kinofilm bekam…

Beim Fernsehen musste er zwar naturgemäß kleinere Brötchen backen, da gab es keine so üppigen Gagen, aber er gehörte spätestens nach Gewinn eines RTS- und eines BAFTA-Awards durchaus zur Elite der britischen Schauspieler, da wurde man auch vom Fernsehen gern mal hofiert. Auf der Theaterbühne lag die Sache nochmals anders, dort erwartete niemand einen Geldregen, es sei denn, er würde  ein Stück am Broadway spielen, was theatermäßig die Kassen deutlich klingeln ließ.

„Kein Wunder, dass du dich dann fast so anhörst wie der Typ von der M&S Werbung. Ihr habt doch alle Stimmbildung und so ‚nen Kram gemacht, denke ich mal.“

„Präzise. Und nun ist die Vorspeise fertig. Auf zu Tisch, Mademoiselle Sybil.“

Sie kicherte: „Annähernd die Klänge meiner Heimat, Monsieur.“

Er rollte unmerklich mit den Augen und entfaltete seine gestärkte Stoff-Serviette mit einer eleganten Geste, die an fast jedem affektiert und einstudiert gewirkt hätte, bei ihm aber vollkommen natürlich und selbstverständlich aussah.

Auch bei Sybil zu Hause hatte es oft Gourmet-Dinners oder Bankette gegeben, weil es eben das Amt des Vaters so verlangte. In der intimen Atmosphäre von Zweisamkeit - sie gemeinsam mit einem Mann am Valentinstag - hatte sie dergleichen aber noch nicht erlebt. Nicht in dieser Form zumindest und schon gar nicht mit einem Mann, der das leckere Essen selbst zubereitet hatte.

Sybil befiel plötzlich der Zauber, der diesem gesamten Szenario anhaftete, wobei auch das weiche Kerzenlicht, das nun den Essplatz beleuchtete, sein Übriges dazutat.

Sie verstummte und sog die Atmosphäre, inklusive der Vorspeise, die jedem Gourmet-Tempel Ehre gemacht hätte, in sich ein. Im flackernden Schein der Kerzen sah ihr Gegenüber ungeheuer attraktiv aus. Dass er sehr groß, fast schon bullig von der Figur her war, fiel im Sitzen am Tisch nicht mehr so auf. Hier sah er beinahe wie ein leicht über die Regelstudienzeit hinaus gekommener Student aus, wenn auch einer mit erlesenem Geschmack und feinem Gaumen. Ihr Pulsschlag erhöhte sich, doch sie schob es auf den vollmundigen Rotwein und den Whisky an den Muscheln.

Sie schrak auf, weil er ihr eine Frage gestellt und sie diese ebenso überhört hatte wie das Heulen des Sturmes draußen: „Wie bitte?“

„Ob es dir denn schmeckt, habe ich gefragt.“

„Ja, exzellent. Wirklich, es haut mich von den Socken. Ich habe noch nie jemandem, der auf diesem Niveau kocht, beim Zubereiten der Speisen zusehen, geschweige denn assistieren dürfen.“

„Dann darfst du dies gleich weiter tun, denn wir wollen uns jetzt an das Hauptgericht wagen.“

„Okay, ich komme.“

Langsam stand sie auf und folgte ihm zum Küchentrakt, ihren leeren Vorspeisenteller in der Hand haltend. Er nahm ihn ihr vor der Spülmaschine ab und bestückte diese mit den ersten Geschirrteilen.

Er holte ein Rumpsteak von beachtlicher Größe und augenscheinlicher Qualität aus dem Kühlschrank und legte es auf einen Teller neben den Herd, der außer vier Gasflammen auch einen Grillrost aufwies.

Während sie die Vorspeise verzehrt hatten, waren zwei dicke, um nicht zu sagen riesige Kartoffeln vorgegart worden, die er nun in Folie wickelte und in den Backofen schob.

Er wandte sich schließlich Sybil zu: „Die Sour-Cream, auf geht’s.“

Sie sah sich irritiert um: „Ähm, ja, wo ist sie? Im Kühlschrank?“

„Nicht doch, die machst du selbst.“

„Was? Die auch? Wie denn, um Himmels willen?“

Er grinste mit ein klein wenig Schadenfreude: „Sei kreativ!“

„Bitte, das kann ich nicht so ad hoc. Sei nett und hilf mir.“

„Also gut. Wir nehmen das kleine Töpfchen Clotted Cream, damit wir etwas Substanz haben, dazu einen halben Becher Creme Fraiche und einen halben Becher Cottage Cheese. Dazu etwas Buttermilch, Zitronensaft, Salz, Pfeffer und ein bisschen von diesem Bündel Schnittlauch. Das rührst du alles zusammen glatt, und voilà – hast du eine exzellente Sour Cream!“

„So einfach ist das? Ich bin beeindruckt.“

Sie rührte, bis sie ins Schwitzen geriet. Währenddessen ritzte er mehrere Tomaten kreuzweise mit einem scharfen Messer ein und legte diese wieder beiseite.

Sybil machte auf sich aufmerksam: „Ist das nun gut so?“

Er kam, steckte  einen Teelöffel in die von ihr angerührte pampige Masse und probierte.

Sein Gesicht hellte sich auf: „Prima. Etwas mehr Salz und Pfeffer, dann ist es perfekt.“

Da die Sour-Cream mehr oder weniger fertig war, legte er das Fleisch auf den nunmehr aufgeheizten Grill. Während dies auf der ersten Seite scharf anbriet, nahm er die Ofenkartoffeln aus der Röhre. Dann drehte er das große Steak um.

„Du kannst schon die Teller herrichten, es geht gleich los.“

Sybil tat rasch wie ihr geheißen und ließ je eine der großen Kartoffeln auf den Teller gleiten, öffnete die Alufolie oben und schnitt die dampfende Kartoffel längs auf. Darauf gab sie einen großen Klecks ihrer selbstgemachten Sour-Cream.

„Du kannst auch noch einen Stich Tomatenbutter dazugeben, das passt ebenfalls zum Steak und zur Grilltomate.“

Einen Stich? Was war das? Herrgott, er sollte nicht im Küchenjargon mit ihr sprechen, das war nicht ihre Welt.

„David, bitte, rede Klartext mit mir.“

„Dann eben Nocken.“

„Nocken? David!!!“

„Nimm zwei Teelöffel, stich‘ mit einem davon in die Butter – was der ‚Stich‘ gewesen wäre – und forme dann mit Hilfe des zweiten Teelöffels etwas, das einem Gnocchi ähnelt.“

„Du machst mich irre. Immerhin ist mir nun klar, was ein ‚Stich Butter‘ ist, danke.“

Wenige Minuten später saßen sie wieder am Tisch und aßen.

Sybil genoss jeden Bissen des zarten, rosa gebratenen  Rindfleischs, dieser Mann war ein echter Zauberer am Herd. Sie hatte darauf bestanden, dass er zwei Drittel der Fleischportion auf seinen Teller nahm und ihr nur ein Drittel des Rumpsteaks überließ. Nun bedauerte sie ihre Entscheidung, weil es so ungeheuer lecker schmeckte.

Mit ihrer Riesenkartoffel hingegen kämpfte sie, vor allem nach der bereits genossenen Vorspeise und wegen der doch ziemlich gehaltvollen Sour-Cream obendrauf.  

Und einen Nachtisch sollte es auch noch geben!

 






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