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Am nächsten Morgen wurde sie von dem Gezwitscher der Vögel geweckt. Müde rieb sie sich die Augen und richtete sich langsam auf. Wo war sie? Plötzlich hatte sie wieder die schrecklichen Bilder vom vorherigen Tag vor Augen, und sie erinnerte sich daran, dass ihre Flucht sie ins alte Forsthaus gebracht hatte.
Shaylee schlug die Decke zurück und stand auf. Was sollte sie jetzt bloß machen? Auf dem Tisch lag noch immer das angefangene Brot, sowie der zweite Apfel. Vorerst setzte sie sich an den Tisch, doch sie verbot sich etwas von ihren Vorräten zu nehmen. Dafür kam ihr die Idee im Wald nach Beeren zu suchen. Immerhin hatte ihre Mutter ihr gezeigt, welche Beeren essbar und welche ungenießbar waren. Entschlossen stand sie auf und trat nach draußen. Kalter Wind und einige Regentropfen kamen ihr entgegen. Trotzdem marschierte sie los.

Nach nur wenigen Metern war sie vom Regen total durchnässt, was sie allerdings wissentlich ignorierte. Shaylee bemerkte, dass es bei dieser Suche nicht länger nur darum ging Beeren als Nahrung zu finden, sondern auch darum, ihre Wut und Trauer zu verarbeiten. Den Blick starr auf den Boden gerichtet, nahm sie kaum war, was um sie herum geschah, bis plötzlich ein Pfeil an ihr vorbei sauste. Alarmiert schaute sie sich um, doch sie sah niemanden. Woher war der Pfeil gekommen und warum?
Sie blieb stehen, da sie plötzlich das Gefühl hatte, von irgendjemandem beobachtet zu werden. Und genauso war es, zwei große gelbe Augen hatten sie fixiert. Diese Augen gehörten einem großen grauen Wolf, der langsam aus dem Gebüsch heraus trat.
Ohne zu wissen, wie ihr geschah, rannte sie los. Vereinzelte Pfeile zischten an ihr vorbei. Sie hatte keine Ahnung von wem oder woher sie kamen. Doch sie merkte schnell, dass nicht sie selbst das Ziel war, sondern der Wolf hinter ihr. Sollte ihr schon wieder jemand helfen wollen? Shaylee wusste, dass sie kaum eine Chance hatte. Kurze Zeit später hörte sie auch schon einen weiteren Wolf hinter sich. Anscheinend hatte sie es tatsächlich geschafft, ein ganzes Rudel Wölfe auf sich aufmerksam zu machen. Stumme Stoßgebete sandte sie gen Himmel, möge Gott sie doch bitte ein weiteres Mal vor dem Tod verschonen. Doch der rettende Bogenschütze folgte ihr nicht weiter und ließ sie auf sich selbst gestellt zurück. Verzweifelt versuchte sie den Wölfen zu entkommen und fragte sich, warum der unsichtbare Bogenschütze ihr nicht weiter helfen wollte.
Sobald die Wölfe bemerkten, dass keine weiteren Pfeile mehr in ihre Richtung flogen machte der erste Wolf einen Satz und versuchte nach Shaylee zu schnappen. Sie konnte nur mit Mühe den gefährlichen Zähnen ausweichen und versuchte kurz nach dem Wolf zu treten. Doch davon ließ dieser sich nicht beeindrucken und schnappte ein weiteres Mal nach ihr. Dieses Mal jedoch verfehlten seine Zähne sie nicht und plötzlich spürte sie einen brennenden Schmerz in ihrer linken Wade und fühlte, wie etwas Warmes an ihrem Bein hinunter lief. Glücklicherweise konnte der Wolf sich nicht lange an ihrem Bein halten und Shaylee versuchte mit letzter Anstrengung zu der Hütte zurück zu gelangen, um sich vor den Wölfen in Sicherheit zu bringen. Sie knallte die Tür hinter sich zu, schob den Tisch davor und ließ sich erschöpft auf das Bett fallen. Die Wölfe umrundeten das Forsthaus und heulten immer wieder, verschwanden aber nach kurzer Zeit, da sie nicht in das Haus eindringen konnte.
Als Shaylee langsam zur Ruhe kam, und die Anspannung von ihr abfiel, kehrte der Schmerz zurück. Vorsichtig betrachtete sie die Wunde, die keine gänzlich oberflächliche Fleischverletzung mehr war, da der Wolf sich anscheinend tief in ihr Bein verbissen hatte. Sie konnte jedoch froh sein, dass es nicht schlimmer für sie ausgegangen war. Zu allem Übel hatte sie keinerlei Sachen, mit denen sie die Verletzung auch nur ansatzweise hätte versorgen können. Nach kurzem Überlegen riss sie ein Stück vom Bettlaken ab und band es sich um die Wade. Das musste jetzt fürs Erste reichen.

Ihre Mutter hätte sie dafür stark getadelt eine Wunde so zu behandeln. Ob sie noch am Leben war? Wie konnte der Sheriff ihre Eltern nur so bestrafen? Wenn King Richard im Land gewesen wäre, wäre dies nie passiert. Was machte ihr Leben jetzt eigentlich noch für einen Sinn? Ihre Familie, ihr bisheriger Halt im Leben, alles hatte sich mit einem Mal in Luft aufgelöst. Nichts war übrig geblieben, nur Ungewissheit. Salzige Tränen begannen an ihren Wangen hinunter zu laufen. Plötzlich schlugen ihre Emotionen in Wut um, die Hände formte sie zu Fäusten bis ihre Nägel in ihre Handflächen drückten und es schmerzte. Dies führte allerdings nur dazu, dass ihr nun auch noch der Kopf wehtat.
Untätig und in Gedanken versunken verbrachte sie den restlichen Tag in der Hütte. Von Zeit zu Zeit schlief sie ein. Doch nur, um von Alpträumen , die von ihren toten Eltern und von den Wölfen handelten, wieder aufgeschreckt zu werden. Als es draußen schon eine Weile dunkel war, hörte sie wie schon am Vorabend abermals ein Pferd wiehern. Wurde ihr wieder eine Ration an Lebensmitteln gebracht? Shaylee wartete noch eine Weile, bis sie vor die Tür lugte und tatsächlich, es lag wieder ein kleines Päckchen davor. Wieder war es mit Lebensmitteln gefüllt. Mit diesem Wissen, verschlang sie den Apfel vom Vortag sowie noch einige Stücke Brot. Wenn sie jeden Abend Essen bekam, brauchte sie schließlich nicht so sparsam damit umgehen zu müssen. Mit vollem Magen legte sie sich ins Bett. In dieser Lage pochte ihr Bein auch nicht mehr allzu sehr. Allerdings fiel ihr das Einschlafen aufgrund der Schmerzen um einiges schwerer, als am Abend zuvor. Dadurch begannen auch ihre Gedanken wieder zu ihren Eltern und zu ihrem mysteriösen Helfer zu schweifen, aber irgendwann fielen ihr dann ob dieser ganzen Gedanken doch die Augen zu.





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