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Pfeil nach Pfeil hatte Robin so schnell er konnte in seinen Bogen gespannt, um die junge Frau vor den Wölfen zu schützen. Doch er hatte nicht mehr viel Zeit, da Much immer wieder nach ihm rief.
„Master, kommt! Wir müssen uns beeilen, um die Vorräte unbemerkt in Locksley verteilen zu können.“
Ihm blieb keine Wahl. Eilig schoss er noch einen letzten Pfeil ab, dann verließ er sein Versteck hinter einem Baum und folgte Much und den anderen. Dieser Auftrag war viel wichtiger, als einer jungen Frau das Leben zu retten. Es blieb ihm keine Zeit mehr, noch einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden, er hoffte nur, dass sie sich selbst vor den Wölfen würde retten können.

Gisborne wurde rüde aus dem Schlaf gerissen, als ein Bote eintrat und ihm berichtete, dass der Sheriff ihn sofort sehen wolle. Trotz der Eile, die er daraufhin an den Tag legte, fand er noch den Zettel des Soldaten, welchen er in der Nacht zum Försterhaus geschickt hatte. Die Nachricht versetzte ihn in tiefe Besorgnis, doch bevor er dem nachgehen konnte, musste er zum Sheriff.
Dieser fuhr ihn mal wieder dafür an, dass er Robin Hood noch immer nicht gefangen genommen hatte und sich immer mehr Bauern gegen ihn auflehnten. Schließlich gab er ihm noch den Auftrag die Steuern zu erhöhen, um seine Untertanen noch mehr zu knechten. Dass er damit aber auch ihren Unmut noch vergrößern würde, war ihm jedoch relativ egal. Er musste sich damit nicht herumschlagen, dafür hatte er ja seine Handlanger, wie es Gisborne einer war.

Erleichtert sich wieder entfernen zu dürfen, wanderten Gisbornes Gedanken augenblicklich wieder zu der Nachricht und der jungen Frau im Wald. Wie hatte sie es bloß geschafft, sich so zu verletzen, dass sie nach Ansicht des Soldaten nun unter hohem Fieber litt? Er würde sich gedulden müssen, dies herauszufinden. Erst zu später Nachtstunde könnte er es wagen selbst hinaus in den Wald zu reiten.

Aufgewühlt von den Steuereintreibungen am Tag und den damit verbundenen Eindrücken , trat Gisborne erschöpft in seine Kammer. Es war neun Uhr und er würde noch mindestens drei Stunden warten müssen, bis er sich aus Nottingham Castle hinaus schleichen könnte. Tagsüber hatte er bereits Informationen von einem Arzt eingeholt, wie Fieber sich am Besten senken ließ und eine Fleischwunde zu versorgen war.
Rücklings ließ er sich auf das Bett fallen, den Blick starr an die Decke gerichtet. Seine Gedanken wanderten von Einem zum Anderen. Vor seinen Augen erschienen die traurigen und flehenden Augen der Bauern. Manchmal konnte er es einfach nicht mehr ertragen, wie die Menschen ihn mit Gräuel und Abscheu in den Augen ansahen, wie sie Angst vor ihm hatten. Manchmal war es ihm einfach zuwider. Aber er hatte nie eine andere Wahl gehabt, der Sheriff hatte ihn voll und ganz in der Hand. Sein ekelhaftes Grinsen schwebte als nächstes über ihm. Dann Robin Hood und Marian. Sein Verstand konnte ihm noch immer keine Erklärung liefern, warum Marian ihn wieder und wieder zurückwies. Sie seine Geschenke oftmals nur unter Druck annahm. Nur ein einziges Mal hatte er ihr tatsächliche Freude angesehen, als er ihr das Pferd geschenkt hatte. Und dabei liebte er sie doch und versuchte alles zu tun, um sie zu schützen. Er schloss die Augen und erblickte gleich darauf Marians Antlitz. Ihre braunen Augen sahen ihn liebevoll an, während ihre Haare im Wind wehten. Doch langsam veränderte sich dieses Bild. Die Haare wurden heller, die Augen färbten sich grau-blau und er erkannte das Mädchen, welches er hatte fliehen lassen. Ihr Vater war einmal sehr gut mit seinem Vater befreundet gewesen, das hatte er nicht vergessen. So war es für ihn eine Ehrensache gewesen, zumindest dessen Tochter zu schützen, wenn er auch diesem Mann und seiner Frau nicht hatte helfen können.
Energisch schüttelte er den Kopf und machte die Augen wieder auf.

Plötzlich wachte Shaylee schweißgebadet aus einem unruhigen Schlaf auf. Die Schmerzen waren unerträglich geworden. Die Haare klebten nass an ihrem Kopf, genauso wie die Kleidung an ihrem Körper. Sie hob die Bettdecke kurz an und konnte trotz der Dunkelheit erkennen, dass das Stück Stoff um ihr verletztes Bein längst durchgeblutet war. Dann hörte sie es plötzlich hart gegen die Tür klopfen. Erschaudernd setzte sie sich auf. Ob es wieder die Gestalt war, von der das Essen stammte? Aber warum klopfte sie diesmal und legte das Essenspaket nicht wieder vor der Tür ab? Mühsam stand sie auf, humpelte zur Tür und lehnte sich dagegen. Aber nicht ohne sich vorher ein Messer als Waffe von der Küchenablage zu nehmen. Nun spürte sie die Erschütterung der Tür direkt an ihrem Körper, während die Person draußen abermals klopfte.
„Kommt schon!“, fluchte leise eine tiefe Männerstimme. Daraufhin öffnete sie die Tür einen kleinen Spalt weit.
„Na endlich.“, sprach ihr Gegenüber aus. Verblüfft blickte Shaylee den schwarz gekleideten Mann an. Er hatte die Kapuze seines Mantels tief in die Stirn gezogen und trug eine Maske.
„Keine Angst. Ich möchte dir helfen.“, dabei sah er sie intensiv an. Sie konnte weder begreifen, was der Mann da gerade von sich gab noch wer er überhaupt war. Dennoch, sie wusste, dass sie Hilfe brauchte. Ihr Bein musste versorgt werden, bevor es sich vollends entzündete. Dass sie schweißgebadet aufgewacht war, deutete klar daraufhin. Doch sie konnte diesem Fremden nicht vertrauen. Woher wusste er von ihr? Es kam ihr zu seltsam vor, als dass sie ihn herein gelassen hätte.

Das Messer in der Hand der jungen Frau entging ihm keinesfalls. So viel konnte er trotz der Dunkelheit erkennen, jedoch gelang es ihm nicht, einen genaueren Blick auf das Mädchen selbst zu werfen, damit er erkennen konnte, wie schwer ihre Verletzung wirklich war. Er sah sie wieder erwartungsvoll an. Sollte er seine Maskierung abnehmen, damit sie ihn hinein ließ? Doch vermutlich würde sie ihn dann genauso wenig hereinlassen, wie es momentan der Fall war.

„Verzeiht, doch Sie müssen sich irren. Ich brauche Ihre Hilfe nicht.“, erwiderte Shaylee. Er verdrehte die Augen und trat zurück, woraufhin sie die Tür wieder schloss. Durch das Fenster konnte er noch beobachten, wie sie sich kraftlos wieder zum Bett zurückschleppte und sich hineinlegte. Ihre Verletzung musste wohl sehr schwerwiegend sein. Da sie ihn nicht hereinließ, er sich ihre Wunde aber unbedingt ansehen musste, würde er jetzt wohl warten müssen, bis sie schlief. Gisborne ging zum nächsten Baum, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und wartete.





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