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Als das Koa Kea Resort erreicht war, brach Casey in einen Ruf des Entzückens aus. Die im landestypischen Stil erbaute, schilfgedeckte, dreiseitige Anlage lag offen zur Poipu Bucht und verströmte mehr als einen Hauch von Luxus.

Sie drehte sich um und strahlte Ian an: „Ich hatte einiges erwartet, wirklich, weil ich mittlerweile weiß, dass der Tai Pan nur mit dem Allerbesten zufrieden ist, aber das ist einfach traumhaft schön.“

Er lächelte in seiner typischen, halb jungenhaften, halb zurückhaltenden, nicht zu durchschauenden Art zurück: „Es freut mich, dass ich deinen Geschmack getroffen habe.“

„Hast du. Aber natürlich ist das eine leichte Übung für dich, denn was Luxus ist, hat man dir ja schon mit der Muttermilch eingetrichtert.“

„Ich war ein Flaschenkind.“

Sie lachte trocken: „Immer einen Konter parat, ganz der eloquente Tai Pan.“

Er nahm sie fürsorglich am Ellbogen, und sie wusste, das bedeutete, dass er vom Thema ablenken und es am besten komplett wechseln wollte.

Genauso verhielt es sich auch, denn im Gehen meinte er betont munter: „Lassen wir uns das Zimmer zeigen und verschnaufen ein wenig von der anstrengenden Anreise, ja?“

„Ablenkungsmanöver?“

„Du kennst mich gut inzwischen. Ja. Aber ich fühle mich tatsächlich etwas zerknautscht, um ehrlich zu sein. Wie geht es dir?“

Es schwang echte Besorgnis in seiner Frage mit.

„Mehr als zerknautscht. Also schauen wir uns das Zimmer an.“

Zimmer war natürlich reichlich untertrieben, es war eine Suite direkt zum Meer hin, mit einem Ausblick, der mehr als himmlisch war.

Müde, aber glücklich sank Casey an Ians Brust: „Es ist herrlich hier. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, das Bett ruft nach mir.“

„Dann ruh‘ dich aus, Darling.“

„Und du?“

Er zuckte mit den Achseln: „Ich drehe eine Runde über das Anwesen, dann leiste ich dir Gesellschaft. Momentan bin ich noch ein wenig rastlos, obwohl ich auch rechtschaffen müde bin.“

„Bleib nicht zu lange weg.“

Er küsste sanft ihren Haaransatz an der Stirn, dann suchten seine Lippen ihren Mund.

Zwischen vielen hingehauchten und einigen intensiven Küssen murmelte er: „Wie würde ich denn… bin sehr schnell bei dir.“

Doch als Ian Struan-Dunross von seiner Runde über die Hotelanlage wiederkehrte, war Casey bereits fest eingeschlafen. Er lächelte nachsichtig, rückte sich einen Stuhl auf der Veranda zurecht, genoss das berauschende Panorama und schenkte sich einen ersten Drink ein.

Dann erst verspürte er, wie ihn die Müdigkeit überwältigte und er schlüpfte zu seiner Frau ins Bett, die leider Gottes einen extrem schönen, wenn auch ebenso extrem kitschigen Sonnenuntergang verpasst hatte.

Der Morgen des Valentinstages begann damit, dass der Room-Service ein von Ian persönlich ausgewähltes und zusammengestelltes Frühstück hereinbrachte. Casey räkelte sich schläfrig im Bett, während ihr Mann sich am Servierwagen zu schaffen machte.

„Happy Valentine’s“, hörte sie ihn sagen, was für sie das Signal war, endgültig die Augen aufzuschlagen.

„Oh“, entfuhr es ihr angesichts der exzellenten Frühstücksauswahl und des Rosenbuketts, das auf ihrer Bettdecke lag.

Dazu rauschte das Meer in einem stetigen, unaufdringlichen Brausen, denn die Verandatür war geöffnet und die salzhaltige Luft drang mit jeder Welle, die am Strand brach, in die Suite ein.

Sie betrachtete das Frühstück mit gemischten Gefühlen. Ihr war nicht immer danach, manchmal litt sie sogar jetzt noch unter Übelkeit, die jedoch nie so extrem ausgeprägt war, dass sie sich auf der Toilette erleichtern musste, die aber doch genügte, um ihr gelegentlich den Appetit zu verderben.

Ian forschte in ihrem Gesicht und ahnte es: „Keinen Hunger?“

„Hunger schon, aber ich kriege wahrscheinlich jetzt nichts runter.“

Er setzte sich zu ihr ans Bett und nahm ihre Hand auf: „Wie schade. Dir war schon lange nicht mehr schlecht, ich dachte, es hätte sich mittlerweile gelegt.“

„Das dachte ich auch. Ich führe es auf die Anstrengungen der Anreise zurück. Es bringt anscheinend einiges durcheinander.“

Sie nahm den Rosenstrauß in beide Hände und roch schnuppernd daran: „Wunderschön. Danke.“

Dann fiel ihr schlagartig etwas ein, denn sie beugte sich zu einer Tasche am Boden vor dem Bett hinunter und kramte darin.

Wieder auftauchend hielt sie Ian ein kunstvoll verpacktes Päckchen hin: „Happy Valentine’s auch für dich.“

Sein Schmunzeln verriet nur in den seltensten Fällen seine wahre Gemütslage, er hatte die meiste Zeit seines Lebens in China verbracht und war daher ein Meister der Verstellung, der Wahrung des Gesichtes, wie man es so schön ausdrückte. So war auch hier sein äußerer Ausdruck eher der einer Sphinx, obgleich er das Geschenk mit leichter Neugier beäugte.

Casey war ungeduldiger als er, was so oft der Fall war und was auch die Dinge in ihrer geschäftlichen Beziehung zueinander immer sehr spannend gemacht hatte und sicher weiterhin machte. Er, der offensichtlich unendlich geduldige, mit Ausdauer gesegnete Tai Pan; sie, die auf raschen Erfolg und schnelle Abschlüsse bedachte amerikanische Managerin.

Deswegen drängte sie ihn auch: „Was ist? Willst du es nicht öffnen?“

„Doch, aber ich wollte erst frühstücken. Das Rührei wird kalt, das Geschenk – so denke ich – wohl nicht.“

„Oh, du bist so furchtbar, Ian! Immer wieder kehrst du dieses unterschwellig Aristokratische heraus. Bist du denn kein bisschen neugierig?“

„Bin ich, aber ich habe gelernt, die Neugier zu beherrschen. Wie ich auch gelernt habe, anderen, ähnlich gearteten Schwächen nicht sofort nachzugeben.“

„Aber mir hast du sofort nachgegeben? Vor vier Monaten, im November?“
„Nicht sofort, aber ziemlich schnell. Es war fast unmöglich, sich deiner Anziehungskraft zu widersetzen. Und glaube mir, liebste Casey, so etwas passiert mir so gut wie nie. Ich habe mich immer gut im Griff.“

„Oh ja, dafür bist du nur allzu bekannt. Das Witzige aber ist, Ian Dunross: Du hattest dich eine Nacht lang wenig bis gar nicht im Griff und daraus ist prompt ein Kind entstanden.“

Er grinste vieldeutig: „Das erste Mal Macao.“

„Ja, Macao zum Ersten.“

„Ich hatte mich schon am Tag zuvor auf der Dschunke nicht sonderlich gut im Griff, da hast du aber den Kopf eingeschaltet und die Notbremse gezogen.“

Casey musste beinahe wider Willen loslachen: „Was vielleicht gut so war, sonst würden wir eventuell jetzt Zwillinge erwarten.“

Sein Lachen erfüllte nun die gesamte Hotel-Suite: „Den Göttern sei Dank, dass ich so eine vernünftige Frau habe! Wenn schon mein sonst stets funktionierender Verstand aussetzt und mir in die Hose rutscht, ist es wahrlich von Vorteil, dich an meiner Seite zu haben.“

Casey trank wenigstens eine Tasse Tee und fühlte sich danach um einiges besser. Ian frühstückte ausgiebiger und riss nach einer zweiten Tasse Kaffee endlich ein Geschenk auf. Es entpuppte sich als ein zusammengerolltes Schriftstück. Er rollte es auf und las den Inhalt mit gerunzelter Stirn:

Werkvertrag

Zwischen

Par Con Industries, Inc., mit Sitz in 620 Newport Center Drive, Newport Beach, Kalifornien, hier vertreten durch die Vorstandsvorsitzende Kamalian Ciranoush Tcholok-Dunross

und

Mr. Jerry D. Bailey

Berufsjockey, derzeit wohnhaft in 22 Serenite Lane, Muttontown, New York, hier vertreten durch sich selbst, wird folgender Vertrag geschlossen:

Das weitere Vertragswerk überflog er mit geübtem Auge, sofort erkennend, dass dieser weit über die Grenzen Amerikas hinaus bekannte Jockey für ein Jahr dem Noble House – auch wenn der Vertragspartner de fakto Par Con war - exklusiv seine Dienste anbieten würde.

„Oh mein Gott! Das hast du nicht wirklich zustande gebracht, Casey!“

„Doch, habe ich, wie du siehst.“

„Das bedeutet mir ungeheuer viel. Natürlich ist Tom Leung ein guter Ersatz für Alexei Travkin, aber das hier ist natürlich… da liegen nochmals Welten dazwischen. Noble Star wird nicht nur in Hongkong die Rennen gewinnen, wenn Bailey ihn reitet.“

„Das ist die Absicht, die dahinter steckt. Und er wird sich auch um einen guten Nachfolger für Noble Star bemühen, so ein Rennpferd kann nicht jahrelang die Nase vorn haben. Wir müssen an die Zukunft denken, auch als Rennstall.“

„Ich bin beeindruckt, Casey.“

„Bailey wird bereits als zukünftiger Präsident der US-Jockey-Vereinigung gehandelt.“

„Davon habe ich munkeln hören, ja.“

„Nun, wenn er in Hongkong fertig ist und seine Arbeit für den Rennstall des Noble House erfolgreich beendet hat, wird er das sicher auch. Ich denke, das gefällt dir, Ian Struan-Dunross: Nur das Beste ist gerade gut genug, ist das nicht deine Maxime?“

Ian fuhr sich mit der Hand durch das füllige, fast schwarze Haar, das an einigen prominenten Stellen mit wirkungsvollen grauen Strähnen durchzogen war. Zum ersten Mal hatte jemand vollständig ohne sein Zutun und ohne sein Wissen eine geschäftliche Transaktion für das Noble House getätigt. Das war ein Novum, eine Sache, an die er nicht gewöhnt war und er wusste in diesem Augenblick nicht, ob er sich jemals daran gewöhnen würde. Doch das war gerade nebensächlich, es war Valentinstag und Casey hatte ihm ein einzigartiges Geschenk gemacht, abgesehen natürlich von dem Kind, das sie unter dem Herzen trug.

„Ja, das trifft in etwa zu. Ich bin gerade ernsthaft am Überlegen, ob es dir – rein theoretisch gesprochen – möglich sein könnte, mich als Kopf von Struans abzusetzen. Ich sollte alle Verträge mit Par Con nachträglich auf diese Option überprüfen lassen.“

Casey merkte, worauf er hinauswollte, obwohl er einen durchaus humorvollen Unterton angeschlagen hatte: „Dann solltest du zuerst unseren Ehevertrag aus dem Safe holen und daraufhin durchgehen.“

Sie rückte näher zu ihm und strich ihm beruhigend über den Rücken, während sie weiterredete: „Wie? Der große Tai Pan hat Angst, seine Frau könnte ihm das Wasser abgraben?“

Bevor er antwortete, war ein kurzes Lachen seinerseits zu hören: „Nein. Wenn ich davor Angst haben müsste, würde ich als erstes sämtliche Anwälte von Struans entlassen und die von Par Con gleich mit dazu. Aber zugegeben, kam mir kurz der Gedanke, übergangen zu werden.“

„Würdest du mir das zutrauen?“

Er schaute sie forschend an und nickte dann fest: „Dir würde ich eigentlich alles zutrauen. Da ich dich aber liebe und dir auch vertraue, habe ich keine Bedenken.“

„Fällt dir das alles weiterhin schwer? Mir zu sagen, dass du mich liebst, dass du mir vertraust, zuzugeben, dass auch andere gute Manager sind und ein großes Firmen-Imperium leiten können?“

„Anfangs schon ein wenig, jetzt nicht mehr. Die Umgewöhnung ist mir nicht leichtgefallen, doch ich lerne jeden Tag dazu, was ja auch ein Vorteil ist. Aber es ist mir nie schwergefallen, dir zu sagen was ich fühle.“

Nun lachte Casey: „Doch, auch damit hast du dich schwergetan. Du hast am Telefon herum gestottert wie ein schüchterner Schuljunge.“

Ian protestierte schwach: „Nur die ersten Tage nachdem du weg warst. Ich war vom Abschiedsschmerz schier überwältigt.“

„Oh Ian, du lügst so schlecht. Geschäftlich bluffen kannst du hervorragend, aber du bist ein miserabler Lügner, was die rein privaten Dinge betrifft.“

„Wenn du das sagst… dann kann ich dir auch nicht verheimlichen, dass in einer Woche noch eine Überraschung hier auf dich wartet.“

„Ian! Was ist es? Was hast du vor? Der Aufenthalt hier ist schon mehr, als ich je erwartet habe. Und Anfang Januar habe ich ja schon den schicken Jaguar von dir bekommen.“  

„Und du hast mir einen neuen Jockey beschert.“

„Und ein Baby.“

„Ja, und ein Baby. Also, am 20. Februar kommen für die letzte Woche unseres Aufenthaltes noch Debbie und Orlanda her. Ich habe sie beide eingeladen.“

Casey war sekundenlang sprachlos, doch dann warf sie sich ihrem Mann gerührt in die Arme: „Das ist wundervoll! Damit machst du mir und sicher auch den beiden eine irre große Freude.“

Als sie sich eine ganze Weile später endgültig aus dem Bett erhoben und Casey sich etwas zum Anziehen für einen Strandspaziergang aussuchte, fiel Ian es auf. Er betrachtete ihre Silhouette im Gegenlicht vom Fenster her und unterdrückte nur mit Mühe einen für ihn mehr als unüblichen spitzen Schrei, dem einer Frau nicht unähnlich: „Casey!“

Sie blickte sofort alarmiert aus ihren Sachen auf, so ungewöhnlich war seine Aufgeregtheit: „Was ist denn? Alles in Ordnung? Du hörst dich an, als hätte dich jemand mit einer Nadel gepiekt. Gibt es hier noch so etwas wie Voodoo-Rituale? Kann es sein, dass zu Hause in Hongkong Quillan Gornt gerade mit diebischer Freude und diabolischem Grinsen im Gesicht eine Stoffpuppe von dir malträtiert?“

Er schüttelte den Kopf und quetschte dann fast heiser hervor: „Casey, dein Bauch wölbt sich nach vorne. Ich sehe es nun. Ganz deutlich.“

Sie lächelte: „Ich habe mich schon gefragt, wann man mir es wirklich ansehen würde. Und bei der Abreise in Hongkong habe ich bereits gemerkt, dass mir die Hose am Bund viel zu eng war. Gesagt hatte ich nichts, weil ich abwarten wollte, ob du es während des Urlaubs auch sehen würdest.“

„Oh ja, ich sehe es. Und ich freue mich so sehr auf das kleine Wesen, es sprengt gerade komplett mein Vorstellungsvermögen. Ich… ich habe so etwas noch nie gefühlt.“

Er kam nun auf sie zu und strich ihr sehr vorsichtig, fast ehrfurchtsvoll über die im Profil gut zu sehende kleine Wölbung.

„Kann man sich einen perfekteren Valentinstag wünschen?“

Casey schüttelte den Kopf: „Nein, kann man nicht. Es ist alles mehr als perfekt. Ich liebe dich. Sehr sogar.“

Ein weiterer, überaus leidenschaftlicher Kuss besiegelte diese ihre Worte.




Chapter End Notes:

 

Webseite des erwähnten Hotels auf der hawaiianischen Insel Kauai: http://www.koakea.com/

Ende
doris anglophil ist Autor von 80 anderen Geschichten.



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