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Das glückliche Paar vor der malerischen Kulisse des Hafens von Aberdeen (Hongkong Island)

Vier Etagen höher angekommen, trat er aus dem Aufzug und wurde von der Empfangsdame strahlend begrüßt: „Mr. Dunross, wie schön Sie zu sehen. Sie waren schon eine Weile nicht mehr hier bei uns, wenn mich nicht alles täuscht.“

Er lachte trocken: „Ja, Claire, ich glaube, es war vorgestern. Eine unglaublich lange Zeit, in der Tat. Ist meine Frau da?“
„Natürlich, Mr. Dunross. Soll ich Sie anmelden oder möchten Sie direkt durchgehen?“

„Ich kenne Sie, Sie werden, sobald ich um die Ecke hier biege, ohnehin zum Telefonhörer greifen und meine Überraschung ist dahin.“

„Dann verspreche ich hoch und heilig, dass ich nicht durchrufe.“

„Gut, Versprechen gilt.“

Dynamisch öffnete er die Bürotür ohne angeklopft zu haben und Casey zuckte am Schreibtisch zusammen, weil sie gerade in das Lesen eines Dokuments vertieft gewesen war. Leicht ungehalten blickte sie auf, doch als sie sah, wer sie da unangemeldet störte, wurden ihre Gesichtszüge deutlich weicher.

„Ian, was machst du denn hier? So eine Überraschung.“

Er warf sich auf einen Sessel in der Besucherecke und schüttelte den Kopf: „Mir gehört der Laden hier, schon vergessen? Par Con ist bei Struans nur Untermieter.“

Sie erhob sich und schritt forsch auf ihn zu: „So, so. Das gibt dem Herrn Tai Pan das Recht überall und plötzlich hereinzuplatzen?“

Diesmal nickte er aus voller Überzeugung: „So sieht es aus.“

Casey konnte sich das Grinsen kaum noch verkneifen, er war und blieb ein von sich selbst überzeugter Fatzke, der leider Gottes unverschämt gut aussah, steinreich war und sich das alles wie selbstverständlich erlauben konnte. Dagegen anzugehen war unglaublich schwer.

„Im Ernst, was verschafft mir die Ehre deines unerwarteten Besuchs?“

Er klopfte einladend auf das Polster neben sich: „Setz dich zu mir, dann erzähle ich es dir.“

Sie glitt auf den angebotenen Platz und schaute ihn herausfordernd an: „Bekomme ich keinen Kuss zur Begrüßung?“

Seine grünen Augen richteten sich verheißungsvoll auf ihre blauen: „Du bekommst mehr als das.“

Es dauerte keine Sekunde mehr, bis sie in seinen Armen lag und er ihr einen leidenschaftlichen Kuss gab.

Schwer atmend richtete sie sich ihr aufgestecktes blondes Haar und räusperte sich, bevor sie wieder in die Konversation einstieg: „Gut, das war ein Anfang, würde ich sagen. Was gibt es noch? Oder hast du mir nur aufgelauert, um mir diesen Kuss zu rauben?“

Er schnaubte: „Pah, rauben! Du hast ihn ja regelrecht verlangt. Aber ich will dich nicht länger zappeln lassen und von der Arbeit abhalten, vor allem, da auch ich dringend wieder an meinen Schreibtisch zurück muss: Wir treten eine Urlaubsreise an, stelle dich bitte auf zwei Wochen Abwesenheit ein.“

Sie war verblüfft: „Was? Ian, was wird das?“

„Das wird mein eingelöstes Versprechen von November. Urlaub.“

„A… aber wir waren doch erst in Macau. Ich kann nicht schon wieder hier weg und schon gar nicht für die Dauer von zwei Wochen.“

Sein Ton wurde hart und bestimmt, so wie man es von seinen geschäftlichen Besprechungen her nicht anders kannte: „Du kannst. Du wirst. Casey, wenn ich mich für eine solche Zeitspanne freischaufeln kann, wird es dir wohl auch gelingen. Komm schon, wir haben fähige Leute hinter uns, die das für die Dauer unserer Abwesenheit regeln werden.“

„Wohin soll es gehen, wenn ich fragen darf?“

„Darfst du nicht, das bleibt meine Überraschung. Aber du musst nicht allzu viel einpacken. Sommerliche Kleidung, Strandsachen, Freizeit-Klamotten, vielleicht etwas Schickeres für den Abend, aber alles ungezwungen. Ich veranlasse dann das Notwendige beim Personal auf dem Peak.“

„Vielen Dank, dass du mich überhaupt mit einbeziehst. Du hast also alles schon geplant, ja?“

„Natürlich.“

„Minutiös durchorganisiert, stimmt’s?“

Er nickte zustimmend.

Casey stand auf und begann, im Raum auf und ab zu gehen: „Sei mir nicht böse, ich weiß, dass es als Überraschung gedacht ist, aber… es fällt mir schwer, mich so spontan darauf einzulassen. Ich… ich bin ebenfalls gewohnt, alles durchzuplanen, für mich selbst zu denken und zu handeln. Wenn dies komplett von einem anderen übernommen wird, komme ich mir überfahren vor. Wann soll es denn losgehen mit der Reise?“

Er druckste einen Moment herum, dann rückte er raus mit der Sprache: „Am 13. Februar.“

Sie war mit einem rasiermesserscharfen Verstand gesegnet und durchschaute die Sache sofort: „Das ist in einer Woche schon, du liebe Zeit! Ich nehme an, das soll eine Sache zum Valentinstag werden, habe ich Recht?“

„Ja, das ist nur schwer zu verheimlichen, leider.“

Versöhnlicher gestimmt ließ sie sich wieder neben ihn auf dem Sessel fallen und schlang ihre Arme um seine Schultern: „Du verlangst mir vielleicht was ab. Also gut, ich sehe mal, was sich machen lässt. Da ich jedoch davon ausgehe, dass du bereits gebucht und gemacht und getan hast, vielmehr, dass Claudia das alles gemäß deiner Anweisungen erledigt hat – machen wir Urlaub.“

„Prima. Wegen des Fluges habe ich bereits mit deinem Gynäkologen gesprochen.“

Caseys Augen wurden groß: „Was hast du?“

Doch sie musste wider Willen lachen: „Du überlässt echt nichts dem Zufall. Ich stelle mir gerade vor, wie schwer es dir gefallen sein muss, Professor Sanderson oder seine Vertretung im Klinikum anzurufen. Oder hast du Claudia auch damit betraut?“

Ihr Mann wandte sich beleidigt ab: „Casey, ich bin erschüttert, wie wenig du mir zutraust. Selbstverständlich habe ich persönlich mit dem Professor gesprochen. Ich bin sehr wohl in der Lage, gewisse Dinge ohne Claudias Assistenz in Angriff zu nehmen.“

Ihre mühsam aufrecht erhaltene Ernsthaftigkeit fiel komplett von ihr ab und sie prustete los vor Lachen: „Oh, bitte, sei mir nicht böse, aber es ist gerade zu komisch. Oder hättest du es vor zwei Monaten für möglich gehalten, dass du freiwillig ein Telefongespräch mit einem Gynäkologen führen würdest?“

Ian barst ebenfalls in Lachen aus und japste nach Luft: „Nein, ich hätte jeden, der das von mir verlangt hätte, dreimal die Woche den Pool putzen lassen.“

„Sklaventreiber.“

„Was denkst du denn, weswegen sich das Noble House mehr als einhundertfünfzig Jahre lang an der Spitze der Hongkonger Wirtschaft behaupten konnte? Das war nur mit eiserner Härte möglich.“

„Gut, du Eisenhans, dann sollten wir beide uns mal wieder unserer harten Arbeit widmen. Sehen wir uns zum Lunch?“

„Ich fürchte heute nicht, ich muss zum Renn-Club, kurzfristig einberufene Sitzung. Aber du kannst ja trotzdem runterkommen, bei all der Fürsorglichkeit um dich und das Baby reißen sich ja alle hier im Haus förmlich drum, dir ein schmackhaftes Mittagsmahl zu servieren.“

„Ich weiß. Sie sind alle sehr nett.“

Ian Dunross erhob sich seufzend: „Ich muss los.“

Er küsste Casey, diesmal weniger feurig und nur kurz.

„Und du sagst mir wirklich nicht, wohin die Reise am 13. geht?“

„Erst wenn wir am Flughafen sind, denn dann lässt es sich ja nicht länger geheim halten.“

„Du bist gemein.“

Er strich ihr sanft über die blonden Haare, wandte sich dann aber ab und meinte im Gehen: „Nicht gemein, nur ungemein nett.“

Casey starrte ihm fasziniert hinterher, sogar dann noch, als die Tür sich schon längst hinter ihm geschlossen hatte.

Sie hatte eine Woche lang gebohrt und ihm Löcher in den Bauch gefragt, völlig umsonst. Er hatte natürlich nichts preisgegeben. Auch Claudia hatte sich lediglich in ein maliziöses Lächeln gehüllt und ihr gesagt, dass sie sich doch in dieser Angelegenheit am besten an ihren Mann wenden solle.

Casey Tcholok-Dunross hatte mit den Augen gerollt und sich in ihr Schicksal ergeben.

Sogar am Flughafen hatte Ian noch ein großes Geheimnis aus allem gemacht und bis zur letzten Minute vermieden, dass sie es früher als notwendig herausfinden würde. Erst als sie am Check-In-Schalter angekommen waren, ging es nicht mehr anders.

Sie staunte: „Wir fliegen nach Hawaii? Zwei Wochen lang? Ich bin mehr als beeindruckt.“

Er freute sich, dass der erste Teil der Überraschung so gut gelungen war. Wenn Casey wüsste, was sie noch alles erwarten würde… sein zufriedenes Lächeln vertiefte sich.

Beim Ankleiden für die Reise hatte sie übrigens zum ersten Mal festgestellt, dass ihr Hosenbund nicht mehr zuging. Diese Tatsache hatte sie allerdings für sich behalten und sie fragte sich, ob und wann es Ian auffallen würde. Im Urlaub konnte man das alles sicher noch gut kaschieren, da sie darauf geachtet hatte, sehr bequeme, luftige Kleidung mitzunehmen, die nirgends einengte. Von ihrer Modelfigur würde sie nun einstweilen Abschied nehmen müssen.

Es war nach wie vor faszinierend, in Hongkong vom Flughafen Kai Tak abzuheben, insbesondere am Abend. Man hatte dann das Gefühl, unmittelbar in die erleuchteten Wolkenkratzer hineinzufliegen. Wer eher ängstlicher Natur war und einen Fensterplatz hatte, schloss dann beim Start meist die Augen, bis man sich in einer gewissen Flughöhe befand.

Auch Casey hatte sich daran längst noch nicht gewöhnt, und während Ian lässig und entspannt neben ihr saß, entfuhr ihr ein kleiner Laut des Entsetzens, als man eine enge Kurve nahm und die Tragflächen dabei den Gebäuden verdächtig nahekamen.

Er nahm ihre Hand: „Es scheint nur so. In Wirklichkeit ist da noch etliches an Spielraum. Jeder Pilot, der hier startet und landet, hat eine Speziallizenz.“

„Ich weiß. Dennoch sieht es sehr waghalsig aus. Ich hebe ja erst zum zweiten Mal von hier ab, meine Erfahrungswerte sind also gleich Null.“

„Du wirst dich dran gewöhnen.“

„Vielleicht.“

„Die Landungen sind sehr viel komplizierter. Der Start hinaus aufs Meer ist da beinahe ein Kinderspiel dagegen.“

„Wie beruhigend zu wissen für unsere Rückkehr.“

„Komm, freuen wir uns auf den Urlaub und denken wir nicht an das, was in zwei Wochen sein wird.“

„Ich freue mich ja. Sehr sogar. Obwohl ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe wegen Par Con. Es wird vieles an Arbeit liegenbleiben, fürchte ich.“

„Nicht dran denken, Casey. Oder glaubst du, mir würde es mit Struans anders ergehen?“

„Natürlich nicht. Also, denken wir an Hawaii.“

„Brav. Du solltest nach der Zwischenlandung in Tokio ein bisschen schlafen, wenn es dir möglich ist. Und wir überfliegen mal wieder die Datumsgrenze, das ist wohl gleichbedeutend mit ein wenig Verwirrung.“

„Auf alle Fälle. Aber du solltest nachher auch schlafen, Ian.“

Er nickte zustimmend: „Ich nicke ganz sicher auch für ein Weilchen ein, falls ich nicht am gezeigten Film kleben bleibe.“

„Du liebe Zeit. Das ist doch meistens das beste Schlafmittel schlechthin.“

Er lachte, wobei seine makellos weißen und ebenmäßigen Zähne aufblitzten: „Stimmt auch wieder.“

Es ertönte ein Tonsignal und die optischen Anzeigen über den Passagiersitzen erloschen, was Ian dazu veranlasste, seinen Gurt zu lösen und noch ergänzend anzumerken: „Ging doch schnell jetzt mit dem Erreichen der Reiseflughöhe. Dann kann der muntere Run auf die Board-Toiletten ja losgehen.“

Dieser Satz trug ihm einen tadelnden Blick von seiner Frau ein: „Ian, bitte.“

Er ließ erneut seine einwandfreie Zahnleiste aufblitzen: „Wenn’s doch wahr ist.“

Sie lächelte milde: „Ich höre Derartiges nur höchst selten aus deinem Mund.“

„Bis heute wohl noch nie, wage ich zu behaupten. Aber ich bin im Urlaub, da lege ich den knallharten Geschäftsmann und elitären Tai Pan ab und zu mal ab.“

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“

Ian drückte ihre Hand: „Diese Dinge bewirkst in erster Linie du.“

Caseys Lächeln wurde breiter: „Charmeur. So, und nun mach mir mal Platz, denn ich gedenke nun am – wie sagtest du so schön – Run auf die Board-Toiletten teilzunehmen.“

Er lachte auf ihre Bemerkung hin laut auf und zog gehorsam seine Beine zum Sitz hin, damit sie an ihm vorbeikonnte.

Nach vier Stunden Flug war Tokio erreicht, wo sie eine Stunde Aufenthalt hatten. Das tat recht gut, denn man konnte sich vor dem längeren Weiterflug nach Honolulu noch einmal die Beine ordentlich vertreten.

Gegen 23 Uhr Tokioer Zeit wurde der Weiterflug angetreten und da man ostwärts flog, verlor man an Zeit. Eine Stunde Differenz waren es schon zwischen Hongkong und Tokio gewesen, zwischen Japan und den hawaiianischen Inseln gab es nochmals einen Unterschied von fünf Stunden – und nun kam das Verwirrende – aber bei denen war es erst der 13. und nicht der 14. Februar! Alles, was man beim Flug gen Osten verloren hatte, gewann man reichlich durch das Überschreiten der Datumsgrenze in dieser Richtung wieder hinzu.

Und noch ärger gegen alle menschliche Natur und Vernunft war der Umstand, dass man zwar einen Nachtflug antrat, dieser aber sich sehr rasch in einen frühmorgendlichen Flug verwandelte. Die Nacht währte also leider nicht sehr lange und schlafen war nur mit abgedunkeltem Fenster und dem Anlegen der durch die Airline bereitgestellten Schlafmasken einigermaßen möglich.

Ian mochte diese Masken nicht und klammerte sich daher eine ganze Weile lang eisern an den Spielfilm im Board-Kino, stöpselte dann aber irgendwann auch seine Kopfhörer aus und nickte endlich ein.

Als man kurz vor Mittag des 13. Februar in Honolulu aus dem Flieger stieg, hatte man also mehr als einen ganzen Tag gewonnen, da man in Hongkong am 13. Februar gegen 18 Uhr am Abend losgeflogen war. Ian Dunross irritierte das kaum, er fand es sehr angenehm und clever, dass man diesen Tag zweimal erleben konnte. Dadurch war ihm auch erspart geblieben, dass er mit Casey unterwegs im Flieger in den Valentinstag hätte hinein feiern müssen.

Sie waren beide redlich müde und erledigt, mussten natürlich aber noch auf ihren Inlands-Anschlussflug zur Insel Kauai warten. Der würde aber zum Glück nur noch etwas mehr als eine halbe Stunde dauern und ebenso viel Zeit würde man dort für den Transfer zum Hotel brauchen.

Während Ian sich im Flughafen-Terminal von Honolulu eine Tasse Kaffee genehmigte, trank Casey einen frischgepressten Fruchtsaft-Cocktail. Die Temperaturen waren angenehm, noch einmal deutlich wärmer als in Hongkong und was das Wichtigste war: Die Sonne schien!

Palmen wiegten sich in der immer wehenden Brise des Pazifischen Ozeans und Ian zog das leichte Jackett aus und hängte es sich lässig über den Arm. Endlich wurde der Weiterflug aufgerufen und Casey und er traten den Weg zum Inselflieger an.






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