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Lucas



Das Treffen mit Harry und seinen drei Agenten findet am Themseufer im Eastend statt. Eoin hat „zur Tarnung“ den kleinen Terrier dabei, der an der Leine aufgeregt hoch und runter springt, als sei er ein Gummiball. Spaziergänger sind hier nicht ungewöhnlich. Obwohl ich mich frage, wie man hier freiwillig spazieren gehen kann.

Das Ufer ist steinig, übersät mit allem Abfall, den man sich nur vorstellen kann, der Fluss müffelt. Aber hier spielen tatsächlich Kinder und Leute schicken ihre Hunde Gassi. Mir wäre das allein schon wegen der Flaschenscherben zu gewagt.

Wir tauschen Informationen aus und beschließen, dass Eoin und ich mit Johns und Laylas freiwilliger oder unfreiwilliger Hilfe versuchen, an Millhouse heranzukommen. Ich freue mich jetzt schon darauf, Mr. Millhouse einmal persönlich zu treffen.


Die MI5 Jungs übernehmen das Aufspüren und Vernichten der Viren. Eoin, der grade einen Schritt über einen schnarchenden Obdachlosen macht, weist sie an, besonders vorsichtig zu sein.


Schließlich trennen sich unsere Wege. Eoin und ich kaufen uns einen Kaffee und ein Stückchen und setzen uns auf eine Bank. Er klopft mit einer Hand auf seinen Oberschenkel und der Terrier hopst auf seinen Schoß.

„Vermisst Du Deinen alten Job?“

Ich beobachte, wie das Vieh Pfotenspuren auf seiner Jeans hinterlässt.

„Ja. Weißt Du, es ist mein Leben, irgendwie. Es gab mir Halt, als ich nach 8 Jahren freigelassen wurde. Ich hatte immer das Gefühl, etwas Wichtiges zu tun. Auch wenn Privatleben kaum stattfindet.

Ich weiß gar nicht, wie ich es erklären soll. Du musst mich für ziemlich oberflächlich halten, dass ich mich für ein Leben entschieden habe, bei dem alles nur eine Ansammlung von Lügen und Halbwahrheiten ist. Ich meine, ich habe sogar meine Frau ständig belügen und betrügen müssen. Trotzdem habe ich sie geliebt.“ Ich zucke mit den Schultern. Er muss mich wirklich für den feigsten und verlogensten Menschen halten, den er je getroffen hat.

„Liebst Du Elisavieta noch?“ Er teilt seinen Doughnut mit dem Hund.

„Ich weiß nicht. Ich denke, ich habe akzeptiert, dass sie eine neue Familie hat und ich in ihrem Leben keine Rolle mehr spiele. Es ist sicherlich das Beste für sie ...“

Ich beiße in mein Muffin und oh! Moment mal!

„Woher kennst Du den Namen meiner Ex-Frau???“

Eoin lächelt mich an. „Aber Lucas, Du solltest doch am allerbesten wissen, dass Dinge selten das sind, was sie zu sein scheinen.“

„Wer bist Du eigentlich wirklich? Ich meine, Du hast versucht, John zu töten und trotzdem traut er Dir. Ich kenne Dich nicht, aber ich traue Dir. Also, wer bist Du?“

„Ich wollte John töten, weil ich annahm, er sei der Soldat gewesen, der meine Familie getötet hat.

Aber er hat es nicht getan.“

„Wenn Du heute herausfinden würdest, wer es getan hat und die Person wäre noch am Leben, würdest Du sie töten wollen?“

Er streichelt dem Hund den Kopf, sieht mich ganz ruhig an und ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen. „Natürlich.“

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“

„Welche?“

Seufz. „Wer Du bist!“

„Lucas, weißt Du, was ein Dark Angel ist?“

„Nie gehört. Klär mich auf.“

„In der Parapsychologie nennt man so Bildnisse von Engeln, die ihren Besitzern Unglück oder Tod bringen. Aber geschichtlich gesehen, auch Engel, deren Erscheinen ein Omen für Unglück oder Tod ist.“

„Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass Du Caspar und Hui-Buh jagst und mit einer Planchette Botschaften aus dem Jenseits erwartest.“

„Lucas, ich bin kein Parapsychologe und auch kein Geisterjäger. Aber dort drüben scheinen sich zwei Herren auffällig unauffällig für Dich zu interessieren. Ich schlage vor, wir gehen, bevor ich wirklich ein Ouija-Board brauche, um mit Dir Kontakt aufzunehmen.“

Ich schaue kurz über die Schulter und verstehe, was er meint. Wir stehen auf und steuern die nächste U-Bahn-Station an. Das Gewühl an Menschen und Tunneln ist hilfreich, um Verfolger abzuschütteln.

Ohne dass wir uns absprechen müssten, beobachtet jeder von uns einen bestimmten Sektor.

Ich verlasse mich schon wieder blind auf ihn.

„Ist Eoin eigentlich Dein richtiger Name?“

„Gelegentlich.“

„Aber...“

„Lucas, das ist wohl kaum der geeignete Moment, um Dir meine Lebensgeschichte zu erzählen.“

Auch wenn unsere Verfolger nicht mehr zu sehen sind, heißt es nicht, dass wir sie schon los sind.

„Ich will nur wissen, wer oder was Du bist!“

Wir stehen uns gegenüber, als hätten wir momentan keine anderen Probleme. Ich unnachgiebig und er mit der Geduld eines Lehrers, der versucht, einem begrenzten Schüler zum x-ten Mal eine Aufgabe zu erklären.

Er lächelt und sieht in dem Moment gleichzeitig traurig aber auch umwerfend gut aus. Er hat eine fesselnde Ausstrahlung.

„Ich bin ein Dark Angel.“

Er gibt mir einen kräftigen Schubs und ich stolpere zurück, falle über eine Absperrkette und ein paar Stufen herunter und komme auf einem schmalen Weg, der von Bahnarbeitern genutzt wird, zum Liegen. Nur knappe 10 cm von der stromführenden Schiene entfernt. Unter meiner Wange rennt empört quiekend eine Ratte davon und zieht mir ihren Schwanz durchs Gesicht. Noch während ich falle höre ich einen Schuss und Passanten schreien. Die beiden Kerle, die mich verfolgen, laufen im Gang über mir vorbei. Einer von ihnen steckt gerade wieder seine Pistole in den Hosenbund. Ich rapple mich hoch, klopfe mir Dreck und Zigarettenstummel von den Klamotten.

Ich wäre ihnen gerne gefolgt, aber es wird höchste Zeit, dass ich mich John in Verbindung setze.

Ich habe so ein Gefühl, als würde die Zeit knapp.







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