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Author's Chapter Notes:
Abschiede tun weh








73.

Richard wachte auf und merkte, dass sie weg war.
Er stolperte die Treppen hinab und fand sie in der Küche.

Ein Stich in der Herzgegend sagte ihm, dass er sie immer so sehen wollte, die Haare zerzaust an der Anrichte gelehnt, leise summend, während das Morgenlicht sie vergoldete.

Er wollte sie an seiner Seite wissen und es ihm graute vor den langen Nächten in einem fremden Land wo sie sich nicht um ihn kümmern würde.

Natürlich war es fast schon frauenfeindlich es so zu genießen, dass sie morgens aufstand um ihm Kaffee zu machen, um ihn zu verwöhnen, aber er würde es ihr tausendfach vergelten.

In diesem Moment wollte er sie mit Gold, Silber und Geschmeiden überschütten, er wollte Frieden zu ihren Füßen finden und sein Herz auf dem Altar ihrer Güte opfern.

Sie drehte sich um und lächelte ihn mit einer solchen ergebenen Wärme an, dass er automatisch auch lächelte.

„Willst du Kaffee? Sue hat Brötchen und Gebäck von gestern dagelassen.“

Sie goss ihm Kaffee aus und strich mit der Hand fast mütterlich über seinen Kopf.

„Oh ich wünschte du würdest das nicht tun.“
„Was denn?“ Sie sah überrascht auf als sie die Brötchen aus dem Ofen holte die sie aufgebacken hatte, natürlich streng den Notizen folgend die Sue hinterlassen hatte.

„So unglaublich süß und liebevoll sein. Ich sehe schon kommen, dass meine Arbeitskollegen dich anrufen müssen, weil ich vor Heimweh heulend in meinem Zimmer hocke.“

Er lächelte spöttisch, aber ein Teil von ihm wusste, dass er der Wahrheit gar nicht so fern war.

„Nicht doch Schatz. Du bist mein Freund, erinnere dich daran, und ich habe jedes Recht dich zu verwöhnen. Ich liebe dich und will, dass es dir gut geht.“

Er lächelte wehmütig und stand auf um sie zu küssen.

Oh hier war eine Frau die keinen Gedanken daran verschwendete ob sie in ihrem Trainingsanzug sexy aussah oder ob ihr Haar gut saß, sondern die einfach nur in seinen Armen schmolz und ihn mit ihrer Liebe überhäufte.

 

Sie ging mit ihm rüber, half ihm seine Koffer zu packen und ließ sich soweit es ging nichts von all diesem Schmerz anmerken, den sie tief in sich vergrub.

Als der Moment des Abschieds nahte, riss sie sich zum tausendsten Mal an diesem Nachmittag zusammen.

„Ich mach mich jetzt auf den Weg. Ich melde mich.“

Er ließ den Koffer fallen, drückte ihr seinen Hausschlüssel in die Hand und lächelte sie traurig an.

„Ich…komme bald zurück.“ Versprach er und sah all die Tränen die sie zurückdrängte in ihren Augen leuchten wie ein Mitternachstsee.

„Ja.“ Sprach sie mit erstickter Stimme, begleitete ihn bis vor die Tür.

„Ich liebe dich. Vergiss das nicht Liebste.“

Wie könnte sie das vergessen?

„Hast du alles?“ fragte sie scheinbar distanziert.

„Ich denke schon, außer dem Wichtigsten habe ich alles eingepackt.“

„Hast du deinen Ausweis? Pass? Papiere? Medikamente? Socken? Unterwäsche? Verhütung?“

„Ja, und Verhütung brauche ich keine, da du hier bleibst.“

„Man weiß ja nie.“

Sie schämte sich ihrer niederen, dreckigen Eifersucht, aber er war zu schön um allein zu bleiben in den langen Stunden der Nacht.

„Nein, das weiß ich ganz sicher. Wenn du kommen solltest, was ich nicht annehme, dann bringst du einfach was mit, ja?“
Er nahm sie in die Arme und küsste sie lange, aufreibend, aufreizend und verzweifelt.

„Du bist die Einzige die jetzt noch von Bedeutung ist und ich vermisse dich jetzt schon so sehr, dass es mir den Atem verschlägt.

Versprich mir nicht eine Sekunde lang an meiner Liebe zu dir zu zweifeln.

Oder hast du vor mir untreu zu werden?“

Salome lachte humorlos auf.

„Mit wem wenn ich fragen darf? Es ist nicht so als würden mir die Männer jetzt auf einmal die Bude einrennen Liebling.“

„Man weiß ja nie.“ Er lächelte, doch insgeheim machten ihre Worte ihm Sorgen.

Er wollte sie nicht verlieren und auch ihn machte es nervös sie hier zu lassen.

Einen abwesenden Freund vergisst man leicht, das wusste er aus Erfahrung.

 

„Aber Richard, wenn du jetzt in den Wagen steigst, dann nimmst du die Hälfte meines Herzens und die meine ganze Liebe mit dir.

Es gibt niemanden der mich das vergessen lassen könnte und ich werde mich jede Sekunde nach dir sehnen.
Sei dir meiner Treue sicher.“

Erleichtert küsste er sie erneut, wollte sie gar nicht mehr loslassen, wollte sie nicht gehen lassen.

Es gab so viel was er ihr sagen wollte, aber er wusste nicht wie.

„Sei ein guter Zwerg.“ Spottete sie leise und er sah sie grimmig an.

„Du findest das wohl sehr lustig.“

„Ja, ich als geborene Zwergin, finde das sehr lustig.“ Stimmte sie ihm zu und kicherte.

„Pass auf dich auf.“ Sprachen sie dann wie aus einem Mund und lachten.

Salome hielt sich an ihrer inneren Stärke fest, spürte aber wie die Wand die sie um dieses Meer der Verzweiflung gebaut hatte bröckelte, bald würden alle Dämme brechen und er würde das ganze Ausmaß ihrer weiblichen Angst und Schwäche erkennen.

Sie hielt die Luft an, weil sie befürchtete sonst laut schreien zu müssen.

Das Taxi kam an, ein letzter Kuss, ein paar gemurmelte Worte.

„Nein.“ Wollte sie weinen, sie wollte mehr, sie wollte dass das hier weiterging und sie hasste seine Arbeit in diesem Moment.

Alles was sie Sue gesagt hatte entpuppte sich als Illusion, denn ja, es zerriss sie ihn gehen zu sehen und sie wäre fast zusammengebrochen.

Aber sie wollte nicht, dass er sie erneut so sah, wollte ihm nicht als Bild des Abschieds eine gebrochene Frau zeigen, die nicht fähig war ohne ihn zu leben und so riss sie sich ein letztes Mal zusammen.

Das verzweifelte Aufbäumen ihres Willens streckte ihre Wirbelsäule und sie sah ihm stolz und wehmütig nach als das Taxi davonfuhr.

Sofort spürte Richard wie die Kälte Londons mit eisigen Fingern nach ihm griff, wie die Nebelschwaden durch jede Ritze drangen und sein Herz wie einen nassen Lumpenhaufen erzittern ließen.

Das war also die Welt ohne sie: nass, grau und kalt.

Er hatte sich nie für außergewöhnlich mutig gehalten, aber er hätte jeden Moment der Angst noch einmal durchleben wollen wenn er nur zurück zu ihr könnte, jetzt.

Er fühlte sich tatsächlich wie ein Kind das man gegen seinen eigenen Willen ins Ferienlager gesteckt hatte und das jetzt vor Heimweh und Sehnsucht weinen mochte.

Gebrochen schleppte er sich in den Flughafen hinein und fragte sich was sie wohl tun mochte oder an was sie dachte.

 

Salome zerrte ihre schweren Füße über den Bürgersteig.

Ihre Kraft war aufgebraucht und sie fühlte sich hohl und wund.

Jeder Schritt löste ein Erdbeben in ihrem Herzen aus und es war ihr als müsste sie zerbrechen wie eine Skulptur aus Glas und Eis wenn sie nicht bald ankam.

Vor der Tür kauerte Sue, die Augen weit aufgerissen und frierend.

„Was machst du hier?“ murmelte Salome mit brüchiger Stimme.

„Ich…keine Ahnung, mein Schlüssel liegt drinnen.“ Wisperte Sue und sah Salome aufmerksam an.

Und dann brach etwas in Salome als sie das Mitleid in den Augen der Freundin erkannte.

Kraftlos ließ sie sich auf den Boden fallen, rollte sich zusammen und begann laut und schluchzend zu weinen.






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