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91.

Oh ja, die war auf Zack, dachte Parker und betrachtete Salome ernst.

Salome Anne Praskovia Balthasar, er hatte sie nachprüfen lassen, keine Vorstrafen, einige Strafzettel und die Schwester eines gewissen Gregori Balthasar.

Die Mutter Anya war zum zweiten Mal verheiratet, mit einem gewissen Gustav Schneider, der tote Täter war Matthias Schneider, Sohn des Stiefvaters.

James rieb sich über den Unterarm und schüttelte langsam den Kopf.

Matthias war von der Schule geflogen, war arbeitslos gewesen und hatte noch bei seinem Vater und dessen zweiter Frau gelebt.

Salome hatte dagegen einen Abschluss in Literatur und einen Job als Kolumnistin, sie lebte in London und wohnte tatsächlich in der direkten Umgebung dieses alten Irren den sie hartnäckig als den „Nachbarn“ betitelte.

Parker war sich ziemlich sicher, dass da mehr war, denn er kannte keine Frau die für ihn ins eiskalte Wasser springen würde, nicht einmal seine Ex-Frau.

Seine Ex-Frau, er lächelte innerlich, seine Ex-Frau würde sich ein Bein abreißen um jetzt hier zu sein, aber seine Ex-Frau war nicht hier weil sie sich von ihm hatte scheiden lassen.

Sie hatte diese Männer so sehr bewundert und mit ihren 35 Jahren wäre sie sicher auch eine angemessenere Partnerin gewesen als diese kleine Frau die wortlos auf dem Tastenfeld herumtippte.

James konnte sich nicht einmal vorstellen was für ein Gefühl es sein musste seiner eigenen Mutter sagen zu müssen, dass sie einen Mann getötet hatte, vor allem einen Mann der zu ihrer Familie gehörte.

Auch konnte er nicht verstehen was diesen Jungen dazu bewegt hatte seine Stiefschwester und einige sehr bekannte Männer derart anzugreifen.

Aber diese Salome hatte Recht, wenn sein Chef sofort eingegriffen hätte, wäre Matthias vielleicht noch am Leben und wie immer und überall im Leben würde diese Geschichte unter den Teppich gekehrt werden wenn der Vater des Jungen jetzt keinen Zirkus machte.

Weil man die Namen der Opfer und den guten Ruf der Polizei nicht in Gefahr bringen wollte und weil sowieso kein Gericht auf der Welt Salome dafür verurteilt hätte weil sie einen gefährlichen Amokläufer, Mörder und Entführer getötet zu haben.

 

Man rollte Armitage wieder herein und Parker sah sich ihn genau an.

Der Arzt nickte ihm kurz zu und er folgte ihm unauffällig, nun zumindest so diskret wie er konnte, denn alle Augen folgten ihm.

„Und?“ fragte er den müden Arzt leise.

„Prellung im Abdomen, der Kerl hat ihn mit aller Kraft getreten.

Glatter Durchschuss durch das linke Bein, ich denke der Schütze war Rechtshänder, denn es war ein stümperhafter Schuss der nur durch Glück das Bein getroffen hat.

Haarscharf am Knochen vorbei.

Ansonsten Übermüdung, Blutverlust und Unterkühlung.

Wer hat ihn da rausgeholt?“

Parker zeigte mit dem Daumen über die Schulter.

„Salome B., die Kleine mit der Bisswunde im Arm.“

Der Arzt sah ihn verwundert an, hielt eine Schwester an und sprach einige leise Worte.

„Das kann fast nicht sein. Er musste enorm schnell aus dem See raus sein, denn ansonsten wäre er jetzt tot. Er sagt er hätte immer wieder das Bewusstsein verloren, aber seine Temperatur war nicht tief genug.

Er muss nicht mehr als eine Viertelstunde, zwanzig Minuten da drin gewesen sein.“

Parker hob die Augenbrauen, Salome müsste eindeutig erschöpfter sein.

„Ich weiß es nicht, ich war nicht da…wir…hatten einige Kommunikationsschwierigkeiten.“

Der Arzt nickte als verstünde er, dass die Polizei nicht sofort so reagiert hatte wie sie hätte reagieren müssen.

„Wird er wieder?“ erkundigte sich Parker dann ohne dass es ihn wirklich interessiert hätte.

„Ich denke doch. Ich weiß nicht wer das war, aber irgendjemand hat da wirklich gut und schnell reagiert.“

„Sagen Sie das den Frauen selbst bitte.“

 

Als Dr. Karl eintrat, hielt Sue ihren Finger an die Lippen.

Salome zitterte als sie die Stimme ihrer Mutter vernahm.

„Salome? Wie geht es?“

„Mutter…Ich…“

Wie sollte sie ihrer Mutter das jetzt sagen.

„Mutter weißt du wo Matthias ist?“

Die Mutter schluckte und Parker machte Salome ein Zeichen das Gespräch auf Lautsprecher zu stellen, was sie nur widerwillig tat.

„Er…Oh Gott, Salome er ist vor ein paar Tagen weg und er hat den Revolver seines Großvaters mitgenommen. Denkst du er will dir etwas antun?“

Die Angst der Mutter, die ehrliche Besorgnis in ihrer Stimme, schnürte Salome die Kehle zu.

„Nein Mutter, ich weiß es mit Sicherheit. Ich habe ihn heute erstochen.“

Anya schluchzte leise auf und ein Schrei wie der eines sterbenden Tieres erklang hinter ihr.

Gustav, dachte Salome, Gustav, ich habe deinen Erstgeborenen gemeuchelt wie man ein Opferlamm verbluten lässt für die Reinheit des kommenden Zeitalters.

„Wie? Wo? Wann?“

„Ich…Ich bin in Neuseeland, ich habe einen…eine Reise gewonnen. Er hat einen Mann angeschossen und einen anderen, einen unschuldigen Mann erwürgt.

Um das Leben von 5 Menschen und mein eigenes zu retten, musste ich Matthias niederstechen. Er ist verblutet. Es tut mir leid.“

Anya schluchzte immer noch und Salome hörte wie Gustav leise „Mein Junge“ wimmerte.

„Geht es allen gut?“

Die typische Frage einer Mutter die jetzt so lächerlich fehl am Platz war.

„Nein Mutter, ein Koch ist tot, ein Ehemann und Vater ist tot nur weil er seine Arbeitsfläche noch putzen wollte.

Dein Stiefsohn ist tot weil er mich und Freunde von mir angefallen hat.

Ein Mann ist schwer verletzt weil Matthias ausgerastet ist.“

„Wie geht es dir mein Kind?“

In dieser Sekunde war Anya die Mutter von Salome und so grausam es auch klingen mochte, sie interessierte sich in erster Linie für das Wohlergehen ihrer Tochter die nichts Unrechtes getan hatte. Matthias war tot, daran würde niemand mehr etwas ändern können.

Ehret die Toten, aber kümmert euch um die Lebenden, das war ihr Motto.

„Mir geht es gut Mutter. Ich bin ein wenig müde, aber mir geht es mehr oder weniger gut.

Aber ich habe einen Mann getötet, und dieser Mann war mein Bruder.

Auch wenn wir eindeutig nicht miteinander klarkamen, war er doch irgendwo Familie.

Er war Gustavs Sohn und dein Stiefsohn, der Bruder meines zukünftigen Bruders.

Und nun ist er tot, gestorben durch meine Hand.“

Salome wünschte sie könnte weinen, aber der Schock saß noch zu tief und ihr ganzer Körper war angespannt und trocken wie die Wüste.

„Hast du ihn getötet weil du ihn gehasst hast?“ fragte Anya ernst.

„Nein, ich habe ihn getötet weil ich die Menschen am andern Ende des Laufes liebe.“

„Dann trifft dich keine Schuld. Gib den Behörden unsere Nummer, wir werden mit ihnen sprechen.“

Anya war ruhig, sie musste stark sein für ihre Tochter und für den Mann den sie aus Liebe geheiratet hatte und der nun weinte wie ein kleines Kind.

Kein Mensch sollte seine Kinder zu Grabe tragen, dachte Anya traurig und es belastete sie sehr, dass diese Situation entweder das Ableben ihres Kindes oder des Seinen verlangt hatte.

„Salome? Gustav möchte mit dir sprechen.“ Murmelte Anya dann als sie ihren Mann fuchteln sah.

Salome erzitterte, aber sie war diesem Mann schuldig ihm Rede und Antwort zu stehen und so sagte sie sehr leise:

„Gib ihn mir Mutter.“







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