84.
Salome drehte sich auf einmal unsicher um.
Da war irgendetwas, irgendjemand der sie verfolgte so hatte sie das Gefühl.
Die Andern gingen weiter ohne ihr Zögern zu bemerken und so schloss sie sich ihnen wieder schnell an und tat ihre Bedenken als Hirngespinste ab.
Sie erreichten ein kleines Restaurant am Rande eines Sees von dem Salome nicht wusste ob er nur aus Dekorationszwecken angelegt worden war oder ob er sich natürlich so gebildet hatte, aber sie fühlte sich unwohl, es war als würde das Wasser leise zu ihr murmeln.
„Was ist denn los meine Süße?“ Richard sah sie fragend an.
Sie beschloss ihm nichts von ihrer Angst zu sagen, was vielleicht unvorsichtig war, aber sie wollte diese friedliche Atmosphäre nicht trüben dadurch, dass sie sich dermaßen unwohl fühlte und deshalb schwieg sie lieber.
Auch nachdem die Vorspeise gebracht wurde fühlte sich Salome nicht besser und so kramte sie in ihrem Koffer, so unauffällig wie es ging, und steckte sich die Pistole in die große Tasche ihres Kleides und schob den Dolch in ihren Strumpfhalter.
Wie gut, dass sie wirklich eine Schwäche für ausgefallene Unterwäsche hatte, sagte sie sich innerlich kopfschüttelnd und tat so als esse sie.
Etwas war nicht in Ordnung, Sue kannte den Geruch der Gefahr und ihr Blick huschte in alle Ecken.
Außer ihnen saß nur ein älteres Ehepaar im Restaurant und doch spürte Sue die gierigen Blicke eines Fremden auf sich, oder eher eines ihr bekannten Individuums, aber wie schon so oft in letzter Zeit fiel es ihr schwer das Bekannte zu identifizieren.
Stets hatte sie die Gewissheit im Nacken die Stimme oder die Augen eines Menschen zu kennen, aber sie konnte sie keiner bestimmten Person zuordnen.
Die Männer schwatzten über Sport und Politik und sie merkten wahrscheinlich nicht einmal wie still die beiden Frauen geworden waren.
„Hey, seid ihr eigentlich ein Paar?“ erkundigte sich Matthew plötzlich.
Robert lief rot an bis in die Ohrspitzen, wagte es aber nicht ihm zu antworten, weil er möglicherweise etwas gesagt hätte was Sue missfallen könnte.
„Ich weiß es nicht genau.“ Erwiderte diese dann, das Gefühl beobachtet zu werden nicht abschütteln könnend.
„Ich denke wir arbeiten langsam aber sicher darauf hin.“ Sprach Rob nun vorsichtig und schelmisch zugleich und erntete einen entgeisterten Blick von Sue.
„Ach ist das so?“ fragte sie provokativ und er grinste verlegen.
„Ok, ich arbeite darauf hin sie zu überzeugen.“
Sue kicherte nervös, denn diese Situation überforderte sie und sie hatte nicht genügend Konzentration um alles Aspekte in sich aufzunehmen.
Wie schön sie doch ist, dachte Richard im Sekundentakt.
Salome schabte ihr Essen hin und her, aber als sie seine Augen auf sich wahrnahm, lächelte sie ihn an.
Ermutigend, beruhigend, wie man ein verängstigtes Kind anlächelt, dachte er alarmiert und die vage Einschätzung, dass sie besorgt war wurde zur Gewissheit.
„Ist etwas los?“ fragte er eindringlich, doch sie schüttelte nur den Kopf.
Sie hatte Recht gehabt, Salome war in der Tat eine schlechte Lügnerin, denn er kannte den Ausdruck auf ihrem Gesicht, es war derselbe Ausdruck den sie an den Tag gelegt hatte als sie ihn mit dem Briefmesser oder der Fernbedienung niederschlagen hatte wollen, derselbe Ausdruck wie damals spät nachts in der dunklen Straße.
Sie sah nicht gehetzt aus, sondern konzentriert und er verneigte sich innerlich vor diesem sechsten Sinn der anscheinend nur Frauen zuteilwurde.
Sein Blick fiel auf Sue und er sah Angst, er konnte ihre Angst förmlich riechen.
Sie sah aus wie ein Reh das den Jäger witterte, jedoch nicht wusste von wo er kommen würde, während Salome viel mehr wie eine Katze aussah, die jeden Moment auf den Angriff des Terriers gefasst war.
„Sagt mal, ihr seid erstaunlich ruhig.“ Matthew blickte alle Andern der Reihe nach an, er, der König der Stille, vernahm die leise Vibration der Worte die nicht gesprochen wurden.
„Es war dann doch ein wenig viel und ich bin erschöpft von der Freude.“
Er glaubte Salome kein Wort, sie war ein so lebensfroher Mensch, dass die Freude sie niemals ermüden würde, da war etwas Anderes was er nicht sah.
Hatte sie sich mit Richard gestritten?
Nein, denn ihre Hand ruhte auf der Seinen, schützend, haltend, liebevoll.
Die Zeit tickte an ihnen vorbei, die Kellnerin nahm ihre Schürze ab und verschwand, das alte Paar erhob sich und ging und sie saßen immer noch schweigend an ihrem Tisch.
„Ihr habt mir gefehlt.“ Murmelte Rob und wurde erneut rot, seine strahlenden Augen hefteten sich auf die Männer die ihn unbehaglich ansahen.
„Ehm danke.“ Richard erinnerte sich lebhaft an ihr kleines Abenteuer im Bad und konnte nicht behaupten, dass das ein Moment gewesen war den er gerne noch mal erleben würde.
„Und ich bin froh, dass das ganze Versteckspiel jetzt ein Ende hat.“
Sue warf ihm einen tödlichen Blick zu, denn sie war ein wenig eingeschnappt, dass sie wirklich die Einzige gewesen war die man nicht eingeweiht hatte.
Allerdings hatte sie so Robert kennengelernt und als das Sonnenlicht auf sein Haar fiel, sah sie die herbstliche Herrlichkeit des Farbenspiels das wie ein Regenbogen der Freude nur für sie zu leuchten schien.
Seine Schönheit war für sie jeden Tag eine Überraschung und sie begann zu verstehen wie die Menschen sich ihr gegenüber fühlen mussten dadurch, dass sie sprachlos auf die klaren Linien seines Gesichts und auf das jungenhaft sanfte Lächeln sah.
Er hatte sie immer respektiert und seine kleinen Aufmerksamkeiten, all die Worte der Zuneigung und die winzigen Berührungen waren die Schätze ihre Seele geworden die sie für nichts auf der Welt wieder hergeben würde.
Schamhaft dachte sie daran was sie alles gesagt hatte und wie sehr sie Salome gequält haben musste mit ihrer Manie für zwei Männer die ihr mehr bedeuteten als Sue damals hatte verstehen können und jetzt, da sie Robert in ihrem Leben hatte, konnte sie nachvollziehen wie der Mensch den man ehrt und mag die Rollen färbt die man zuvor komplett neutral beurteilen konnte.
Salome hatte gesagt sie würde ihren Nachbarn lieben und Gott, Salome hatte Recht.
Die Art wie er ihre Hand hielt, wie er sie voll der Anbetung und des wortlosen Erstaunens ansah, sagte Sue, dass er alle diese Tränen verdient hatte die Salome um ihn geweint hatte.
Es musste schwer sein ein Mann zu sein, dachte sie weiter, denn Männern war es nicht erlaubt sich ihren Gefühlen einfach hinzugeben und ihrer Sehnsucht freien Lauf zu lassen, denn immerhin galt es als unmännlich sich einer Frau zu Füßen zu werfen um ihre Haut mit Tränen und Gebeten zu bedecken.
Sue war beruhigt durch die offensichtliche Liebe die sich auf den Zügen dieses Mannes abzeichnete, dessen Gesicht sie so oft gesehen hatte und von dem sie doch niemals gedacht hätte, dass er einer Frau derart verfallen könnte.
Aber immerhin war es Salome, Salome die die Welt im Sturm eroberte und die niemals nach dem „Warum“ fragte sondern furchtlos in den Kampf ritt.
Alles war perfekt, das Leben eine vollkommende Kugel des Glücks, die schimmernd und ohne Lücken oder Fragen mit der Welt im Einklang rotierte.
Und dann huschte ein Schatten am Fenster vorbei und Salome sprang genervt auf.
„So jetzt reicht es.“ Rief sie wütend, zog die Waffe aus ihrer Tasche und stürzte aus dem Restaurant, Sue an ihren Fersen und 3 verwunderte Männer hinter sich lassend.
Salome riss die Tür auf und begab sich auf die Suche nach diesem ominösen Schatten.
Währenddessen wusste ER, dass seine Zeit gekommen war, den Revolver im Anschlag, bedeutete er den 3 Herren im verwaisten Restaurant ihm doch bitte durch die Hintertür zu folgen.