44.
„Oh mein Gott, da ist deine kleine Freundin Richard und ich wollte schon gerade sagen wie herrlich ungestört es hier ist. Was trägt sie da?“ Matthews Frau durchbohrte Salome mit giftigen Blicken.
„Eine Postkarte.“ Wisperte er tonlos und musste dann lachen, Salome trug eine verdammte Postkarte und an ihrem Arm schaukelte ein Briefkasten.
Das Geräusch ließ Salome aufsehen und sie schob Sue wieder aus dem Restaurant raus, oder zumindest versuchte sie es.
„Nein lass uns da rein, da ist es ruhig, da können uns keine Menschen überfallen. Salome im Ernst, ich weiß gar nicht was heute in dich gefahren ist…OH.“
Sue verstummte und drängte dann ebenfalls raus, rannte jedoch gegen Salome und brachte diese damit zu Fall.
„Verflixt.“ Fluchte Salome und erhob sich langsam, ein stechender Schmerz fuhr ihr durch das Bein, welchen sie königlich ignorierte.
„Miss? Haben Sie sich wehgetan? Setzen Sie sich doch erst mal.“ Der Kellner rannte auf sie zu und hob sie nahezu in seine Arme.
„Salome.“ Jammerte Sue leise und besagte Salome kämpfte darum nicht in Ohnmacht zu fallen.
Verdammt, dachte sie, das war ja mal wieder so typisch, erst ging sie verloren und dann musste sie gerade ihn hier treffen.
Wie wahrscheinlich war es einen Menschen in einer großen Stadt, in einer vermaledeiten Hauptstadt zu finden, vor allem wenn dieser Mensch nicht gefunden werden wollte?
„Ich hätte ganz gern einen Whiskey, einen doppelten.“ Bestellte Salome grimmig und würdigte die 3 Stars an ihrem Tisch keines Blickes.
„Salome.“ Keuchte Sue erneut.
„Ja Susan?“ erkundigte sich Salome so ruhig wie möglich.
„Salome weißt du wer das ist?“
Salome spürte seine Blicke in ihrem Nacken und sprach: „Der Osterhase, der Weihnachtsmann und Frau Holle…“
Sue strafte sie mit einem sehr ernsten, sehr betroffenen Blick.
„Geh hin und frag dir ein Autogramm.“ Schnauzte Salome und kippte den Inhalt des Glases das man ihr vorsetzte in einem Zug runter.
„Nein, das kann ich doch nicht machen.“ Sue hatte hektische Flecken im Hals und klang als sitze ein Elefant auf ihrer Brust.
„Wenn das so ist lass uns essen und diese Menschen, sofern es sich um Menschen handelt, in Ruhe.“ Salome spürte wie die Wärme des Alkohols ihren Magen beruhigte und las die Karte aufmerksam, happige Preise, aber exquisite Auswahl.
Sie blendete den Schmerz in ihrem Knöchel aus der sich heiß ihr Bein hochstahl.
„Miss, ich denke Sie bluten.“ Der Kellner sah sie verwundert und ein wenig bleich an.
„Ich blute nicht im Geringsten.“ Erwiderte Salome stur ohne auch nur auf ihren Fuß zu sehen.
„Himmel Lola, du blutest tatsächlich.“ Rief Sue und kniete sich neben Salomes Fuß.
„Bewegen Sie sich Mann, bringen Sie Verbandszeug.“ Murrte sie dann ohne aufzusehen.
„Miss soll ich einen Krankenwagen rufen?“ fragte der Kellner dann als er mit einem Verbandskasten wiederkam.
„Nein, ich will keinen Krankenwagen, ich nehme die Ravioli mit Gambas und ein Glas Rotwein bitte.“
Salome konnte sich weder auf das Blut das unaufhörlich an ihrem Fuß runter lief noch auf Sue und ihre Tränen konzentrieren.
Er war hier und sie war auch hier und dabei war sie nur aus dem verdammten Haus gegangen um ihn nicht zu sehen.
Was für ein Pech, was für ein gottloses Pech, dachte sie immer wieder, während Susan schluchzend ihr Bein versorgte.
„Sue? Es ist gut, alles ist gut.“ Wisperte Salome und drückte ihre Lippen auf das goldene Haupt ihrer Freundin.
„Salome, du blutest sehr stark. Wir sollten ins Krankenhaus.“ Flüsterte Susan, doch Salome wollte davon nichts hören.
Richard sah wie Salome sich gegen die große Blondine stemmte, die eindeutig Susan war.
Gott, Sue war eine schöne Frau, aber ihre gebeugte Haltung und ihr unsteter Blick erinnerten ihn an ein sehr junges Mädchen, das mit seiner eigenen Schönheit mehr geschlagen als gesegnet war.
Matthews Frau grummelte leise vor sich hin, ihr hatte Salomes Auftauchen den Abend anscheinend verdorben und Matthew sah dabei so jämmerlich hilflos aus, dass Richard richtiggehend Mitleid mit ihm hatte.
Und dann wollte Sue Salome rausschieben, warf sie um und als der Kellner Salome aufhob sah Richard die klaffende Wunde an ihrem Bein, über dem Knöchel, aus der das Blut stetig sickerte wie ein kranker Fluss.
Salome kippte ihren Whiskey runter ohne auch eine Sekunde zu ihnen rüber zu sehen, obwohl sie sie gesehen und erkannt hatte.
Er war ihr schmutziges Geheimnis und er fühlte sich traurig und verletzt darüber, dass sie nicht in der Öffentlichkeit zu ihm stehen wollte auch wenn er es an sich verstehen konnte, aber hier war niemand außer…Susan, die niemals wissen durfte wer der Nachbar war.
Der Kellner machte Salome auf die Wunde aufmerksam und sie schien diese einfach königlich ignorieren zu wollen wie es aussah.
Susan begann sie zu verbinden und es juckte ihm in den Händen ihr zu helfen.
„Ruhig Blut.“ Flüsterte Matthew ihm zu und legte seine große Hand auf Richards.
„Sie ist verletzt, sie hat sicher Schmerzen.“ Wimmerte Richard hilflos und war froh über den Trost den Matthew ihm seiner Frau zum Trotz spendete als er leise sprach:
„Ja, aber Sue ist bei ihr und du weißt sie ist stärker als sie aussieht.“
Seine Frau hatte sich umgedreht und sah Richard nun blass an.
„Es sieht so aus als wolle deine verrückte Freundin in Ruhe essen. Ich finde nicht, dass sie das tun sollte. Das sieht ernst aus.“
Sie mochte Salome nicht, aber sie wollte auf keinen Fall zusehen wie ein Mensch sich bewusst schadete aus Trotz oder Dickköpfigkeit.
„Und was schlägst du vor meine Liebe? Denn Tatsache ist, dass die Frau die bei ihr ist ein Fan ist und nicht wissen darf, dass Salome uns kennt.“
Matthews Frau nickte langsam. „Das ist also der Grund wieso Richard noch nicht knietief im Blut watet.“
Sie hatte seine Augen gesehen, hatte den spontanen Schmerz gesehen und die ernüchternde Erkenntnis, dass er ihr nicht helfen konnte.
In der Tat mochte sie Richard und es betrübte sie ihn so angespannt und verzweifelt zu sehen, angesichts der offensichtlichen Verletzung der Frau für die er, das war ihr jetzt ganz klar, wirklich starke Gefühle hegte.
Seine Augen wanderten immer wieder zu dem kleinen Tisch an dem die Fremde mit dem Rücken zu ihnen und gebeugten Kopf saß, während Salome zwar in ihre Richtung aber komplett an ihnen vorbei schaute.
„Ich…“ seufzte Richard und wollte sich erheben.
„Du bist im Moment der schlechteste Schauspieler der Welt, wenn Madame erlaubt, werde ich mich der Sache jetzt annehmen, weil das nicht geht, dass Salome da sitzen bleibt.“
Matthew legte seine Serviette neben den Teller und während seine Frau ihn nickend ansah, strich er dem leidenden Freund über die Schulter.
„Ich werde nach ihr sehen und es wird alles gut. Sie kommt schon klar.“
Er wusste, dass er log, denn er sah die Müdigkeit und die stille Pein in Salomes Augen, aber er konnte dem Freund auch nicht sagen, dass es Salome egal sein würde ob sie verblutet nachdem was er sich mit ihr geleistet hatte.
Er wusste selbst nicht wie wütend Salome jetzt noch war, aber er konnte es sich eigentlich gut vorstellen.
Susan starrte auf ihren Teller und anstatt zu essen, wurde sie von ihren Schuldgefühlen aufgefressen, sie war schuld an Salomes Verletzung.
„Verzeihung Miss, geht es Ihnen wirklich gut?“ erklang dann eine samtene Stimme und sie wäre fast mit dem Kopf in den Teller gefallen.