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Author's Chapter Notes:
Die andere Seite der Münze








32.

Salome hatte nie eine solche Demut gekannt, eine solche Demut empfunden.

Sie war sprachlos vor seiner ehrlichen Reue und so zog sie ihm schweigend die Socken aus und rieb seine Füße mit ihren eigenen Händen wieder warm.

Am liebsten hätte sie seine Füße geküsst, auf Knien vor dem Herrn und Retter, doch sie wagte es nicht.

Er sah schweigend auf sie hinab, fassungslos und ein wenig erschrocken.

Immer noch unfähig zu sprechen senkte sie ihre Stirn auf seine Füße, sprach ohne Worte ihre tiefsten Gedanken aus: „Ich bin deiner nicht würdig.“

Er erschrak jetzt wirklich, zog sie hoch und nahm ihre nun warmen Hände in die Seinen.

Seine Augen suchten nach einer Erklärung und sie schluchzte leise, wollte ihm die unwürdigen Hände entziehen, doch er war stärker als sie und so ließ sie davon ab sich sinnlos zu wehren.

„Sag mir ich soll gehen.“ Bat er leise, doch sie schüttelte nur den Kopf.

„Ich habe nicht das Recht dich von hier zu vertreiben. Aber wenn du gehen willst, wenn du den Anblick meiner unwürdigen Person nicht mehr erträgst, werde ich dich nicht aufhalten.“

 

Salome wusste wie falsch sie gelegen hatte.
Und wenn sie mit tausend Männern schlafen würde, niemand würde die unendliche Güte und Gerechtigkeit ihres lieben Nachbarn aus ihren Gedanken tilgen können.

Da war er also, der große Held, ohne die Rüstung und ohne das weiße Pferd aber mit einem Herzen wie ein Löwe und einem Blick so sanft wie ein Gebirgsbach.

Und sie kniete erneut nieder, nicht fähig Auge in Auge mit dem Mann zu stehen der sie vor dieser Entehrung bewahrt hatte, der sich um sie kümmerte wie ein Vater, wie ein Bruder, wie ein Freund und über den sie Schmach und Kummer gebracht hatte.

„Ich kann deine Entschuldigung nicht annehmen.“ Schluchzte sie und er zuckte zurück.

„Es gibt nichts wofür du dich entschuldigen müsstest. Du trägst deinen Namen zurecht und ich danke dir für deine königliche Güte und Kraft mit der du die Last der Schande und der Erniedrigung trägst die ich über uns gebracht habe.

Ich war dumm und habe mich lächerlich benommen und ich hatte es nicht verdient, dass jemand kommt um mich aus einer Situation zu retten in die ich blindlings und bewusst hineingerannt bin.

Niemand hat dich gezwungen deinen Namen und deine Ehre aufs Spiel zu setzen weil ich gedacht habe ich müsste in einer Nacht mein Leben verändern und ich schäme mich zutiefst dir deine Freundschaft so schlecht gedankt zu haben.“
Sie weinte nicht mehr, ihre Tränen wurden zu Worten die nun ungehindert flossen.

„Ich bin ein törichtes Weibsbild und ich ertrage es nicht deinen anklagenden, kalten Blick auf meinem Gesicht zu spüren. Du hast nichts Unrechtes getan und seit ich dich kenne hast du dich immer richtig verhalten, auch wenn ich das oft nicht einsehen konnte oder wollte.

Es tut mir leid und ich werde dir ewig dankbar dafür sein, dass du da warst in meiner dunkelsten Stunde, aber ich verstehe auch, dass du den Verlust meiner Ehre und meines Stolzes nicht vergessen kannst.

Wenn du also jetzt gehen willst, dann geh.

Geh in Frieden und sei dir meiner ewigen Dankbarkeit und tiefen Verehrung sicher.

Und versuch nicht allzu viele Rollen anzunehmen in denen du stirbst.“


Nun war Richard komplett verwirrt.

Von was mochte sie nur sprechen?

„Wieso?“ fragte er dümmlich und sie lächelte eine traurige Version dieses Lächelns das er so sehr liebte als sie erwiderte:
„Weil es mir das Herz bricht.“

Sie sprach von Ablehnung und von seiner Verachtung für ihren Sündenfall, aber daran dachte er keine Sekunde, er dachte nur daran wie er sie bevormundet und erniedrigt hatte.

„Ich denke ihr redet aneinander vorbei.“ Meldete sich Matthew zu Wort, leise, kontrolliert und sanft wie ein Lamm.

„Wie bitte?“ Salome sah voll Vertrauen und auf der Suche nach Hilfe zu ihm auf.

 

„Steh auf Salome, es gibt keinen Grund vor ihm zu knien.“ Sprach Matthew dann weiter und zog die Kleine auf das Sofa, legte ihr eine Decke um die bebenden Schultern.

„Also wenn ich das jetzt alles verstanden habe, dann denkt Richard du grollst ihm weil er sich eingemischt hat wo er sich nicht hätte einmischen dürfen, dazu sei gesagt es geschah aus einem übertriebenen Beschützerkomplex und einer gewissen Eifersucht heraus.

Salome währenddessen denkt sie hätte sich versündigt und ist überzeugt, dass ihr dann doch gar nicht so ehrbarer Nachbar sie jetzt in ganz mittelalterlichen Termina für eine Sünderin und für eine Gefallene hält.

Dazu möchte ich wie gesagt anmerken, ihr redet aneinander vorbei, denn wenn jeder von euch beiden sein Haupt in Scham und Demut senkt und denkt dass der jeweils Andere sich wütend oder angewidert abwendet, dann riskiert ihr eine Freundschaft die mir stark und tief vorkommt.“

Sein Ton klang wie „Na kommt Kinder, versöhnt euch.“, aber er hatte Recht mit dem was er sagte und nun sprachen beide zugleich.

„Aber wieso sollte ich dir grollen? Du hast mich immerhin gerettet.“

„Himmel ich bin doch nicht angewidert, ich verurteile dich nicht, ich wollte nur nicht, dass du etwas tust was dich verletzen könnte.“

Und dann verstummten beide gleichzeitig wieder.

 

Salomes Augen suchten ihren Gegenüber und Richard zog sie einfach auf seinen Schoß, nicht einen Gedanken an die beiden andern Männer im Raum verschwendend.

„Es tut mir leid Kleines, aber ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist. Ich könnte nicht damit leben wenn dir etwas zustoßen würde und ich hätte es verhindern können.“ Murmelte er in ihr dichtes Haar und seufzte erleichtert, als sie ihren Kopf in die Mulde zwischen seinem Hals und seiner Schulter sinken ließ.

„Dank dir geht es mir gut. Ich war ja so dumm. Danke, danke, danke, dass du mein Freund bist und dass du mich schützt vor mir und der Welt.“

Und sie dachte, dass es egal war und dass ihr Herz Recht hatte wenn es ihn zu ihrem ersten Schwarm auserkoren hatte, denn er war ein guter Mann und verdiente all ihre Zuneigung und ihre stille Bewunderung.

Im Gegensatz zu den Freundinnen von damals hatte sie sich nicht von einem Mann blenden lassen der seine Kraft dafür einsetzte sich selbst in ein möglichst gutes Licht zu rücken, sondern sie war von jemandem gefangen genommen worden der sich für sie und die Welt einsetzte.

Zum ersten Mal seit langem, vielleicht sogar zum ersten Mal in ihrem Leben war sie sich sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben, konnte sie ihrem Instinkt glauben.

In diesen Armen war kein Schmerz, da war Wärme und Trost.

Ein Hafen des Friedens, eine Wiese zum Ausspannen, ein Wald zum Träumen, eine Schulter um sich anzulehnen.

Diese Arme würden sie tragen wenn sie keine Kraft mehr hatte und halten wenn sie fiel.

Sie sah auf und sah die Welt in seinen Augen, sanft wie der Flügelschlag eines Schmetterlings und beständig wie die Gezeiten ruhten diese sanften Meere auf ihr und sie war sich so sicher, dass sie darauf beruhigt bis nach Hause segeln würde.

„Danke, dass du die Nacht vertrieben hast.“ Wisperte sie und hauchte einen winzigen Kuss auf sein Kinn.

„Danke, dass du einem alten Esel verzeihen kannst.“
„Es gibt nichts zu verzeihen.“ – „Doch, dass dein Wohlergehen mir zu wichtig ist als dass ich zulassen könnte, dass du es leichtsinnig in Gefahr bringst.“

Sie lächelte über so viel Besonnenheit und schmiegte sich enger an diese Brust die mehr war als England, mehr als London, mehr als die gemeinsame Straße, diese Brust war zuhause.

„Lasst uns jetzt spielen. Ich will diesen Teil meiner Jugend nachholen.“ Lächelte Salome dann.

„Welchen?“ Richard sah sie fragend an.
„Den in dem man hofft so viel wie möglich über seinen Schwarm in Erfahrung zu bringen.“ Grinste sie.


 






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