29.
Salome hätte vor Wut und Scham heulen mögen, doch stattdessen trommelte sie unnachgiebig auf den Rücken ihres Nachbarn und Peinigers ein.
Der gerechte Zorn und die Erniedrigung löschten ihre Kenntnis der englischen Sprache aus und als sie seinen Namen brüllte klang er wie die Beschwörungsformel einer wahren Hexe mit scharfen Konsonanten und langen, flüssigen Vokalen.
„Du Schuft, du Bösewicht, du verachtenswerte Kreatur.“ Skandierte sie rhythmisch und brachte ihn damit zum Lachen. Er hatte in seinem Leben viele böse Männer verkörpert, war schon oft beschimpft und geschlagen worden vor der Kamera und so machte ihr kleiner Wutausbruch ihm nicht allzu viel aus.
„Also gerade jetzt machst du Guy alle Ehre.“ Matthew grinste und Salome blickte ihn finster an während sie immer noch auf Richard einschlug.
Allerdings war ihre Neugier so mächtig, dass sie aufsah.
„Du gemeiner barfüßiger Hund wirst es doch nicht wagen ihn in der Entführung eines jungen Mädchens zu unterstützen, oder? Oh warte wenn ich dich in die Finger bekomme. Und welchem Kerl soll er EHRE machen?“
Matthew grinste immer noch als er antwortete:
„Nicht doch Miss, ich würde mir niemals anmaßen einem derart verkommenen Menschen meine Unterstützung zuzusprechen. Seien Sie versichert, dass Guy ein ganz abscheuliches Individuum ist.“
Er hob zum Beweis seines guten Willens friedlich die Handflächen und zuckte zurück als Salome ihre Kiefer zuschnappen ließ als wolle sie ihn auf der Stelle verschlingen.
„Ich will doch nur dein Bestes.“ Richard wagte es nicht sie abzusetzen, fühlte aber auch die kalte Feuchtigkeit die ihm durch die Socken sickerte und seine Beine hinaufkroch.
„Ihr Bastarde.“ Schrie Salome und knurrte wie ein mittelgroßer Chihuahua.
„Komm schon Salome.“ Matthew wagte es nicht sich näher an die Furie heran zu wagen, versuchte jedoch sie zu besänftigen.
„Nein, nein, keine netten Worte. Für wen haltet ihr euch eigentlich?“ Salome keifte immer noch und spottete dann:
„Ihr tragt nicht einmal Schuhe, denkt ihr wirklich ihr müsstet hier den Helden raushängen lassen?“
Matthew zuckte mit den Achseln und strich ihr sanft über den Kopf.
„Oh Salome…“
„Sie haben sich nur Sorgen gemacht.“
Salomes Blick durchbohrte Robert wie eine Stecknadel einen Schmetterling.
„Was hast du damit zu tun Blutsauger?“ fauchte sie und er wich erschrocken zurück.
Eigentlich verstand er die Welt nicht mehr.
Richard war auf ihn zugekommen und sagte ihm er will ein Autogramm für seine Nachbarin und genau wie Matthew hatte er an eine ältliche Dame gedacht.
Der Abend war langweilig gewesen und als Matthew abhauen wollte hatte er sich einfach drangehängt, aber als dieser Meilenstein des nationalen Fernsehen verkündete er wolle diese Nachbarin noch besuchen hatte sich der junge Mann doch Fragen gestellt.
Vielleicht war Nachbarin ja nur ein Code für Puffmutter oder so?
Vor der Tür war er nervös gewesen, immerhin tauchte man nicht jeden Tag vor der Tür einer fremden Frau auf, aber da Matthew entspannt war, schien es sich dabei nicht um eine Terroristin oder zu handeln.
Ganz und gar nicht.
Die Tür hatte sich geöffnet und eine schnaubende Schönheit tauchte im Rahmen auf.
Ah da war ja auch schon Armitage, der hinter der Tür gestanden hatte.
Roberts Gedanken hatte einen Satz gemacht und er fühlte sich als wäre sein Gehirn in einer Waschmaschine gelandet.
Tatsächlich war die vermeintliche Nachbarin nicht im Geringsten ältlich, sie war jung, jünger als die beiden Andern, vermutlich sogar jünger als er selbst.
Ihre Haare waren etwas zerzaust und sie sprach mit militärischer Schnelligkeit in ihr Handy, bellte einer Freundin etwas zu, zögerte nur eine Sekunde als sie ihn sah und verabschiedete sich dann schnell.
Irgendwelche Gedanken waren hinter der hohen, weißen Stirn vorgegangen, doch wie so oft hatte er Frauen nicht verstehen können.
Sie war in der Küche verschwunden und als sie wiederkam loderte der Vorbote ihrer momentanen Wut in ihren dunklen Augen.
Robert verstand nicht wie dieser vermeintlich ruhige Abend so aus dem Ruder hatte laufen können, aber er hatte mit eigenen Augen gesehen wie die weiche Nachbarin sich in eine femme fatale verwandelt hatte und dann abgerauscht war auf dem verdammten Motorrad das jetzt neben ihm stand.
Er hatte bereits wütende Frauen gesehen, aber die hier war mehr als nur verstimmt und doch suchten ihre Hände nur Richard aufzuhalten, ihn zu strafen, nicht aber ihn ernsthaft zu verletzen.
Sie fühlte sich erniedrigt, aber nicht bedroht, sie schien das Gefühl seines Körpers zu kennen und sie schlug niemals in die Richtung seines Kopfes oder seines Nackens, sondern trommelte lediglich auf die Stellen ein die durch seine Muskeln gut geschützt waren.
Ihm fielen die wortwörtlichen Schuppen von den Augen, sie mochte ihn, kannte ihn und das war der Grund wieso er den Kopf verloren hatte.
Robert hatte nicht den kleinsten Schimmer was diese Frau mit diesen Männern verband, aber anscheinend waren sie zumindest Freunde, denn er hatte die ehrliche Sorge und die Panik in den so ruhigen Augen des großen Richards gesehen und allein der Fakt, dass zwei der wirklich Großen ohne Schuhe aus dem Haus gestürmt waren um diese Jungfrau in Nöten zu erretten sagte ihm, dass sie ihnen nicht gleichgültig war.
Nein, dachte Robert bestimmt, diese Frau hatte keine Angst vor ihm, sie beschimpfte ihn mit einer Leidenschaft die ihm das Gefühl vermittelte, dass sie nichts von dem was sie sagte wirklich so meinte und da Richard stoisch schwieg und das hysterische Frauenzimmer nicht wie einen hohlen Baumstamm von sich schleuderte, war dies eigentlich eine eher komische als gefährliche Szene.
„Es tut mir leid, ich wollte mich nicht einmischen, aber die beiden haben sich wirklich Sorgen gemacht. Ich bin übrigens Robert.“
Er streckte ihr vorsichtig und misstrauisch die große, feingliedrige Hand hin und war sprachlos als sich ein zuckersüßes Lächeln auf ihren Zügen ausbreitete.
„Salome.“ Sprach sie mit einer warmen, wohlmodulierten Stimme und schüttelte seine Hand als säße sie auf einem bequemen Ottomanen.
Sie hatte mittlerweile aufgehört zu trommeln und zu strampeln und auch wenn ihr Busen durch die etwas gewöhnungsbedürftige Position aus dem Kleid herausgepresst wurde und ihre Stimme etwas atemlos klang, war sie die perfekte Lady, freundlich, höflich und ruhig.
„Ah sie ändert ihre Stimmungen wie der Wind seine Richtung.“ Matthew klopfte Robert leicht und aufmunternd auf die Schulter und lächelte die kleine Frau dann freundlich an.
„Lass uns nach Hause gehen, ein Brettspiel spielen…“ schlug er vor.
„Strippoker?“ Sie lächelte süß…und rasiermesserscharf.
„KEIN Poker für dich junges Fräulein.“ Knirschte Richard unter ihr.
„Stripmonopoly? Strip-Trivial Pursuit?“ fragte sie fröhlich weiter und Robert wurde das Gefühl nicht los, dass sie verlieren würden und diese kleine Königin um den Besitz ihrer Unterwäsche und die Erhaltung ihrer Ehre anflehen müssten.
„Meinetwegen.“ Richard klang immer noch schlecht gelaunt und als Salome sich so verdrehte, dass sie ihm einen feuchten Schmatzer in den Hals drücken konnte, sah er aus als würde er sich die Haare am liebsten Einzeln mit einer Nudelzange ausreißen.
Bevor sie sich allerdings auf den Weg nach Hause machen konnten, fuhr ein Polizeiauto vor und ein junger Mann stieg aus.
„Freeze.“ Rief er laut und hob seine Dienstwaffe.
„War ja klar.“ Murrte Richard, während Salome leise kicherte.