- Schriftgröße +
Author's Chapter Notes:
Rettung oder Verrat?








28.

Raphael sah der Frau lange zu, kein Zweifel, sie konnte singen, richtig singen, sie sollte auf einer Opernbühne stehen und nicht in einem kleinen schäbigen Pub.

Ihm entging aber auch nicht, dass heiße Tränen ihr Gesicht mit tausend Lichtern überzogen.

Was brachte so eine klasse Frau hierher? Und was suchte sie in dieser gottverlassenen Nacht?

Ihr Busen hob und senkte sich, gebar die Noten mit Leichtigkeit und er spürte, dass er sie begehrte, spürte ihre dunklen Augen auf seinem Gesicht und lächelte.

Das war also der Grund wieso sie hier war, sie suchte nach einem Mann, nach einem Fremden ohne Namen und ohne Zukunft.

Aber Raphael war vorsichtig, das Armband das sie trug war aus purem Gold, da war er sich fast sicher und das Kleid hatte sie nicht in irgendeinem Discounter gekauft.

Augenscheinlich war sie schnell und unbesonnen aus dem Haus gegangen, also hatte sie sich nicht die Mühe gemacht reicher auszusehen als sie war und er erkannte, dass dies kein leichtes Mädchen war.

Wahrscheinlich war es sogar das erste Mal, dass sie so ausbrach.

Sein Blick glitt über die weichen, gerundeten Wangen und die dunklen, traurigen Augen.

Sie war jung, dachte er, vielleicht sogar unter 20, vielleicht sogar noch minderjährig, was ihre offensichtliche Aufregung erklärte.

Ein Teenager der von zuhause ausgebüchst war unter Umständen?

Sie sang Song um Song, ohne müde zu werden und auch wenn sie jetzt tatsächlich weinte, verlor ihre Stimme nie den Ton.

Raphael zog an seiner Zigarette und schüttelte den Kopf.

Er würde sie nach Hause bringen müssen, er konnte sie nicht nehmen auch wenn es anscheinend das war was sie wollte, denn sie kam geradewegs auf ihn zu.

 

Als sie vor ihm stand erkannte Raphael, dass sie keine Minderjährige war.

Ihre Augen waren müde, gepeinigt und ernst und ihr Mund war weich und viel zu voll um einem Kind zu gehören.

„Wie alt bist du Kleines?“ fragte er vorsichtshalber doch nach.

„23, wieso?“ Sie wusste, dass er ihr nicht glauben würde und schob ihm ihren Ausweis recht unsanft ins Gesicht.

Die Lady war nicht nur etwas aufgebracht, sie war komplett durch den Wind und sie würde sich oder Andern wehtun wenn er sie nicht davon abhielt.

„Kleines, ehrlich. Was machst du hier? Du gehörst hier nicht hin.“

Salome hatte es satt Kleines genannt zu werden, sie hatte es satt sich behandeln zu lassen als wäre sie nicht viel mehr als ein verwirrtes Kind also fragte sie provozierend:

„Na Großer, liegt bei dir. Willst du oder willst du nicht?“

Innerlich zuckte sie zusammen, gleich würde er ihr sagen, dass er ein Cop war und sie wusste nicht wie sie ihm beweisen sollte, dass sie keine Hure war, weil genau so hatte sie gerade geklungen.

„Missy, du weißt gar nicht was du da tust.“ Raphael fuhr sich nervös durch die Haare, denn sie war schon ein heißer Feger.

Ihre Haare ringelten sich feucht um ihren Nacken und ihr Mund war leicht geöffnet, er konnte sie riechen, Whiskey und Frau, sie war bereit, er konnte es spüren.

Und doch wurde er das Gefühl nicht los, dass sie etwas verdrängen wollte, dass sie etwas entkommen wollte und dass er sich an ihr schuldig machen würde.

Auch wenn es für einen Mann der seine ganze Zeit in schäbigen Hinterhöfen und Pubs verbrachte nicht ganz typisch war, war Raphael ein gottesfürchtiger Mann und er spürte die Versuchung des Teufels, seinen Bann an dieser Frau die anbot was sie nicht zu geben hatte.

Etwas an ihren Zügen war seltsam, sie war nicht von hier, ihre Augen waren zu exotisch, ihre Haut zu golden.

Salome Anne Praskovia, das hatte auf dem Ausweis gestanden, sie war eine Ausländerin, möglicherweise war sie ja auch eine Zigeunerin und eine heilige Angst überkam ihn.

Er würde diese Taube die ihr Nest zu früh verlassen hatte retten, er würde seine Seele von all den Sünden reinigen indem er Gott eins seiner reinsten Kinder zurückbrachte.

Raphael kannte Prostituierte, war der Sohn einer solchen und hatte so viele gesehen und bestiegen in seinem Leben, dass er eindeutig erkannte, dass diese Frau keine war.

 

Ihre Augen waren geweitet, ängstlich und doch gierig und die Hand die sie auf seinen Schenkel legte war zögerlich und kalt.

Salome hatte Angst, sie hatte Angst vor dem Moment in dem sie aufhören würde die zu sein die sie kannte und anfangen würde die zu werden die sie schon begraben hatte.

Aber dieser Sturm in ihren Adern wollte sich nicht beruhigen, das Meer tobte in ihrem Kopf, wild und unbezähmbar und sie vergaß ihren Namen als ihre Hände zu zittern begannen.

Sie drängte diesen unberührten Leib gegen seine Handflächen und er seufzte, seufzte vor Sehnsucht und Angst, denn er hatte noch nie diese wilde Leidenschaft in den Augen einer Frau gesehen die ihm seine Identität raubte.

Er war nicht länger Raphael, er war nicht länger der Sohn einer Hündin, er war ein Mann, ein Körper in der Nacht und vielleicht war sie ja auch ein Geschenk des Himmels.

Er umarmte sie und genau in dem Moment in dem er seine Lippen auf diesen verheißungsvollen Mund senken wollte, als er alles annehmen wollte was sie so freigiebig anbot, traf ihn eine Faust mitten ins Gesicht.

 

„Wir müssen ihr nach.“ Richard verstand nicht wie die beiden Andern so ruhig bleiben konnten.

„Sie ist nicht deine Freundin.“ Matthew sagte das vorsichtig und wurde doch mit einem so bitterbösen Blick bedacht, dass er nur mit Mühe standhalten konnte.

„Das ist egal, sie ist meine Freundin, eine Freundin, egal und sie wird sich zu Grunde richten wenn wir sie nicht aufhalten.“

Matthew fragte sich ob er nicht sah, dass er das gleiche tat wie ihre Familie zuvor, dass er sie vor Fehlern beschützen wollte die sie machen musste.

„Du verstehst nicht. Sie findet den bösartigsten Menschen auf der Welt, sie könnte verletzt werden. Ihr erstes Mal sollte schön sein, sie sollte nicht in einer schmutzigen Absteige liegen und weinen, nicht wissend wo sie ist und wie sie nach Hause kommt.“ Richard war außer sich und er spürte, dass er bald vor Verzweiflung heulen würde wenn die beiden Andern sich nicht bewegten.

„Das würde sie nicht tun.“ Robert glaubte an den gesunden Menschenverstand.

„Du hast sie gesehen, hast du je etwas Derartiges gesehen?“ Richard schrie und merkte es nicht einmal, weil die Andern nicht mit der Wimper zuckten.

„Nein…“ Robert sah ihn dumm an, fragend, nicht verstehend was der Mann vor ihm meinte.

„Richard, ich bin mit dem Auto hier…Komm.“ Matthew stand auf, ließ die Jacke Jacke sein und die Schuhe Schuhe.

Er zerrte den Freund einfach aus der Wohnung und Robert folgte ihnen notgedrungen.

Während der Fahrt schwieg Richard eisern und Robert wagte es nicht einmal zu sprechen bis er das Motorrad sah, schief eingeparkt und verlassen.

Matthew hatte den Motor noch nicht einmal aus als die beiden Andern schon das Auto verließen wie Ratten das sinkende Schiff.

Und sie fanden Salome, sie schmiegte sich auf eine recht offensichtliche Art und Weise an einen Mann den sie nicht kannte und der eindeutig die Angst des Jahrhunderts hatte vor so viel Hunger und so viel Verlangen nach mehr als seinem Körper.

Sie sprach, schnurrte auf den Mann ein und seine Abwehr ließ nach, er verfiel der lockenden Weichheit ihrer Lippen und dem einladenden Busen der sich an seine abwehrend ausgestreckten Hände schmiegte.

Als er sich zu ihr beugte um diesen Mund in Besitz zu nehmen den er noch vor Stunden selbst geküsst hatte, gingen bei Richard einfach die Lichter aus, er hechtete durch die Menge die auseinander stob, respektvoll vor seinem großen Leib und schlug den Mann mit einem wohlgezielten Schlag einfach nieder.

„Richard?“ Salome blinzelte verwirrt.

„Richard wieso bist du in Socken hier?“ wisperte sie dann und am liebsten hätte er sie auch niedergeschlagen, aber er warf sie einfach nur schnell und schmerzlos über die Schulter und schleppte sie im wahrsten Sinne des Wortes ab.






Bitte gib den unten angezeigten Sicherheitscode ein: