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Author's Chapter Notes:
Warum Männer nie den Mund halten können








26.

Dann fauchte sie Matthew an bevor dieser überhaupt durch die Tür war:

„Wieso zum Henker sollten wir nackt sein?“

Der Mann kratzte sich ratlos am Kopf, Richard der Schurke hat ihr die SMS gezeigt, elender Verräter der er war.

„Ehm…Das war natürlich nur ein Scherz.“ Murmelte er kleinlaut.

„Ein Scherz? Sehr lustig, das könnte euch so gefallen. Dass der Kerl un soir de gala einfach mal seine Nachbarin entjungfert.“

Salome sah Matthew schmollend an, während drei starre Augenpaare sich durchbohrten.

Richard war nahezu ungehalten darüber, dass er wieder einmal ein Puzzlestück unterwegs verloren hatte.

Sie hatte klar und deutlich gesagt, dass sie bisher nicht allzu viel mit Männern am Hut gehabt hatte und jetzt war er doch überrascht, dass sie noch unberührt war.

„Was starrt ihr mich denn jetzt so seltsam an? Ich kann ja nichts dafür, dass Männer ihr Ding so gerne überall und immer zum Einsatz bringen. Männer und ihre Spielzeuge.“

Salome hob die Achseln ungerührt und ging einfach zurück ins Wohnzimmer.

Immer noch waren die Männer sprachlos, denn was sagte man zu einer Frau die über ihre Jungfräulichkeit sprach wie über ihre Schuhe?

„Ehm…“

Salome drehte sich um und lachte. „Oh Richard, lieber Richard, das ist kein Grund zu erröten, weder für dich noch für mich. Es ist nichts Religiöses und kein mittelalterliches Klischee der Reinheit. Es hat sich bisher nur noch nie jemand die Mühe gemacht mich zu entjungfern.“

„Na dann hätte es doch sein können, dass ihr nackt gewesen wärt, oder? So rein theoretisch?“ ereilte Matthew sich, der eine Chance hatte seine Glaubwürdigkeit zu rehabilitieren.

„Klar Klugscheißer.“ Salome knuffte ihn leicht in die Schulter und er hob sie kurzerhand hoch.

„Pass auf mit wem du dich anlegst kleine Frau.“ Knurrte er bedrohlich und löste damit einen Lachkrampf bei Salome aus.

„Oh ja, komm wir packen die Schwerter aus. Wenn wir schon beim Dirty Talk sind.“ Kicherte sie und Matthew ließ sie wieder runter.

„Du solltest bibbern vor Angst.“ Schmollte er gespielt.

„Oh, oh Himmel, oh nein, so rette doch jemand mich. Hach…“ Salome ließ sich theatralisch zu Boden sinken und krabbelte rückwärts bis sie gegen die Wand stieß.

„À l’aide! Au secours!“ seufzte sie und schlug sich den Handrücken gegen die Stirn.

„Zwei Greise und ein Halbwüchsiger trachten mir nach dem Leben. Gelobte Mutter Gottes steh mir bei in dieser schwarzen Stunde.“

Ihre riesigen Augen wurden immer größer und dunkler, ihre Lippen bebten eindrucksvoll und eine einzelne Träne rann an ihrer bleichen Wange herab.

„Mann, du wärst eine gute Schauspielerin geworden.“ Matthew lachte, doch es dauerte einige Sekunden bis Salome wieder sie selbst war.

„Nein, ich kann mich nur sehr gut selbst belügen. Also andere Menschen nicht, nur mich selbst. Und ich finde Schwerter, Kurzschwerter, Säbel, Gladii halt sehr gruselig.“

Salome wischte sich schnell über die Wange und schüttelte sich kurz.

 

„Eine Frau sollte nie einen Mann in ihr Bett lassen vor dem sie keine Angst hätte wenn sie ihn nicht wollen würde und ein Mann sollte niemals eine Frau wählen vor der er tatsächlich Angst hat wenn sie unter ihm liegt. So bleibt das Leben spannend.“ Lächelte Salome.

Oh ein Teil ihrer selbst war tatsächlich Russin, die Russen vor der Sowjetunion und vor dem kalten Krieg. Die Russen der Märchenwelt der Zaren, einer Welt voll Intrigen, Lust und Angst.

Die Männer sahen sie verwirrt an.

„Hattest du denn nie einen Freund?“

Salome sah Richard unsicher an: „Warum fragst du mich das? Ich bin keine 40 Jahre alt, denk daran, es ist nicht schlimm in meinem Alter noch nie mit einem Mann geschlafen zu haben, oder? ODER?“

Unsicherheit machte sich in ihr breit, denn vor ihr standen drei Männer die verdächtig wie das jüngste Gericht aussahen.

Salome war in einem Haus aufgewachsen in dem Männer ein und ausgingen, sie fürchtete sich nicht vor Männern, aber sie…war ein Kind.

Ihre Mutter hatte sie absichtlich ein Leben lang wie ein Kind behandelt aus Angst vor der jüngeren Nebenbuhlerin und ihr Bruder hätte sie am liebsten in einem Kloster gesehen, nur Sue hatte sie öfters animiert sich einen „jeune homme“ zu suchen, liebte sie aber zu sehr um ihr zu sagen, dass etwas nicht mit ihr stimmte.

„Nein, nein, es ist nicht schlimm, aber ungewöhnlich.“ Richard sah die Aufruhr auf ihren weichen Zügen, sah die Erkenntnis und die Angst vor dem Anderssein.

Wieso hatte er seinen dummen Mund denn nicht halten können.

 

„Ich hatte mal einen Freund.“ Rief Salome fast verzweifelt.

„Aber es war nicht…nun ja…so. Er sah mich gerne an und das war’s. Wir haben oft lange geredet über Philosophie und die Welt, über Politik und Biologie…Oh mein Gott, das klingt bescheuert nicht wahr? Das ist das Letzte was ein junges Mädchen mit seinen Nächten anfangen sollte. Oh verdammt.“

Salome schlug sich die Hände vors Gesicht in schluchzender Scham.

„Oh Salome, Lola, es tut mir leid.“ Richard schlang seine Arme um sie, stützte sie, las in ihren Augen die ganze Geschichte eines Mädchens dem niemand erlaubt hatte erwachsen zu werden.

Sie zitterte wie eine Blüte im Herbstwind, zu spät aufgegangen und fröstelnd vor dem nahenden Winter.

Er betrachtete sie mit gläubiger Andacht, dachte an die Vampire die niemals alterten und an die heilige Jungfrau die durch die Jahrhunderte ihr jugendliches Aussehen erhalten hatte.

Sie war so weich und anschmiegsam, so gehorsam und doch so willensstark, sie war wie ein prasselndes Kaminfeuer ein Heimchen im Herzen und eine Flamme im Innern,

„Halt mich und vertreib die Nacht.“ Wisperte sie an seiner Brust, an seinem Herzen und er verstand, dass in ihr all die Kinderängste noch lebendig waren, die Angst vor der Dunkelheit, die Angst vorm Alleinsein und er fragte sich wann er zu einem alten Mann geworden war der vergessen hatte wie es war seine Augen erst dem Leben gegenüber zu öffnen.

Sie sah auf und in seinen Augen fand sie den Tag der niemals verdunkelte und den Sommer der niemals endete, sie sah die Jahre die nicht spurlos an ihm vorbeigegangen waren sondern ihn poliert und geprägt hatten wie die vielen Hände die einen Gebetstein hoffnungsvoll berührten.

All ihre Kindererinnerungen verblassten und fanden sich in seinem Blick wieder, die Tage der lustigen Spaziergänge unter einem Sommerhimmel und die Nächte unter einer wärmenden Decke wenn der Wind Geschichten erzählte.

Er war der Meilenstein auf dem Weg ins Leben einer Erwachsenen und er war das Ziel ihrer langen Pilgerfahrt.

Ihre Hände glitten an seinen Armen entlang, Arme die stark genug waren den Ballast ihres noch nicht ganz abgeworfenen Kokons zu tragen, Arme die schützten wenn die Nacht mit tausend Krallen um sich griff, Arme denen sie vertraute.

Er war nichts von all dem was sie sich ausgemalt hatte und doch war er alles was sie sich insgeheim gewünscht hatte, sie hatte es nur nicht gewusst.

Bilder von ihm tapezierten ihren Geist wie alte Fotos einer Zukunft die schon Vergangenheit war und sie wusste, dass wenn sie ihn nicht halten konnte, sie ihn nicht wiederfinden würde, dass ihre Zeit als Erwachsene, als gestandene Frau die Zeit seines Alters, seiner Ruhe sein könnte.

Und sie würde ihn nicht halten können, denn sie hatte kein Recht auf ihn.

Der Schmerz zerriss sie von innen nach außen, grub ein tiefes Loch in ihr unberührtes Herz und ohne es zu wissen war Richard der Erste der dieses hauchfeine Netz der Kindheit um sie herum beschädigte als ihr Herz mit einem lauten Klatschen zu seinen Füßen landete.


 






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