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Author's Chapter Notes:
Männer und Kleider








20.

Sie sah voll Überraschung und Freude zu ihm auf, ohne Misstrauen oder Ablehnung.

„Genau deswegen.“ Er lächelte über ihren verwirrten Gesichtsausdruck und küsste sie erneut leicht auf die Nasenspitze.

Es war ihm ein Rätsel wie diese Frau es schaffte ihm ohne Weiteres einen Platz in ihrem Leben einzuräumen.

Sie hinterfragte den Kuss nicht weiter und war jetzt damit beschäftigt Matthew ihre neuen Errungenschaften zu zeigen.

„Was soll das sein?“ Matthew hielt ein Wirrwarr von Stoffstreifen hoch und blinzelte.

„Das ist ein Kleid du Dummerchen.“ Schalt sie ihn sanftmütig und fischte ganze vier Paar Schuhe aus einer pinken Tüte.

„Das ist sicher kein Kleid, das bedeckt ja kaum…Ach du meine Güte.“

Matthew hatte so lange gedreht und gefaltet bis er erkannte, dass es sich tatsächlich um ein Kleid handelte, aber er war sich nicht sicher ob er sich die kleine Salome in diesem verruchten Kleid vorstellen konnte.

Und dann erst erkannte er, dass sie ein tailliert geschnittenes Kleid trug, das darüber hinaus auch noch schwarz war.

Ihre Haare waren aufgesteckt und ihre Lippen leicht gefärbt.

Die Erkenntnis traf ihn zeitgleich mit Richard, Salome war tatsächlich eine Frau.

„Was ist los?“ Salome blinzelte sie an wie eine Eule.

„Nichts, das Kleid steht dir.“ Richard lächelte und sie lächelte zurück.

„Danke, ich wollte etwas seriöser aussehen.“ Erwiderte sie dann und strich mit beiden Händen über das Kleid, das sich nun an jede Kurve und Erhebung schmiegte.

 

„Oh ich habe dir auch etwas mitgebracht.“ Salome hielt ihm einen Pullover hin.

Er starrte fragend und ungläubig auf das Kleidungsstück, er verstand nicht was sie ihm damit sagen wollte.

„Ich werde deinen Pulli behalten, er gefällt mir und wollte ihn dir ersetzen.“ Sie sagte das leichthin und biss herzhaft in ihr Sandwich.

Richard verstand immer noch nur Bahnhof.

„Du kannst den verdammten Pullover natürlich gerne behalten, aber sag mir doch bitte warum du mir einen Anderen gekauft hast.“

Salome zuckte mit den Schultern, sie wusste es an sich nicht genau, sie hatte ihn nicht ohne Pullover gehen lassen.

Du dumme Gans, schalt sie sich selbst, er besaß sicher mehr als nur einen einzigen Pulli.

„Weil es sonst ja Diebstahl oder Ausbeutung wäre?“ versuchte sie ihre wirren Gedanken zum Ausdruck zu bringen.

Er starrte sie weiterhin nur an wie von Donner gerührt und vom Blitz erschlagen.

Sie hatte ihm einen Pullover mitgebracht und sie wollte seine Leihgabe behalten, ein Teil von ihm oder zumindest von seiner Garderobe würde bei ihr bleiben, dachte er verwirrt und fiel in diese schwarze Seen des Vertrauens und der kindlichen Leichtigkeit hinein.

Er hatte sie verunsichert, das erkannte er jetzt und er wollte es wieder gut machen.

„Es tut mir leid, ich bin einfach nur überrascht.“

Er war immerhin ein erwachsener Mann und wie jedes Mal wenn jemand ihm grundlos ein Geschenk machte fragte er sich automatisch womit er das verdient hatte.

Offensichtlich war er nicht bedürftig und er hatte auch nicht das Gefühl ein derart guter Mensch zu sein, dass Menschen ihm Gaben bringen mussten.

 

„Hör auf so stur und borniert zu sein. Sie wollte dir eine Freude machen, sag einfach „Danke“ und dann ist es gut. Ich weiß gar nicht wieso du jetzt so einen Zirkus daraus machst.“

Matthew schalt den Freund sanft und Richard nickte.

„Danke sehr. Ein sehr schöner Pullover. Hast du ihn anprobiert?“ Er küsste Salome leicht auf die Wange und wie es nun mal ihre Art war schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und drückte ihn kurz.

„Nein wieso sollte ich etwas anprobieren was mir sicher nicht steht?“ Sie blinzelte ihn an als wäre er ein zurückgebliebenes Kleinkind.

„NA ich weiß nicht, wie wusstest du denn welche Größe du kaufen musst?“

Sie schlug sich mit der Hand an den Kopf und hob ostentativ eine Augenbraue.

„Vielleicht weil ich eine Frau bin und die Freundin einer Designerin und Frauen das im Allgemeinen mehr oder weniger einschätzen können?“

Salome grinste ihn schelmisch an und er spürte wie sich eine verräterische Röte den Weg in seine Wangen stahl.

Er hätte ihre Kleidergröße niemals erraten können, musste den Frauen aber eingestehen, dass sie tatsächlich ein besseres Gespür für solche Dinge hatten.

Frauen hatten solche Dinge wie Kleidergrößen sowieso nur erfunden um die Männer wie Dummköpfe aussehen zu lassen, beschloss er fast trotzig.

 

Matthew schien sich währenddessen nicht im Geringsten unwohl zu fühlen.

Er aß seelenruhig sein Sandwich und sah Richard dabei zu wie er sich komplett zum Affen machte.

Nach wie vor mochte er Salome, mochte ihre freundlich-aggressive Art und ihre Fähigkeit sich blitzschnell an Situationen anzupassen.

Außerdem hatte er seinen alten Freund schon lange nicht mehr so unsicher gesehen, was ihn bis zu einem gewissen Punkt belustigte.

Salome hatte sicher weitaus weniger Erfahrung als er, aber sie feierte die Feste wie sie fielen und sie hatte ihn spontan in ihr Leben und in ihr Herz eingeschlossen.

Er lächelte kauend als er sah wie Richard den Pullover ungeschickt und etwas ungelenkig vor sich hielt und mit Erstaunen feststellte, dass er tatsächlich die richtige Größe hatte.

Nachdem die beiden am vorigen Tag auf Tuchfühlung gegangen waren wunderte es Matthew nicht eine Sekunde lang, dass Salome sich an die Formen und die Ausmaße des Körpers des großen Briten erinnerte.

Frauen wussten solche Dinge einfach und er vertraute seiner Frau oft mehr als sich selbst was Kleidung und Ähnliches anging.

Matthew gestand seinem Freund aber auch ein, dass es erstens sehr schwer war einer Frau zu vertrauen und zweitens, dass Salome einen Mann wirklich überfordern konnte.

Sie war ein leuchtender Ball guter Laune, kindlicher Freude und bodenlosen Vertrauens, aber sie kannte die Schattenseiten des Lebens, dessen war er sich fast sicher.

Salome nahm sich was sie wollte, fragte nie nach dem Preis und schien mit allem was sie selbst betraf außergewöhnlich großzügig zu sein.

Ihre desinteressierte Zuneigung zu schönen Männern war auf eine fast dramatische Art und Weise witzig und ihre komplette Unwissenheit was ihre eigene Attraktivität betraf unglaublich.

Ja, Matthew mochte das Mädchen das kein Mädchen war und er freute sich darüber, dass sie ein Auge auf Richard haben würde, ohne jemals ein Auge auf ihn zu werfen.

Obwohl…

Sie hatte ihn geküsst, richtig geküsst und schien jetzt nicht von Schuldgefühlen übermannt.

Wahrscheinlich kannte sie keine Unmoral, sie wusste nicht um die dunklen Abgründe der männlichen Seelen in der Dunkelheit der Nacht und sie machte sich keine Gedanken darüber.

Matthew dachte in der Tat, dass er selten einen Menschen getroffen hatte, der so absolut unmännlich war wie Salome und zudem auch noch so wenig über das andere Geschlecht wusste.

Sie verstand weder den Beschützerinstinkt ihres Bruders noch Richards Verlangen, sie konnte nicht nachvollziehen, dass ein Geschenk den alten Junggesellen aus der Bahn warf wenn sie doch dauernd so freigiebig war und sie wusste nicht, dass ihre Berührungen brennende Wunden hinterließen die nur langsam vernarbten.

Matthew wusste, dass er seinen Freund erinnern musste, weil dieser augenscheinlich vergessen hatte, dass sie heute Abend ihr Gesicht in eine Kamera halten müssten und es tat ihm leid diese perfekte Blase der häuslichen Harmonie zerplatzen zu lassen.

„Richard? Du weißt aber dass du dich irgendwann anziehen musst? Für heute Abend?“

Starrer, ausdrucksloser Blick.

„Richard?“

„Oh mein Gott…“ Na das würde ja heiter werden, dachte Matthew als er den grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes sah.

„Willst du mitkommen?“ wandte er sich dann an Salome und sah in ein anderes, ausdrucksloses Gesicht.


 






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