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15.

Salomes Kopf schnappte hoch und dann brüllte sie tatsächlich los:

„Sag mal spinnst du jetzt komplett?“

Richard schreckte zurück, er hatte sie bisher für süß und etwas aggressiv gehalten, aber das was er hier gerade sah nicht mehr nach Kleinkind sondern nach Kriegerin aus.

„Papa hat dich geliebt, weißt du noch wie er dich stundenlang auf den Knien gewiegt hat? Erinnerst du dich an den Tag an dem er die Augen für immer geschlossen hat und mich schwören hat lassen, dass niemand dir wehtun würde und das habe ich getan, ich habe dich mein Leben lang beschützt.“

Gregori schob das Kinn vor und sah aus wie das verschobene Spiegelbild Salomes.

„Ja das hast du und ich liebe dich dafür, aber Gregori, du musst mich leben lassen.

Das hier ist meine Chance endlich ich zu sein.“

Sie spürte es tief in ihrem Herzen, sie hatte sich an das schlechte Wetter und die griesgrämigen Menschen gewöhnt, sie mochte diese Stadt in der sie allein ins Kino gehen konnte ohne dass die Freunde ihres Stiefbruders sie mit Steinen bewarfen.

Sie fühlte sich gut, sie war kreativ, sie würde endlich ihren Traum verwirklichen und tausende Menschen zum Lachen bringen und…

Und sie mochte ihren verdammten Nachbarn, mochte sein Gesicht, mochte seine Stimme und seine Art sie anzufunkeln als sei sie das lustigste Mädchen auf der Welt.

 

Und dann war seine Hand in der Ihren, warm, fest, riesig groß.

Sie sah auf und sah sein warmes, gütiges Gesicht das für sie längst nicht mehr diesen Schrecken der ersten Sekunde beinhaltete.

„Salome, denk doch ein bisschen nach. Du kannst nicht allein in einer fremden Stadt bleiben. Was soll das denn? Du musst doch einsam sein.“

John grummelte leise gegen den Neuen an, er war nicht willkommen.

„Nein, Gregori ich bin nicht einsam. Mir geht es sehr gut und ich wünschte du würdest sehen wie wichtig das hier für mich ist. Du kannst mich nicht immer in deinem Schatten wachsen lassen. Ich bin ein großes Mädchen.“

„Verlass dich nicht auf Menschen die gehen werden.“ Meinte er verächtlich.

Salome richtete sich zu ihrer vollen, wenn auch beschränkten Größe auf.

„Du kannst mir nicht immer vorschreiben was ich tun soll oder wie ich mein Leben führen soll. Greg ich liebe dich von ganzem Herzen, aber ich kann dir nicht immer folgen.“

Sie berührte die Wange des Bruders mit sanftem Mitleid als sie sich von ihm abwandte.

 

„Salome, das wird dir noch leidtun.“

Doch sie wusste, dass es ihr niemals leidtun würde ihre Heimat verlassen zu haben und sie würde auch Sue von ihrer ungewöhnlichen Begegnung mit dem Mann für den sie so schwärmte erzählen wenn die Zeit reif dafür war, aber bis dahin würde sie einfach jeden Tag ihr Bestes geben um zu überleben.

Sie war stärker als sie gedacht hatte und sie liebte dieses Haus und seinen alten Gasofen, liebte die durchgesessenen Polster und das ächzende Bett.

„Das hier ist mein Haus, mein Hund und meine Gäste, wenn dir etwas davon missfällt, dann steht es dir frei dich umzudrehen und zu gehen.

Denk nicht ich sei dir nicht dankbar, denn ich weiß was du für mich getan hast Gregori, aber ich kann nicht mit dir kommen. Ich bin nicht mehr deine kleine Schwester die du wie einen viel zu schweren Koffer mit dir herumschleppen musst. Ich bin frei Gregori, endlich frei, endlich ich, endlich angekommen.“

Richard drückte ihre Hand in stiller Bewunderung und sie lächelte so herzergreifend zu ihm auf, dass er auch lächeln musste.

„Du machst einen Fehler.“ Gregori klang nicht länger drohend, sondern traurig.

„Ich habe viele Fehler gemacht, habe einen Mann beschimpft, ihm Kekse gebacken, ihn über den Haufen gerannt und dann? Ich habe mich verbrannt und verbrüht, erkältet und bin in Ohnmacht gefallen, und dann? Gregori ich bin hier zuhause, hier bin ich endlich ich und nur ich und Menschen kennen und mögen mich.“

Sie lachte ihn an nicht aus und da war sie wieder, das kleine Stehaufmännchen, das ewige Kind mit ihrem herzlichen Lachen und ihren wachen Augen.

„Ich muss jetzt gehen, aber ich schaue morgen noch mal bei dir vorbei.“

Gregori berührte die Wange seiner Schwester sanft und griff dann in seine Jackentasche.

 

„Seltsam Sue hat geklungen als wärst du in arger Not, aber ich verstehe jetzt wieso du seltsam geklungen hast.“ Er grinste und Richard fiel auf wie attraktiv er eigentlich war.

„Ja, nein Gregori, du musst mir glauben wenn ich dir sage, dass ich noch nie glücklicher gewesen bin.“ Salome strahlte und sogar ihr Bruder konnte sich nicht gegen diese unbändige Freude auflehnen.

Er war gekommen um sie nach Hause zu holen, zu sich, und als er sah dass sie sich mit Schattengestalten umgab wurde er wütend.

Salome war ihr Leben lang eine kleine Traumtänzerin gewesen und er wollte nicht zulassen, dass sie alleine in einer Stadt verrottete, die kein Mitleid zeigen würde.

Allerdings lehnte sie sich mit der ganzen Kraft einer erwachsenen Frau auf und dieser Richard hielt ihre Hand als wolle er nicht dass sie geht.

Gut, dachte Gregori, er war zwar immer noch überzeugt, dass seine Schwester einen schwerwiegenden Fehler machte, aber sie sollte ihre Chance auf ein eigenes Leben haben, er würde ihr das nicht verwehren.

Oh wie wunderschön sie war mit ihren rosigen Wangen und ihrem verbissenen Mund, ihren dunklen Kinderlocken und ihrer schneeweißen Haut.

Sie hatte immer Recht von Unrecht unterscheiden können und er musste daran glauben, dass sie das weiterhin tun würde und könnte.

Von der allerersten Sekunde an hatte Gregori seine Schwester geliebt und sich ihrer Sicherheit verschworen.

Wer hätte sie nicht geliebt? Sie war ein Leben lang anschmiegsam und liebevoll, kriegerisch und mutig, anmutig und tollpatschig zugleich gewesen.

Salome kannte keine Angst, sie kannte keine Zweifel und was noch viel schlimmer war: Sie kannte keine Männer außer ihm.

Oh er kannte Richard Armitage, immerhin hatte eine seiner Ex-Freundinnen ihm jede einzelne Rolle vorgespielt. Er kannte diesen dunklen, anziehenden, nahezu verhexenden Mann.

Gregori kannte die Gefahr die von Männern ausging die nur allzu gut wussten wie verdammt schön sie waren und wie Frauen auf sie reagierten.

 

Gregori sah auch, dass seiner Schwester etwas an diesem Mann lag.

Er hatte miterlebt wie sie sich vor ihn gestellt hatte, bereit die ganze Breitseite seiner Wut hinzunehmen ohne mit der Wimper zu zucken nur um einen Mann der 20 Jahre älter und 30 cm größer war als sie zu schützen.

Sie wusste es nicht, dachte er verwundert und lächelte, sie wusste nicht wie deutlich er erkannte, dass ihre Züge weich waren wenn sie ihn ansah, dass sie ihm kein Misstrauen sondern Zuneigung entgegen brachte.
Himmel, sie hätte ihren eigenen Bruder rausgeworfen nur um seine Ehre unangetastet zu wissen und nach einem weiteren schnellen Blick beschloss Gregori, dass auch Armitage nicht die geringste Ahnung hatte.

 

Gregori lächelte breit als er seiner Schwester ein rosa Nilpferd überreichte, das er als Einweihungsgeschenk mitgebracht hatte.

„Pass auf dich auf, iss regelmäßig und mach keine Dummheiten!“ befahl er ihr dann eindringlich und wandte sich der Tür zu.

„Es tut mir leid kleine Schwester. Ich bereue beleidigt zu haben was du anscheinend mit Liebe und Vertrauen als Dein betrachtest und ich werde Sue natürlich versichern, dass es dir gut geht. Ach ja, sie hat mich gebeten ihr eine genauere Beschreibung von deinem Nachbarn zu machen wenn ich ihn treffe, aber zu sagen, dass er wie Richard aussieht wäre faul, oder?“

Salome nickte wortlos und küsste ihren Bruder zum Abschied.







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