11.
Ihre Stimme ging in dem Heulen des Windes unter und sie spannte sich automatisch an.
Der Arm den sie mutig schwingen ließ wurde jedoch von einer eisernen Faust aufgehalten und sie sah ein, dass sie umdenken musste.
Als sie also mit dem Fuß ausholte um den Angreifer unschädlich zu machen war sie mehr als verwundert als dieser von ihr abließ und sich nach hinten rollte.
Entschlossen warf sie sich auf den Mann und knurrte: „Ich werde Ihnen die Schlagader aufbeißen wenn es muss sein.“
Ein Licht flammte auf und als Salome hoch sah, erkannte sie, dass der zweite Mann sein Handy auf die Szene gerichtet hatte und leise kicherte.
Filmte dieser Perverser ihren Todeskampf auch noch?
Der Mann der unter ihrem Körper begraben war versteifte sich und fragte dann langsam und vorsichtig:
„Salome? Sind Sie das?“
Mit einem Schlag erkannte sie die Stimme, diese Stimme eines Engels und sie sprang nahezu auf, den sich aufrappelnden Richard böse anfunkelnd.
„Salome, ehrlich, Sie sollten aufhören unschuldige Männer mit Briefmessern und Schlüsseln anzugreifen. Wo denken Sie, dass sie hier sind? Dies ist eine ruhige Nachbarschaft in der alte Männer wohnen. Hier wird doch niemand Sie überfallen.“
Er verstand instinktiv, dass sie sich nur wehren wollte, wusste aber nicht wieso und woher dieser starke Drang kam.
„Ich bin eine Frau, allein, in der Dunkelheit, wenn mir also zwei große Schatten entgegen kommen die eindeutig Männer sind, dann bin ich aufmerksam.“
Richard runzelte die Stirn und klopfte seinen Mantel ab.
„Sie waren NICHT aufmerksam oder vorsichtig, sondern lebensgefährlich aggressiv.
Hier gibt es keine gefährlichen Menschen.“
Sie lachte spöttisch und sprach dann deutlich:
„Vielleicht sind alle Nachbarn hier brave Bürger, aber ich weiß von mindestens Einem der mich schon einmal fast zu Fall gebracht hat und der eindeutig nicht harmlos ist und irgendwie habe ich stets das außergewöhnliche Glück oder Pech genau diesem Nachbarn über den Weg zu laufen.“
Richard hielt ihr seufzend seine Pranke hin und lächelte:
„Dann sind wir jetzt Quitt, denn Sie haben mich tatsächlich dazu gebracht mich winselnd auf dem Boden zu wälzen.“
Sie schnaubte verächtlich: „Sie haben kein bisschen gewinselt.“
Ihr Ton stellte klar, dass sie es gut gefunden hätte wenn er es getan hätte.
„Innerlich schon.“ Grinste er und sie musste gegen ihren Willen lachen.
„Was machen Sie eigentlich um diese Uhrzeit hier draußen?“Er klang jetzt etwas streng.
Eine Augenbraue hebend zeigte Salome auf den Fellberg der bisher leise knurrend neben ihr gesessen hatte. War es denn nicht offensichtlich, dass sie ihren Hund nur ausführen hatte wollen?
„Ah ja, ich denke ich werde Sie jetzt nach Hause geleiten. Mit ihrem Pech werden Sie sonst am Ende doch noch wirklich angegriffen.“
Salome wollte abstreiten, ablehnen, abhauen, aber sie konnte nicht, denn der Schreck saß ihr immer noch in den Gliedern und sie musste heimlich zugeben, dass sie zwei große Männer lieber an ihrer Seite hatte als gegen sich.
Also schritt sie einfach zurück, sich niemals umdrehend und die Haustür einfach hinter sich offen lassend.
Richard dachte sich, dass sie komplett von Sinnen sein musste als er ihr in die Küche folgte und das Chaos ihrer Backaktion sah.
Darüber hinaus trug sie Stiefel und seinen Pullover und sonst anscheinend nichts.
Er hatte nur einen kleinen Spaziergang mit Matthew machen wollen und war tatsächlich zufällig das Opfer der sinnlosen Angriffslust seiner Nachbarin geworden.
Salome dachte darüber nach wie sie ihren Lesern diese wahnwitzige Situation erklären wollte und dann kam ihr etwas in den Sinn, das sie bisher verdrängt hatte.
Sue rief an und wie so oft hatte Salome Pech, denn die Männer die sicher durch den Wolf gedreht werden sollten, standen genau vor ihr.
„Hey Sue.“ Murmelte sie leise als sie mit einer Hand den Teekessel auf den Ofen hob und mit der Anderen das Telefon abhob.
Richard legte beide Hände an den Mund um ihr zu bedeuten den Lautsprecher anzumachen, während sie mimisch um Ruhe bat.
Verdammt, dachte sie und drückte schicksalsergeben auf den Knopf.
„Hey Lola, und wie geht es dir? Alles in Ordnung?“ Sie war immer noch besorgt und hatte sich bereits nach Tickets nach London umgesehen.
„Ja, mein Nachbar hat sich nicht als der Axtmörder herausgestellt.“ Salome seufzte und kniff die Augen zusammen als Richard tat als sei er durch IHRE Hand verkrüppelt worden.
„Und was hältst du denn jetzt von Armitage?“
Salome schloss die Augen in endloser Scham, denn Sue hatte es wieder einmal geschafft die wahrscheinlich peinlichste Konversation der Welt in Gang zu setzen.
„Sincèrement, je ne saurais pas te le dire. Je suppose qu’il est en effet très attirant, mais il faut bien avouer que je ne le connais qu’à peine.“
Salome wusste, dass sie schummelte aber wie sonst hätte sie sich dieser Situation entziehen können, wie sonst hätte sie zugeben können, dass sie besagten Mann in der Tat attraktiv fand ohne dass dieser es verstand.
„T’es en danger?“ Sue klang alarmiert, denn es war so lange her, dass Salome französisch mit ihr gesprochen hatte und sie folgerte daraus, dass ihre Freundin wohl in Gefahr sein musste.
Darüber hinaus spürte Salome zwei Augenpaare die sie durchbohrten und als sie sich umdrehte sah sie zwei Köpfe die sich langsam schüttelten, also würde sie gehorsam sein.
„Nein mir geht es gut. Aber ich…Ehrlich Sue, ist es nicht egal was ich von ihm oder Droopy halte? Ich meine, wir sind erwachsen. Denen ist es egal was wir denken und wir sind etwas zu alt um uns Gedanken über Menschen zu machen die wir niemals treffen werden.“
Salome wusste, dass sie das Schicksal damit herausforderte, aber sie wollte sich selbst überzeugen von dem was sie da gerade gesagt hatte.
„Es ist möglich, dass wir sie irgendwann treffen.“ Wandte Sue ein und Richard grinste Salome spöttisch an als sie ihre Augen gequält zusammendrückte.
„Ja Sue, aber es ist unwahrscheinlich.“ Salome wollte nicht zur größten Lügnerin des Jahrhunderts werden und deshalb hielt sie sich an Tatsachen.
„Soll ich dir ein paar Links schicken damit du dich darauf einstimmen kannst?“
Sue war enthusiastisch wie immer und Salome näherte sich langsam aber sicher dem Nervenzusammenbruch.
„Sag mal wie geht es deinem schönen Nachbarn?“ nahm Sue die gleiche Frage von einem anderen Standpunkt in Angriff, ohne es zu wissen.
Salome hätte schreien mögen und Matthew schob ihr vorsichtig eine Tasse Tee hin.
„Was tust du?“ reagierte Sue auf das schlürfende Geräusch.
„Ich trinke Tee.“ Erwiderte Salome einfach.
„Ich habe nicht gehört, dass du Tee aufgesetzt hast.“-„Das habe ich getan bevor du angerufen hast.“ Das Lügenkonstrukt wurde immer dichter.
„Dann muss der Tee aber mittlerweile kalt sein.“ Der Tee war brühend heiß und Salome verbrannte sich die Zunge, zwang sich aber „lauwarm“ zu nuscheln um Zeit zu gewinnen.
„Also…der Nachbar…trägst du immer noch seinen Pulli?“
Sue würde nicht locker lassen und Salome fügte sich dem Unausweichlichem, gab zu immer noch den Pullover eines fremden Mannes zu tragen und gab Sue damit Stoff für wilde Spekulationen, die Salome das Blut in den Adern gefrieren ließen.
„Mach mir ein Foto und schick es mir, dann kann ich dir mehr über ihn sagen.“ Murmelte Sue und Salome ging in Richtung Computer, verfolgt von den Männern wie von ihren Henkern.