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4.

/Dora/

„Erinnerst du dich?“ B. sah mich abwartend an und erschrak als sie die Tränen sah.

Ja ich erinnerte mich, ich hatte in der Nacht davor einen Albtraum gehabt und Blossoms Vater wollte mich nicht allein lassen, also hat er uns ausnahmsweise erlaubt ihn zu einem seiner „Rundgänge“ zu begleiten.

Ich hatte mit B. gesprochen, über Mode und Tanz, ich erinnerte mich an ihre warme Hand als wir in irgendeiner Ecke standen und uns die Menschen ansahen die kamen und gingen.

Verdammt ja, ich erinnerte mich daran wie ich meinen Blick gehoben hatte und diesen Mann sah.

Er war wirklich groß gewesen und während ich nur ein Kind war, war Mimi schon damals alt wie die Zeit gewesen und sie hatte sich vor so viel geballter Männlichkeit ergeben wie eine Katze.

Wie hätte ich vergessen können, dass ich ihn angestarrt hatte bis meine Augen tränten aus Angst seine ätherische Schönheit könnte sich in Luft auflösen?

Er musste zu dem Zeitpunkt schon um die 30 gewesen sein, reif, erwachsen und würdevoll.

Jetzt wo ich daran dachte konnte ich diesen durchdringenden Geruch nach Mann und Unsicherheit wieder riechen, konnte das halbe Lächeln auf seinen Zügen wieder sehen und sein schüchternes „Hallo“ hallte in meinen Ohren nach.

Er war eingeschüchtert gewesen, hatte Mimis Wissen und ihr ehrliches Begehren in den Augen eines Kindes gesehen und sich ein wenig gefürchtet.

Oh Mimi hatte ihn gekannt, hatte mir zugeflüstert, dass er einmal ein ganz Großer werden könnte und dass ich nie wieder ein Gesicht wie dieses finden würde.

Sie hatte Recht behalten, wie sie es immer tat, aber mit der Zeit war die Erinnerung zum Traum geworden und jetzt endlich hatte ich einen Namen zu dem Gesicht, das ich immer mal wieder in meinen unruhigen Nächten gesehen hatte.

Deshalb kam er mir so bekannt vor und deshalb schien ich sein Leben zu kennen.

Ich hatte von ihm geträumt, hatte seine Seele in der Stille der Nacht gesucht und gefunden und mich in sein Leben eingeschlichen wie ein Hacker in einen fremden PC.

„Ja, ich erinnere mich.“ Wisperte ich kraftlos.

„Du sahst damals aus als hättest du einen Geist gesehen. Weißt du, ich habe ihn danach noch einige Male gesehen. Ich habe es dir nicht gesagt, weil du nie nach ihm gefragt hast, aber ehrlich gesagt, kann ich bis heute deine Faszination nicht verstehen.“

B. sah mich schulterzuckend an.

„Du hattest aber Recht, er ist zu einem der Großen des Fernsehens geworden, auch wenn er nicht wirklich ein Engel ist. Er ist der Böse.“

„Nein, sein Wesen ist gut.“ Wiedersprach ich leise.

„Aber sein Gesicht ist es nicht. Das sind doch nur Rollen, du wirst es schon noch sehen. Ich denke vielleicht kennst du ihn besser als ich.“ Sie grinste, doch ich nickte nur sehr langsam.

Nicht ich, sondern Mimi, Mimi kannte ihn.

*Ich, wir haben nach ihm gesucht. In jeder Stadt, an jeder Wand, haben wir nach ihm gesucht und wir haben ihn gefunden.*

„Mimi sagt sie hätte nach ihm gesucht.“ Wisperte ich verstört.

„Dora? Er ist 40. Er war schon alt als du ihn zum ersten Mal gesehen hast. Jetzt hast du ihn gefunden, und was nun?“

Mimi kicherte und ich schluckte schwer.

Nein, du kannst ihn nicht haben, sprach ich innerlich. Du kannst ihn dir nicht aneignen.

*Ich würde es gut finden, wenn du ihn für dich beanspruchen würdest. Er könnte…*

„Oh.“ Entwich es mir in einem Seufzer und Blossom sah mich aufmerksam an als sie sprach:

„Mimi wächst in dir, mit dir. Hast du wirklich erwartet, dass die Stimme die dich treibt nie nach einem Mann verlangen würde? Dass sie dich nie dazu animieren würde einen Mann zu haben?“

„Diego hat mich verlassen.“ Gab ich tonlos zurück.

„Mimi hat Diego nie gemocht.“ Erwiderte sie genauso trocken. „Will sie Richard?“

Ich nickte und gab dann zu: „Sie will ihn seit über 10 Jahren.“

Nun musste auch B. schlucken. „Du warst doch nur ein Kind, wie konnte sie?“

*Ich hatte Geduld. Ich habe auf dich gewartet.* Mimi klang verführerisch, lockend.

„Lass uns reingehen, dein Freund wartet und Mimi macht mich wütend.“

 

/Robert/

Gott, da waren sie.

Ich hatte Blossom auf einer Party kennengelernt und sie hatte mir gleich gefallen, sie war keine gelangweilte Erbin, sondern eine Frau die ganz genau wusste was sie wollte.

Wir hatten eine Auszeit genommen, sie war einfach mit mir weg und es war herrlich gewesen.

Dann hatte sie mir auf einmal gesagt, dass sie eine Freundin erwartete.

„Sie wird wissen wo ich bin und mit wem.“ Hatte sie gelächelt und als ihr sagte, dass ich das für unwahrscheinlich hielt, hatte sie mir gesagt, dass ihre Freundin Dinge einfach wusste.

Blossom war also nicht nur reich, wunderschön und interessanter als 10 Hollywooddiven, nein, Blossom hatte auch eine beste Freundin die hellsehen konnte.

Und diese Freundin stand jetzt mitten im Raum und sah durch mich hindurch.

Auf einmal zweifelte ich nicht mehr an B.s Wort, nein, diese Frau sah Dinge, wusste Dinge die niemand wissen konnte.

„Ich kenne dein Gesicht. B. denkt oft an dich.“ Murmelte sie und ihre Stimme war weich und warm wie ein Sommernachmittag.

„Hallo ich bin Robert.“ Stellte ich mich vor, nicht sicher ob man einer Hellseherin so etwas sagen musste.

„Hallo Robert T., wie geht es dir? Sei nicht ängstlich, ich werde dir nichts tun.“ Sie lächelte, aber irgendetwas stimmte nicht.

„Geht es dir gut? Ich kann doch „du“ sagen, oder? Du siehst aus als wäre dir ein Geist begegnet.“

Sie runzelte die Stirn und lächelte dann wieder, dieses Mal ehrlicher.

„Ja, das kann man so sagen. Setzen wir uns doch einfach erst mal. Wie war es in Irland?“

Hatte B. ihr gesagt wo wir gewesen sind?

Oh ihrem genervten Blick nach hatte sie das nicht.

„Gut, ein wenig kalt, aber gut.“ Ich lächelte und klopfte neben mich auf das Sofa.

„Tut mir leid, ich habe mich bald wieder besser unter Kontrolle. Mimi ist nur heute Abend sehr aktiv.“ Sie sah mich entschuldigend an.

„Was sagt Mimi über mich?“ Ich war neugierig und die beste Freundin der Frau die ich mehr als sicher lieben würde, konnte mir nichts Böses wollen, oder?

„Oh…Mimi sagt du bist der Jüngte, oh du hast zwei Schwestern. Das ist cool. Sie sagt weiter, dass sie deinen Humor mag, dass du ein lieber Junge bist, dass du deine Schuhe zubinden solltest und dass du ein recht guter Sänger bist.“

Es war faszinierend zu sehen wie schwarz ihre Augen wurden wenn sie so in sich hineinhorchte.

„Das sind ganz schön viele Schauspieler für einen Abend.“ Murmelte sie dann und war wieder sie selbst.

„Ist Mimi eigentlich nett?“ fragte ich sie weiter und sie schien erfreut über meine furchtlose Neugier.

„Meistens schon, nur wenn sie nicht bekommt was sie will dann wird sie fies. Sie ist mein Blindenstock, warnt mich vor bösen Menschen und drängt mich in die Richtung der Guten.“

„Ich versuche ein guter Mensch zu sein.“ Wandte ich ein und sie grinste.
„Das ist schwer in diesem Gewerbe, aber ja, Mimi sagt du bist ein guter Mensch, ein ehrlicher Bürger und ein liebevoller Sohn.“

B. hatte mir erzählt wie schwer es für Dora war mit dieser Stimme und dem vielen zusätzlichen Wissen zu leben, immer Dinge zu wissen und nie etwas herausfinden zu können.

Sie fühlte sich wie ein Freak und auch wenn ich das verstand, fand ich doch, dass Dora an sich sehr nett war und die ganze Situation gelassen hinnahm.

„Ich hatte einige Tage Zeit mich vorzubereiten.“ Sprach sie und ich zuckte doch zusammen.

„Dein Gesicht, dein Gesicht spricht mehr als dein Geist es je könnte.“ Lächelte sie und berührte meine Wange leicht.

„Oh…Ich glaube ich werde dich mögen. Mimi mag dich jetzt schon.“

„Danke, ich denke auch, dass ich dich mögen werde. Verdienst du dein Geld damit?“

Sie zuckte mit den Achseln bevor sie zögernd sagte:

„Irgendwie schon, ich sollte an sich Französischlehrerin werden, aber ich verdiene mein Geld an der Börse.“

„Das ist geschummelt.“ Grinste ich und sie grinste zurück.

„Ja, man lernt etwas und tut dann doch das wofür man ein Talent hat, nicht wahr?“

Und dann klingelte es an der Tür und sie wisperte: „Richard.“


 






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