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Story Notes:

 

Wir begeben uns weit zurück ins Mittelalter, zu "Robin Hood" (in der Version von Ridley Scott) und die ganze Aufmerksamkeit liegt hier aber auf einer Figur, die in Scotts Verfilmung leider nur eine völlig nebensächliche Rolle gespielt hat - nämlich dem Sheriff of Nottingham, der - wie sollte es anders sein - von MM verkörpert wurde. Ihm habe ich hier eine sehr tragende Rolle auf den Leib geschrieben, die in der Fortsetzung der Film-Handlung angelegt ist.
Er wurde da eher als schwacher, feiger, aber dennoch Furcht einflößender Typ geschildert und daran musste ich mich ja erst einmal orientieren.

Alle Personen und auch fast alle Orte dieser Geschichte sind real existierend, bis auf die als Legende geltenden Figuren Robin of Locksley, Marian of Locksley, die Merry Men und noch eine weitere Ausnahme, die ich dann aber erläutern werde.
Dieser Sheriff of Nottingham (SoN) hat tatsächlich gelebt, auch dieses Amt wirklich versehen, nun habe ich ihm mit Matthew Macfadyen (MM) ein Gesicht und MMs SoN aus dem Film im Umkehrschluss einen Namen gegeben.
Es ist von Vorteil, mit der Filmhandlung vertraut zu sein, jedoch nicht zwingend notwendig, man findet dann wohl rasch in die Story auch ohne Vorkenntnisse.
Zusamenhänge mit der englischen Geschichte versuche ich ebenfalls zu erklären.
Gegengelesen hat Becci, danke an dieser Stelle dafür! 

 

DISCLAIMER


Alle Charaktere, Handlungen, Schauplätze etc. von „Entgegen aller Vorzeichen“, die auf dem Film „Robin Hood" (2010/Ridley Scott)  beruhen, sind Eigentum des rechtmäßigen Besitzers Universal Pictures Inc., USA.

Die von der Autorin selbst erschaffenen Charaktere und die Handlung des Romans „Entgegen aller Vorzeichen“ sind Eigentum der Autorin.

Die Autorin ist in keiner Weise mit den Besitzern, Erschaffern oder Produzenten irgendeiner Medienkonzession verbunden.
Vorsätzliche Verstöße gegen das Urheberrecht sind nicht beabsichtigt.

© Doris Schneider-Coutandin 2010

 

Author's Chapter Notes:

 

England, zu Anfang des 13. Jahrhunderts, unter der Herrschaft von King John. Das Land ist seit ca. 150 Jahren unter normannischem Einfluss, die englischen Könige sind auch gleichzeitig die Herzöge der Normandie und Titelhalter anderer französischer Provinzen, und ein gewisser Philip Marc de Touraine (hist. verbürgte Tatsache) übt das Amt des Sheriffs of Nottingham aus... 

 










 

Philip Marc setzte sich an den grob gezimmerten, massiven Holztisch und stützte seinen Kopf in einer Geste der Verzweiflung mit beiden Händen ab.

Er war wirklich ein jämmerlicher Versager!

Nichts, rein gar nichts war ihm gelungen, seit er das Amt des Sheriffs in dieser Grafschaft übernommen hatte.

Die Einnahmen aus dem von ihm verwalteten Gebiet, die ihm einst als stattliches Sümmchen in Aussicht gestellt worden waren, schrumpften immer mehr in sich zusammen. Anstatt einer klimpernden Geldkatze befand sich unter seinem Kopfkissen nichts außer widerwärtigem Ungeziefer.

Marian of Locksley hatte sich mit Robin Hood in die Wälder geschlagen, nachdem die französischen Truppen ihren Schwiegervater gemeuchelt hatten.

Er selbst war bei diesem Angriff mit einem blauen Auge davongekommen und er hatte sich den marodierenden Truppen durch ein geschicktes verbales Manöver entziehen können.

Das war nicht sehr heldenhaft gewesen, die Feigheit nagte an ihm. Aber heiligte da der Zweck nicht die Mittel? Durfte man denn nicht seine - in diesem Fall französische - Herkunft aufdecken, um das eigene Leben zu retten? Wie gut, dass ihm seine Kenntnisse der französischen Sprache dabei nützlich gewesen waren. Er dankte seiner Mutter dafür, dass sie darauf bestanden hatte, mit ihm zeitlebens ihn dieser Sprache zu reden.

Andererseits – was war dieses miserable Leben hier in der Provinz schon wert? Wäre es nicht besser gewesen, den Tod diesem sinnlosen Dasein vorgezogen zu haben?

Er stieß einen tiefen Seufzer aus und verfiel immer mehr in Selbstmitleid, wobei er samt und sonders ein Bild des Jammers abgab.

Alles war ihm zuwider. King John war ein furchtbarer Herrscher, der ihn nicht einmal besoldete. Ganz im Gegenteil, er als Sheriff musste noch eine Amtsgebühr an die Krone abführen.

Von dieser Seite her war er also schon ordentlich gekniffen.

Und nun auch noch von der anderen Seite, von der Bevölkerung her, die mehr und mehr Partei für Robin Hood ergriff.

Er war ganz auf sich allein gestellt hier in diesem verdammten Nottinghamshire!

Er hasste es! Er hasste diese Grafschaft, er hasste seinen Posten, er hasste alles, was damit auch nur annähernd zu tun hatte.

Wäre es nicht besser von diesem Amt – das mehr Bürde denn Bereicherung war - zurückzutreten und sich irgendwo als einfacher Schreiber zu verdingen oder aber eine wirklich gute Parzelle Land zu erwerben und ein Bauer zu werden?

Nein, vergiss es, Philip, mahnte er sich selbst.

Er hatte wenig bis gar keine Ahnung von der Landwirtschaft, es würde ebenso in die Hose gehen, wie alles andere, das er bisher angepackt hatte.

Zwar würde er als Schreiber in London oder auch in York sicher nicht schlecht verdienen, aber er würde anderen zu Diensten sein müssen, würde deren Speichellecker sein. Er verzog das Gesicht zu einer äußert unwilligen Grimasse, als er sich vorstellte, dass er mit unterwürfiger Geste und dienstbeflissener Miene den Schriftkram irgendwelcher Kaufleute oder nicht näher zu benennendem, noch schlimmerem Gesindel zu erledigen haben würde.

Er schauderte kurz bei diesem Gedanken und verwarf ihn daher sofort wieder. Es war nicht schlecht, mehr oder weniger sein eigener Herr zu sein, auch wenn dies derzeit ein wenig einträgliches Geschäft war. Er würde es einfach besser machen müssen, würde… mehr Abgaben verlangen müssen.

Nachdenklich kratzte er sich am Kopf – hoffentlich hatte er sich keine Läuse bei irgendeiner dieser Schlampen, die gelegentlich das Bett mit ihm teilten, eingefangen – und schüttelte diesen dann vehement. Die Bürger von Nottingham hatten nichts mehr. Sie lebten sowieso alle schon von der Hand in den Mund und auch er hatte gewiss nicht täglich einen Braten auf dem Tisch. Er lebte nicht in Saus und Braus, ganz im Gegenteil. Das Wildbret gehörte King John, das durfte er genauso wenig antasten wie auch die einfachen Untertanen es nicht durften.

So gab es mal Huhn oder Stücke eines Schweins, dann natürlich im Frühjahr Lamm, später dann eben Fleisch von Ziege oder Schaf, meist an Sonn- und Feiertagen halt.

Fisch wurde öfter aufgetischt, denn es gab nicht wenige Teiche, Seen und Bäche, zum Glück. Und hatte sich mal eine altersschwache Taube verflogen, landete sie meist auch recht schnell in der Bratröhre.

Ein Leben in Völlerei war dies ganz sicher nicht. Es gab sogar Tage, da musste er sich das letzte Stückchen Käse oder Speck gut einteilen, bis Nachschub herangeschafft werden konnte oder eben einige Stücke in der Räucherkammer oder der Käserei gereift waren. Diese Sachen waren entsprechend teuer - Geräuchertes und Käse – und schröpften seine Mittel nicht unerheblich.

Sein Kopf sank tiefer in Richtung Tischplatte. Die einzige Frau, der er jemals geliebt hatte, Marian of Locksley, hatte ihn nicht gewollt. Weder sein Amt noch sein Pelzkragen hatten sie irgendwie beeindrucken können. Sie war eine starke Frau, vermutlich stärker als er selbst es jemals sein würde. Diese Erkenntnis traf ihn hart und er kämpfte wahrhaftig mit den Tränen.

Warum hatte dieser verdammte Robin Longstride aber auch hier auftauchen müssen?

Er rief sich selbst zur Ordnung. Das Erscheinen dieses Bogenschützens aus König Richards Armee hatte nichts damit zu tun, dass Marian ihm die kalte Schulter gezeigt hatte. Das hatte sie lange zuvor bereits getan, immer und immer wieder. Gut, aber damals war sie auch noch nicht Witwe gewesen. Wäre dieser Longstride jedoch nicht hierher nach Nottingham gekommen, um dem alten Locksley vom Tod seines Sohnes zu berichten, hätte dieser ihn auch nicht an seines Sohnes Statt angenommen. Ach, alles war wie verhext!

Er konnte nichts! Sein Vater war viel zu früh gestorben, er hatte ihm nichts Wichtiges, nichts Brauchbares beigebracht, denn er war viel zu jung bei seinem Tod gewesen. Nur seiner Mutter hatte er seine guten Französisch-Kenntnisse und das Erlernen von Lesen und Schreiben zu verdanken.

So konnte er nicht einmal das Schwert sauber und ordentlich führen. Lediglich ein paar Hiebe mit langen Stöcken hatte er von ein paar durch das Land ziehenden Söldnern beigebracht bekommen. Es waren nur grundlegende Übungen gewesen, absolut nichts, auf was man bei einem wirklich bedrohlichen Kampf hätte bauen können.

So blieb ihm ja meist gar keine andere Wahl, als den Kopf hastig einzuziehen und sich feige irgendwo zu verschanzen, bis die Luft wieder rein war.

Er fühlte sich selbst nicht wohl dabei, aber er wollte nicht unrühmlich dahin gemetzelt werden. Er wollte – wenn es denn schon sein musste – heldenhaft und ehrenvoll sterben.

Langsam stand er von dem altersschwachen Schemel auf, der sein Gewicht kaum noch tragen konnte. Er war ein sehr großer Mann, ungewöhnlich groß sogar. Allein dieser Umstand war respekteinflößend, denn er überragte fast alle Menschen in Nottinghamshire, zumindest die, die er kannte. Und das glich seine fehlende Kampfkunst zu einem gewissen Teil aus. Bis jetzt jedenfalls. Wenn er mit seinem schweren Ross über die Felder gesprengt kam, wichen immer alle Leute schnell und zur Seite geduckt aus.

Aber damit erschöpfte sich auch schon sein Respekt bei der Bevölkerung. Er wusste, sie reagierten damit nur auf seine imposante Erscheinung, nicht aber auf seinen Einfluss und nicht auf sein Gebaren als Sheriff dieser Grafschaft. Das war beides wohl eher Anlass für reichlich Gespött unter den Leuten.

Er öffnete die hölzerne Tür, die mit quietschenden Angeln nach außen nachgab, und trat an den Brunnen, um sich einen Krug Wasser zu schöpfen.

Eigentlich hatte er dafür Gesinde - einen Knecht, der auch sein Pferd versorgte, und eine Magd - aber es stand zu befürchten, dass der Knecht sich zu Hood in die Wälder geschlagen hatte und die Magd von den Franzosen verschleppt worden war.

Um die Magd war es ein wenig schade, sie hatte wenigstens dazu getaugt, ihn im Bett zu erfreuen. Nun ja, es würde sicher in der Gegend noch ein paar andere Weibsleute geben. Es war zwar nicht direkt schwer, diese zu gewissen Diensten zu bringen, aber es war auch nicht so, dass sie ihm wie reife Früchte in die Arme sanken. Dazu war sein Ruf einfach zu schlecht, seine Manieren zu rau, sein ganzes Auftreten zu ungehobelt und zu herrisch. Es kostete ihn stets etliche Münzen. Er sollte sich eine Frau, eine Ehefrau nehmen. Aber woher?

Etwas wohlhabendere Eltern schickten ihre Töchter lieber ins Kloster, als sie ihm als Frau zu geben. Und die Armen waren entweder geflüchtet oder hausten nun bei Hood im Wald. Keine sonderlich erbaulichen Aussichten für ihn.

Er konnte ja auch schlecht nach London reiten und sich von King John persönlich eine Braut erbitten.

Dieser würde in schallendes Gelächter ausbrechen, ihn vermutlich in einem Anfall von Jähzorn für einen Tag vor dem Tower an den Pranger stellen lassen und dann - versehen mit einem Tritt in den Hintern - wieder in diese öde Provinz zurückschicken, nicht ohne vorher die Steuerlast für dieses Gebiet und damit auch die Abgaben des Sherifftums an die Krone erneut drastisch erhöht zu haben.

Während er durstig einen Schluck des kühlen Brunnenwassers trank, kam ihm der flüchtige Gedanke, dass dieser Robin Longstride mit seinen Gesetzlosen gar keine so schlechte Sache darstellte.

Oh Gott! So etwas durfte er auch nicht einmal ansatzweise denken! Er war der Krone verpflichtet. Er war ein treuer Vasall des Königs. Er… hatte ihm zu dienen, er… er… ihm gingen die Argumente aus!

Und weiterhin in trübsinnige Gedanken vertieft, sank er wieder auf den Schemel in der Stube, der bei dieser Gelegenheit unter dem Gewicht des Sheriffs dann auch endgültig zusammenbrach.






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