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Author's Chapter Notes:

 

Den im Kapitel erwähnten Ort Bakewell gibt es wirklich.










 

Auf dem Weg zum Haus fragte er, um nicht gänzlich stumm zu bleiben: „Wenn doch Touristen zum Haus kommen sollen, weswegen ist dann unten an der Straße kein Hinweisschild? Ich hätte die Einfahrt beinahe verpasst.“

Sie drehte sich kurz zu ihm hin, er sah wiederum den Anflug eines Lächelns bei ihr, dann meinte sie: „Es gibt ein Schild, aber ich habe es vorgestern abmontieren lassen, da es verwittert war und neu gemalt werden muss. Und da nun im Winter ohnehin kaum Tourismus hier in der Region herrscht, ist es nicht so schlimm einmal ein paar Tage ohne das Schild zu sein.“

„Ach so“, murmelte er verstehend.

Sie betraten das Haus genau dort, wo er zuallererst an die Tür geklopft hatte. Oh, das war der Privateingang, das hatte er natürlich nicht wissen können. Gut, dass niemand geöffnet hatte, es wäre sicher sehr peinlich für ihn geworden.

Wenn er erwartet hatte, dass sie nun in diesem Trakt des Hauses alles auf ihre modernen Bedürfnisse zugeschnitten hätte, dass alles Alte und Traditionelle hier verschwunden wäre, wurde er sofort eines Besseren belehrt.

Hier war alles sogar noch authentischer, sofern er dies auf den ersten Blick beurteilen konnte. James hätte darüber sicher einen fachlich besser fundierten Bericht abgeben könnte.

Er war so perplex, dass er nicht umhin konnte zu fragen: „Keine moderne Kunst an den Wänden, keine neuen Möbel, keine Einbauküche nach dem neuesten Schrei?“

„Wozu? Das würde den Charakter des Hauses kaputtmachen. In London habe ich genug moderne Einrichtungs- und Stilobjekte um mich herum. Hier brauche ich das nicht. Ich bin froh, wenn ich hier in eine Küche komme, wo halbwegs noch am Holz befeuerten Herd gekocht wird und es keinen hypermodernen Ami-Kühlschrank mit Eiswürfel-Bereiter gibt.“

Er war sichtlich überrascht, sagte aber nichts.

Sie grinste, als sie die Treppe hinaufstiegen: „Nur ein modernes Klo, also eines mit Wasserspülung, habe ich mir ausbedungen, aber alles andere ist der alte Kram aus längst vergangenen Zeiten.“

Nur ein Wasserklosett? Bedeutete das, sie schlief in einem überdimensionalen Himmelbett und hatte allenfalls eine Zinkwanne zum Baden? Er traute sich nicht, nachzufragen, außerdem stieß sie bereits die Tür zu einem großen Raum auf und er kniff ungläubig die Augen zusammen.

Es schien in der Tat ihr Schlafzimmer zu sein, ein großer Kamin nahm fast die eine Stirnseite komplett ein und an der anderen Wand stand eben jenes Himmelbett, über das er vor einer Minute noch fantasiert hatte.

„Fühl dich wie zu Hause, ich gehe nur schnell duschen und mich umziehen.“

Mit diesen Worten verschwand Elizabeth Bennet und er stand alleine mitten im Raum.

Völlig von der Situation überfordert ließ William sich vorsichtig auf einen Sessel in der Nähe des Kamins sinken, in dem – wie sollte es im Winter auch anders sein – ein munteres Feuer loderte, das wohltuende Wärme und Gemütlichkeit verströmte. Der gesamte Raum war von der Quadratmeterzahl her etwa so groß wie alle Schlafräume in seinem Elternhaus zusammengenommen, plus das Badezimmer dort, was eh kaum der Rede wert war.

William dachte nach. Sie hatte davon gesprochen, duschen zu wollen. Das würde doch in diesem Fall wohl kaum bedeuten, dass sie in einer Zinkwanne stand und ihr eine Zofe eimerweise das warme Wasser überschütten würde, oder? Es musste also doch mehr modernisiert worden sein, als nur ein ordentliches Klo einzubauen. Der Fall interessierte ihn nun, auch wenn ihn die Vorstellung einer nackten Elizabeth in einer vorsintflutlichen Badewanne momentan sehr anregte… nein, erregte, um genau zu sein.

Er rückte ein Stück vom Kamin weg, obwohl das Feuer keineswegs allein für die in ihm aufsteigende Hitze verantwortlich gemacht werden konnte. Er musste sich zwingen, seine Gedanken auf andere, auf unverfänglichere Themen zu lenken.

Gerade hatte er sich wieder halbwegs im Zaum und blätterte gelassen in einer Zeitschrift für Reitsport, als Miss Bennet in einen Bademantel gewickelt wieder zur Tür hereinkam. Heilige Scheiße! Die Zeitschrift entglitt ihm und seine Kinnlade stand offen. Hoffentlich hatte Elizabeth dies nicht bemerkt.

Er fragte daher in bemüht neutralem Tonfall: „Du wirst sicher mehr als nur ein modernes WC haben, wenn du gerade duschen gewesen bist, oder?“

„Das interessiert dich wirklich, nicht wahr? Los, dann komm mit, ich zeige dir das Bad.“

William schraubte sich aus dem Sessel und folgte ihr.

Sie öffnete eine Tür am Ende des langen Korridors: „Bitte sehr.“

Er sah einen überaus karg eingerichteten Raum; eine Toilette mit einem alten, aber funktionsfähigen Wasserkasten und einem fragwürdigen Kordelzug daran, nichts Großartiges, keine fetzige Designer-Hänge-Toilettenschüssel, außerdem eine uralte Emailwanne auf Löwenfüßen, darum einen runden, vollkommen durchsichtigen Plastik-Duschvorhang und eine Handbrause, die über einer altertümlichen Armatur hing.

„Ich habe halt Wasserleitungen legen lassen, mehr aber auch nicht. Nur damit meine armen Angestellten entlastet sind und mir nicht immer das Badewasser in Eimern hochbringen müssen.“

Sie schien seine Gedanken von vorhin gelesen zu haben, ein Umstand, der ihm die Röte ins Gesicht trieb.

Er legte den Kopf schief und versuchte sich in einem verlegenen Grinsen: „Der Duschvorhang passt nicht so recht ins Bild.“

„Ich weiß, aber ich kenne die Beschaffenheit des Fußbodens leider nicht so gut und möchte nicht, dass unten in der Bibliothek womöglich die wertvollen Bücher einen Wasserschaden abkriegen.“

„Verstehe.“

Zurück im herrschaftlichen Schlafzimmer machte sich Elizabeth am Schrank zu schaffen. Sie würde doch sicher zum Umziehen wieder ins Bad gehen, oder etwa nicht? William wusste nicht wie er sich verhalten und was er sagen sollte.

Nachdem sie einige Kleidungsstücke herausgesucht hatte, klappte Miss Bennet einfach einen Wandschirm auf und das Problem war gelöst.

William Darcy atmete auf und er war dankbar, dass sich eine leichte Konversation entspann.

„Hast du dein Auto tanken können?“

„Nur mit einem Reservekanister von Mr. Albright. Ich müsste noch irgendwo eine richtige Tankstelle finden.“

„Hmh, in Bakewell ist eine. Nicht weit.“

„Gut, danke.“

„Gern geschehen. Wir… wir könnten zusammen hinfahren und dort zu Abend essen, wenn du möchtest.“

Es war zu verlockend, er konnte einfach nicht Nein sagen, zumal sie nun hinter dem Paravent hervorkam und einfach umwerfend aussah.

Er zog seine Augenbraue anerkennend in die Höhe, brachte dennoch nicht mehr als ein zustimmendes Nicken zustande.

Elizabeth Bennet fühlte, dass alles gut werden könnte. Sie und William hatten sich heute so gut wie noch gar nicht angegiftet und es sah so aus, als würde sogar ein wunderschönes Dinner zustande kommen.

Sie schritt auf ihn zu und legte ihre Hand auf seinen Arm, der auf der Sessellehne ruhte: „Wunderbar.“

Er wusste, dass er sie nun gleich packen und küssen würde, es ging einfach nicht mehr anders. Seine andere Hand bahnte sich bereits den Weg um ihre Taille… doch da summte das Handy in seiner Hosentasche.

Mit einem zerknirschten Lächeln zog er das Telefon hervor und knurrte ungehalten hinein: „Was gibt’s?“

Als er die aufgeregte Stimme seiner Mutter hörte, war er zunächst genervt, doch nachdem er ihrem Wortschwall für ein Weilchen zugehört hatte, wurde er blass um die Nase.

„Scheiße“, entfuhr es ihm spontan.

Nach einer weiteren Minute des Zuhörens sagte er noch: „Natürlich, Mum, ich komme sofort.“

Er klappte das Handy zu und sah Elizabeth Bennet eindringlich an: „Ich muss nach Hause, jetzt gleich. Louis… Louis hat eine Unmenge Spielschulden angehäuft und nun droht man uns damit, das Haus weg zu pfänden.“

„Georgette Wickham?“

William nickte düster: „Ja. Und sie geht sehr gewieft vor, es wird schwierig, ihr etwas nachzuweisen.“

„Aber Louis ist nicht volljährig. Wie kann das gehen?“

Er lachte bitter auf: „Er hat sich bei James in den Computer eingeloggt und seine persönlichen Daten benutzt. Es wird schon kompliziert überhaupt nachzuweisen, dass es Louis war und nicht James.“

„Wie kann ich helfen?“

„Gar nicht, Elizabeth. Ich fahre nach Hause und dann gnade Gott dieser Schlange von Miss Wickham! Wenn ich sie erwische, breche ich ihr sämtliche Knochen, das schwöre ich! Good-bye.“

Elizabeth Bennet kam nicht mehr dazu, ihn zurückzuhalten, denn er rauschte schneller ab als ein Transrapid.

Der Tank hielt zum Glück bis Rowsley durch, dort tankte er die Kiste voll und drückte auf der Fahrt nach Hertfordshire das Gaspedal dann so weit runter wie möglich.






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