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Vom Liegestuhl aus dirigierte James Darcy die örtlichen Handwerker und seinen Bruder. Dann und wann stand er auch mal auf, humpelte kurz durch die Gegend und genoss sichtlich die vermehrten Aufmerksamkeiten der Bauherrin.

Er bekam von ihr persönlich ein Stück Kuchen zum Tee gereicht, das er selig grinsend entgegennahm, während William überhaupt gar nicht bemerkte, dass Teezeit war und einfach durcharbeitete.

Doch es war die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, denn gegen Abend kamen zeitgleich Miss Bennet und Mrs. Darcy mit ihren anderen drei Söhnen angebraust, denn Martin hatte sich seiner Mutter erbarmt und sie mit Carl und Louis von Hoddesdon nach Harlow Manor gefahren.

James wechselte rasch einen nervösen Blick mit William, bevor das Chaos über sie hereinbrach.

„Wie geht es denn dem Fuß, du Armer?“

Mrs. Darcy schoss auf den Liegestuhl ihres Sohnes zu und wollte ihm bereits übers Haar streichen, da rettete ihn William vor dieser allzu mütterlichen Geste: „Mum, darf ich dich mit Miss Charlene Bingley bekanntmachen? Charlene, das ist unsere Mutter. Und… und“, er zeigte etwas hilflos auf Miss Bennet, die sich lässig an ihr Cabrio gelehnt hatte und dem Treiben mit vor der Brust verschränkten Armen zusah, „das ist Miss Bennet, eine Freundin von Miss Bingley aus London.“

„Aus Derbyshire, korrekt gesagt. London ist nur mein derzeit bevorzugter Wohn- und Arbeitsort.“

Ihre unerwartete Korrektur seiner Vorstellung brachte ihn aus dem Konzept, denn er verstummte und schüttelte irritiert den Kopf. Woher hätte er das denn auch wissen sollen? 

„Ah, schön, schön. Ich hoffe, die Damen genießen den Aufenthalt bei uns in Hertfordshire.“

„Danke, Mrs. Darcy, ich finde es sehr schön hier.“

Charlene Bingley bemühte sich um einen netten und freundlichen Umgangston, James quittierte dies mit einem schmalen Lächeln.

Doch die Harmonie dauerte keine zehn Sekunden, denn da gab Miss Bennet Antwort: „Nun, mir ist das alles ein wenig zu dörflich hier. Ich bin andere Sachen gewohnt, wenn sie wissen, was ich meine. Weniger primitive Dinge eben.“

„Ich weiß ja nicht, welchen Umgang Sie pflegen, Miss Bennet, aber unser Obst- und Gartenbauverein hat internationale Reputation, da dürfte von primitiv oder dörflich schon längst nicht mehr die Rede sein.“

William schritt energisch dazwischen, bevor seine Mutter sich noch vollends blamieren würde: „Ja, aber ich bin sicher, Miss Bennet meinte andere Dinge und bestimmt nicht Dads Obst- und Gartenbauverein.“

Miss Bennet rümpfte zwar die Nase, sagte aber nichts mehr.

Es wurde vereinbart, dass Mrs. Darcy und Martin den Fußkranken zusammen mit Louis im Auto nach Hause kutschieren würden und William dann Carl auf dem Moped mitnehmen konnte.

Da das Wochenende vor der Tür stand, war auch abzusehen, dass Miss Bennet nicht nach London zurückfahren würde, sondern zwei Nächte im Hotel, das sie verächtlich als ‚Absteige‘ bezeichnet hatte, verbringen würde.

Die Handwerker würden am Wochenende nicht arbeiten, aber William und James hatten vereinbart, dass sie trotzdem auf die Baustelle kommen würden, um einige liegengebliebene Aufräumarbeiten zu erledigen.

GW-Poker… die beiden jüngsten Darcys waren ins Online-Spielfieber geraten. Sie wussten zwar, dass sie nicht über den PC der älteren Brüder spielen sollten, aber einmal in das Karussell eingestiegen, gab es so schnell keine Möglichkeit mehr zu stoppen.

Sie hatten ungeheuren Spaß am virtuellen Pokertisch und zockten Runde um Runde. Was sie ab und zu gewannen, verspielten sie sogleich wieder, aber Gedanken um die Spielschulden machten sie sich keine – es war ja nur ein Internet-Spiel und nichts Wirkliches.

Im Hause Darcy wurde am Frühstückstisch über den Umbau von Harlow Manor gesprochen.

Mrs. Darcy fand Miss Bingley ausnehmend nett, während sie Miss Bennet leider nicht viel abgewinnen konnte: „Also sie hat James mit seiner Fußverletzung wirklich so nett behandelt, eine wahre Lady. Wohingegen diese Elizabeth Bennet eine furchtbar arrogante Schnepfe ist. Man merkt ihr deutlich an, dass sie das Leben hier draußen bei uns als unter ihrem Niveau betrachtet. Nun ja, wir haben zum Glück nicht viel mit ihr zu tun, also kann es uns egal sein, was sie von uns denkt. Aber Charlene Bingley… ich kann James gut verstehen, dass er dort trotz seiner Fußprobleme nicht weg wollte und auch am Wochenende auf dem Bau nach dem Rechten sehen wird.“

James grinste breit in die Runde und fing einen skeptischen Blick von William auf.

„Ja, Mum, sie ist eine sehr Nette. Und Miss Bennet ist ja nun so schrecklich nicht wie du sie gerade darstellst.“

„Papperlapapp! So ist meine Meinung und fertig. Ich mag sie nicht.“

„Wahrscheinlich beruht das auf Gegenseitigkeit“, murmelte William so leise, dass es die anderen nicht verstehen konnten.

Georgette Wickham beschloss, sich von ihren schrecklich anstrengenden Geschäften für das Wochenende zurückzuziehen und einen Spontan-Ausflug zu machen. Bevor sie ihren High-Tech-Computer herunterfuhr, war ihr ein Ort ganz zufällig ins Auge gefallen, zwar hatte sie nicht mehr nachgesehen, um welche Angelegenheit es sich da nun konkret handelte, nur der Ortsname war ihr noch rasch ins Auge gesprungen. Warum also nicht mal ins schöne Hertfordshire fahren?

William Darcy fielen fast die Augen aus dem Kopf, als sich das Fahrerfenster einer eleganten Lexus-Limousine elektrisch senkte und eine rassige Blondine am Lenkrad des Wagens sichtbar wurde: „Hallo Sie, können Sie mir bitte sagen, wie weit es noch nach Hoddesdon ist?“

Er war selten sprachlos, doch nun gerade hatte er wirklich Probleme seine Sprache wiederzufinden: „Was… was… haben Sie denn in dem fetten Schlitten kein Navi?“

„Leider kaputt.“

„Sie sind bereits in Hoddesdon, Miss.“

„Wirklich? Wunderbar, warten Sie, ich parke und steige aus, dann erzählen Sie mir ein bisschen was über dieses idyllische Örtchen, ja?“

Er nickte völlig verwirrt. Die Fremde stellte ihren Wagen ab, stieg aus, betätigte die Fernbedienung und die Türen schlossen sich. Als sie auf ihn zukam, erschien sie ihm fast wie Aphrodite persönlich. William Darcy stockte förmlich der Atem angesichts ihrer wundervollen Erscheinung. Er hatte Mühe, eine starke und eindeutige körperliche Reaktion zu unterdrücken.

„Hallo. Danke, dass Sie auf mich gewartet haben. Nett von Ihnen. Sie kennen sich hoffentlich hier ein wenig aus und können den Fremdenführer für mich machen?“

Er nickte abermals, noch immer unfähig sich größer zu artikulieren.

„Ich bin Georgette Wickham und Sie?“

Er befeuchtete seine trockenen Lippen und quetschte „William Darcy“ heraus.

„Super. Darf ich einfach William sagen?“

Er nickte ein drittes Mal.

Zehn Minuten später, er hatte gerade begonnen, Miss Wickham etwas über Harlow Manor zu erzählen, wären sie beim Überqueren der High Street fast von einem silber-metallic-grauen Aston Martin über den Haufen gefahren worden. Georgette Wickham sprang noch schnell zur Seite, während William zum Glück noch auf dem Gehsteig gewesen war.

Das Auto von Miss Bennet kam mit quietschenden Reifen zum Stehen und die Fahrerin wurde sichtbar; sie war kreidebleich im Gesicht, ein Umstand über den William sich wunderte, bisher hatte Elizabeth Bennet immer eine sehr gesunde Gesichtsfarbe gehabt, wenn dem wohl auch ein klein wenig mit Make-Up nachgeholfen war.

Miss Wickham zog süffisant ihre Augenbrauen nach oben und nickte Miss Bennet knapp zu. Diese schoss regelrechte Blitze aus ihren Augen in die Richtung von William und Georgette, dann drehte sie sich abrupt um, stieg wieder ins Auto und brauste mit Vollgas davon.

„Kennt ihr euch etwa?“

William musste fragen, es hätte ihm sonst keine Ruhe gelassen.

„Kann man so sagen. Ich bin das Patenkind ihres verstorbenen Vaters. Wir sind quasi zusammen aufgewachsen auf dem Landsitz der Bennets in Derbyshire. Aber… ach, was mute ich dir meine langweilige und teils unerfreuliche Lebensgeschichte zu, ich bin hergekommen, um ein wenig auszuspannen und nicht, um wenig erbaulichen Erinnerungen nachzuhängen.“

„Nein, ist schon in Ordnung. Wenn du das Bedürfnis hast darüber zu sprechen, nur zu. Mir ist Miss Bennet nämlich auch ein wenig sauer aufgestoßen.“

„Wirklich? Ja, das sagen viele Leute. Ein kaltes, arrogantes Biest, das sich nicht die Bohne um andere Leute schert, vielleicht ihre Busenfreundin Charlene ausgenommen.“

„Charlene Bingley gehört nun Harlow Manor.“

„Echt? Sehr interessant, deswegen ist Elizabeth also hier?“

„Ja. Und du sagst, ihr habt die Kindheit zusammen verbracht? In Derbyshire?“

„Oh ja. Ihr Vater war ein toller Mann, er hatte für alle Nöte und Sorgen ein offenes Ohr. Schade, dass er recht früh verstorben ist. Er hatte mich auch in seinem Testament bedacht, aber Elizabeth hat mir das ganze Erbe streitig gemacht. Keinen müden Penny habe ich davon gesehen.“

„Hattest du keinen Anwalt eingeschaltet, um das Erbe durchzusetzen?“

„Doch, aber Elizabeth hatte die besseren Anwälte, weil viel, viel mehr Geld. Eine winzige Klausel im Testament war nicht ganz wasserdicht und mein Anspruch konnte wegen dieses Formfehlers nicht durchgesetzt werden.“

Er musterte sie kurz und fragte nach: „Dein Auto ist aber nun nicht gerade ein Billigmodell.“

„Mittlerweile geht es mir ja recht gut. Ich habe mir aus eigener Kraft etwas aufgebaut, auch ohne das Geld der Bennets. Ich war dann irgendwann soweit, dass ich gesagt habe, scheiß auf deren Kohle. Entschuldige, wenn ich das nun so drastisch ausdrücke, so passt es aber am besten zu der ganzen Angelegenheit.“

„Verstehe. Tut mir leid, dass du das hast durchmachen müssen. Es wirft ja kein sonderlich gutes Licht auf Miss Bennet und verstärkt meinen leicht negativen Eindruck von ihr nur noch weiter. Schön, dass du so offen gesprochen hast.“

Sie legte nun eine Hand auf seinen nackten Unterarm und säuselte: „Wenn ich jemanden vor dieser falschen Schlange warnen kann, dann tue ich das natürlich. Und da du mir so sympathisch bist, möchte ich, dass du die wahren Hintergründe kennst, gerade weil du ihr hier immer mal wieder über den Weg läufst. Es wäre mir sehr unangenehm, wenn du dich in ihr Spinnennetz verstricken würdest. Da würdest du mir sehr leid tun.“

„Danke, das ist sehr nett von dir.“

William fühlte sich gerade ausnehmend gut und hatte ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.






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