„… und so frage ich dich, Charlene Bingley, willst du den hier anwesenden James Darcy als deinen Ehemann aus Gottes Hand annehmen und das Leben mit ihm teilen in guten wie in schlechten Zeiten bis der Tod euch scheidet?“
„Ja, ich will.“
„Dann frage ich auch dich, James Darcy, willst du die hier anwesende Charlene Bingley als deine Ehefrau aus Gottes Hand annehmen und das Leben mit ihr teilen in guten wie in schlechten Zeiten bis der Tod euch scheidet?“
„Ja, ich will.“
„So erkläre ich euch hiermit vor Gott und dieser Gemeinde zu Mann und Frau.“
Der Vikar räusperte sich umständlich und fuhr dann fort: „Ich bitte, noch die zweite Trauung abzuwarten, denn die Brautpaare haben den Wunsch geäußert, sich den Hochzeitskuss quasi synchron geben zu wollen. Auch für mich als Pfarrer eine sehr ungewohnte Angelegenheit. Gut, daher fahre ich fort: Ich frage nun dich, Elizabeth Bennet, willst du den hier anwesenden William Darcy als deinen Ehemann aus Gottes Hand annehmen und das Leben mit ihm teilen in guten wie in schlechten Zeiten bis der Tod euch scheidet?“
„Ja, ja ich will.“
„Und somit frage ich dich, William Darcy, willst du die hier anwesende Elizabeth Bennet als deine Ehefrau aus Gottes Hand annehmen und das Leben mit ihr teilen in guten wie in schlechten Zeiten bis der Tod euch scheidet?“
William schenkte Elizabeth einen tief bewegten Blick aus seinen himmelblauen Augen und ließ sich mit sonorer Stimme vernehmen: „Oh ja, ich will.“
„Hiermit erkläre ich auch dieses Paar vor Gott und dieser Gemeinde zu Mann und Frau. Und nun also dürfen die Brautpaare sich küssen, ich bitte um zustimmenden Applaus.“
Mrs. Darcy entspannte sich zusehends, denn die Hochzeitsfeier verlief sehr zu ihrer Zufriedenheit. Zwar gab es ordentlich Champagner, an dem sie sehr vorsichtig und fast ehrfürchtig einige Male nippte, aber ansonsten ging es weit weniger nobel her als sie befürchtet hatte.
Die Kleider der Bräute waren stilvoll, aber nicht protzig. Elizabeth hatte eine sehr schöne Tiara aus altem Familienbesitz ohne Schleier auf dem Kopf, auch ihr Kleid hatte nur eine sehr kleine, angedeutete Schleppe, während sich an Charlenes Kleid gar keine Schleppe befand, dafür jedoch trug sie einen sehr langen Schleier und einen Blütenkranz.
Mrs. Darcy ahnte, dass ihre Schwiegertöchter sich dabei nicht einmal hatten zurücknehmen müssen. Sie waren zwar beide finanziell sehr gut gebettet, aber sie waren keine Snobs, sie hatten es nicht nötig, großspurig daherzukommen. Schlichte Eleganz war das richtige Stichwort für die Damen.
Es tat gut, sich diesem Fakt bewusst zu werden.
Harlow Manor wurde mit dieser Hochzeitsfeierlichkeit auch offiziell eingeweiht, alle Räume waren stilecht und geschmackvoll renoviert und dienten seit einigen Tagen schon Charlene und James als neues Heim. Nur Elizabeth und William würde nicht in unmittelbarer Nähe sein, London war doch etwas mehr als nur ein paar wenige Meilen entfernt, von Creswell House in Derbyshire gar nicht erst zu reden. Das war schade, aber wohl auch das Schicksal einer Mutter. Insofern war Mrs. Darcy froh, dass sie die restlichen vier Jungs noch weiterhin um sich hatte.
Natürlich waren Carl und Louis ohnehin noch zu jung, um auf eigenen Füßen zu stehen. Und wenn es nach ihr ging, durfte das gerne noch ein Weilchen so bleiben.
Dass sie in ein paar Monaten Oma sein würde, freute sie allerdings ungemein. Und es stand zu vermuten, dass sich auch bei Charlene und James in nicht allzu ferner Zeit Nachwuchs einstellen würde.
Letztendlich hatte sie ihren Frieden mit der Wahl ihrer beiden ältesten Söhne gemacht, denn erstens war bekanntlich gegen die Liebe kein Kraut gewachsen und zweitens hatte sie die beiden Frauen – vor allem natürlich Elizabeth - auch ziemlich verkehrt eingeschätzt. Zum Glück befand sie sich da mit ihrem Sohn William in bester Gesellschaft; ihm war es ja nicht anders ergangen.
Sie hatte dies kaum zu Ende gedacht, als sie Elizabeth auf sich zukommen sah.
„Mama, warum siehst du so nachdenklich aus? Stimmt etwas nicht? Gefällt dir die Feier nicht?“
„Oh, es ist nicht deswegen. Ich dachte nur daran, dass… dass ich dich von Grund auf falsch eingeschätzt hatte und das tut mir heute – im nachhinein betrachtet - weh. Es war nicht richtig von mir. Aber ich bin eine sehr einfache Frau, mit sehr einfachen Wünschen und Bedürfnissen, mein Horizont mag nicht riesengroß sein, deswegen komme ich mir gegenüber dir und Charlene sehr – wie soll ich sagen - unterbelichtet vor. Ich kann immer noch nicht glauben, dass meine Söhne Millionärinnen geheiratet haben. Dennoch habe ich euch in mein Herz geschlossen, weil ich erkannt habe, wie ihr wirklich seid: Zwei zauberhafte und liebenswerte junge Frauen.“
„Mama, das hast du wundervoll gesagt. Danke! Damit machst du mir das schönste Hochzeitsgeschenk überhaupt. Das bedeutet mir mehr als ein materielles Geschenk. Mich wundert nicht, dass Louis, Carl, Martin, Jim und mein liebster William so überaus wundervolle Burschen sind bei einer Mutter wie dir. Ein großartiger Job. Und einfache Menschen sind mir eigentlich die liebsten – die Welt ist mittlerweile kompliziert genug.“
Mrs. Darcy musste wider Willen lachen: „Ja, das hat man von Anfang an bei dir gemerkt.“
„Och Mama, das ist unfair. Ich kann doch nicht gleich alle in meine Karten blicken lassen.“
„Großer Gott! Nimm das Wort ‚Karten‘ bitte nicht so leichtfertig in den Mund, es erinnert mich zu sehr an… dieses Elend mit Louis.“
„Verzeih, es war etwas unbedacht von mir. Aber du weißt, was ich in diesem Fall habe sagen wollen, nicht wahr?“
„Das weiß ich. Und nun lass dich drücken, meine liebe Elizabeth, meine Tochter!“
William Darcy war total aus dem Häuschen. Wieder und wieder betrachtete er seine neugeborene Tochter, die – wie er fand – ebenso schön und bezaubernd wie ihre Mutter war. Sie würde zu einer Schönheit werden, zu einer Miss Großbritannien, nein, was redete er denn da – zu einer Miss World natürlich! Sein Bruder Jim hatte das alles noch vor sich, Charlene stand erst am Anfang ihrer Schwangerschaft, es hatte trotz umfangreicher Übungsstunden nicht sofort mit dem Kinderwunsch bei den beiden geklappt.
Elizabeth meldete sich: „William, gib mir bitte die Kleine, ich muss sie stillen.“
„Sie weint doch noch gar nicht und sie ist ganz ruhig hier bei mir auf dem Arm.“
„Du hältst sie nun schon seit einer Ewigkeit. Wird dir der Arm denn nicht lahm?“
„Nein. Ich könnte sie noch Stunden weiter so halten.“
„Na bravo. Du wirst unsere Tochter über alle Maßen verwöhnen, wenn du so weitermachst.“
„Sie ist zwar eine Prinzessin, aber unter verwöhnen verstehe ich etwas anderes.“
„Gut, dann überlege dir mal einen Namen für unsere Prinzessin.“
„Ja, merkwürdig, dass wir das nie richtig durchgesprochen haben. Louisa, weil Louis unbedingt der Taufpate werden möchte. Und Elizabeth nach dir.“
„Und Willie nach dir.“
„Oh, so viele Namen?“
„Klar. Louisa Elizabeth Willie Darcy.“
„Jetzt wo du es sagst, klingt es so übel nicht in meinen Ohren.“
„Doch, es klingt übel. Wir sollten das ‚Willie‘ in die Mitte nehmen, damit es sich nicht mit dem Familiennamen beißt. Also Louisa Willie Elizabeth Darcy.“
Er strahlte: „Perfekt!“
Als Mrs. Darcy zum ersten Mal Pemberley erblickte, blieb ihr förmlich die Spucke weg. Sie hatte sich kaum ins Haus getraut und saß dann minutenlang ehrfürchtig und verkrampft auf dem Rand eines antiken Chintz-Sofas, das sicherlich an die zweihundert Jahre alt sein dürfte. Erst als ihr Charlene von rechts und Elizabeth von links ihre beiden Enkel-Töchter, Alicia Jemimah und Louisa Willie, in die Arme legten, traute sie sich eine bequemere Sitzposition für sich selbst zu finden.
Die um ein gutes halbes Jahr ältere Louisa war schon ein recht munteres Mädchen, während die kleine Alicia noch regelrecht ein Winzling war.
Mrs. Darcy betrachtete ihre Enkelinnen zufrieden und ein glückliches Lächeln zog über ihr Gesicht. Ihr Blick schweifte weiter, zu ihren Schwiegertöchtern und deren Ehemännern – ihren Söhnen James und William. Wie wundervoll sich doch alles gefügt hatte, dem Herrgott sei Dank!
THE END