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Story Notes:

 

DISCLAIMER


Alle Charaktere, Handlungen, Schauplätze etc. von „Liebe kommt auf leisen Sohlen", die auf dem Film "Pride & Prejudice" beruhen, sind Eigentum des rechtmäßigen Besitzers Universal Films, USA und Working Title Films, London.

Die von der Autorin selbst erschaffenen Charaktere und die Handlung des Romans „Liebe kommt auf leisen Sohlen", der zur Serie "Pride & Prejudice - was der Film nicht verrät" gehört, sind Eigentum der Autorin.

Die Autorin ist in keiner Weise mit den Besitzern, Erschaffern oder Produzenten irgendeiner Medienkonzession verbunden.
Vorsätzliche Verstöße gegen das Urheberrecht sind nicht beabsichtigt.

© Doris Schneider-Coutandin 2006

 

 




 

Erneut wälzte sich Fitzwilliam Darcy schwer und ruhelos im Bett herum. Ein Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims verhieß nichts Gutes. Es war bereits drei Uhr fünfundvierzig und er hatte noch kein Auge zugemacht. Seit er hier mit Bingley und dessen spitzzüngiger Schwester auf Netherfield weilte, verbrachte er nun bereits die zweite Nacht innerhalb kurzer Zeit ohne Schlaf. Das hatte es seit der leidigen Angelegenheit mit Wickham im frühen Sommer nicht mehr gegeben. Er schlief normalerweise wie ein Stein.

Ärgerlich wand er sich aus dem Bett, trat ans Fenster und öffnete dieses. Die kalte Nachtluft strömte in einem Schwall herein und er versuchte, seinem Kopf dadurch Kühlung zu verschaffen. Es gelang eigentlich nicht. Es formte sich zwar immer wieder der Gedanke in ihm, dass vielleicht nicht nur sein Kopf abgekühlt werden müsse, sondern auch sein erhitzter Körper, aber diesen Gedanken schob er sofort als völlig absurd wieder von sich. Nein, er hatte sich natürlich total in der Gewalt. Was auch sonst.

Irritierend war nur, dass diese Schlaflosigkeit jedes Mal nach einer Begegnung von ihm mit Miss Elizabeth Bennet auftrat und zwar das erste Mal vor einigen Tagen, als sie auf dem Tanzabend in Meryton aufeinander getroffen waren. Als er sie so offensichtlich brüskiert hatte, als er sich geweigert hatte, auch nur einen Fuß auf das Tanzparkett zu setzen - und als er gemerkt hatte, dass diese junge Frau ein wenig anders war als die meisten anderen die er kannte. Danach war er auch erst im Morgengrauen eingeschlafen, erschöpft, von den Bildern des Abends gepeinigt, die sich ständig vor sein geistiges Auge drängten.

Und nun war sie hier auf Netherfield. Bei ihrer Ankunft am gestrigen Morgen hatte sie ihm förmlich die Luft zum Atmen genommen. Sie hatte so ungewöhnlich ausgesehen, so frisch und lebendig nach ihrem langen Spaziergang, ja wie gesagt, eben anders als alle Frauen, die er sonst kannte. Wie fürsorglich von ihr, so an ihre Schwester zu denken. Und wie wenig dachte sie dabei anscheinend an sich selbst, ihrer ganzen Aufmachung nach zu urteilen. Er war über ihr Eintreffen derart überrascht gewesen, dass es ihm nicht möglich gewesen war, ihr passabel Auskunft über ihre Schwester zu erteilen. Er musste wie ein Dummkopf auf sie gewirkt haben. Nun ja, so ähnlich hatte er sich auch gefühlt. Dumm und – er musste es gestehen – in dem Augenblick triebgesteuert. Ihr Anblick hatte in ihm eine ganz eindeutige körperliche Reaktion hervorgerufen. Er hatte sich darüber geärgert, maßlos, aber was nutzte es.

Er atmete noch einmal tief die frische Luft von draußen ein. Ihr Zimmer lag auf dem gleichen Flur am Anfang des Korridors, seines hier ganz am Ende. Er schloss das Fenster, weil er leicht fröstelte, was aber nur eine oberflächliche Reaktion seines Körpers war. In ihm drinnen brannte ein loderndes Feuer. Er wusste es selbst nur noch nicht so recht. Er riss seinen Morgenrock von einem Stuhl und warf ihn sich über. So untätig im Bett liegen, ohne Schlaf, das war nicht nach seinem Geschmack. Er ging mit ausholenden Schritten zur Tür, öffnete diese und spähte auf den dunklen Korridor. Wie zu erwarten war, lag alles in tiefer Ruhe. Er nahm einen Kerzenleuchter von der Kommode und lief den Flur entlang. Vor Miss Bennets Zimmer stoppte er, obwohl er es gar nicht beabsichtigt hatte, aber es war wie ein innerer Zwang. Er lauschte an der Tür. Kein Laut drang zu ihm. Er ging weiter, die Treppe hinunter.

Heute Mittag hatte es im Salon eine wahrlich interessante Konversation gegeben, wobei sich Bingley am wenigsten durch Beteiligung hervorgetan hatte. Seine Schwester hingegen war sehr bemüht, sich in ein gleißendes und überaus positives Licht zu setzen, was ihr aber gänzlich misslang und eigentlich als Schuss nach hinten zu werten war. Sie hatte sogar die arme Miss Bennet für ihre Zwecke schamlos missbraucht, als sie mit ihr wie ein eitler Pfau durch den Raum promenierte. Eigentlich gedachte Miss Bingley wohl, seine Aufmerksamkeit dadurch auf ihre Person zu ziehen, aber die einzige Person, auf die er sich fast unfreiwillig komplett fokussiert hatte, war Elizabeth Bennet. Sie beide hatten sich zuvor und währenddessen ein kleines Wortgefecht geliefert, dass er zugegebenermaßen sehr genossen hatte. Er hatte Miss Bennet deutlich unterschätzt, was den Grad ihrer Bildung, ihren Verstand und ihren Esprit anlangte. Caroline Bingley muss sich dessen wohl auch gewahr gewesen sein, denn sie war beständig mit ihren unpassenden Bemerkungen dazwischen gefahren. Zu guter Letzt hatte er es richtiggehend als störend empfunden.

Inzwischen war er in der Küche des Netherfield’schen Haushaltes angekommen. Er wollte gerade die Kerze auf einem Tisch abstellen, als ihm aus der anderen Richtung, von den Vorratsräumen her, ein anderer schwacher Lichtschein entgegenkam. In typischer Manier zog sich fragend seine linke Augenbraue nach oben.

Fitzwilliam Darcy traute seinen Augen kaum: Vor ihm stand im Nachtkleid, über das nur ein Schultertuch geworfen war, Elizabeth Bennet! Fast wäre ihm die Kerze aus der Hand geglitten. Er versuchte, sich so schnell es ging wieder zu fassen. Sie sagte kein Wort.

Also machte er den Anfang: „Mäss B…“, verflixt, er hatte einen Frosch im Hals, er hustete kurz, dann fuhr er fort, „Miss Bennet, was tun Sie denn hier mitten in der Nacht?“

Oh Gott, er könnte sich ohrfeigen, hatte er wirklich diese unmögliche Frage gestellt? Sie hatte einen Teller in der Hand, darauf etwas Obst.

Sie lächelte nicht, als sie ruhig entgegnete: „Sehen Sie Mr. Darcy, das Gleiche könnte ich Sie fragen, aber ich tue es nicht, denn ich denke, Sie haben wahrscheinlich einen guten Grund, der Sie antreibt, nachts in die Küche zu wandern. Für meinen Teil kann ich sagen, dass Jane mich gebeten hat, ihr ein wenig Obst zu bringen, und da wir auf keinen Fall das Haus zu dieser Uhrzeit rebellisch machen wollten, haben wir darauf verzichtet zu klingen und ich bin einfach selbst gegangen.“

Er wollte nicken, konnte es aber irgendwie nicht. Stattdessen stand er da, hielt noch immer die Kerze in einer Hand und starrte sie mit halboffenem Mund an. Sie hatte ihre Haare nur zu einem leicht verfilzten Zopf gebunden, der ihr auf einer Seite über die Schulter nach vorn fiel.

Wieder war es Miss Bennet, die die Stille unterbrach: „Jane wird sicher schon warten, das Obst wird ihr bestimmt gut tun.“

Sie machte Anstalten, durch die Küche hindurch Richtung Verbindungsflur und Halle zu gehen.

Auf halben Weg, wenige Schritte vor ihm, blieb sie stehen und schaute ihn ganz kurz durchdringend an, dann sagte sie: „Übrigens sehen Sie ganz furchtbar aus, Sie sind doch nicht etwa auch krank?“

In ihrer Stimme lag kein Spott, sondern in der Tat eine Spur Mitgefühl. Er merkte, wie seine Knie weich wurden.

Rasch setzte er den Leuchter auf dem Tisch ab und zog zwei Stühle herbei.

Dann hörte er sich zu seiner eigenen Überraschung sagen: „Ihre Schwester wird es Ihnen sicher nicht nachtragen, wenn Sie noch ein paar Minuten hier verweilen. Bitte, setzen Sie sich doch und leisten Sie mir einen Augenblick Gesellschaft.“

Sie blickte ihn sprachlos an, deponierte ihren Leuchter und den vorbereiteten Teller auf dem Tisch und ließ sich ohne Widerrede auf dem ihr angebotenen Stuhl nieder.

„Um Ihre Frage zu beantworten“, redete er schließlich weiter, „nein, ich bin nicht krank, aber ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit diesbezüglich. Ich bin lediglich hierher gekommen, um …ähm…“, er wusste nicht weiter, aber bevor er gänzlich ins Stottern geriet, beeilte er sich, rasch irgendetwas von sich zu geben, „ich war auf der Suche nach etwas zu Trinken, vielleicht sollte ich auch einen Happen essen, wenn ich schon hier bin“.

Es klang nicht sonderlich plausibel. Er stand auf, nahm die Kerze von Tisch und steuerte in guter Absicht die Vorratsräume an.

Mit zwei Sprüngen war Elizabeth Bennet bei ihm.

„Sir, Sie wissen doch sicher nicht, wo sich hier welche Sachen befinden, oder? Das würde bestimmt auch eine schöne Unordnung geben, wenn Sie nachts hier herum wühlen. Da ich aber nun schon einmal hier war, kann ich Ihnen gerne etwas holen. Was hätten Sie denn gerne?“

Er drehte sich zu ihr um, völlig unerwartet, denn sie war noch im Gehen, so dass sie frontal mit ihm zusammenprallte. Hätte er die dusselige Kerze nicht in der Hand gehalten, hätte er spontan seine Arme um sie gelegt, ein Impuls den er so aber gerade noch unterdrücken konnte. Sie wurde rot im Gesicht, aber im Schein der einzigen Kerze war das zum Glück kaum zu sehen.

„Also Sir“, hakte sie schnell nach, „was darf es sein?“

Er musste sich fest auf die Lippen beißen, um nicht mit einem leisen „Sie – nur Sie“ zu antworten.

Langsam, ganz langsam begann es in ihm durchzusickern, was das bedeutete. Wie ein Sandkörnchen nach dem anderen durch die Sanduhr rinnt, ebenso brauchte es nun bei Fitzwilliam Darcy, um sich darüber klar zu werden, was da so in letzter Zeit mit ihm geschehen war und gerade geschah. Aber noch war die Sanduhr nicht durch, die Erkenntnis hatte sich noch nicht gesetzt.

Er musste sich schon wieder räuspern, bevor er ansetzen konnte: „Vielen Dank, es ist sehr freundlich, dass Sie sich bemühen. Wenn Sie nur ein Stück Brot und vielleicht etwas Schinken auftreiben könnten, dann sehe ich in der Zwischenzeit, ob ich eine Flasche Wein finde. Im Weinkeller kenne ich mich wohl besser aus.“

Sie trennten sich. Er ging zu den Getränkelagern, sie in die Speisenkammern. Es dauerte nur ein paar Minuten, er besah sich gerade eine Flasche Rotwein im Gegenlicht der Kerze, als er ein Geräusch hinter sich hörte.

Er fuhr schnell herum. Dort stand sie, mit einem großen Teller in der einen Hand und einer Karaffe mit Bechern in der anderen.

„Großer Gott, Miss Bennet, haben Sie mich erschreckt. Sie schleichen sich ja besser an als jeder Indianer. Beinahe wäre sogar die Flasche hier zu Bruch gegangen.“

Sie lächelte, zum ersten Mal seit sie sich hier unten begegnet waren.

„Ich habe zusätzlich etwas Wasser mitgebracht“, kam es nun aus ihrer Richtung,  „außerdem zwei Becher und Brot, Käse, Schinken sowie eingelegten Kürbis.“

Sie zeigte auf die jeweiligen Teile. Zwei Becher? Fitzwilliam Darcy dachte zuerst, er hätte sich verhört. Aber die Portionen auf dem Teller zeigten auch an, dass dies unmöglich von einer einzigen Person verspeist werden konnte.

Sie platzierte den Teller kurzerhand auf einem Weinfass, dann zog sie sich ohne viel Federlesens eine Holzkiste heran und ließ sich darauf nieder. „Wenn ich es mir recht überlege“, gab sie munter von sich, „habe ich nämlich auch ein wenig Hunger.“

Er war völlig verblüfft.

Seine Kehle war wie ausgedörrt. Und nur zum geringsten Teil, weil er durstig war. Sofort machte er sich daran, die Weinflasche zu öffnen. Als sie ihm den Becher reichte, musste er sich sehr bemühen, beim Ausschenken nicht zu zittern und am Ende noch etwas von dem guten Wein zu verschütten. Der Becher war nicht ganz halb voll, da machte sie ihm ein Zeichen, dass es genug sei. Den Rest füllte sie sich mit Wasser auf. Er hingegen brauchte nun einen Becher unverdünnten Wein. Und zwar dringend.

Während sie an dem Getränk nippte und anschließend an einem Stück Käse nagte, stürzte er hastig den gesamten Becherinhalt hinunter. Bei Gott, er musste irgendetwas sagen, sonst würde er wie ein Idiot dastehen. Langsam ließ er sich auf eine andere Weinkiste nieder, ohne Elizabeth Bennet dabei auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Die ganze Situation hatte eindeutig etwas Traumähnliches an sich, und fast war er sich sicher, dass er gleich aufwachen und bemerken würde, dass es heller Morgen war und er alles nur in einem verwirrenden Traum erlebt hatte.

Kurz rieb er sich mit der Hand über die Augen, das Bild jedoch von einer kerzenbeschienenen Miss Bennet im Nachtgewand, mit ihm im Weinkeller sitzend, wollte nicht vergehen. Es war also alles real. Fast wie automatisch griff er nach einem Brot und etwas Schinken. Er hatte keinen Hunger, nicht auf etwas Essbares, soviel war klar. Aber er zwang sich trotzdem, das Brot hinunterzuwürgen und den Schinken langsam zu kauen.

Gut, mit vollem Mund konnte er ohnehin nicht sprechen. Er kippte einen weiteren guten halben Becher Wein hinterher. Dann beobachtete er, wie sie ein Stückchen Kürbis nahm und zum Mund führte. Er focht einen inneren Kampf aus mit seinen Gedanken und Gefühlen. Was, wenn er ihr das Kürbisstück gereicht und sie es aus seinen Fingern direkt mit ihren Lippen genommen und gegessen hätte? Das Blut schoss ihm förmlich in einem heißen Schwall durch den ganzen Körper.

Er zwang sich, dieses erregende Bild sofort aus seiner Gedankenwelt zu verbannen. Es wollte nicht recht gelingen.

Er blickte zu Boden, dann war der Augenblick gekommen, wo er sich äußern musste: „Hmh, es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie mir hier Gesellschaft leisten, vielen Dank. Ihrer Schwester geht es besser heute Nacht, so hoffe ich?“

„Ja, zum Glück hat sich ihr Fieber gelegt, und sie kann sicher in Kürze – wenn nicht heute früh, dann doch bestimmt morgen – nach Hause gebracht werden. Und was die Gesellschaft hier und jetzt anlangt“, sie überlegte einen kleinen Moment, bevor sie weiter sprach, „so wissen Sie doch sicher inzwischen, dass ich außergewöhnlichen Situationen selten aus dem Weg gehe. Es hat etwas Abenteuerliches, finden Sie nicht auch?“

Er schluckte den nächsten Bissen hinunter, schenkte sich erneut Wein in den Becher – denn bei Gott, nur so war dies alles zu ertragen! - und antwortete dann: „Ja, in der Tat, das hat es wohl.“

Er überlegte hin und her, ob und wie er es anstellen könnte, sie wenigstens einmal zu berühren. Er kam aber zu keinem praktikablen Schluss. Vorhin, als sie so unvermutet an seine Brust geprallt war, hätte er die Chance gehabt, wenn seine Arme frei gewesen wären. Ihre Größe war einfach perfekt, um sich mit ihrem Kopf direkt an seine Schultern zu schmiegen. Er ballte die Hände zu Fäusten, um auch diesen Gedanken schnell zu verscheuchen. Er konnte nicht fassen, was ihm alles durch den Kopf ging. Nur wirres Zeug, nur Dinge, die nicht sein durften, nicht sein konnten, niemals sein würden. Um diese fixen Ideen nachhaltig loszuwerden, spülte er sie demonstrativ mit dem ganzen Becherinhalt Wein hinunter und schenkte sofort wieder nach.

 






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