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Author's Chapter Notes:

 

Personenverzeichnis:

Arthur Clennam - Näheres unter Kapitel eins
Yí-Yuè – Näheres unter Kapitel sechsundvierzig
Clifford Baxter – Näheres unter Kapitel vierzig
Tián-Lù – Näheres unter Kapitel fünfzig
Gabriel Clennam – Näheres unter den Kapiteln eins und zwanzig

Weiterhin Cha-Dong und Cha-Li

Erwähnung finden Rafaela Campos-Fuentes und Flora Casby

Orte: Im Hause Clennam in Shanghai/Xujiahu Qu

Glossar: ./.










 

Eine Woche lang war mit Clifford Baxter nicht viel anzufangen. Er war gereizt, nervös und nur selten in der Stimmung, sich mit Arthur, Yí und Mr. Clennam zu unterhalten oder mit ihnen zu spielen sobald die üblichen Brett- oder Kartenspiele ausgepackt wurden.

Man hatte schon terminlich vereinbart, wann man nach Xinzhuang fahren würde und nun war es nur noch ein Tag bis zu diesem Termin.

Als man beim Dinner zusammen saß, klopfte es und ein ziemlich verstimmter Cha-Dong steckte seinen Kopf zur Tür herein: „Gekommen Rikscha mit Qiè für Baxter Xiansheng.“

Alle sprangen in heller Aufregung vom Esstisch auf - vor allem Clifford mit dem ungläubigsten Gesichtsausdruck seit Menschengedenken - und liefen nach draußen vor die Tür.

Sogar Mr. Clennam kam hinter den jungen Leuten her, gerade noch rechtzeitig, um Zeuge zu werden wie Mr. Baxter vor dem Tor eine zierliche Chinesin aus der Rikscha in seine Arme hob und sie langsam zum Hauseingang trug.

Arthur verbeugte sich knapp und entbot seinen Willkommensgruß: „Wir sind auf das Äußerste überrascht, Sie bereits heute bei uns begrüßen zu dürfen, und zwar auch auf das Angenehmste, möchte ich hinzufügen.“

Mr. Clennam lächelte schmal und ergänzte noch: „Kommen Sie nur herein, Miss. Mein Haus steht Ihnen offen, es hat sich in den letzten Jahren beinahe zu einer Art Gästehaus gewandelt, auch wenn wir nun bald Kapazitätsprobleme haben werden.“

Und zu Clifford gewandt sagte er: „Es wäre mir nur lieb, wenn wir das Dinner schnellstmöglich fortsetzen könnten, damit das Essen nicht kalt wird. Also am besten direkt durch ins Esszimmer, ihr beiden.“

Clifford setzte Tián-Lu in der Tat erst auf einem Stuhl am Tisch ab, während Cha-Li eilends ein weiteres Gedeck auflegte.

Bevor Arthur sich wieder hinsetzte sagte er: „Ich denke, wegen des aufgetragenen Dinners ist eine sehr rasche, wenig formelle Vorstellung angebracht: Vater, dies ist also Tián-Lù, die von nun an bei uns leben wird, um Mr. Baxter Gesellschaft zu leisten. Tián-Lù, das ist mein Vater, Gabriel Clennam, und uns alle kennen Sie ja bereits. Wir haben zwei Boys, hier ist Cha-Li, und am Empfang das war Cha-Dong. Darüber hinaus beschäftigen wir noch einen Koch.“

Die durchgefrorene junge Frau nickte kurz: „Danke für Vorstellung. Wollte nicht stören bei Essen, Verßeihung.“

Clifford schaute sie liebevoll an - da war das Lispeln wieder - und hing ihr eine Decke um, da sie vor Kälte zitterte: „Bitte. Sie müssen sofort eine heiße Suppe essen, da bestehe ich drauf. Und auch sonst, greifen Sie nur zu.“

„Wir hatten nicht mit Ihnen gerechnet, wollten morgen nach Xinzhuang aufbrechen, um Sie abzuholen.“

Es war keine direkte Frage, die Arthur ihr da gestellt hatte, aber sie fühlte sich dennoch befleißigt, darauf zu antworten: „Fuß viel besser. Wollte ich machen große Überraschung für Shaoyé, meinen Baxter Xiansheng.“

Dieser griff kurz nach ihrem Handgelenk und strahlte sie an. Dann nahm sie den Löffel auf und fing an, ihre Suppe zu essen.

Man saß nachher noch am warmen Kohleofen zusammen und spielte ein wenig, Yí spielte nicht mit, sondern musizierte leise im Hintergrund. Clifford und Tián beteiligten sich am Wei Qi, aber es wurde rasch klar, dass die beiden nicht mehr sehr lange ein Teil der Abendgesellschaft sein würden.

Sie zogen sich bald zurück, und hinterließen Vater und Sohn, die noch eine Partie Schach zusammen angingen, mit Yí als musikalischer Umrahmung.

„Das Haus ist nun ganz schön voll geworden.“

„Ja, Dad. Aber wie du immer so schön sagst, lieber ein wenig Leben im Haus, als ständige Grabesstille.“

„Sicher. Aber mehr können wir nicht verkraften, das würden auch die Bediensteten nicht mehr schaffen und noch jemanden einzustellen – du weißt das – ist völlig unmöglich.“

„Natürlich weiß ich das.“

„Sie ist ein sehr niedliches Geschöpf, auch wenn sie diesen Schönheitsfehler hat. Ich muss sagen, ihr habt anscheinend alle einen Hang zu ungewöhnlichen Frauen.“

Arthur musste an Rafaela Campos-Fuentes denken, die in seiner Vorstellung mittlerweile ganz sicher verheiratet und mit einer Schar Kinder gesegnet war, und gab nickend seine Zustimmung: „Völlig richtig. Von daher denke ich heute auch nicht mehr, dass mein Glück in einer Ehe mit Flora Casby gelegen hätte.“

„Nicht?“

Gabriel Clennam sah seinen Sohn prüfend an.

„Sicher nicht, Dad. Allerdings gebe ich zu, dass ich mir ab und zu einmal eine ruhige, häusliche und wohlerzogene englische junge Frau als Ehegattin wünsche. Also… später einmal, meine ich. Und dann denke ich wiederum, dass mich das vielleicht bald langweilen würde. Ach, was rede ich da für einen Unsinn! Vater, hör einfach nicht drauf.“

„Warum sollte ich nicht drauf hören? Ich schätze deine Ansichten. Wenn du meine Meinung hören willst: Lass dich nicht von Äußerlichkeiten täuschen! Selbst wenn eine kommen sollte, die hübsch, wohlerzogen und aus guter Familie stammt – schau’ lieber zweimal hin! Es ist nicht alles Gold was glänzt, mein Junge. Du siehst es doch hier, an diesen chinesischen Frauen. Die Besten sind nicht immer die Hübschesten, und wir haben hierfür die herausragendsten Beispiele. Du bist selbst sehr ruhig, von gelassenem Wesen, dich bringt nur selten etwas aus dem Gleichgewicht - der Chinese würde sagen, in dir fließen Yin und Yan gleichmäßig – du brauchst eine Frau, die anders ist, die aus der üblichen Masse heraussticht. Bitte versprich mir, dass du an diese Worte von mir denken wirst, wenn du später einmal in England auf Brautschau gehst, ja?“

Arthur war sehr erstaunt über die ungewöhnliche Ansprache seines Vaters, aber er versprach es ihm: „Selbstverständlich. Ich würde nie leichtfertig eine solche Wahl treffen. Das ist eine Sache, die wohlüberlegt sein muss. Nur schade, dass du seit vielen Jahren nicht mehr in der Heimat warst, sonst hättest du mir sicher eine Empfehlung aussprechen können.“

„Eine Empfehlung? Das kann ich leider nicht. Aber ich denke, du wirst die Richtige zu gegebener Zeit schon finden. Nein, ich denke es nicht nur, ich weiß es!“

„Danke Vater. Ah, vor lauter Reden hast du nicht aufgepasst! Schachmatt!“

„Verflixt noch mal! Wie lange habe ich schon nicht mehr gegen dich verloren?“

„Ziemlich lange her, aber heute warst du eindeutig zu sehr abgelenkt. Dad, ich gehe zu Bett, gute Nacht.“

„Gute Nacht, Arthur, gute Nacht Yí!“

Clifford hatte seine Konkubine in das Gästezimmer getragen und sie dort direkt auf dem Bett abgesetzt. Er schaute etwas unsicher drein, wusste nicht, wie er die Sache anfangen sollte.

Daher versuchte er es mit leichter Konversation: „Der Fuß ist wirklich besser? Nicht, dass du zu früh aus dem Haus gegangen bist.“

„Nicht gegangen, ich wurde gefahren in Rikscha.“

„Ja, aber…“, er unterbrach sich und lächelte verlegen, „ich bin etwas in Sorge um deine Gesundheit, Tián.“

„Freuen mich zu hören das. Baxter Xiansheng…“, jetzt unterbrach er sie: „Wir pflegen hier im Hause fast alle einen recht lockeren Umgangston, und ich brenne darauf zu hören, wie du meinen Namen sagst, bitte!“

Tián nickte: „Clifford, ich bin gekommen hierher schon heute, weil… weil ich wollten hier sein bald.“

Er war gerührt über ihr süßes Geständnis: „Du wolltest zu mir? Ganz schnell? Wirklich?“

Ein weiteres Nicken von ihr, doch zu einem Bejahen durch Worte kam es nicht mehr, denn da lag sie bereits in seinen Armen und empfing einen glühenden Kuss von ihm.

Doch er löste sich rasch von ihr, rückte ein klein wenig ab und sagte in energischem Ton: „Bevor das nun endet, wie es enden soll, möchte ich erst deinen Fuß sehen. Und wenn wir schon dabei sind, eigentlich beide Füße, denn diese unglaubliche Schweinerei mit den Lotosfüßen muss ich mir mit eigenen Augen ansehen.“

Tián zog ihre Schuhe und Strümpfe aus und streckte die Füßchen aufs Bett.

Er murmelte nur betroffen: „Oh mein Gott…“, dann nahm er sie fest in seine starken Arme.

Arthur wusste, dass Clifford immer recht früh aufstand, oft, als sie beide noch alleine gewesen waren, bevor die Frauen ins Haus gekommen waren, hatten sie gemeinsam gefrühstückt und sich unterhalten.

Daher stahl Arthur sich an diesem Morgen aus dem Bett, deckte Yí fest zu, damit sie nicht fror, und schlich sich ins Esszimmer. Er hatte die Geräusche richtig gedeutet, denn Cliff hatte sich gerade mit der ersten Tasse Tee niedergesetzt.

„Morgen. Bevor ich das Bad für die nächste Stunde besetzt halte, und dafür bitte ich schon im Voraus um Verzeihung, wollte ich neugierig sein und ein Männergespräch mit dir führen. Also, alles in Ordnung mit Tián und dir?“

Clifford Baxter grinste: „Beantwortet es deine Frage, wenn ich dir nun sage, dass ich sehr gerne auch mal das Bad für eine Stunde besetzen möchte? In gleichem Sinne, wie du das tust?“

Arthur ließ einen kurzen Lacher hören: „Ha! Das beantwortet meine Frage voll und ganz. Du brauchst gar nichts mehr zu sagen, keine Details bitte.“

„Sicher doch. Aber ich möchte, dass du weißt, dass Yí und du mir sehr geholfen habt. Die Kleine ist ein Juwel, absolut entzückend. Danke!“

„Keine Ursache. Trink in Ruhe deinen Tee, ich wecke Yí für das Bad.“

„Viel Vergnügen!“

„Das habe ich gerade überhört. Bis später, Cliff!“






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