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Author's Chapter Notes:

 

Personenverzeichnis:

Arthur Clennam – Näheres unter Kapitel eins
Yí-Yuè – Näheres unter Kapitel sechsundvierzig
Clifford Baxter – Näheres unter Kapitel vierzig
Tián-Lù – Süßer Tau, Edelprostituierte/Konkubine

Erwähnung findet außerdem ein Boy im Haus der Konkubinen

Orte: Im Hause Clennam in Shanghai/Xujiahu Qu und im Haus der Konkubinen in Xinzhuang

Glossar:
Ni hao - siehe Kapitel dreiundzwanzig
Xiansheng - siehe Kapitel fünfunddreißig










 

Auf Anregung Arthurs verfasste Yí ein Schreiben, das eilends nach Xinzhuang geschickt wurde. Da dieser Ort nicht sehr weit von Xujiahu Qu entfernt war, bekam man noch am gleichen Tag, gegen Abend, eine Nachricht zurück.

Yí öffnete das Schreiben und las es rasch durch, dann reichte sie es Arthur und Cliff, die aber beide nicht so gut Chinesisch lesen konnten, Clifford vor allem nicht, da er schriftlich noch sehr am Kantonesischen klebte.

Daher fragte Arthur: „Und?“

Yís Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Es konnte alles heißen. Nachdem sie die beiden Männer einen Augenblick lang hatte zappeln lassen, sagte sie endlich: „Tián-Lù  nix kommen.“

Arthur und Clifford schauten sich beide betroffen an und fragten zeitgleich wie aus einem Munde: „Aber wieso?“

Jetzt lächelte Yí auch noch, was beide völlig aus dem Konzept brachte. Waren die Weiber völlig übergeschnappt? Stand vielleicht Vollmond an und machte Yí und ihre Genossin so übermütig? Wollten sie sich einen Scherz mit Clifford erlauben?

„Weil sich hat böse verstaucht Fuß und nix kann laufen oder bewegen. Sie muss ruhen und bleiben in Xinzhuang.“

„Aha. Schade. Wird sie später kommen können?“

„Nein.“

„Yí, wenn du weiterhin so geheimnisvoll tust, dann ist das Baden mit mir für mindestens vier Wochen gestrichen!“

Arthur wurde energisch, tat jedoch nur streng, es war natürlich mehr im Spaß.

Yí lächelte erneut, was Arthur nun beinahe zur Verzweiflung trieb! Weiber!

„Sie schreiben, wir kommen zu ihr, morgen. Nach Xinzhuang!“

„Was?“

Wieder erscholl dieses Wort aus beiden Männermündern gleichzeitig.

„Arthur, wir fahren können mit Maulesel dorthin. Das ist nix weit, geht schnell.“

„Ja, natürlich! Das… das ist eine wundervolle Idee! Wir machen einen kleinen Ausflug, das hatten wir schon sehr lange nicht mehr. Ich bin begeistert!“

Er lachte fröhlich und zog Yí in seine Arme, die sich aber ein wenig herauswand, da Clifford neben ihnen stand.

„Du bist ein raffiniertes Frauenzimmer, Yí! Du verstehst es ganz wunderbar, einen zappeln zu lassen, nicht schlecht!“

Am kommenden Morgen rüsteten sie sich zu dritt für den Aufbruch nach Xinzhuang. Sie packten warmen Tee und Essen ein, schirrten den Maulesel an, der sich gegen die ganze Prozedur arg sperrte, doch schließlich war es gelungen und sie fuhren dick eingepackt zum Tor hinaus.

Unterwegs fragte Arthur nach: „Sag, wer bekommt die Vermittlungsprovision für Süßer Tau, falls der Handel zustande kommt? Du?“

Yí nickte nicht ohne Stolz.

Arthur warf Clifford einen viel sagenden Blick zu und schmunzelte: „Habe ich mir bereits gedacht. Du bist raffiniert, schlau und geschäftstüchtig. Ein Wolf im Schafspelz, ganz sicher. Aber ich möchte dich gar nicht anders, denn so wie du bist, finde ich dich ganz zauberhaft!“

Und mit diesen Worten schenkte er Yí einen Blick aus seinen himmelblauen Augen, der förmlich Bände sprach.

Clifford Baxter war ein wenig nervös. Es kam nicht alle Tage vor, dass man in ein unbekanntes Dorf, ein unbekanntes Haus fuhr, um sich eine… na, eine Prostituierte eben anzuschauen. Er fand das alles völlig absurd, beinahe surreal. Und doch war es so.

Unterwegs machten sie einmal Halt, weil es sehr kalt auf dem offenen Wägelchen geworden war und das Maultier außerdem getränkt werden musste. Den kurzen Aufenthalt nutzen sie daher auch, um etwas zu sich zu nehmen, vor allem Tee, der nun doch schon recht kalt geworden war, obwohl man die Kanne in viele dicke Tücher eingewickelt hatte.

Das Haus am Zielort war genauso, wie es sich die beiden Männer vorgestellt hatten. Abgelegen, aber sehr idyllisch gelegen, von weitläufigen Gärten umgeben, sauber und nett, aber nicht übermäßig edel oder luxuriös.

Yí hieß die beiden einen Moment warten und ging hinein, um den Besuch anzumelden.

Nach ein paar Minuten steckte sie den Kopf zur Tür raus und winkte Arthur und Clifford herein: „Kommen jetzt. Tián-Lù wartet.“

Auf einem Diwan in einem sehr großen Raum, fast schon ein Saal, wohl eine Art Gemeinschaftsraum, lag eine zierliche, schlanke Chinesin und lächelte ihnen entgegen. Bei Näherkommen sah man ihren einzigen, winzigkleinen Makel, von dem Arthur annahm, dass er sich im Preis bemerkbar machen würde: Sie hatte an der rechten Augenbraue eine Narbe, nicht sehr groß, nicht sehr auffällig, aber die Augenbraue war dadurch optisch in zwei Hälften getrennt. Ansonsten war sie aber bildschön.

Yí begann mit der Vorstellung: „Das ist Tián-Lù. Und das sind Clennam Xiansheng und das Baxter Xiansheng. Baxter Xiansheng ist gekommen zu sehen Tián-Lù.“

„Ni hao“, hauchte Süßer Tau.

„Ni hao, Miss Tián-Lù”, antwortete Arthur und neigte den Kopf.

„Verßeihen sehr, weil müssen liegen, aber Schmerßen in Fuß arg.“

„Deswegen suchen wir Sie hier auf, da Sie die Reise nach Xujiahu Qu nicht antreten konnten. Ich würde mir gerne von Yí-Yuè die Umgebung zeigen lassen und lasse Ihnen Mr. Baxter für ein paar Minuten zur Gesellschaft zurück.“

Arthur und Yí verließen den Raum und ließen die beiden allein. Sie waren jedoch nicht ganz ohne Aufsicht, da an der Tür, ein gutes Stück weit weg jedoch von Clifford und Süßer Tau, ein Boy ein wachsames Auge auf die Vorgänge im Raum hatte.

„Ni hao, Miss“, Clifford Baxter war die Kehle wie zugeschnürt, mehr als das brachte er zuerst nicht heraus.

„Schön Baxter Xiansheng konnten kommen, obwohl so kalt.“

„Ja, wir haben ziemlich gefroren auf der Fahrt hierher.“

„Wollen wärmen Hände? Dort ist Kohlebecken“, sie deutete auf eine große Messingschale, worin Kohle vor sich hinglühte.

„Danke, sehr freundlich, aber wenn Sie gestatten, bleibe ich lieber hier und… und… wie geht es Ihrem Fuß?“

„Besser. Nix so schlimm, nur nix dürfen laufen.“

„Wie ist das passiert?“

„In Garten, war etwas dunkel, nix sehen große Stein, fallen drüber.“

„Ich verstehe. Sehr bedauerlich. Wird der Fuß behandelt?“

Sie nickte: „Ja, bekommen etwas gegen Schmerßen und gewickelt in saure Tücher.“

Clifford Baxter fand ihr leichtes Lispeln sehr niedlich und fragte sich, ob das nur im Englischen so war, oder auch im Chinesischen, traute sich aber wegen seines miserablen Hochchinesischs nicht, sie in ihrer Sprache etwas zu fragen.

„Wann wird es voraussichtlich geheilt sein?“

„Vielleicht ich in einer Woche wieder ein wenig laufen. Aber ich nix gut laufen sowieso wegen Lotosfüße.“

„Oh, natürlich. Wie dumm von mir. Das hatte ich nicht bedacht, da Silberner Mond keine gewickelten Füße hat.“

„Weiß. Ist viel anders Yí-Yuè. So großes Glück gefunden hat gutes Haus und Shayoé.“

Sie seufzte und blickte in eine andere Richtung.

Clifford dachte nach, räusperte sich dann und fragte: „Miss Tián-Lù, wünschen Sie sich auch so eine vorteilhafte Stellung wie sie Yí-Yuè gefunden hat?“

Nun schaute sie ihn wieder an: „Schwer, weil auch nix bin so schön wegen Narbe. Männer das oft sehen als schlechtes Sseichen, leider.“

„Ich würde mich auch nicht unbedingt zu den schönen Menschen dieser Welt zählen, Miss. Was ist schon Schönheit? So schnell vergänglich und eigentlich von keiner großen Bedeutung. Und Sie sind trotz dieser kleinen Unebenheit unglaublich schön, wenn ich das sagen darf.“

„Es sein Kapital für Qiè. Ohne Schönheit keine gute Stellung, kein gutes Einkommen. Aber danke, dass sagen so nette Sachen zu mir.“

„Das sage ich nicht nur, das meine ich auch. Darf ich in einer Woche wiederkommen und Sie abholen? Nach Xujiahu Qu bringen?“

„Sie mich wollen? Wirklich?“

„Wissen Sie, Süßer Tau, was mich völlig schwach hat werden lassen?“

Sie richtete sich neugierig ein wenig höher auf und strahlte ihn an: „Sagen bitte, Shaoyé!“

„Ihr zauberhaftes Lispeln. Und die Gewissheit, dass Sie auch mit dieser kleinen Entstellung ein wunderschönes, niedliches und überaus liebenswertes Geschöpf sind.“

„Werden müssen verhandeln Preis dann.“

Clifford Baxter nickte: „Ja, eine Sache, der ich leider nicht so viel abgewinnen kann, aber für Sie gehe ich auch gerne über mein Limit.“

„Und Yí-Yuè bekommen Geld für Vermittlung.“

„Oh ja, das hat sie sehr geschickt eingefädelt. Mein Freund ist sehr erstaunt, was er sich da mit ihr eingehandelt hat.“

Tián-Lù kicherte: „Oh, sie ist sehr, sehr klug. Nix große Schönheit, nix große Erfahrung, aber ganz schlau.“

„Wir sind uns einig, liebe Tián-Lù?“

„Ja. Ich mich freuen sehr. Wünschen ich können weg hier schneller. Aber Fuß so schlecht.“

„Geduld, lange wird es nicht dauern. Und wenn es in einer Woche noch nicht sonderlich besser ist, dann komme ich und hole Sie - und wenn ich Sie bis nach Hause tragen muss!“

Sie schaute ihn bewundernd an und kicherte dann erneut.

Arthur war nicht sonderlich überrascht, als er die Entscheidung von Clifford mitgeteilt bekam: „Ich dachte es mir sogleich. Sie ist wirklich ganz reizend. Und diese kleine Narbe stört niemanden von uns, dich auch nicht, habe ich Recht?“

Mr. Baxter nickte: „So ist es. Und der Preis war überaus vorteilhaft. Ich war sehr erstaunt. Für sie hätte ich sogar noch mehr ausgegeben. Aber da ich ja noch nicht weiß, was die gute Yí von mir verlangt, lasse ich die letzten Notgroschen mal lieber im Säckel. Nicht, dass ich nach der Provisionszahlung ein armer Mann bin!“

„Ja, besser so. Frau Luna traue ich mittlerweile alles zu. Natürlich nicht im negativen Sinne, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Frau Luna ist gut. Ein schöner Kosename für Silberner Mond, finde ich, er passt richtig gut zu ihr.“

„Das finde ich auch. Und nun schnell nach Hause, bevor uns unterwegs die Dunkelheit überrascht.“

 






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